17.18

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte anfangs auf zwei Sachverhaltsdarstellungen eingehen, also das ist keine tat­sächliche Berichtigung, aber ich möchte ein bissel korrigieren. Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, Kinder können sich genauso anstecken wie Erwachsene. Genauso stimmt zwar qualitativ, aber nicht quantitativ.

Nach den letzten Studien können sich Kinder und Jugendliche ungefähr zur Hälfte so „effektiv“ anstecken wie Erwachsene. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz.) Das macht schon einen Unterschied dabei, wie intensiv die Maßnahmen sind, die man setzen muss, um die Ansteckungen zu verhindern.

Der zweite Punkt: Kollegin Berger-Grabner hat aus der Studie betreffend Schulschlie­ßungen – aus der Untersuchung der Uni Oxford über die Effektivität von Schulschließun­gen zitiert. Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Das Erste ist: Das sind Daten aus der sogenannten ersten Welle von Jänner bis Mai, in der es an den Schulen überhaupt keine Infektionsreduktionsmaßnahmen gegeben hat. Zweitens ist aus dieser Studie, wie das in den Medien auch öfters korrekt wiedergegeben wird, nicht differenziert: Was ist der primäre Effekt, was ist der sekundäre Effekt?

Ein vermutlich hoher Anteil der Effektivität dieser Schulschließungen ist, dass die Eltern ihre Kontakte reduzieren müssen. (Bundeskanzler Kurz: Ja, eh! Das ist ja logisch!) Wenn Sie das anerkennen, dann ist die Frage, ob man diese zwei Effekte auseinanderdröseln kann: auf der einen Seite Kontaktreduktion der Eltern beziehungsweise, wenn Eltern Kon­takte haben, dort die Ansteckungsmöglichkeiten zu reduzieren, und auf der anderen Sei­te Kinder, die in die Schule gehen, und dort die Ansteckungsmöglichkeiten reduzieren.

Als Nächstes möchte ich, wie ich das bekanntlich öfters mache, auf die unpräzise Spra­che eingehen, die auch in diesem Zusammenhang gerne verwendet wird und verdeckt, worum es eigentlich geht. Wir haben heute wieder öfters gehört: Schulen nehmen am Infektionsgeschehen teil, beziehungsweise: Kinder nehmen am Infektionsgeschehen teil, oder auch: das Infektionsgeschehen an den Schulen. Die Ungenauigkeit beginnt beim Wort Infektionsgeschehen. Was ist denn Infektionsgeschehen? – Ich würde unter dem Wort verstehen, dass eine Ansteckung stattfindet. Das verstehe ich unter Infek­tionsgeschehen. Das, was die Studien untersuchen, auf die sich diejenigen beziehen, die vom Infektionsgeschehen reden, sind jedoch Prävalenzstudien, und Prävalenzstu­dien untersuchen, wer infiziert ist oder wie viele Personen infiziert sind. Diese Prävalenz­studien treffen überhaupt keine Aussagen darüber, wo die Infektion stattgefunden hat.

Zweiter Punkt: Infektionsgeschehen an den Schulen ist insofern genauso irreführend, denn es ist keine Aussage darüber, ob an den Schulen Ansteckungen stattfinden. Man hat vielmehr Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Pädagoginnen und Pädagogen untersucht, und das eben, weil es sehr praktisch ist, am Ort ihrer beruflichen Tätigkeit oder am Ort ihrer Ausbildung und nicht zu Hause oder in einer Teststraße. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt jetzt Daten über Ansteckungen an Schulen in einem sehr aktuellen Policy Brief des Complexity Science Hub Vienna und der Ages gemeinsam mit der Med-Uni Wien und der TU Graz vom 20. Jänner 2021. Nach Schultypen aufgliedert findet sich da, ob Clusterbildungen, die tatsächlich an Schulen erfolgt sind, von Lehrerinnen und Lehrern beziehungsweise Schülerinnen und Schülern ausgegangen sind, woraus man erkennen kann, dass man sehr stark zwischen den Schultypen beziehungsweise nach dem Alter der Schülerinnen und Schüler differenzieren muss. An Volksschulen haben Cluster ihren Ursprung fast ausschließlich bei Lehrerinnen und Lehrern, während hingegen an den Oberstufen fast 80 Prozent der Cluster von Schülerinnen und Schülern ausgehen. Was lernen wir daraus? – Dass man, wenn man Maßnahmen an Schulen setzt, altersmäßig differenzieren muss und kann, was ja teilweise ohnehin schon passiert. Die Frage, die sich daher politisch stellen sollte, ist: Wie schaffen wir es, Präsenzunterricht zu ermögli­chen? Welche Maßnahmen sind dazu notwendig?

