16.03

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Kollegen Bundesräte! Herr Kanzler! Herr Bildungsminister! Herr Kanzler, herzlich willkommen im Bundesrat! Es freut mich wirklich ungemein, dass Sie den Weg hierher gefunden haben – etwas verspätet, aber trotzdem. Sie haben den Weg in den Bundesrat gefunden, obwohl Sie mit der Verfassung und ein wenig mit dem Zweikammersystem in Österreich Ihr Problem haben.

Wir als FPÖ laden Sie aber natürlich gerne zu einer Dringlichen Anfrage zu uns in die Länderkammer. Und wer weiß, Herr Kanzler, vielleicht sollten wir das in Zukunft viel öfter machen, um Ihrer Erinnerung in Sachen Länderkammer immer wieder ein wenig auf die Sprünge zu helfen. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist nämlich wirklich eine Schande, wie spe­ziell Sie, Herr Kanzler, aber auch die ÖVP derzeit mit der Länderkammer umgeht. In Sonntagsreden predigt die ÖVP den geliebten Föderalismus und strapaziert ihn täglich aufs Höchste, nun aber ist sie jene Partei, die den Föderalismus mit Füßen tritt, denn immer wieder wird von dieser Regierung versucht, den Bundesrat zu overrulen und zu überrumpeln. Doch das hat nun endgültig ein Ende. Wir werden Sie, Herr Kanzler, wie­der lehren, wie man mit dem österreichischen Parlamentarismus umzugehen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich bezahlt derzeit einen sehr hohen Preis für seine Regierung. Vergessen Sie aber eines nicht, Herr Kanzler, wir Österreicher müssen auch nach Ihrer Regentschaft noch in diesem Land leben! Deshalb werden Sie sich ganz einfach in Zukunft öfter für Ihre Entscheidungen, die Sie treffen, hier im Bundesrat erklären müssen. Wir als FPÖ-Fraktion geben Ihnen diese Gelegenheit natürlich sehr gerne. Heute beginnen wir mit einer Anfrage in Sachen Bildungseinrichtungen.

Ich möchte mich aber noch ganz herzlich bei Bundesminister Faßmann bedanken, dass er auch zur Debatte über diese Dringliche Anfrage gekommen ist. Das zeigt eine wahre Wertschätzung der Länderkammer. (Beifall bei der FPÖ.)

Herrn Bundesminister Faßmann sowie auch unzähligen Medienberichten und Aussagen Ihrerseits, Herr Kanzler, zufolge sind die Schulschließungen ja mittlerweile zur Chefsa­che geworden. Natürlich müssen wir dann den Chef dazu befragen und nicht jenen Mi­nister, der zwar laut Bundesministeriengesetz dafür zuständig wäre, aber de facto weder eine Antwort geben noch eine Entscheidung ohne Sie, Herr Kanzler, treffen kann. Ein altes Sprichwort besagt – wir kennen es alle –: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. – Somit mussten wir natürlich Sie, Herr Kanzler, zu uns in den Bundesrat laden. (Bundes­rat Seeber: Geh, bremst euch doch ein!)

Seit 23. Dezember sind unsere Schulen – mit einer kurzen Öffnungsphase – de facto geschlossen und werden es wohl, wenn es nach Ihrem Kopf geht, Herr Kanzler, weiter­hin bleiben. Nicht nur wir drängen auf Schulöffnungen, nein, eine ganze Reihe von nam­haften Experten spricht sich seit Wochen und Monaten für eine Öffnung unserer Schulen aus. Deshalb fordern wir ganz klar, Herr Kanzler: Öffnen Sie unsere Bildungseinrichtun­gen! (Beifall bei der FPÖ.)

Mittlerweile gibt es unzählige Studien und Fachmeinungen, die eine Öffnung ganz klar befürworten und eben auch auf die Auswirkungen für Kinder, Eltern, Lehrer, für die Wirt­schaft und auf die Zukunftsperspektiven eingehen. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel erhob in einer Studie das erschreckende Ergebnis Ihrer Schulschließungen: Viele hätten die Lernfreude verloren, seien verzweifelt und machen sich ernste Sorgen um ihre Zukunft.

Spätestens jetzt, Herr Kanzler, müssten bei Ihnen alle Alarmglocken schrillen. Herr Kanzler, wenn zehnjährige Kinder sich Sorgen um ihre Zukunft machen müssen, dann stimmt in diesem Land etwas ganz gewaltig nicht. Kinder sollten unbeschwert und mit so viel Bildung wie nur möglich aufwachsen dürfen. Kinder müssen unbeschwert mit Freunden spielen, Freunde treffen können, um eine möglichst glückliche Kindheit erle­ben zu können. Wo, Herr Kanzler, haben Sie uns hingeführt? Herr Kanzler, in welche Zukunft führen Sie unsere Kinder gerade? Sie verantworten nun Kinder, die sich mit zehn Jahren Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Ja, sagen Sie einmal, geht’s noch?!

Die zehnjährige Sophie aus Kärnten – wir haben es hoffentlich alle gelesen –, appelliert mit zehn Jahren in einer Tageszeitung: „Wir brauchen Bildung!“ – Und recht hat sie mit ihren zehn Jahren! Deshalb können wir als FPÖ nicht länger zuschauen und werden auch nicht länger zulassen, dass die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen ein weite­res Opfer dieses selbstherrlichen Kanzlers und seines Egotrips werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb gilt nur eines und deshalb kann es nur eine Forderung geben: Sperren Sie un­sere Bildungseinrichtungen wieder auf, Herr Kanzler!

Ich muss mich bei diesem Thema wirklich fragen, wo unser Bundespräsident die ganze Zeit ist. Wenn es um Flüchtlinge geht oder wenn es darum geht, auf die FPÖ zu schimp­fen, ist er sofort zur Stelle, geht es aber um die Zukunft, geht es um die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen, findet dieser Greis aus seinem Raucherkammerl nicht heraus, um nur ein einziges Mal ein vernünftiges Wort zu verlieren – eigentlich bezeichnend für einen Grünen.

Apropos Grüne – schauen Sie einmal auf und nicht aufs Handy, Herr Kollege Schreu­der! –: „Wen würde der Anstand wählen?“ – Na wo ist denn euer Anstand gegenüber unseren Eltern, unseren Kindern und unseren Jugendlichen, gegenüber unseren Leh­rern? (Bundesrat Seeber: Jaaa, jaaa!) Wo habt ihr euren Anstand, liebe Grüne? Schämt euch in Grund und Boden für eure türkise Politik! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Aufgrund dieser Politik kam eine Studie von Herrn Professor Wieland Kiess auf Folgen­des: Jedes fünfte Kind sagt sogar, es werde nie wieder so sein, wie es vor der Krise war.

Ich darf den Direktor der Leipziger Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin ein weiteres Mal zitieren, der in seiner Studie sagt, Herr Kanzler: Wenn Sie unseren Kindern schaden wollen, dann sind Schulschließungen sehr effektiv.

Auch nach der Covid-19-Clusteranalyse der Ages vom 16.12. – also relativ neu – gibt es nur einen Schluss: Schulen auf, Herr Kanzler! Es gab in den Daten keine Anzeichen dafür, dass Bildungseinrichtungen Coronahotspots sind. Diese Analyse kommt auch zum Schluss, dass der Lockdown an den Zahlen nichts geändert hat. Die schreiben in ihrer Studie: Wir sind mit der Inzidenz in der Kalenderwoche 50 bei den unter 90-Jäh­rigen dort, wo wir in der Kalenderwoche 42 waren, als die Schulen noch für alle geöffnet hatten. Auch Untersuchungen in England und Schottland haben ergeben, dass Schul­schließungen keinen Unterschied im Infektionsgeschehen gemacht haben.

Derzeit – und das muss man sich einmal vorstellen – sind 50 Prozent aller schulpflichti­gen Kinder täglich in unseren Schulen. Na warum wird das denn wohl so sein, Herr Kanzler? – Ja, weil die Eltern schlichtweg nicht mehr anders können! Eltern und Schüler sind an ihrer psychischen und physischen Belastungsgrenze!

Im Ö1-Journal gestern Morgen – ich hoffe, Sie haben es auch gehört – sagte Paul Plener vom AKH Wien, sie müssen die Kinder derzeit quasi triagieren, weil die Abteilung über­füllt ist. Sie haben in der kinderpsychiatrischen Einrichtung keinen Platz mehr, um acht- bis zwölfjährige Kinder stationär aufzunehmen. Was richten Sie, Herr Kanzler, da gerade an? (Beifall bei FPÖ.)

Wir werden mit Nachrichten überhäuft, die uns Eltern, aber auch Kinder schreiben und in denen sie ihre Verzweiflung schildern. Mir braucht hier niemand von der ÖVP und den Grünen zu erzählen, dass Sie nicht auch solche Nachrichten mit verzweifelten Hilferufen bekommen. Kinder sowie auch Eltern können einfach nicht mehr, sie sind fertig, sie sind mit ihren Nerven am Ende.

Herr Kanzler, erklären Sie uns allen einmal, wie lange eine alleinerziehende Mutter Haushalt, Arbeit, Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder noch schaukeln muss! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wie lange wollen Sie persönlich unseren Eltern und Kindern diesen Zustand noch zumuten?

Studien aus Frankreich belegen ganz klar, dass im Frühjahrslockdown die Gewalt an Kindern um über 50 Prozent gestiegen ist. Die Kinder in den Psychiatrien werden immer mehr und mehr, und dafür muss es doch einen Grund geben! Das kann es doch nicht sein! Herr Kanzler, was ist denn mit Ihnen los? (Beifall bei der FPÖ.)

Tausende Kinderseelen in Österreich weinen, und Sie lässt das völlig kalt – Hauptsache, die PR-Maschinerie läuft. Unglaublich, Herr Kanzler – so viel Empathielosigkeit, so viel Herzlosigkeit habe ich wirklich noch selten erlebt. Ich frage mich wirklich: Wie kann ein Mensch nur so werden? Wo ist Ihr Gewissen, Herr Kurz? Sperren Sie unsere Schulen und unsere Bildungseinrichtungen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

Bildung ist der Schlüssel, Bildung ist die Startrampe für ein gelungenes Leben. Sie, Herr Kurz, haben diese Rampe für Generationen mit vollem Vorsatz zerstört. Nur ein einziges verlorenes Schuljahr kann später zu Einkommenseinbußen von 7 bis 10 Prozent führen. Das bedeutet pro Monat Schullockdown einen jährlichen Einkommensverlust von 100 bis 200 Euro – pro betroffenem Schüler. Es ist ein Wahnsinn, was Sie gerade mit der Zukunft unserer Kinder aufführen.

Auch die Kosten für unser Gesundheitssystem werden steigen, denn jeder Tag ohne Bewegung kostet unserem Gesundheitssystem langfristig mehr. Ob das unserem Cha­os-Rudi im Gesundheitsministerium bewusst ist, darf allerdings bezweifelt werden, noch dazu mit diesem Sportminister, den die Republik derzeit ertragen muss.

Herr Minister Faßmann, Sie tun mir ja fast schon leid. Jetzt muss man sich einmal vor­stellen: Man ist der Experte in Sachen Bildung, und dann muss man sich jedes Mal von einem Studienabbrecher alles anschaffen und diktieren lassen. (Bundesrat Seeber: Jetzt hör doch einmal auf! Was bist denn du? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Faßmann, ich würde an Ihrer Stelle besser heute als morgen den Hut nehmen.

Jetzt haben Sie es sogar mit einer eigenen Studie versucht, die klar zum Ergebnis kam, dass Ansteckungen in Schulen weit unter jenen in allen anderen Bereichen liegen – nichts hat es genützt, denn unser Sonnenkönig wusste es wieder einmal besser und die Schulen bleiben zu. (Bundesrat Seeber: Das ist ja primitiv!) Jetzt versucht Herr Faß­mann verzweifelt, mit seinem Nachhilfeplan noch zu retten, was zu retten ist, allerdings wird es nicht mehr viel zu retten geben, wenn Sie, Herr Kanzler, nicht sofort die Schulen wieder aufsperren. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die Studie des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten kommt zum selben Ergebnis wie Ihre Studie, Herr Faßmann: Ein schwerer Krankheitsverlauf bei Kindern ist selten. Ansteckungen und Übertragungsgefahr bei Kindern sind äußerst selten. Die Schulen sind selten bis nie Hotspots. – Somit kommt auch diese Studie zum Schluss: Nach Abwägung aller Folgen für Kinder, Eltern und Ge­sellschaft können Schulschließungen nur im äußersten Notfall überhaupt infrage kom­men.

Mit dem Wissen aus all diesen Studien muss ich fast glauben, dass Sie an einer Art Realitätsverweigerung leiden, Herr Kanzler, denn anders kann ich mir Ihre Starrköpfig­keit in Bezug auf die Schulöffnungen, wider alle Expertenmeinungen und Studien, nicht erklären – außer, Herr Kanzler, Sie besitzen Informationen, die Sie den Österreichern bewusst vorenthalten und die eine weitere, längere Schulschließung rechtfertigen wür­den. Wenn ja, dann bitte ich Sie um eine Antwort, Sie haben heute hier die Gelegenheit dazu. Wenn nicht, Herr Kanzler, dann gibt es nur eines: Sperren Sie unsere Bildungsein­richtungen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie brauchen mir jetzt aber auch nicht mit der neuen britischen Virusvariante B.1.1.7 daherzukommen oder damit, dass Kinder und Jugendliche vermehrt an dieser Variante erkranken würden, denn das hat die britische Gesundheitsbehörde schon widerlegt.

Viele Hoffnungen auf eine baldige Öffnung der Schulen mache ich mir bei dieser Regie­rung allerdings nicht, denn bei dem Chaos, das die handelnden Personen in allen Be­reichen hinterlassen, habe zumindest ich kein Vertrauen mehr. Ich denke nur an das Maskenchaos im März: Zuerst hieß es, Masken sind sinnlos, nützen nichts, dann musste man die Stoffmasken tragen – bis Sonntag waren diese Masken noch Lebensretter. Seit Montag wissen wir: Wir haben mit diesen Masken nichts gerettet. Wer soll Ihnen noch glauben, Herr Kanzler? Ihre unzähligen Coronamärchen und Angstgeschichten brechen mittlerweile wie ein billiges Kartenhaus in sich zusammen. (Bundesrat Seeber: Ihr lebt in einer Blase! – Bundesrat Ofner: ... Südtirol!) Hören Sie auf damit, Herr Kanzler, in der Bevölkerung Sündenböcke für Ihre eigene verkorkste Politik zu suchen!

Über den grünen Chaos-Rudi will ich erst gar nicht zu reden anfangen (Bundesrat See­ber: Ist eh besser, interessiert eh keinen!) – dieser wird in einer österreichischen Tages­zeitung als „politischer Totalschaden“ bezeichnet, und dieser Bezeichnung stimme ich zu 100 Prozent zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines noch zum Abschluss, Herr Kurz: Ich habe meiner 90-jährigen Oma versprochen, Ihnen etwas auszurichten, und da ich ein braver Enkel bin, nütze ich die Gelegenheit und mache das natürlich. Ich soll Ihnen Folgendes mitgeben: Es ist nicht jeder für alles geeignet! So sind Sie, Herr Kanzler, nicht dafür geeignet, über unsere Schulen zu be­stimmen. Sperren Sie also unsere Schulen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

16.20

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundes­kanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.