17.40

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hoher Bundesrat! Sehr geehrter Herr Präsident! Auch wenn sich die Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler richtet, habe ich meinen Terminplan gern umgestellt, um mit Ih­nen über die angesprochene Problematik zu diskutieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich schätze die Diskussionen im Bundesrat, weil sie in der Regel immer sachorientiert ablaufen – in der Regel; heute vielleicht nicht immer, heute ist vielleicht der kurzfristige politische Effekt im Vordergrund. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) Nichtsdesto­trotz: Ich stelle mich gern dem Bundesrat zur Verfügung und diskutiere über diese Pro­blematik. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Mit der Dringlichen Anfrage wird ein grundsätzliches Dilemma angesprochen: Wie gehen wir mit Schulen, mit Hochschulen, auch mit elementaren Bildungseinrichtungen, sprich Kindergärten und Kinderkrippen, in Zeiten der Pandemie um? – Da gibt es kein einfa­ches Rezept, weil es auch insgesamt keinen Masterplan gibt, den man aus der Lade nimmt und der da lautet: Vom richtigen Umgang mit einer Pandemie!

Unsere Gesellschaft hat so eine Situation insgesamt noch nie erlebt. Natürlich, wir haben immer wieder Naturkatastrophen, wir haben wirtschaftliche Einbrüche, wir haben soziale Verteilungskonflikte, aber eine Pandemie, die letztlich nur sehr mühsam unter Kontrolle zu halten ist, weil sie uns auch immer wieder zu entgleiten droht – Stichwort Mutatio­nen –, hat es so noch nicht gegeben. Ich bitte, das wirklich bei all den parteipolitischen Gegensätzen, die unzweifelhaft vorhanden sind, auch so zu sehen, wie es ist.

Meine Damen und Herren, die Schulen, Hochschulen und die elementaren Bildungsein­richtungen sind besondere Orte. Das müssen Sie weder dem Kanzler noch mir sagen, da sind wir in der Regierung ganz einer Meinung. Sie dienen der Wissensvermittlung, der Sozialisierung und der Prägung der nächsten Generation. In den Schulen, in den Hochschulen, in den Bildungseinrichtungen generell kommen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zusammen, sie tauschen sich aus, sie lernen voneinander, sie tragen Konflikte aus, sie schließen Freundschaften. Schulen, Hochschulen, Kinderbetreuungs­einrichtungen sind die Werkstätten der Zukunft – das ist ein oft verwendetes Wort, aber es ist ein korrektes Wort. Ich sehe es daher als meine Aufgabe an, darauf auch immer wieder hinzuweisen, und mein Wirken zielt klarerweise auch darauf ab, die richtigen Rahmenbedingungen und die Funktionstüchtigkeit dieser Bildungseinrichtungen in den schwierigen Zeiten der Pandemie sicherzustellen.

Es sind schwierige Zeiten – das ist ja gar keine Frage –, und dennoch ist uns viel ge­lungen. Stichwort Digitalisierung: Wir haben im Rahmen der Digitalisierung noch nie so einen Sprung wie in den letzten Monaten gemacht. Stichwort Förderplan: Das sagt sich so leicht: Ach, es sind ja nur 200 Millionen Euro und das wird nicht ausreichen! – Wissen Sie, es sind 200 Millionen Euro Steuergelder, die sinnvoll verwertet und verwendet wer­den, und ich denke, auch aus Respekt den Steuerzahlern gegenüber sollte man diese 200 Millionen Euro nicht immer kleiner machen, als sie sind. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Stichwort Betreuung in den Schulen: Wir haben den Spagat gewagt und es ist gelungen, eine Situation herzustellen, in der die Schule für Betreuungsfunktionen offensteht. Wir haben damit Eltern geholfen. Wir haben keine Fragen gestellt – sind Sie jetzt systemkri­tisch beschäftigt? (Rufe bei der SPÖ: Na ja!) –, denn systemkritisch sind letztlich alle Berufe in einer Gesellschaft. Wir haben dafür gesorgt, dass es für die Eltern in einer schwierigen Zeit leichter wird.

