Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich lese die Hauptfrage vor:

1913/M-BR/2021

Wie kann die psychosoziale Versorgung durch klinisch-psychologische Behandlung für Betroffene leistbar gemacht werden?

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist meine erste Fragestunde im Bundesrat, ich freue mich darüber. Ich bin sehr gerne bei euch, und ich hoffe, ich kann viele Fragen beantworten. Ich werde mich bemühen.

Zur gestellten Frage, die die psychosoziale Versorgung betrifft: Das ist ein ganz zentra­les, wichtiges Thema, nicht nur, aber besonders auch jetzt in der Pandemiesituation. Man muss ehrlich sagen: Das bisherige Fehlen kassenfinanzierter klinisch-psychologi­scher Behandlungsmöglichkeiten führt derzeit in Österreich zu entsprechenden Lücken im Versorgungssystem. Die sind vorhanden.

Wir haben deswegen auch mit allen betroffenen Organisationen und den – unter Anfüh­rungszeichen – „Professionisten“ einen umfassenden Arbeitsprozess gestartet.

Auf der anderen Seite sind wir mit einem runden Tisch gestartet, sind jetzt in der Start­phase der Umsetzung und haben auch einen entsprechenden Dialog und eine Koope­ration mit der Gesundheitskasse, die sich da sehr, sehr bemüht – das muss ich dazu­sagen –, zu Lösungen beizutragen.

Im Rahmen der derzeit bestehenden Berufsgesetze sind in Österreich ja grundsätzlich alle Grundlagen auch im Hinblick auf die geforderte Gleichbehandlung der klinisch-psy­chologischen Behandlung insbesondere auch durch das Psychologengesetz bereits ge­geben, da klinisch-psychologische Behandlungen seit dem 1.1.1991 analog zu den psy­chotherapeutischen Behandlungen rechtlich abgesichert sind. Für eine sozialversiche­rungsrechtliche Regelung zur entsprechenden Finanzierung leistbarer Behandlung sind daher die grundsätzlichen Voraussetzungen gegeben.

Die klinisch-psychologische Behandlung schließt alle bekannten Diagnosen der ICD-10 ein und besitzt darüber hinaus auch Ansätze für die Behandlung psychischer Aspekte von somatischen Erkrankungen.

Die legistischen Maßnahmen, um die klinisch-psychologische Behandlung als Pflichtleis­tung zu etablieren – vergleichbar mit den ärztlich-psychiatrischen oder psychotherapeu­tischen Behandlungen, welche als Pflichtleistungen etabliert sind –, sind im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen zu treffen. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten für psy­chotherapeutische Leistungen derzeit sehr unterschiedliche Tarife haben, zu bereinigen, da diese Unterschiede auch für Patientinnen und Patienten schwer durchschaubar sind und auch zu entsprechenden Konsequenzen führen.

Lassen Sie mich abschließend noch einen Satz sagen: Gerade die gestern wieder auf­gezeigten Themen, die die psychische Gesundheit während der Pandemie betreffen, und negative Auswirkungen werden dazu führen, dass wir in den nächsten zwei, drei Wochen auch einen eigenen Beraterstab im Gesundheitsministerium konstituieren wer­den, der sich ausschließlich mit diesen Themenfeldern auseinandersetzt.

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Danke, Herr Minister. Damit haben Sie meine Zusatzfrage auch schon beantwortet. – Danke sehr.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das österreichische Psychotherapiegesetz ist 25 Jahre alt. Eine Überarbeitung ist dringend notwendig, um die Ausbildung mit jener in anderen europäischen Staaten vergleichbar zu machen. Gibt es dafür einen Zeitplan?

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Kollegin, die Analyse ist absolut richtig, ich kann ihr zu 100 Prozent zustimmen. Gerade auch unter dem Eindruck der schwierigen Bewältigung der Pandemie ist es notwendig, dass die Reform des Psychotherapiegesetzes in ent­sprechenden Etappen Schritt für Schritt abgewickelt wird. Hierzu bedarf es verschie­dener Vorgangsweisen.

Zunächst ist eine Reform der Expertise des Psychotherapiebeirates unter Einbeziehung der Standesvertretung erforderlich. Da sind die entsprechenden Vorbereitungsarbeiten und Weichenstellungen durchgeführt.

Als weiterer Schritt ist eine Klarstellung des Beschwerdemanagements, insbesondere der verfassungskonforme Entzug der Berufsberechtigung durch die Bezirksverwaltungs­behörden, geboten, wobei eine solche Klarstellung immer auch die anderen vergleichbar geregelten Berufe etwa aus den Bereichen der Musiktherapie, der klinischen Psycholo­gie und gesundheitspsychologische Bereiche erfassen muss.

Ein weiterer Punkt betrifft die Reform der Berufspflichten samt allfälliger Regelungen zur Onlinetherapie.

Schließlich geht es auch um die Reform der Psychotherapieausbildung, die in Zukunft fachliche Qualität bei gleichzeitiger Qualitätssicherung gewährleisten soll. Die Reform der Psychotherapieausbildung soll unter Beachtung internationaler Vorbilder, insbeson­dere jenes aus Deutschland, das wir für durchaus vorbildhaft halten, erfolgen. In Ent­sprechung dessen sollte es zur Ermöglichung einer universitären Ausbildung – das ist unser Ziel –, also der Absolvierung eines Psychotherapiestudiums mit einem Bachelor- und Masterabschluss samt einer weiteren Ausbildungsphase zum praktischen Kompe­tenzerwerb, insbesondere in psychotherapeutischen Ambulanzen, kommen.

Sie sehen also: Es ist eine sehr komplexe Aufgabe, die da vor uns liegt. Aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen, deren Ende noch nicht abzusehen ist – damit ist die Pandemiephase angesprochen, und damit auch die sehr intensive Belastung beider Sei­ten, erstens unseres Hauses und zweitens auch der betroffenen Standesvertretungen, die wir selbstverständlich intensiv in die Erarbeitung einbauen –, ist ehrlicherweise da­von auszugehen, dass die zuerst genannten Punkte möglichst bis Ende 2021 – das ist unser Ziel – zu erledigen sind und die groß angelegte Ausbildungsreform als Paket, als Ganzes in der Folge, jedenfalls aber zumindest bis Ende des Jahres 2022 abgeschlos­sen sein sollte.

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Vielen Dank für den Ausblick.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling gemeldet. – Ich bitte um Ihre Zusatzfrage.

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Die Coronapandemie und die damit ver­bundene Vereinsamung der Menschen wird schwere psychische Schäden hinterlassen. Herr Bundesminister, werden Sie dafür Sorge tragen, dass den Krankenversicherungs­trägern ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Versor­gung der Bevölkerung mit psychotherapeutischen und psychologischen Leistungen im tatsächlich benötigten Umfang gewährleistet werden kann? – Danke.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, danke für die Frage, sie trifft einen zentralen Punkt und hängt ja auch unmittelbar mit dem bereits Gesagten zusammen.

Ja, wir sind mit der Gesundheitskasse in einem sehr intensiven Dialog. Ich kann bestäti­gen, dass zum Beispiel vor allem Kollege Huss diese Intentionen ganz intensiv unter­stützt und mitträgt, auch aufgrund seiner Erfahrungen aus Salzburg. Wir haben den Grundkonsens, dass wir diese Verbesserungen gemeinsam verwirklichen wollen.

Der zweite Teil der Frage, die Sie gestellt haben, intendiert – und das ist ja eine absolut richtige, zutreffende Analyse –, dass dafür natürlich auch die finanziellen Handlungs­möglichkeiten für die Gesundheitskasse vorhanden sein müssen. Deswegen wäre es mein Lieblingsvorgehen, sage ich einmal, mein prioritäres Vorgehen, dass wir das dann klären, wenn wir die Entscheidungen über notwendige Unterstützungsmaßnahmen für die Gesundheitskasse aufgrund der Auswirkungen der Covid-Pandemie treffen. Da ist paktiert, dass wir auf Basis des Jahresabschlusses 2020 im Mai 2021 entsprechende Qualitätsverbesserungen im Bereich der Gesundheitskasse in die Gesamtentscheidung integrieren, und da steht für mich die Frage der Verbesserung im Bereich der psychoso­zialen Versorgung ganz vorne.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Mar­lies Steiner-Wieser gemeldet. – Ich bitte um Ihre Zusatzfrage.

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Minister, Sie haben vorhin erwähnt, die psychosoziale Versorgung ist ein zentrales Thema. Auch für uns Freiheitli­che ist das wichtig. Daher haben wir bereits am 5. November hier einen Antrag zum Thema psychosoziale Versorgung in Österreich, betreffend eine grundlegende Reform der psychischen Versorgung in Österreich, eingebracht.

Im Zuge der Reform sollte eine Gleichbehandlung der Berufsgruppen klinische Psycho­logen, Psychiater und Psychotherapeuten angestrebt und gesetzlich verankert werden. Dieser Antrag wurde beschlossen. Es gibt darüber also einen gültigen Beschluss des Bundesrates.

Meine Frage lautet: Wann setzen Sie diesen gültigen Beschluss um? Ist auch tatsächlich garantiert, dass es eine gesetzliche Verankerung der Gleichstellung der Berufsgruppen gibt?

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, da lassen sich aus meiner Sicht, in meiner Antwort, konkret drei Punkte darstellen, nämlich erstens: Ich finde es sehr, sehr begrü­ßenswert, dass es in diesen Grundsatzfragen der psychischen Gesundheitsversorgung in Österreich offensichtlich auch in diesem Haus einen Grundkonsens gibt. Das ist sehr positiv, es ist auch für unsere Intentionen im Haus eine große Unterstützung.

Zweitens: Ja, wir hatten in der Vergangenheit schon Konkurrenzsituationen zwischen den unterschiedlichen Ausrichtungen und auch Ausbildungen – das muss man auch da­zusagen – im Bereich dieses großen Themenfeldes der psychosozialen Versorgung in Österreich. Diese festgestellte oder behauptete – ich will es jetzt gar nicht bewerten – Ungleichbehandlung ist sicher in der Vergangenheit lähmend und störend gewesen. Deswegen ist es das erklärte Ziel, das ganz in dem genannten Sinn zu verändern und zu korrigieren – genau mit diesen Reformschritten, von denen ich vorhin zu einer der vorherigen Fragestellungen berichtet habe.

Die Zeitetappen sind auch ein zentraler, integraler Bestandteil. Deswegen haben wir im Übrigen auch zu diesem großen runden Tisch, der der Startschuss für unseren Arbeits­prozess gewesen ist, alle gleichberechtigt eingeladen. Auch in der derzeitigen Umset­zungsphase sind alle gleichberechtigt gemeinsam an diesem Tisch vertreten und in die­sen Arbeitsprozess integriert, damit wir mit einer Gleichbehandlung etwas Großes, Ge­meinsames, Ganzes realisieren.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Danke, Herr Bundesminister. Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1914/M-BR/2021.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Bernhard Hirczy, um die Verlesung der Anfrage.