18.57

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister – schön, Sie wieder gesund hier zu sehen! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit einem Jahr beherrscht Covid-19 nunmehr unser tägliches Leben. Vor einem Jahr gab es in Österreich die massivsten Eingriffe in unsere Grundrechte in der jüngsten Ge­schichte. Diese sollen nun noch einmal verschärft werden. Dafür hagelte es von vielen Seiten Kritik.

Oberste Organe der Judikative erklärten den Behörden, dass sie bei ihren Entscheidun­gen an die Grundrechte gebunden sind. Zu diesen Grundrechten zählen unter anderem das Recht auf Leben, das Recht auf persönliche Freiheit, das Recht auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens, die Unverletzlichkeit des Hausrechtes, das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht auf Vereins- und Versammlungsfreiheit und auszugsweise die Patientengrund­rechte, das Recht auf Aufklärung und umfassende Information über Behandlungsmög­lichkeiten, das Recht auf Zustimmung und Verweigerung der Behandlung, das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf möglichst ausreichende Besuche und Kontakte mit der Außenwelt, das Recht auf Kontakt mit Vertrauenspersonen außerhalb der Besuchs­zeit im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes.

In einem Jahr der Pandemiebekämpfung ist es aber der Regierung leider oft nicht gelun­gen, die richtige Balance zwischen Gesundheits- und Grundrechtsschutz zu finden be­ziehungsweise diese zu wahren. Heute erleben wir die zwölfte Änderung des Epide­miegesetzes, jedoch mit Änderungen, denen wir nicht die Zustimmung erteilen können, und dabei spielt nicht parteipolitisches Kalkül eine Rolle. Das ist ein Fake, bitte, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Viele Bestimmungen waren nicht in Begutachtung jedoch mit sehr wohl gravierenden Folgen für die Bevölkerung, das ist die Systematik des COVID-19-Maßnahmengeset­zes – und werden unnötigerweise verändert, sodass das Arbeiten damit enorm er­schwert wird. Es erfolgt eine Benachteiligung eines Großteils der österreichischen Bevöl­kerung aufgrund möglicher großzügiger Ausnahmen von Beschränkungen zum Beispiel für Geimpfte, und dies in einer Zeit, in der mehr als 90 Prozent der Bevölkerung noch gar nicht geimpft sind beziehungsweise noch gar nicht geimpft werden konnten, da es nicht genug Impfdosen gibt und ein Impfchaos von besonderem Ausmaß herrscht. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Diese Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften ist verfassungswidrig und verstößt auch eindeutig gegen die Resolution des Europarates.

Es ist eigentlich unglaublich, wie massiv da in unsere Grundrechte eingegriffen wird. Auf Anfrage im gestrigen Gesundheitsausschuss konnte die Expertin Ihres Ministeriums, Herr Bundesminister, gar nicht alles aufzählen und hat nach der Auflistung von circa zehn Eingriffen in unsere Grundrechte die Aufzählung beendet. Bestätigt wurde gestern auch, dass Selbsttests – die sogenannten Wohnzimmertests – als anerkannte Eintritts­tests derzeit im Gesundheitsressort leider nicht in die Überlegungen miteinbezogen wer­den.

Gehen wir zu den weiteren Grauslichkeiten dieses Gesetzes, um darauf hinzuweisen, dass es da nicht um politisches Kalkül geht, sondern wirklich um unsere verfassungs­rechtlichen Bedenken: Aufgrund der Ausgangsbeschränkung darf man sich nur mehr im eigenen privaten Bereich aufhalten, Eintrittstests nur für den Handel, verpflichtende Be­rufsgruppentests, ohne die Möglichkeit auf FFP2-Masken auszuweichen – auch das ist nicht möglich –, und das Impfen ersetzt die Tests. Eine weitreichende Ausnahme von Beschränkungen für Geimpfte, Genesene und Antikörpertragende ist durch eine Verord­nung möglich.

§ 15 Epidemiegesetz zu Zusammenkünften größerer Menschenmengen ist für Covid nicht anwendbar, dafür kommt stattdessen: Vorschriften für Zusammenkünfte werden im COVID-19-Maßnahmengesetz neu geregelt. Zusammenkünfte unter fünf Personen aus unter drei Haushalten einschließlich sechs Kindern dürfen demnach nicht geregelt wer­den, Anzeige- und Bewilligungspflicht gelten nicht für den privaten Wohnbereich – aber Sie, Herr Minister, können sehr wohl durch Verordnung auch die Regelung für Zusam­menkünfte im privaten Bereich ausstellen.

Es gibt nur eine Möglichkeit, Herr Bundesminister, um aus dieser Krise raschest heraus­zukommen: nicht Grundrechte einzuschränken, sondern sich aus der Krise herauszu­impfen. (Beifall bei der SPÖ.) Wie schon unsere Vorsitzende vor langer Zeit zu Recht festgestellt hat, hilft nur eines: impfen, impfen, impfen. Wir brauchen schnellstmöglich ein Impfangebot für ganz Österreich, um wenigstens jene impfen zu können, die sich derzeit auch impfen lassen wollen, denn eine rasche Durchimpfung der österreichischen Bevölkerung wäre die beste Therapie für den Arbeitsmarkt, für die Wirtschaft und – wenn man die Virusmutationen beobachtet – auch für unsere Gesundheit. Dafür hätte zum Beispiel verschwendetes Geld sinnvoll verwendet werden können: Impfdosen statt Ei­genwerbung für die Bundesregierung.

In der aktuell sehr angespannten Situation hat die Bundesregierung außer Ankündigun­gen nichts geliefert, anstatt die nötige Verantwortung zu übernehmen. Nachdem im Herbst der Herr Bundeskanzler das Impfen zur Chefsache erklärt hat, ist das Schiff jetzt am richtigen Kurs? – Leider weit gefehlt. Wo ist der Kanzler? Hat der Kapitän das Schiff schon verlassen? Es wurden nur neue Sündenböcke und Ausreden gesucht, um die eigenen Fehler zu kaschieren.

Angesichts der mittlerweile besorgniserregend langen Strecken an Pleiten, Pech und Pannen fragt man sich schon, ob am europäischen Parkett auch professionell agiert wird, um für Österreich die notwendigen Impfdosen zu beschaffen. Wenn man die letzte APA-Meldung hernimmt, kommt einem das Grausen. Auf EU-Ebene wird gedroht, die Auslieferung von 100 Millionen Impfdosen in Europa zu blockieren, wenn Österreich nicht erhöhte Kontingente zugesprochen werden. Oder hat das damit zu tun, dass be­reits mit Russland über den Sputnik-V-Impfstoff verhandelt wird?

Anstatt für Eigenwerbung satte 210 Millionen Euro auszugeben, wären diese zur An­schaffung von Impfdosen zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher sicher besser investiert gewesen. Dieses eklatante Missverhältnis ist aber ein schockierendes Sittenbild dieser Regierung, das ja fast täglich mit neuen Skandalmeldungen bereichert wird. Es geht dieser Regierung unter Kanzler Kurz nur um Eigenwerbung, PR und die Absicherung von Macht und Pfründen, anstatt sich um dringend nötige Hilfe für die Men­schen in unserem Land zu kümmern.

Es ist daher höchst an der Zeit, eine Prolongierung des Impfchaos zu vermeiden. Die Verzögerung bei der Durchimpfung der österreichischen Bevölkerung ist leider zum größten Teil hausgemacht. Mittlerweile wurde ja bekannt, dass es aufrechte Regierungs­beschlüsse gibt, die bei der Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 Kostenober­grenzen normiert haben. Es geht ganz klar daraus hervor, dass diese Regierung bei der Beschaffung von Impfstoffen eine Kostenobergrenze vorgesehen hat. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass man sich gezwungen sah, im Feber 2021 mit einem neuerlichen Re­gierungsbeschluss diese Obergrenze zu erhöhen.

Diese Kostendeckelung bei der Impfstoffbeschaffung macht keinen Sinn und ist auf­grund der aktuellen Lage eigentlich verantwortungslos. Ein Tag Lockdown kostet die ös­terreichische Wirtschaft 200 Millionen Euro. Dieser Betrag war ursprünglich als Kosten­obergrenze für die Beschaffung des Impfstoffes vorgesehen. Das ist zweifellos und augenscheinlich Sparen am falschen Platz. Israel hat bereits 660 Millionen Euro für die Beschaffung von Impfstoffen ausgegeben und plant dieselbe Summe für weitere An­käufe. Da wäre der Slogan des Bundeskanzlers „Koste es, was es wolle“ angebrachter gewesen, als für die Eigenwerbung.

Ich möchte daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prolongierung des Impfchaos vermeiden – Abschaffung des Kostendeckels bei der Beschaffung von Impf­stoffen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert umgehend im Rahmen eines neuen Ministerrats­beschlusses festzulegen, dass für die Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 kei­ne Kostenobergrenze mehr zur Anwendung kommt.“

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Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

19.06

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Prolongierung des Impfchaos vermeiden – Abschaffung des Kostendeckels bei der Beschaffung von Impf­stoffen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.