Meine Damen und Herren, ich wäre sicherlich deplatziert, wenn ich mich nicht für die Bildungseinrichtungen einsetze. Natürlich melde ich mich zu Wort, und natürlich bespre­chen wir mit dem Kanzler in der Bundesregierung Öffnungsschritte und Schließungs­schritte. Diese Diskussionen erfolgen auf einer rationalen Basis.

Ich muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass Schulen, Hochschulen und sonstige Bildungseinrichtungen eben keine isolierten Orte in der Gesellschaft sind. Natürlich schwappen Infektionen hinein, Infektionen finden ihren Weg zurück. Sie sind nicht Orte des eruptiven Geschehens wie vielleicht ein Starkbierfest, ein Almabtrieb oder manch­mal Fleischfabriken – all das war ja zu beobachten –, aber sie sind auch nicht frei von Ansteckungen. (Bundesrat Schennach: Ja, aber das ist ein anderes Thema! Das mit dem Almabtrieb zu vergleichen ist unerhört!) – Das mögen Sie so sehen, aber Sie haben es offensichtlich nicht ver- - (Bundesrat Schennach: Da geht es um Arbeitsbedingungen und Menschenausbeutung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich muss auch berücksichtigen, dass mit dem Öffnen der Bildungseinrichtungen 1,2 Mil­lionen Schüler und Schülerinnen und 300 000 Studierende im öffentlichen Raum unter­wegs sind. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen, denn eines ist klar: Das Virus braucht zur Verbreitung eine länger andauernde Mensch-zu-Mensch-Be­gegnung, damit die Aerosolübertragung überhaupt eine Chance hat.

Ich bin, meine Damen und Herren, als Fachminister von der Bedeutung der Schulen, der Hochschulen, der Bildungseinrichtungen insgesamt überzeugt. Daher haben wir auch Maßnahmen gesetzt, um die Schule, Hochschule wieder mit Präsenzlehre öffnen zu können. Ein Schichtbetrieb reduziert die Dichte um 50 Prozent und erlaubt es, Abstand zu halten. Ein Mund-Nasen-Schutz hemmt die Aerosolübertragung in einem eindeutigen und gesicherten Ausmaß. Regelmäßiges Lüften ist nicht nur die einfachste, sondern auch die effektivste Maßnahme, um für frische Luft im Klassenzimmer zu sorgen. Ein niederschwelliges, dezentrales und kostenfreies Testen gibt den Eltern, den Schülern, den Studenten die Gewissheit hinsichtlich einer ganz essenziellen Frage: Bin ich infek­tiös oder nicht? – Wir sind in diesem Punkt Pioniere. Mich rufen ausländische Kollegen an und fragen: Wie gelingt das? Wie machen Sie das?

Ich weiß, liebe FPÖ, gegen das Testen sind Sie auch (Bundesrat Dim: Nein!), aber wofür sind Sie dann? Für das Ignorieren der Infektion? (Ruf bei der FPÖ: Freiwilligkeit!) – Das, fürchte ich, ist leider kein Weg, der uns rasch zur Normalität zurückführt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Vielleicht zum Schluss auch noch ein persönliches Wort: Die Zeit ist schwierig, sie ist belastend – in erster Linie für die Bevölkerung, für politische Funktionsträger; für mich wohl auch, keine Frage, aber Kritik muss man aushalten, auch wenn es für einen Pro­fessor nicht immer ganz einfach ist. Kritik ist ein Stimulus für das Nachdenken und Re­flektieren: Habe ich alles richtig gemacht oder hat der Kontraredner in diesem einen oder anderen Punkt nicht doch recht? Dahin gehend ist Kritik, wenn sie nicht oberflächlich und banal ist, auch so wichtig und eine echte Stärke unseres demokratischen Systems.

Weil Sie so viele Fragen zum Rücktritt gestellt haben: Ich freue mich, diesem demokra­tischen System aktiv dienen zu dürfen. – Herzlichen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

17.48

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Nächste Rednerin: Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr das Wort.