15.36

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Gesundheits­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Wir verhandeln jetzt also das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz. Lassen Sie mich gleich zu Beginn festhalten: In der Bekämpfung dieser Epidemie ist die Regierung gescheitert.

Sie haben versucht, dieses Land in der Krise mit Messagecontrol zu führen und haben das Land mit Pressekonferenzen auf Trab gehalten – viele Pressekonferenzen, ohne wirklich Inhalt zu bieten. Sie haben damit die Kontrolle über die Situation verloren. Die Menschen kennen sich nicht mehr aus. Die Menschen sind nicht mehr bereit, Ihnen zu folgen, weil sie nicht mehr wissen, wohin der Weg geht.

Die Pandemiebekämpfung ist Ihnen entglitten. So viele Menschen sind bereits an Covid verstorben! Ihren Angehörigen gilt unser tiefstes Mitgefühl. Denken wir aber auch an die vielen Menschen, die sich derzeit aufgrund einer Covid-Erkrankung in Spitalsbehand­lung befinden oder sogar auf einer der überlasteten Intensivstationen um ihr Leben ringen! Wir wünschen ihnen allen baldige Besserung, und dass sie diese Krankheit ohne schwere Folgen überstehen mögen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Situation ist mehr als ernst, und dafür trägt die Regierung die Verantwortung. Wir hätten bereits jetzt – morgen endet der Monat März – die genügende Anzahl an Impfdo­sen gebraucht, um den Menschen, die hier in Österreich leben, die Chance zu geben, den notwendigen Schutz gegen den Virus zu erhalten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wie kann man nur die zynische Haltung haben, bei den Impfkosten einen Deckel einzuzie­hen? Bis zu 200 Millionen Euro darf es nur kosten! Das ist ja menschenverachtend, denn wir wissen, die Kosten der Auswirkungen dieser Pandemie sind wesentlich höher, sie gehen in die Milliarden – ganz abgesehen von den menschlichen Tragödien, die sich rund um die Erkrankung, den Verlust des Arbeitsplatzes und die psychische Belastung abspielen. Da sehen wir das neuerliche Scheitern des schon vor Langem untragbar ge­wordenen Finanzministers. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass sich dann der Bundeskanzler tatsächlich hinstellt, die EU beschuldigt, dann rang­hohe Beamte Ihres Gesundheitsministeriums, Sie während Ihres Krankenstandes be­schuldigt und schließlich die gesamte Schuld irgendwohin abzuwälzen versucht – das kennt man von diesem Bundeskanzler bereits. Es lässt aber selbst uns als politisch Interessierte – wie uns der Kanzler einmal bezeichnet hat – mehr als erstaunt zurück, und es lässt nur einen Schluss zu: Da wird massiv geschlampt.

Jetzt frage ich Sie, Herr Minister: Sind diese Machtspielchen, die da von der ÖVP ge­spielt werden, Ihnen und den Grünen wirklich die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher wert? Da würde ich mir Ihr beherztes Vorgehen statt salbungsvoller Worte wünschen.

Noch etwas: Die Sozialpartner in Entscheidungen einzubinden war in dieser Krise grund­sätzlich zum Nutzen aller. Sie in wichtigen Fragen nicht zu hören ist gerade jetzt ein großer politischer Fehler, dessen Auswirkungen wir dann mühsam korrigieren müssen. (Bundesminister Anschober: Wo wurden sie nicht gehört?) – Bei der Maskenfrage zum Beispiel. (Bundesminister Anschober: ... diskutieren können ...!) – Jetzt, aber nicht zu Beginn; jetzt wird auf Anregung diskutiert.

Es geht nicht mehr um ein freundliches Klima in der Koalition, sondern um die Bekämp­fung der Auswirkungen dieser besonders schlimmen Krise in unserem Land. Seien wir uns ehrlich: Die Bevölkerung glaubt schon länger nicht mehr, dass diese Regierung die Bekämpfung der Pandemie im Griff hat – und das leider ganz zu Recht.

Die Teststrategie ist ein einziges Chaos. Wir haben immer gesagt, solange nicht genü­gend Impfstoff da ist, gilt: Testen, Testen, Testen. – Bis heute erhalten nicht alle Men­schen die nötigen Gratisselbsttests in den Apotheken. Wir Sozialdemokratinnen und So­zialdemokraten fordern die Möglichkeit der Anerkennung der Selbsttests als Zutrittstests. Zwei Mal haben wir den Antrag im Bundesrat eingebracht, zwei Mal wurde er abgelehnt. Letztes Mal wurde er, obwohl es sogar die Tourismusministerin gefordert hat, obwohl es die Sozialpartner in Niederösterreich fordern, wieder abgelehnt. Fraktionsvorsitzender Bader hat die Nichtzustimmung damit begründet, dass die Regierung ja schon dabei sei, das umzusetzen. Aber leider – schmeck’s! – stimmt das nicht, es passiert nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Infektionszahlen steigen und steigen, Mutationen verschiedenster Art verschlimmern die Lage noch mehr. In der letzten Nationalratssitzung haben wir von der SPÖ einen Abänderungsantrag zum Zweckzuschussgesetz eingebracht, mit dem wir ermöglicht hätten, die Tests zur Eigenanwendung zu berücksichtigen. Die Zutrittstestungen wären für die Bevölkerung wesentlich einfacher zu erhalten gewesen. Ich darf ganz klar sagen: Grüne und ÖVP haben dies kategorisch abgelehnt. Mit dieser Lösung im Zweckzu­schussgesetz wäre es möglich gewesen, auch die Einigung der östlichen Bundesländer umzusetzen, aber nein, das wollten Sie nicht. Herr Minister, Sie wollten die in vielen Teilen abzulehnenden Änderungen des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnah­mengesetzes einfach durchpeitschen.

Eine ganz herzliche Gratulation kann man an dieser Stelle dem Wiener Bürgermeister und der Wiener Stadtregierung für ihr besonnenes und vorausschauendes Handeln aus­sprechen, das gerade jetzt gefragt ist. Dafür kann man Wien wirklich gratulieren. (Zwi­schenruf des Bundesrates Raggl.) Das Ausrollen der leicht zugänglichen Gurgeltests für die gesamte Wiener Bevölkerung ist ein wichtiger Meilenstein in dieser schwierigen Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die klaren Worte des Bürgermeisters über die mögliche Dauer der schweren Belas­tungen sind mutig, das traut sich ein Politiker nicht so leicht, sie sind aber gerade jetzt so wichtig, weil wir wissen, dass der Impfstoff fehlt. Die Menschen brauchen in diesem Frühling 2021, der wahrlich keine Zeit des positiven Aufbruchs ist, ehrliche Zukunftsant­worten und kein Ablenkungsgeschwurbel.

Zum grünen Pass: Derzeit sind 4 Prozent der Bevölkerung geimpft und 96 Prozent nicht; 96 Prozent haben aufgrund des fehlenden Impfstoffes gar keine Chance, so einen Pass zu erhalten. Man braucht wohlgemerkt beide Impfungen, damit der geplante Pass bei Erleichterungen und Freiheiten helfen könnte. Die Frage, welche Daten durch den Pass aufgezeichnet werden, welche Rechte und vor allem welche Restriktionen entstehen, wenn man ihn nicht hat, müsste man breit diskutieren. Das kann nicht husch, pfusch behandelt werden.

Regelungen dazu gehen weit über die aktuelle Pandemiesituation hinaus. Das Virus wird uns – das ist eindeutig und klar – noch lange begleiten. Da geht es um Grundrechte, das ist mehr als sensibel, und deshalb warnen wir vor Schnellschüssen, die sich auf die Er­fahrungen anderer Staaten gründen, die teilweise einen gänzlich anderen Zugang zu Sicherheit und Überwachung haben als wir. Das alles ist leider wieder eine Pseudodis­kussion, eine Nebelgranate, um vom Versagen der Regierung abzulenken. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei den Ausgangsregelungen standen schon haarsträubende Änderungen im Raum. Kurzzeitig sah es sogar danach aus, dass Sie bei Versagen beim Contacttracing schär­fere Ausgangsbestimmungen aussprechen können. Das ist nicht gelungen, und das ist mehr als zu begrüßen. Immerhin stellen Ausgangsbeschränkungen eines der schärfsten Mittel dar, um der Pandemie Herr zu werden; sie sind ein massiver Eingriff in die Frei­heitsrechte der Bevölkerung. Dass Sie, Herr Minister, mit der Neugestaltung durch Ver­ordnungen trotzdem über Regeln für Zusammenkünfte im privaten Raum verfügen wollen, lässt uns nicht unbedingt beruhigter zurück, da wir schon zahlreiche Verordnun­gen dieser Regierung erlebt haben, die alles andere als geglückt waren. (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Anschober.)

Dieses Epidemiegesetz enthält eine Vielzahl von datenschutzrechtlichen Punkten, bei denen wir größte Bedenken haben, und wir als Sozialdemokratie wundern uns ganz, ganz stark, dass die Grünen, die ja die Partei für BürgerInnenrechte waren, dem ihre Zustimmung geben. Für mich ist das eindeutig unverständlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, zum Abschluss noch meine wiederholte Bitte – ich sage es halt, und es steht dann im Protokoll, darüber freue ich mich auch –: Herr Bundesminister, schützen Sie endlich alle Schwangeren! Die Arbeiterkammerpräsidentin und die Ge­werkschaftsfrauen haben Ihnen und den anderen zuständigen Ministerinnen und Minis­tern einen Brief geschrieben, in dem wir Sie ersucht haben, den Schutz aller Schwan­geren und nicht nur einzelner Gruppen durchzusetzen. Die Antwort, die wir erhalten haben, spottet leider jeglicher Beschreibung. Da wurde mehr Energie dazu verwendet, die Unterschriften der MinisterInnen zu koordinieren, als sich mit diesem Thema zu be­schäftigen. Das haben sich schwangere Frauen in dieser schweren Zeit nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, bitte schaffen Sie Schutz für schwangere Frauen! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele besorgte Schwangere – Frauen im Handel, Frauen in der Pro­duktion, Lehrerinnen, Frauen in den verschiedensten Bereichen – bei uns anrufen und sagen, sie wollen Schutz haben. Bitte setzen Sie das um, die Ängste sind groß, und das ist berechtigt! Bitte nehmen Sie unsere Anliegen ernst, es geht um Frauen und deren ungeborene Kinder! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

15.47

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Marco Schreuder. – Herr Bundesrat, Sie gelangen zu Wort, bitte.