Davor möchte ich auch noch auf eine Inkonsistenz eingehen, die mir aufstößt: Am Ar­beitsplatz dürfen sich Personen aus mehreren Haushalten den ganzen Tag im selben Raum aufhalten, wenn nur Trennwände oder Plexiglaswände aufgestellt werden. An den Schulen, wo sich auch Personen aus mehreren Haushalten zumindest den halben Tag aufhalten, sind offenbar ganz andere Standards erforderlich.

Ich möchte jetzt nicht in die Richtung gehen, dass man sagt, man kann Schulen beden­kenlos öffnen, wenn man nur Plexiglastrennwände zwischen den Schülerinnen und Schülern aufstellt, sondern eigentlich in die andere Richtung. Wenn man tatsächlich et­was zur Verminderung der Infektionszahl tun möchte, dann muss man am Arbeitsplatz ansetzen und dort davon abgehen, dass man suggeriert, Plexiglastrennwände zwischen Arbeitsplätzen in Großraumbüros wären geeignete Maßnahmen zur Infektionsreduktion.

Um noch konkret auf den Entschließungsantrag der FPÖ einzugehen: Da steht drinnen: „Sicherstellung eines regulären Unterrichts“. Jetzt werde ich dem zwar zustimmen, aber ich glaube, ich verstehe nicht genau das Gleiche wie Sie unter regulärem Unterricht. Deswegen möchte ich das noch erläutern, damit es da keine Missverständnisse gibt.

Ich verstehe unter regulärem Unterricht nach den Semesterferien nicht den regulären Unterricht, wie er zum Beispiel vor zwei Jahren in Schulen stattgefunden hat. (Die Bun­desrätInnen Schumann und Schennach: Das ist das Problem!) – Na ja, die SPÖ hat offenbar auch mit dem Wort „regulär“ ein Problem. Wenn man das vielleicht vorher ab­gestimmt hätte, wäre eine breitere Zustimmung möglich gewesen.

Welche Maßnahmen sind notwendig, um Präsenzunterricht an den Schulen nach den Semesterferien zu ermöglichen? – Ausgehend von dieser Studie der Ages und des CSH gibt es wunderschöne Handlungsempfehlungen, die nach Schultypen und nach Alters­klassen der Schülerinnen und Schüler differenzieren. Da die Infektiosität altersabhängig ist, genügen an Volksschulen geringere Interventionen als in der Sekundarstufe I oder gar in der Sekundarstufe II. Das sind Maßnahmen wie Lüften, also Frischluftzufuhr, wö­chentliche Testung der PädagogInnen, Schülerinnen und Schüler, Maskenpflicht zumin­dest in der Sekundarstufe – wobei man da auch noch genauer differenzieren könnte, was den Schutzgrad der Masken betrifft, zum Beispiel: FFP2-Masken in der Sekundar­stufe II ab 14, darunter Mund-Nasen-Schutz oder Stoffmaske ‑, halbierte Klassen oder eine Entzerrung der Besucherströme, wobei das in den Schulen nicht das richtige Wort ist. Es geht aber darum, zu versuchen, dass sich Schülerinnen und Schüler einer Klasse nicht mit Schülerinnen und Schülern anderer Klassen vermischen, sei es in der Früh zu Schulbeginn, in den Pausen, zu Mittag beim Verlassen der Schule oder, noch schlimmer, in der Nachmittagsbetreuung, die an vielen Schulen immer noch klassenübergreifend durchgeführt wird, was völlig kontraproduktiv ist.

Deswegen ist das Fazit: Setzen wir die Prioritäten richtig und schaffen wir in den Schulen die Rahmenbedingungen, damit nach den Semesterferien der Präsenzunterricht wieder möglich ist! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

17.28

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses.