13.38

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich kurz auf die heute zur Diskussion befindlichen Anträge beziehen, die, so hoffe ich sehr, eine breite Mehrheit in diesem Haus finden werden, weil sie uns große Stücke in unserer Strategie im Kampf gegen die Pandemie weiterbringen werden.

Erinnern Sie sich vielleicht ganz kurz mit mir zurück! Wo waren wir vor einem Jahr? – Vor einem Jahr war Tag zwei der Pandemie in Österreich, denn am 25. Februar hat es in Innsbruck die ersten beiden Fälle gegeben. Ich glaube, jeder ist damals vor der „Zeit im Bild“ gesessen und hat sich gedacht: Jetzt trifft genau das zu, was wir befürchtet haben; die Pandemie macht auch um Österreich keinen Umweg, sondern auch wir sind betroffen. – Wir kannten damals – erinnern Sie sich! – bereits via Fernsehen die Bilder aus den Intensivstationen in Norditalien, die uns bewusst gemacht haben, wie drama­tisch diese Erkrankung tatsächlich ist.

Ich möchte nicht näher darauf eingehen, aber wissen Sie, ich finde solche Verharmlo­sungen dieser Erkrankung wirklich despektierlich gegenüber jenen, die erkrankt sind. Ich weiß, dass viele darunter sind, die mittlerweile Long Covid haben, die also auch noch nach sechs, sieben Monaten schwere Nachfolgen zu spüren haben. Ich habe vorgestern ein Gespräch mit einer Schauspielerin gehabt, die mir berichtet hat, sie war Mitte März eine der ersten Erkrankten in Österreich und ist seither krank, seither schwer ge­schwächt, hat seither keinen Geschmackssinn. Jetzt mag man denken: Okay, keinen Geschmackssinn zu haben ist ja nicht dramatisch. – Sie hat mir erzählt, was das für ihre Lebenssituation konkret bedeutet. Das ist dramatisch.

Ich will jetzt nicht die Zahlen herausgreifen, denn Todeszahlen zu zitieren ist eine sehr schwierige Geschichte. Schauen Sie sich heute aber vielleicht kurz die Zahlen der Sta­tistik Austria an! Sie hat die Sterbebilanz für das Jahr 2020 dargestellt, und die Zu­wächse, die es im Bereich der Todesfälle gibt, sind fast ausschließlich aufgrund von Covid zu verzeichnen. Das heißt, das ist eine dramatische Erkrankung, und es ist unsere Verpflichtung in der Politik, alles dafür zu tun, jeden Beitrag zu leisten, damit wir Men­schenleben retten können.

Diese heutigen Beschlüsse sind ein Schritt in diese Richtung, und deswegen bin ich dankbar und froh, dass wir dabei auch breite Mehrheiten haben. Es ist in Wirklichkeit unwichtig, ob wir Regierungspartei oder Oppositionspartei sind, sondern wir haben in den letzten Monaten wieder gelernt, hier konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich glaube, genau das brauchen wir in so einer Krise.

Wir wissen, dass diese Pandemie zur schwersten Pandemie seit 100 Jahren geworden ist. (Bundesrat Spanring: Ja, gemacht!) Wir wissen, dass daraus eine Rezession ent­standen ist, die dramatisch ist. Darum gebe ich meiner Vorrednerin, der Frau Fraktions­vorsitzenden, auch absolut recht, dass natürlich das Ankurbeln des Arbeitsmarktes, der wirtschaftliche Wiederaufschwung und das Verhindern, dass aus der gesundheitlichen Krise eine soziale Krise wird, im Mittelpunkt werden stehen müssen. Die Grundvoraus­setzung dafür ist aber, dass wir die Gesundheitskrise lösen. Das ist die Grundvoraus­setzung für das wirtschaftliche Comeback, und deswegen braucht es Zusammenarbeit und Kooperation.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, wie es Ihnen geht, aber wissen Sie, wenn ich so zurückdenke, stelle ich fest, es hat im Frühling des letzten Jahres viele gegeben, die gesagt haben: Wir haben in Wirklichkeit einen Traum, dass es nämlich möglichst bald eine Impfung gegen diese schwere Erkrankung gibt. – Niemand konnte sich aber vor­stellen, dass das in diesem Tempo Wirklichkeit werden kann. Ich glaube, wir müssen uns alle bei den WissenschaftlerInnen und ForscherInnen bedanken, die in einem Re­kordtempo geschafft haben, was scheinbar unmöglich gewesen ist.

Das ist jetzt Realität. Wir haben mittlerweile drei zugelassene Impfstoffe. Ein vierter Impfstoff, der ein großer Hoffnungsfaktor ist, nämlich der von Johnson & Johnson, ist mittlerweile im Zulassungsverfahren, und ich gehe nach meinem Kenntnisstand davon aus, dass wir in zwei, zweieinhalb Wochen eine Zulassung für diesen vierten Impfstoff haben werden. Der wird uns das Arbeiten auch erleichtern. Wir brauchen bei diesem Impfstoff nur einen Stich. Das heißt, es ist für die Bundesländer logistisch einfacher, das auszurollen und umzusetzen. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.)

Wir haben damals diesen Traum gehabt. Er ist Wirklichkeit geworden, und jetzt ist es unsere Verantwortung, alles zu tun, damit wir diesen begrenzten Impfstoff – er ist derzeit leider noch begrenzt – bestmöglich und raschestmöglich an die Bürgerinnen und Bürger bringen, an alle, die bereit sind, diese Impfung durchzuführen.

Ich bin sehr froh darüber, dass sich bei diesen Diskussionen, die wir in den unterschied­lichen Kreisen auf der politischen Ebene im November, Dezember gehabt haben – nämlich Warnungen: schlechter Impfstoff; kann uns das überhaupt guttun und so weiter, und so fort –, das Blatt total gedreht hat. Wir haben einen Stimmungswechsel, und eine ganz, ganz breite Mehrheit in Österreich begrüßt diese Impfung. Jetzt ist die Kritik eher diejenige – und die ist mir viel lieber als die Abwehrhaltung –: Wann komme ich denn zu meinem Impfstoff? Wie könnte das noch schneller gehen?

Da sind wir gefordert, natürlich aber auch von den Lieferterminen und von den Liefer­mengen abhängig. Wir selbst können ihn nicht herbeizaubern. Ich würde das gerne tun, da sind wir aber in ganz Europa abhängig. (Bundesrätin Schartel: Da hätte man ge­scheiter bestellen sollen!) Die Liefermengen nehmen im Übrigen zu. In der letzten Wo­che wurden 100 000 Impfdosen nach Österreich geliefert, und diese Woche sind es 180 000. Wir werden morgen die Grenze von 600 000 Impfungen überschreiten. Das heißt, jetzt kommt Tempo rein. Wir werden im März rund eine Million Dosen haben, die nach Österreich kommen, hauptsächlich von Biontech/Pfizer. Wir haben in den Schwer­punkten ja auch umgestellt, ein bisschen weg von Astra Zeneca und stärker hin zu Biontech/Pfizer, weil wir wissen, dass das ein Impfstoff ist, bei dem bisher eine hohe Verlässlichkeit bei der Lieferung gegeben war. Das ist natürlich wichtig, um die Impfpla­nung umzusetzen. Das ist das eine, wovon wir geträumt haben.

Das Zweite ist: Ich habe einmal eine schwierige Pressekonferenz gehabt – ja, so ist es, solche gibt es auch –, wir haben damals nämlich angekündigt und gefordert, wir sollten 15 000 Testungen am Tag schaffen. Wir haben uns damals in Wirklichkeit gedacht, das werden wir nie zusammenbringen, das ist eine unglaubliche Hürde, das ist zu viel, was wir uns da vorgenommen haben. Heute sind wir bei eingemeldeten 223 000 Testungen in den letzten 24 Stunden.

Es ist unglaublich, was da geschehen ist, dank der Gemeinden, dank der Länder, dank ganz vieler Menschen, die einen Anteil daran haben, dank vieler Betriebe – es sind über 1 000 Betriebe, die mittlerweile bei den Testungen mitmachen –, dank der Apotheken, die auf eine sensationelle Art und Weise eingesprungen sind – es sind über 900 Apo­theken, die mittlerweile mitmachen und tagtäglich diese Gratistests vor Ort ermögli­chen –, dank vieler Ärzte, die im Bereich der Testungen für Menschen mit Symptomen Großartiges leisten, dank der Teststraßen, die mittlerweile wunderbar und sehr, sehr bewohnerInnennah funktionieren. Das braucht es – man kann nicht für den Gang zum Friseur 15 Kilometer fahren –, damit man das realisieren kann. Das funktioniert jetzt gut – ein großes Danke von meiner Seite!

Das Dritte – das muss ich Ihnen schon sagen –: Ich bin gerne mit öffentlichen Verkehrs­mitteln unterwegs. Wenn ich in der U-Bahn unterwegs bin oder – ich hoffe, heute Abend – wieder mit dem Zug nach Linz unterwegs sein darf, erlebe ich Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die die Schutzmaßnahmen, nämlich das Tragen der FFP2-Maske, groß­artig umsetzen. Ich habe in den letzten Wochen nie jemanden gesehen, der diese FFP2-Maske nicht aufgehabt hat (Bundesrat Spanring: Das ist ja auch vorgeschrieben! Das ist ja klar! Was ist denn das für eine Aussage?!) – ganz im Unterschied zu diesem Haus, im Übrigen. Das ist aber eine andere Geschichte, und es obliegt nicht mir, das irgendwie zu bewerten. Die Bürgerinnen und Bürger machen also mit (Bundesrat Spanring: Die Bürger machen mit, weil sie sonst gestraft werden!), viel, viel stärker, als wir manchmal sehen. (Bundesrat Spanring: Was für ein Geschwurbel! Unglaublich!)

