13.13

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Kollegin Miesenbacher (Rufe bei der ÖVP: -berger!) – Entschuldigung, Kollegin Miesenberger, ich bitte, das zu entschuldigen –, ich glaube, dass noch so viele Beschwörungen der Solidarität, der Schutz des Gesundheitssystems, Durchhalten, Erwähnen von Tatsachen und so weiter eine Auseinandersetzung mit den Tatsachen nicht ersetzen.

Ich gehe jetzt einmal – nur zwecks einer sauberen, schönen, abstrakten Diskussion – davon aus, dass die Masken und die Tests wichtig und ein geeignetes Mittel sind, um die Epidemie in den Griff zu bekommen. Ich gehe davon nur aus Gründen einer ange­nehmen, schönen und klaren Diskussion aus. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Schauen wir uns ein paar Tatsachen an – Kollege Christoph Steiner aus dem Land Tirol lacht mich da gerade an –: Das Land Tirol leidet ja unter einer heimtückischen und sich besonders aggressiv vermehrenden Variante des Coronavirus, der südafrikanischen Mutation, und das seit über einem Monat. Nicht nur Deutschland – zuletzt auch Italien ‑, sondern auch das restliche Österreich hat die Grenzen zu Tirol geschlossen, und jeder, der das Bundesland verlassen will, muss sich testen lassen. Wahrscheinlich wird es so sein, dass die Zahl der Infizierten, wenn diese Variante einen Monat lang tobt, in Tirol so wie in Südafrika explodiert und die Infektionszahlen die höchsten in Österreich sind. In Südafrika wird es überhaupt katastrophal sein. Schauen wir das einmal an, öffnen wir eine heutige Tageszeitung! Die Siebentageinzidenz in Tirol beträgt 84,4 und ist daher nur geringfügig höher als in Vorarlberg; Vorarlberg und Tirol haben also die niedrigste Inzidenz. Hier im Osten ist sie fast doppelt so hoch: 145, 150, 142.

Wenn Sie also von Tatsachen und Vernunft ausgehen, dann müssten Sie die Testerei umdrehen, dann müsste jeder, der nach Tirol einreist, getestet werden, weil der Rest von Österreich offensichtlich gefährdet und Tirol ein sicherer Ort ist. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Eigentlich müssten wir diese gefährliche südafrikanische Variante in den Osten einschleppen, denn sie führt dazu, dass Tirol und Vorarlberg die niedrigsten Zahlen ha­ben. – Tun wir aber nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bun­desrates Bader, der sich anschließend telefonierend in den hinteren Bereich des Sit­zungssaales begibt.) – Lieber Kollege, diese Dinge, diese sogenannten Tatsachen, kön­nen Sie auch durch das Verlassen des Plenums nicht wegwischen – die sind da.

Oder schauen wir nach Südafrika, dem Hort und der Heimstätte dieses gefährlichen Kil­lervirus, dieser gefährlichen Mutation: Da muss ja die Siebentageinzidenz irgendwo bei 700 liegen – bei uns in Österreich liegt sie jetzt im Schnitt bei 130, in Wien und Nieder­österreich bei 147. Ich habe diesbezüglich auch in die Tageszeitung geschaut: Sie liegt – was schätzen Sie, Frau Kollegin Miesenberger? – bei 17,7 und damit schon bei den Traumwerten, die Ministerpräsident Söder in Merkelstan herbeisehnt, Werten, bei denen die Pandemie beendet werden kann. Irgendetwas an diesem Mix aus Glauben und Tat­sachen stimmt also gar nicht.

Gehen wir einmal davon aus, dass das, was ich jetzt zur Grundlage meiner Diskussion gemacht habe, nicht stimmt, oder gehen wir davon aus, dass wir auch das infrage stellen dürfen! Lassen wir diese Axiome, diese Glaubenssätze, keine Glaubenssätze mehr sein, sondern überprüfen wir sie! Was hat denn der Lockdown gebracht? Es gibt – wir haben es hier schon einmal erörtert – das berühmte Land Schweden, das sich als einziges bedeutendes europäisches Land dem Lockdown entzogen hat und daher auch kaum eine Wirtschafts- - (Bundesminister Anschober: Da haben Sie die Zeitungen nicht gele­sen!) – Ja? (Bundesminister Anschober: Wissen Sie, was in Schweden aktuell die Si­tuation ist?) – Ja? Was ist dort? (Bundesminister Anschober: Was haben wir dort – keinen Lockdown? – Ruf bei der FPÖ: Das wird aber nicht von der Redezeit abgezo­gen!) – Ich sage Ihnen das, Herr Minister: In Schweden hat man trotz des gewaltigen Drucks, der seit Monaten auf der Regierung lastet, bis jetzt keinen Lockdown gehabt. Jetzt wird die Regierung einknicken. Man müsste einmal schauen, wie verheerend die Ergebnisse in Schweden waren. Sie haben ja nicht nichts gemacht, sie haben auch Masken gehabt, aber sie haben den Tourismus, die Restaurants, die Hotels, den Einkauf offen gelassen, einen Lockdown hat es bis jetzt nicht gegeben. Da müsste es ja eigent­lich eine enorme Zahl von Toten geben.

Ich will jetzt nicht die Zahl der Toten nennen – ich finde, das ist einfach nicht in Ord­nung ‑, aber wir können uns die Verhältnisse anschauen: Sie werden sehen, dass Schweden pro 1 000 Einwohner heute weniger Tote hat als die Superlockdownländer Frankreich, Italien, Spanien, Belgien (Bundesrat Bader: 50 Prozent mehr als Öster­reich!) – jetzt warten Sie einmal! –, Slowenien, Tschechien, Länder, die teilweise mona­telang einen Lockdown verhängt haben und mehr Tote als Schweden haben, das nichts gemacht hat.

Das einzige Argument, das Sie haben, ist: Österreich hat weniger Tote. – Es sind gar nicht so viel weniger – wir haben zwei Millionen Einwohner weniger und weniger Tote, das stimmt, aber der Unterschied ist nicht riesig –, aber ich will jetzt nicht über Todes­zahlen sprechen, das ist ein bisschen zynisch.

Auch das müsste man doch, wenn man von Tatsachen spricht, lieber Herr Minister, in die Überlegungen einfließen lassen. Das müsste man nicht mit dem Jubelschrei: Jetzt machen die Schweden auch endlich einen Lockdown!, beantworten, da der Druck auch seitens der EU dahin gehend steigt, sondern man müsste überlegen: Was haben wir gemacht? Was hat es gebracht? Was wird es bringen? (Bundesrat Bader: Die Infek­tionszahlen steigen!)

Sie können ja auch andere Beispiele nehmen, zum Beispiel Serbien: Serbien hat beim ersten Lockdown – der Herr Minister wird es wissen – noch mitgemacht, beim zweiten nicht mehr. Slowenien, ein anderer ex-jugoslawischer Staat, hat sowohl beim ersten als auch beim zweiten Lockdown mitgemacht, hatte noch schärfere Lockdownbestimmun­gen als Österreich und hat diese Lockerungen, die wir zwei Wochen früher gemacht haben, erst am 15.2. durchgeführt.

Slowenien hat heute pro 1 000 Einwohner ungefähr dreimal so viele Tote wie Serbien, das beim zweiten Lockdown überhaupt nicht mehr mitgemacht hat. In Serbien sind die Lokale bis 21 Uhr offen, die Hotels sind offen, nur die Nachtgastronomie ist gesperrt. (Bundesrat Schennach: Das hat sich verändert!) – Das hat sich nicht verändert. Sie können heute lesen (Bundesrat Schennach: Oja!), es ist nur die Nachtgastronomie gesperrt, alles ist bis jetzt offen. Trotzdem gibt es in Slowenien, einem Hard-Lockdown-Land, eine fast dreimal so hohe Todeszahl. In Tschechien sind die Zahlen noch drasti­scher.

Irgendetwas kann also an den sogenannten Tatsachen, die da immer kolportiert werden, nicht stimmen. Ich glaube, ein Forum wie das unsere sollte nicht nur ein Abnickforum, ein Vorleseforum oder ein Forum, in dem man von Solidarität, Glauben, Gesundheits­system, Durchhalten und so weiter spricht, sein, sondern ein Forum, das sich mit den Tatsachen auseinandersetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt kommen wir abschließend noch einmal zu den Kosten. Das ist ja auch etwas, wovon niemand spricht. Die Masken, die Gratismasken, aber auch die Tests, das alles kostet Geld. Wenn Sie diese diversen Gesetzesänderungen, die heute vorliegen, und die begleitenden Texte durchsehen, dann sehen Sie ungefähr, wovon wir reden. Ein Apothekentest, der jetzt neu kommt, wird also 25 Euro, ein Test beim Arzt 50 Euro und der Selbsttest 10 Euro kosten.

Wenn ich davon ausgehe, dass wir bisher schon zwei Millionen Tests pro Woche durch­geführt haben, aber bis jetzt noch keine gültigen Selbsttests möglich waren und die Gastronomie nicht geöffnet wurde, dann können wir uns vorstellen, was bei einer auch nur teilweisen Öffnung von Gastronomie, Sportstätten und so weiter und bei Selbsttest­möglichkeiten zusätzlich dazukommt.

Wenn man das jetzt hochrechnet: Wir bleiben nur bei zwei Millionen Tests – wir nehmen an, es wird nicht mehr, obwohl mehr Testmöglichkeiten bestehen, Selbsttestmöglichkei­ten und so weiter –, und wir nehmen an, die durchschnittlichen Kosten für einen Test sind 30 Euro – bei zwei Millionen Tests sind das 60 Millionen Euro pro Woche. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.) Das ist schon das Zweieinhalbfache der Ein­sparung, die die Abschaffung der Hacklerregelung gebracht hat. (Bundesrat Schen­nach: ... da braucht man nicht so viel reden ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann.) Das heißt, diese eine Einsparung der Hacklerregelung repetieren wir in drei, vier Tagen durch.

Sie können gerne sagen: Da brauchen Sie nicht so viel zu reden!, aber Gott sei Dank (Bundesrat Schennach: Nein, nein! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) ist es nicht die Aufgabe eines Zwischenrufs, die Zahl der Worte des Redners zu bestimmen. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe der BundesrätInnen Schennach und Schumann.) Es gibt auch die Möglichkeit, sich selbst zu Wort zu melden, und nicht nur, zu sagen: Sie brauchen nicht so viel zu reden! (Bundesrat Schennach: Das habe ich nicht gemeint! Ich habe nur gesagt ...!) – Gesagt haben Sie es aber. Ich sage auch selten, aber doch manchmal Sachen, die ich nicht meine (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP), aber es kommt halt nur das an, was man sagt, und nicht das, was man meint. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Liebe Kollegen, zusammengefasst: Ich habe das Kostenproblem hier nur an einem ein­zigen winzigen Rechenbeispiel angeschnitten. Und da von Ihnen, liebe Frau Kollegin, der Vorwurf gekommen ist, die FPÖ kümmert sich nicht um die Menschen, empfehle ich Ihnen, eine Gesamtschau dahin gehend zu machen, was Sie mit diesen Maßnahmen und der teilweisen und vollständigen Verweigerung von Tatsachen den Menschen antun, wie tief Sie in, sagen wir einmal, allgemeine Geldbörsen hineingreifen, was Sie da an Langfristschulden anhäufen und was Sie den Leuten da an psychischen und physischen Problemen zufügen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.24

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.