10.49
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Vor allem die öffentliche Debatte, aber auch diese Debatte hier zum Universitätsgesetz konzentrieren sich auf einige wenige kritische Punkte. Ja, das ist durchaus auch berechtigte Kritik – zumindest je nach Sichtweise und Einschätzung.
Wir sollten aber im Blick behalten, was alles verbessert wurde, und das ist viel. Ein paar Beispiele – ein bisschen etwas haben wir dazu schon gehört –: Die Anrechnung von Vorleistungen für Studien wird massiv ausgeweitet, Universitäten dürfen in ihrem Autonomiebereich aus anderen Studien absolvierte Prüfungen oder berufliche sowie außerberufliche Qualifikationen bis zu einem Ausmaß von 90 ECTS anerkennen. Gerade die Anerkennung beruflicher und außerberuflicher Leistungen, die erbracht wurden – Weiterbildungen, Qualifizierungen –, im Ausmaß der Hälfte eines Bachelorstudiums ist wirklich ein Meilenstein.
Ein paar Beispiele dazu: Wenn jemand Lehramt studiert und ein Praktikum als pädagogische Unterstützung in einem Sommercamp macht, kann man das anrechnen lassen; man kann beispielsweise wissenschaftsbezogene Praktika in einem Betrieb oder in einer Forschungseinrichtung außerhalb der Uni anrechnen lassen; wenn man eine HTL absolviert hat, kann man sich Teile für ein technisches Studium anrechnen lassen. Das ist schon eine wesentliche Erleichterung und erleichtert auch den Zugang zur Universität.
Der Übergang in den Beruf wird erleichtert: Es ist ja immer wieder so, dass Studierende gegen Ende des Studiums parallel dazu zu arbeiten beginnen – manche müssen das auch. Das ist einerseits natürlich begrüßenswert und nachvollziehbar, erschwert es aber, das Studium abzuschließen, und es besteht die Gefahr, dass man das Studium dann de facto abbricht. Ich kenne eine Reihe Kollegen, denen das passiert ist, die praktisch sukzessive rausgeschlittert sind.
Genau da gibt es nun einen unterstützenden Mechanismus: Studierende, die ein Diplom- oder Bachelorstudium machen, bereits 100 ECTS absolviert haben und im vergangenen Studienjahr keine Prüfungen gemacht haben, können jetzt mit der Universität eine Vereinbarung schließen. Diese Vereinbarung hat Mindesterfordernisse zu erfüllen, wie zum Beispiel Unterstützungsmaßnahmen seitens der Universität für die Studierenden. Das kann ein Anspruch auf Absolvierung bestimmter Lehrveranstaltungen und Prüfungen sein – das ist gerade dort relevant, wo die Teilnehmerzahlen beschränkt sind, wo es schwierig ist, hineinzukommen – und geht bis hin zur Rückerstattung von Studienbeiträgen. Ein Teil ist natürlich auch die Verpflichtung von Studierenden, eine Lehrveranstaltung, eine Prüfung zu absolvieren.
Ich war selber viele, viele Jahre in der ÖH aktiv und habe viele Studierende beraten, und da hat sich immer wieder gezeigt, dass es für viele sehr wichtig ist, einen klaren Rahmen zu haben, sodass sie durchs Studium finden, denn eine der größten Herausforderungen neben dem Lernen ist es, wirklich dranzubleiben. Ich denke, das ist eine wichtige Unterstützung.
Es wird mehr ECTS-Gerechtigkeit geben: Der tatsächliche Aufwand einer Vorlesung, einer Übung wird neu bewertet und stärker an die ECTS-Bepunktung angepasst. Es war immer wieder einmal so, dass es Fächer gab, in denen der Aufwand nicht mit den ECTS, die man bekommt, zusammengepasst hat. Das wird, wie gesagt, verbessert.
Zum ersten Mal wird es in Österreich möglich sein, verlangen zu können, dass geschlechtsspezifische akademische Grade in abgekürzter Form in Urkunden, Reisepass, Personalausweis abgedruckt werden. Das war bis dato nicht gegeben. Das ist nun in weiblicher, männlicher Form, aber auch in Form eines anderen Geschlechts möglich. Das ist für viele sehr wichtig. Das hat viel mit der eigenen Identität zu tun und soll natürlich auch sensibilisierend nach außen wirken.
Ein paar Anmerkungen noch zur heiß diskutierten Vorgabe einer Mindestleistung in den ersten zwei Studienjahren, also zu Beginn eines Studiums – danach ist es ja nicht mehr der Fall. Ich sage ganz offen, wir Grüne wollten das aus Prinzip nicht, herausgekommen ist nun ein Kompromiss, sehr weit unter dem, was zuerst beabsichtigt war. Es sind die bereits zitierten 16 ECTS in vier Semestern geworden, wobei es egal ist, wann innerhalb dieser zwei Jahre diese Leistungen erbracht werden.
Um das noch ein bisschen anders zu übersetzen: Ich habe in einer Zeit studiert, in der es keine ECTS, sondern Semesterwochenstunden gegeben hat. Wenn man das übersetzt, so sind das zwei bis drei Semesterwochenstunden pro Semester, das entspricht also einer Vorlesung. Was das betrifft, ist der Leistungsdruck meines Erachtens überschaubar. Für alle, die zu einem Studium zugelassen sind und dieses als ihr Hauptanliegen verstehen, ist das, seien wir uns ehrlich, keine essenzielle Hürde.
Ich weiß schon, wovon ich rede: Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie ohne finanzielle Möglichkeiten, habe Elektrotechnik studiert – nicht gerade das Simpelste, was denkbar ist –, hatte bereits ein Kind und habe mein Studium selber finanzieren müssen. Das war alles nicht so einfach. Mit 16 ECTS in zwei Jahren oder einer Vorlesung pro Semester wäre das definitiv nicht gegangen, da hätte ich mein Studium nie im Leben abgeschlossen. Das geht mit so einer Leistung einfach nicht.
Diese Anforderung ist übrigens auch, das sei erwähnt, unter den Erfordernissen für den Erhalt der Familienbeihilfe, auch das ist essenziell für die vielen Studierenden mit wenig Einkommen. Das war auch für mich so, diese zu verlieren wäre ein Drama gewesen – gar nicht zu reden vom Erhalt eines Stipendiums, für das die Anforderungen drastisch höher sind.
Prohibitiver, das sei schon eingeräumt, kann es allerdings für Menschen werden und wirken, die einen Beruf haben und aus Interesse oder zum Entwickeln einer mittelfristigen Perspektive nebenbei studieren. Das stimmt, das halte ich auch für unerfreulich und sehe ich kritisch. Da muss man dann auch wirklich beobachten, ob das tatsächlich eintritt. Anmerken möchte ich noch, dass Beurlaubungen in diese Frist nicht eingerechnet werden. Die Möglichkeiten für Beurlaubungen wurden ausgedehnt, eine Beurlaubung ist nun auch aufgrund unvorhergesehener Gründe möglich. Für Studierende, die eine Behinderung haben, gelten diese Leistungsregelungen natürlich überhaupt nicht.
Trotzdem: Wir sind damit nicht glücklich. Der Druck auf viele Studierende ist hoch genug oder zu hoch. Nebenbei studieren zu können ist ein sehr hohes Gut, das es zu erhalten gilt. Trotzdem glauben wir, dass das UG in der Gesamtabwägung eine Verbesserung darstellt.
Es gibt ja noch eine Reihe von weiteren Erleichterungen, darunter die Möglichkeit, Präsenzlehrveranstaltungen abzuhalten; sehr, sehr wichtig ist natürlich die Zeit, das zu können. Eine Onlineveranstaltung kann die Qualität einer Präsenzveranstaltung nicht ersetzen, schon gar nicht bei Übungen. Ich weiß das, ich habe zwei Lehraufträge, und es war im letzten Jahr sehr schwierig, diese Vorlesungen abzuhalten, weil es gerade dann, wenn eine Vorlesung zum Beispiel dialogorientiert ist, sehr, sehr schwierig ist, das in dieser Qualität online zu machen. Um die Aufwendungen für die Eintrittstestungen abzugelten, gibt es 20 Millionen Euro Sondermittel für die Universitäten.
Last, but not least eine weitere wichtige Option, die im Hochschülerschaftsgesetz geschaffen wird: Alle, auch die pädagogischen Hochschulen, Fachhochschulen und Privatunis, die mehr als tausend Studierende haben, können jetzt eine Hochschülerschaft, eine Körperschaft öffentlichen Rechts bilden. Denen soll nun ein Wahlrecht eingeräumt werden, ob sie das wollen oder ob sie sich quasi der ÖH anschließen und sich dort wirtschaftlich verwalten und mitbetreuen lassen wollen. Das ist, denke ich, ein sehr wichtiger Punkt, um eine funktionierende Interessenvertretung für die Studierenden zu gewährleisten.
Trotzdem befinden wir, dass das insgesamt, trotz aller Kritik, ein Paket ist, das man herzeigen kann, auch wenn, das ist unbestritten, im universitären Bereich sicher noch einiges zu tun ist. – Vielen Dank. (Beifall den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)
10.59
Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.