Wir haben jetzt Hoffnungsfaktoren: Wir wissen, dass es nach Ostern eine Phase geben wird, in der es wärmer wird, und wir wissen, das Virus liebt die Wärme überhaupt nicht. Wir wissen, dass wir ein, zwei Wochen nach Ostern bereits bei einer Million geimpfter Menschen stehen werden. Das liebt das Virus überhaupt nicht. Wir haben in den letzten, den ersten Wochen der Impfkampagne erlebt, dass das Impfen funktioniert, dass es wirkt, nämlich in unseren Alten- und Pflegeheimen. Das ist der erste Bereich, der durch­geimpft ist. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind wir fertig, sind wir durch. Und was erleben wir? – Wir erleben, dass die Zahl der Infektionserkrankungen und die Zahl der Todesfälle sensationell zurückgegangen sind. Das ist also ein wirklicher Hoffnungsfak­tor, wenn wir dorthin sehen. Das verdienen sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Alten- und Pflegeheime, und das soll und wird uns Hoffnung dahin gehend geben, dass das in unserer gesamten Gesellschaft so kommen und möglich sein wird.

Bis dahin, bis Ostern, werden wir noch eine sehr schwierige Phase haben. Warum? – Wir haben die Überraschung erlebt, und das war für alle eine Überraschung – dieses Virus ist wirklich immer wieder für Überraschungen, vor allem auch für negative, gut – und ist seit dem Jahreswechsel bekannt, dass sich in ganz Europa zwei Mutationen aus­breiten: das südafrikanische Virus und das britische Virus. Es ist so, dass es bei diesen beiden Mutationen eine Ansteckungswahrscheinlichkeit gibt, die um 30 bis 40 Prozent höher ist. Das heißt, wenn sich diese Mutationen durchsetzen, steigert das natürlich das gesamte Ansteckungsrisiko in unserer Gesellschaft.

Wir haben jetzt schon im Bereich dieser Mutationen einen Reproduktionsfaktor – alle kennen das mittlerweile, wir sind ja mittlerweile alle gebildete Virologinnen und Virolo­gen: einen Ansteckungsfaktor –, der bei 1,22 liegt. Alles über 1 ist ein Schritt in Richtung massives Wachstum. Das ist im Augenblick unser Problem. Dem begegnen wir mit aller Kraft, mit fünf Schritten:

Wir kontrollieren die Mutationen, indem wir jeden positiven PCR-Test in Österreich auf Mutationsverdacht überprüfen. Das ist einzigartig in Europa.

Wir schauen, dass die FFP2-Masken-Pflicht gut ausgerollt und von vielen auch tatsäch­lich umgesetzt wird und die Masken getragen werden. Das ist der zweite Bereich.

Der dritte Bereich ist, dass wir das Contacttracing in den Bundesländern verstärken. Mittlerweile arbeiten über 5 000 Menschen am Contacttracing und damit am schnellen, effizienten Überprüfen, was Kontaktpersonen von Infizierten betrifft.

Das Vierte ist eben das Testen. Vielleicht noch ein kurzer Satz zum SPÖ-Antrag zu den Selbsttests: Da muss ich leider auf Kollegen Peter Hacker, den wirklich sehr engagierten und kompetenten Gesundheitsstadtrat von Wien, verweisen (Beifall des Bundesrates Schennach) – wart ab, was jetzt noch kommt! (Heiterkeit des Redners) –, der diese Testungen jetzt überprüfen lässt, damit wir wissen, wie aussagekräftig sie im Detail sind.

Wir haben auch mit der Stadt Wien paktiert, dass wir diese zwei Wochen, bis diese Überprüfungsergebnisse vorliegen, noch zuwarten. Dann, wenn das wirklich hält, können wir diesen Schritt gerne machen, der natürlich unsere Arbeit erleichtern würde – ich bin ja bekannt dafür, dass ich gerne Perspektiven schaffe (Rufe und Gegenrufe zwi­schen BundesrätInnen von SPÖ und Grünen) –, das ist wichtig, auch da funktioniert im Übrigen die Kooperation sehr, sehr gut – das ist überhaupt kein Thema.

Der fünfte Punkt sind natürlich die Impfungen. Wie gesagt, ich bedanke mich beim Bun­desrat, dass wir weitere Schritte in die richtige Richtung machen können, die uns in die­ser Strategie unterstützen. Danke für die Unterstützung und - - Jetzt wollte ich fast schon sagen: bis zum nächsten Mal. (Heiterkeit des Redners. – Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.50

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin.