9.05

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung! Vor allem aber sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Gestatten Sie mir, bevor ich zum Hauptthema des heutigen Tages und dieser Sitzung komme, ein Wort zu den Geschehnissen von gestern Nacht zu sagen. Sie alle haben es wahrscheinlich mitverfolgt: Es gab in der Nacht von gestern auf heute wieder zwei Frauenmorde – diesmal im Westen Öster­reichs, in Wals-Siezenheim, einer Region, die ich selbst gut kenne und die ich schon oft auch besucht habe. Diese Morde erschüttern uns natürlich nicht nur, weil jede dieser Taten stets erschütternd und verachtenswert ist, sondern vor allem auch aufgrund der Häufigkeit, zu der es hier mittlerweile kommt.

Ich möchte zunächst einmal natürlich den Angehörigen, der Familie, den Verwandten und Freunden mein Mitgefühl aussprechen, ich möchte vor allem aber auch festhalten, dass ich es als sehr wichtig empfinde, dass der Innenminister, die Frauenministerin und die Justizministerin gemeinsam Maßnahmen vorbereiten, um alles zu tun, um Opfern bestmöglich zu helfen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wieso erst jetzt?), um Präventions­arbeit zu leisten, damit solche Taten so gut wie möglich verhindert werden, dass aber auch, wenn es dazu kommt, die Täter mit voller Härte bestraft werden. Solche Ver­brechen dürfen in unserem Land keinen Platz haben! Ich hoffe, dass wir hier partei­übergreifend dagegen ankämpfen können. – Vielen Dank.

Ich darf, sehr geehrter Herr Präsident, nun zum Hauptthema der heutigen Sitzung kom­men und möchte Ihnen, geschätzte Mitglieder des Bundesrates, zunächst einmal einen Überblick über die aktuelle Pandemiesituation geben.

Ich habe Ihnen ja schon mehrfach im vergangenen Jahr berichten dürfen, und ich kann Ihnen jetzt mittlerweile wirklich einen Bericht mit sehr viel Optimismus, mit sehr viel Hoffnung und mit sehr viel Zuversicht geben.

Wir haben ein herausforderndes Jahr der Pandemie hinter uns: eine erste Welle, die wir alle gemeinsam in Österreich Gott sei Dank sehr schnell, sehr gut abwehren konnten, eine zweite Welle, die uns, so wie viele andere Staaten, hart getroffen hat, und jetzt eine dritte Welle, in der sich mehr und mehr zeigt, dass unsere Strategie der FFP2-Masken, dass unsere Strategie des intensiven Testens sehr, sehr gut wirkt.

Es ist in den letzten Monaten gelungen, dass wir trotz dritter Welle in ganz Europa nicht in allen Bundesländern einen harten Lockdown durchführen mussten. Die Strategie der Regionalisierung hat sich mehr als nur ausgezahlt. Es war möglich, in sechs Bun­desländern einen harten Lockdown abzuwehren, zu verhindern, in drei Bundes­ländern war dieser notwendig, aber auch diese Bundesländer haben mittlerweile den harten Lockdown verlassen.

Die Zahlen sind im Moment auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben stark sinkende Ansteckungszahlen quer durch Österreich, in allen Bundesländern. Es hatten alle Bundesländer einen Peak auf einem Niveau der Siebentageinzidenz von 200 bis 350, und in allen Bundesländern, auch in denen, wo es nicht notwendig war, einen harten Lockdown durchzuführen, sinken die Ansteckungszahlen.

Wir wissen – das sehen wir an den Todeszahlen –, dass die Todeszahlen auch durch das intensive Testen, durch das Tragen der FFP2-Masken Gott sei Dank deutlich nied­riger gehalten werden konnten als in anderen Ländern auch in unserer Nachbarschaft.

Gerade in der dritten Welle hat sich gezeigt, dass wir durch das massive Testen, das ja zu Beginn auch von vielen infrage gestellt worden ist, nicht nur einen besseren Infek­tionsgeschehensüberblick haben konnten, sondern es ist auch gelungen, Infektions­ketten zu durchbrechen und so eine stärkere Ausbreitung zu verhindern. Durch intensi­ves Testen sind natürlich die Siebentageinzidenzen, die Ansteckungszahlen oft höher, aber das, was wirklich zählt, ist ja die Zahl der Toten, die Zahl der schweren Verläufe, die Zahl der Hospitalisierten, und da merken wir auch im Vergleich mit unseren Nachbar­ländern, dass diese intensiven Testungen, aber sicherlich auch die FFP2-Masken Wir­kung gezeigt haben.

Insofern bin ich nicht nur froh, dass wir in sechs Bundesländern einen Lockdown verhindern konnten – drei Bundesländer hatten diesen zwar, konnten ihn aber auch schon wieder beenden –, sondern ich bin vor allem sehr optimistisch für den 19. Mai. Wenn sich die Ansteckungssituation weiter so entwickelt, und davon ist aus heutiger Sicht auszugehen, dann haben wir für die Öffnungen am 19. Mai eine perfekte Aus­gangs­basis.

Wir haben Gott sei Dank mit den Tests und mit den FFP2-Masken sehr wirksame Tools. Wir haben durch den steigenden Impffortschritt eine immer stärker werdende Sicherheit und einen immer stärkeren Schutz für die vulnerablen Gruppen, und wir haben natürlich auch saisonale Effekte, die bei Pandemien, bei Viruserkrankungen definitiv eine Rolle spielen.

Was mich auch sehr positiv stimmt, ist der Impfturbo, der Impffortschritt. Sie wissen, wir können im Moment über 50 000 Menschen pro Tag impfen, im Juni werden wir noch mehr Menschen impfen können. Wir haben bald 2,5 Millionen Menschen, die zumindest eine erste Impfung erhalten haben. Nach Alterspyramide vorzugehen hat sich als richtig herausgestellt, die älteren Menschen zuerst zu schützen hat sich als richtig heraus­gestellt – nicht nur weil wir dadurch bei diesen Menschen einen schweren Verlauf oder Todesfälle verhindern können, sondern auch weil das natürlich auch zu einer Entlastung der Intensivstationen führt.

Ich habe Ihnen gesagt, dass die Ansteckungszahlen sinken, und das sieht man auch in den Spitälern. Die Zahl der Hospitalisierten, die Zahl der Intensivpatienten geht zurück. Das ist auch logisch, denn die größte Gruppe waren dort immer die über 65-Jährigen, und bei den über 65-Jährigen haben wir mittlerweile eine Durchimpfungsrate von deutlich über zwei Dritteln, in einigen Bundesländern sogar schon über 70 Prozent. Das heißt, die Menschen wollen sich impfen lassen, die Menschen wollen sich schützen lassen. Die Impfung wirkt. Sie verhindert schwere Verläufe und sie rettet Leben und sie ist, wie auch immer prophezeit, unser Ticket zurück zur Normalität.

Wir werden daher mit 19. Mai umfassende Öffnungsschritte setzen können – mit Sicher­heitsstandards, mit Vorsichtsmaßnahmen, mit Maske, mit Tests, mit Abstandsregelun­gen, damit wir da weiterhin vorsichtig und behutsam vorgehen. Wenn aber alle mit­machen, wenn jeder seinen Beitrag leistet und wir uns gemeinsam an diese Standards halten, dann werden wir, da bin ich sehr, sehr optimistisch, die Öffnungsschritte in ge­planter Art und Weise durchführen können und dann in Richtung Sommer schrittweise – auch mit entsprechendem Impffortschritt – die Sicherheitsstandards herunterfahren kön­nen.

Das ist nicht nur für unser aller Lebensqualität entscheidend, sondern das ist auch ganz positiv für die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Wir sehen, dass mit den entsprechenden Öffnungsschritten die Arbeitslosigkeit natürlich sinkt, mehr und mehr Menschen wieder in Beschäftigung zurückkehren können. Auch diesbezüglich sind wir auf einem guten Weg, das von der Regierung gesetzte Ziel, dass wir bis zum nächsten Jahr 500 000 Men­schen wieder in Beschäftigung bringen, zu erreichen und somit das zu gewährleisten, was ganz wichtig für eine Gesellschaft ist, nämlich dass Menschen arbeiten gehen können, für sich selbst und für ihre Familien sorgen können und ein selbstbestimmtes Leben in einem wirtschaftlich erfolgreichen Land mit hoher Lebensqualität führen kön­nen.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, noch ein Wort des Dankes an Rudi Anschober, der sehr lange in dieser Pandemie in der Bundesregierung einen wesent­lichen Beitrag geleistet hat. Die Aufgabe als Minister ist stets eine herausfordernde, insbesondere natürlich in Zeiten einer Pandemie. Wir haben mittlerweile drei Regie­rungsmitglieder – eine Staatssekretärin, einen Minister, eine Ministerin –, die während des letzten Jahres ausgeschieden sind. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle für ihren Beitrag noch einmal ein Danke sagen, ganz besonders natürlich Rudi Anschober, der zuletzt aus gesundheitlichen Gründen die Politik verlassen hat.

Minister zu sein ist eine Herausforderung, und da manche gesagt haben, man muss auch den Menschen hinter dem Politiker sehen, vielleicht auch noch einmal der Appell – weil ich glaube, dass das sinnvoll wäre –, das durchaus auch zu tun, wenn Menschen noch im Amt sind, und nicht erst dann, wenn sie ihr Amt zurückgelegt haben. Ich glaube, ein wechselseitig wertschätzender Umgang in der Politik ist im Interesse aller Beteiligten, im Interesse der Bevölkerung. Ich glaube, jeder Einzelne kann da einen Beitrag leisten. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich möchte ganz herzlich, obwohl das jetzt fast schon ein bisschen überholt ist, unseren neuen Bundesminister Wolfgang Mückstein in der Bundesregierung begrüßen. Ich sage deshalb überholt, weil wir in den letzten Wochen schon so intensiv zusammengearbeitet haben – angefangen vom grünen Pass über die Öffnungsschritte am 19. Mai, die Impfkampagne bis hin zur Beschaffung von neuen Impfstoffen für 2022/23, den Austausch über die Regelungen im Sommer, der Frage, wie wir mit Jugendlichen umgehen, der Frage, wie wir mit Mutationen umgehen sollen.

Wir haben in den letzten Wochen bereits in so zahlreichen Themen zusammen­gear­beitet, dass ich mir fast schwertue, dich heute hier vorzustellen. Insofern erspare ich mir das, darf mich für die Zusammenarbeit, die in den letzten Wochen ausgezeichnet angelaufen ist, bedanken und freue mich, dass das Miteinander im Regierungsteam so gut funktioniert und wir, glaube ich, auch die notwendigen Entscheidungen gemeinsam gut treffen können – manchmal sind sie populärer, manchmal sind sie unpopulärer, beides gehört beim Regieren dazu.

Wie gesagt  noch einmal –: Willkommen im Team! Auf weitere gute Zusammenarbeit! Möge sich die Sache in den nächsten Wochen und Monaten so gut entwickeln, wie das in den letzten Wochen der Fall war. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.16

Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen.

Nunmehr erteile ich Herrn Vizekanzler Werner Kogler zur Abgabe einer Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler.