10.20

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat und auch sehr geehrte Zuseher zu Hause! Ich möchte, so wie auch meine Vorredner, zuerst einmal meine tiefe Bestürzung über die neun Frauenmorde (Bundesrätin Steiner-Wieser: Elf! – weitere Rufe bei der SPÖ: Elf!) – ja, mit heute elf –, die es in den letzten Monaten, seit Jahresbeginn gegeben hat, ausdrücken. Neun Mal hat ein Mann entschieden, dass eine Frau ihr Leben nicht weiterführen darf.

Da muss man schon auch klar dazusagen: Es gibt für Mord keine Grauzone, keinen Interpretationsspielraum: Mord ist Mord! Ich glaube, seitens der Bundesregierung, seitens Frau Familienministerin Raab wurde schnell und richtig reagiert, auch Innen­minister Karl Nehammer war da an Bord. Der Bereich Opferschutz steht da natürlich ganz darüber.

In mein Ressort fällt das Thema Prävention gegen Männergewalt, und mir geht es jetzt im ersten Schritt darum, zum einen präventive Maßnahmen zu fördern, aber auch Männer, die sich in Trennungssituationen befinden, zu unterstützen. Zum Beispiel macht das der Dachverband für Männer-, Burschen- und Väterarbeit. Auch den Notruf Män­nerinfo möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Wir sind seitens der Bundesregierung in Endabstimmung, da finanzielle Mittel bereitzustellen.

Zu meiner Person: Mein Name ist Wolfgang Mückstein. Ich bin Vater von zwei Töchtern; im August sind beide Teenagerinnen. Ich habe Medizin studiert, war in den letzten zwölf Jahren in meiner Ordination in 1060 Mariahilf tätig. Warum erzähle ich Ihnen das? – Weil diese beiden Dinge, nämlich meine beiden Töchter und meine berufliche Laufbahn als Kassenpraktiker in Wien, mich wahrscheinlich am meisten geprägt haben, und ich möchte Ihnen sozusagen gleich einen Beipackzettel für meine Person mitgeben, denn diese beiden Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren dabei gemacht habe, werden natürlich auch in Zukunft mein politisches Tun wesentlich mitbestimmen.

Ich steige am Höhepunkt der dritten Coronawelle, Pandemiewelle ein, und ich glaube, wir sind jetzt an einem Punkt – und das muss man gerade jetzt sagen –, der besonders gefährlich ist, weil er trügerisch ist. Das ist noch nicht vorbei! Und zu signalisieren, dass wir Ende Juni wieder Party machen können, einen unbeschwerten Sommer haben werden und dass der Herbst und Winter in Ordnung sein werden, ist aus meiner Sicht eher fahrlässig. Wir müssen die Leute darauf vorbereiten, dass es im Herbst eine weitere Impfung geben wird, eine dritte und vierte Teilimpfung. Wir müssen uns auf die Fragen vorbereiten: Was machen wir mit den Schulen? Wie können wir so testen, dass wir einen permanenten Präsenzunterricht erreichen? Wie überzeugen wir Eltern, wenn Impfstoff für Kinder zugelassen wird?

Wir haben heute gelesen: In Kanada ist der Kinderimpfstoff von Pfizer bereits zugelas­sen, in den USA hat man angesucht, da geht es wahrscheinlich um wenige Wochen. Pfizer hat auch in Europa schon angesucht. Das wird, wenn wir Glück haben, wahr­scheinlich Ende August bei uns bereits der Fall sein, dass 12- bis 15-Jährige geimpft werden. (Bundesrat Steiner: Finger weg von unseren Kindern!) Es ist ganz wichtig, die 12- bis 15-Jährigen zu impfen, weil, wie wir wissen, in Schulen natürlich oft Übertragun­gen stattfinden. Das heißt, wir müssen alle gemeinsam Überzeugungsarbeit leisten, dass die Eltern sich dafür entscheiden, ihre Kinder impfen zu lassen.

Es ist ein gefährlicher Punkt auch deswegen, weil zum einen natürlich in der Bevölkerung der große Wunsch besteht, wieder aufzusperren. Wir haben eine verdammt lange Zeit mit Einschränkungen hinter uns, und wir alle wünschen uns unser altes Leben zurück. Auch ich wünsche mir mein altes Leben zurück. Ich möchte wieder meine Freunde treffen, ich möchte wieder auf Urlaub fahren können, zum Wirten gehen, ins Kino, und ich möchte wieder öfter meine Eltern besuchen. Dieser Wunsch der Bevölkerung ist verständlich und diesen Wunsch habe ich auch.

Auf der anderen Seite müssen wir aber bedenken, dass wir eine Balance zwischen den Öffnungsschritten und den Beschränkungen finden müssen. Das heißt, wir müssen schauen, dass die Menschen in Österreich verstehen, wie wichtig die Einhaltung der Schutzmaßnahmen ist – unter anderen Abstand halten, Hände waschen und FFP2-Maske tragen – und dass wir diese Öffnungsschritte überhaupt nur mit maximalen Sicherheitsvorkehrungen machen können. Das bedeutet: Eintrittstests, Registrierungen und natürlich Maskentragen. Nur so kann das funktionieren. Das ist ein gemeinsames Ziel, und es soll bitte ein gemeinsames Ziel von uns allen sein, da mitzuhelfen.

Ich war in der ersten Woche, an meinem ersten vollen Arbeitstag, in der Klinik Favoriten, habe dort mit Ärztinnen und Ärzten geredet, aber auch mit Intensivschwestern, die mich gefragt haben: Warum impft ihr unsere Männer nicht? Wenn nämlich die Kinder von Intensivschwestern krank sind, müssen diese zu Hause bleiben und können nicht arbeiten. Wenn sie geimpfte Männer haben, dann können sie eben arbeiten gehen – vollkommen verständlich. Die waren müde, die waren ausgelaugt, die haben 15 Monate Intensivstation in den Beinen und in den Händen. Die Patienten werden immer jünger, das ist eine gefährliche Krankheit. Die Liegedauer in den Spitälern hat sich verlängert – von Long Covid werde ich später noch berichten. Es ist eine immer noch dramatische Situation, vor allem auch in Wien, auf den Intensivstationen, wobei Wien heute erstmalig unter der kritischen Auslastungsgrenze von 33 Prozent liegt – eine gute Nachricht.

Das heißt: Oberste Maxime, und da sind wir uns in der Bundesregierung auch einig, ist das Freihalten von Intensivkapazitäten. Das muss immer das oberste Ziel sein, und auf Basis der Prognosen, die wir haben, werden wir am 19. die bekannten Öffnungsschritte setzen, unter Einhaltung maximaler Sicherheitsvorkehrungen.

Betreffend die Intensivbetten möchte ich noch eines sagen: Da geht es bitte nicht nur um Leute, die Covid-19 haben. Da geht es um uns alle. Da geht es um Personen, die einen Herzinfarkt haben, die in eine Massenkarambolage auf der A 4 verwickelt sind. Wenn das Burgenland – was nicht der Fall ist – nur noch wenige Intensivbetten frei hat, wo fahren denn dann die intensivpflichtigen Patienten hin? – Nach Wien, nach Niederösterreich. Wir müssen also schauen, dass Intensivkapazitäten frei sind, und das muss ein gemeinsames Anliegen sein. Derzeit haben wir Gott sei Dank sinkende Beläge auf den Intensivstationen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Auch hier im Bundesrat hat es unterschiedliche Auffassungen darüber gegeben, wie die nächsten Wochen und Monate der Pandemiebekämpfung aussehen sollen. In der Folge gab es auch keinen Konsens für die Gleichstellung geimpfter oder genesener Mitbürgerinnen und Mitbürger mit den getesteten. Ich sage Ihnen an dieser Stelle schon auch: Ich glaube, dass diese Diskussionen nicht geholfen haben, in der Pandemiebekämpfung weiterzukommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: In einer Demokratie darf man das schon machen, oder? Ich glaube, das ist erlaubt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Weiters möchte ich Ihnen sagen, dass ich glaube, dass wir uns besonders um das Thema Impfen kümmern müssen. (Bundesrat Steiner: Das ist schon ein hartes Stück! Das ist schon ein hartes Stück!) Impfen ist ganz wichtig, denn Impfen ist der Weg zurück in unser altes Leben – und es ist der einzige Weg zurück in unser altes Leben. Darum appelliere ich: Wenn wir wieder zum Wirten gehen wollen, wenn wir die Freunde wieder treffen wollen, wenn wir die Eltern wieder treffen wollen, wenn wir wieder reisen wollen, dann appelliere ich an alle: Bitte lassen Sie sich zum erstmöglichen Zeitpunkt impfen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Danke für die Erlaubnis! Ihr seid ja so gütig! Wie in einer Diktatur! – Bundesrat Steiner: ...-Diktatur!)

Mir ist bewusst, dass derzeit immer noch oder gerade noch zu wenig Impfstoff vorhanden ist. Das beginnt sich zu drehen. Wir wären ungefähr um den 24. Mai herum ohne die Million Pfizer-Dosen an dem Punkt gewesen, wo wir mehr Leute gehabt hätten, die sich gerne impfen lassen wollen, als Impfstoff. Jetzt dreht sich das genau einen Monat später um. Das heißt, wir werden Ende Juni einen Zustand haben, wo wir so viel Impfstoff haben, dass wir die Leute suchen müssen, die sich impfen lassen wollen.

Bitte denken wir ein Jahr zurück! Da haben uns die Experten gesagt, wir würden frü­hestens im Sommer 2021 überhaupt einen Impfstoff bekommen. Andere haben gesagt, es würde zwei, drei Jahre dauern. Denken wir an die britische Variante und an den Jänner zurück, als es mit dem Impfen losgegangen ist und wir nicht gewusst haben, wann wir genug Impfstoff kriegen! Jetzt haben wir genug Impfstoff – bitte, das ist doch eine gute Nachricht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ausgegebene Ziel auch des Bundeskanzlers, dass wir in der Lage sein werden, bis Ende Juni alle impfwilligen Österreicherinnen und Österreicher zu impfen, ist jetzt mög­lich, wenn wir genug Leute motivieren können, sich impfen zu lassen. Die Impfbereit­schaft steigt: Wer heute Radio gehört hat, hat erfahren, dass sie von knapp 50 Prozent auf jetzt 55 Prozent gestiegen ist – auch das ist eine gute Nachricht.

Auch die folgende Zahl wurde heute, glaube ich, schon genannt: Wir haben mit Stand heute bereits 3,3 Millionen Impfdosen verabreicht. Im Mai kommen jede Woche circa 500 000 Dosen nach Österreich, im Juni werden es noch mehr sein – da rechnen wir mit ungefähr 700 000 Dosen, die pro Woche kommen –, das heißt, es ist genug Impfstoff da.

Lassen Sie mich noch kurz zu den EU-Impfdosen, die gestern im Ministerrat beschlos­sen worden sind, etwas sagen: Das bedeutet, dass wir 2022 und 2023 42 Millionen zusätzliche Impfdosen über die EU bekommen, also doch eine ganz außergewöhnlich große Anzahl. Noch ein Hinweis: Das sind zu 90 Prozent MRNA-Impfstoffe, das heißt, die Vektorimpfstoffe werden in Zukunft wahrscheinlich weniger wichtig werden.

Die Kombination aus Impfen und Testen wird uns in den nächsten Monaten unser altes Leben zurückbringen. Bitte motivieren Sie mit Ihren Möglichkeiten die Leute, sich testen zu lassen, lieber einmal mehr zum Testen zu gehen. Und: Impfen, impfen, impfen – der gemeinsame Weg zurück in unser altes Leben ist das Impfen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Neben der aktuellen Situation auf den Intensivstationen geht es mir aber auch besonders um die Kollateralschäden, und da geht es mir nicht um die medizinischen Kollateral­schä­den, die entstanden sind, es gibt nämlich auch andere: Es gibt Kinder, die Schlafstörun­gen haben, die stärkere Belastungsstörungen entwickelt haben, es gibt Depressionen bei Kindern, weil die Kinder ihre sozialen Kontakte verloren haben, ihre Freunde nicht mehr haben treffen können, nicht mehr in die Schule haben gehen können. Es gibt aber auch Patienten, die aus Angst, dass sie sich bei uns in der Ordination anstecken könnten – ich rede jetzt von mir –, einfach nicht in die Ordination gekommen sind. Wir haben Vor- und Nachsorgeuntersuchungen nicht machen können, wir haben chronische Wunden nicht behandeln können, Zuckerkranke waren schlecht eingestellt und so weiter. Das heißt, wir wissen jetzt noch gar nicht, welcher Schaden da eigentlich entstanden ist, wir wissen aber, dass sich diese Situation in der zweiten Welle Gott sei Dank gebessert hat und die Leute wieder verstärkt zu ihrem Arzt und zu ihrer Ärztin gegangen sind.

Diese psychischen Erkrankungen, die ich vorhin angesprochen habe, gilt es jetzt über­haupt erst einmal zu evaluieren und aufzudecken, deswegen ist mir die Psychotherapie auf Krankenschein ein ganz großes persönliches Anliegen. Nicht nur bei Kindern, sondern insgesamt haben wir da, glaube ich, Nachholbedarf. Auch im Regierungs­über­einkommen steht, dass wir eine bedarfsorientierte Versorgung mit dem Ziel der Voll­versorgung bis Ende der Legislaturperiode erreichen wollen.

Noch kurz, weil immer wieder die Frage gestellt wird, wie gefährlich Covid-19 eigentlich ist: Wir haben seit einigen Wochen das Thema Long Covid. Long Covid betrifft haupt­sächlich Menschen zwischen 20 und 40, so mittelalterliche, aber auch Kinder. Wir wissen, dass ungefähr 10 Prozent, vielleicht sind es sogar 15 Prozent der Patienten, die Covid-19 gehabt haben, eben 12 Wochen nach der Infektion immer noch müde sind, nichts riechen, nicht auf die Beine kommen. Das heißt, wir müssen uns hier auch darauf vorbereiten, dass wir neben dem Leid dieser Personen auch einen großen volkswirt­schaftlichen Schaden haben werden, weil diese Menschen einfach nicht arbeiten kön­nen. Die können nicht arbeiten!

Diesbezüglich sind wir jetzt dabei, erstens einmal diese Information an die Frau/an den Mann zu bringen, damit die Menschen überhaupt wissen, dass sie Long Covid haben. Es geht aber auch um den Ausbau von ambulanten Betreuungssettings, aber vor allem auch um den Bereich der Kuraufenthalte und der Rehaeinrichtungen danach.

Meine Damen und Herren, wir waren noch gar nicht bei den großen sozialen Folgen der Krise. Da stimme ich überein: Ich bin jetzt hauptsächlich Gesundheitsminister und weni­ger Sozialminister, aber das wird sich hoffentlich in den nächsten Wochen und wenigen Monaten umdrehen. Erst dann werden wir sehen, was eigentlich die sozialen Auswirkun­gen dieser Coronapandemie waren. Die Zahl von knapp 1,2 Millionen armen oder armutsgefährdeten Menschen in Österreich ist bitte die Zahl vor Corona. Wir wissen überhaupt noch gar nicht, wie viele arme und armutsgefährdete Menschen es heute in Österreich gibt. Da müssen wir, glaube ich, ansetzen: Wir müssen zuerst einmal schauen, wie viele es gibt, wo man ansetzen kann, wie man die ärmsten unterstützen kann. Es ist heute auch schon erwähnt worden, dass ich im Ganslwirt gearbeitet habe – das ist eine Drogenberatungsstelle im 6. Bezirk, das ist das letzte Sicherheitsnetz für Leute, die keine Wohnung mehr haben, schwer drogenabhängig sind, multipler Substanzkonsum, Hepatitis, TBC, HIV –, ich war auch im Neunerhaus und habe dort Wohnungslose ärztlich betreut. Ich weiß, wie es den Leuten geht. Von denen gibt es jetzt mehr, und die Mittel sind weniger geworden. Es muss uns allen klar sein: Da ist eine Riesenaufgabe, die vor uns liegt!

Schauen wir auch in die Familien! Schauen wir, was Covid-19 mit uns allen gemacht hat – auch ich habe zwei Töchter. Schauen wir uns zum Beispiel einmal die Allein­erzieherinnen an, die im Homeoffice waren und gleichzeitig Homeschooling machen mussten. In 50 Prozent der Fälle sind die armutsgefährdet! Kennen Sie zwei Alleinerzie­herinnen? – Davon ist eine armutsgefährdet. Das ist doch unglaublich! Und das sind Frauen, die häufiger in Voll- und Teilzeitbeschäftigung stehen, als Frauen, die in einer Partnerschaft sind. Ich glaube also, das ist ein Auftrag zu handeln.

Die Pandemie stellt natürlich, das ist heute auch schon angesprochen worden, Men­schen, die in Sozial- und Gesundheitsberufen arbeiten, vor eine große Herausforderung. Das sind vor allem Pflegerinnen – und ich sage absichtlich Pflegerinnen, weil das fast nur Frauen sind –, die in Spitälern, in Altersheimen, aber natürlich auch im privaten Umfeld diese Betreuung übernehmen, die Großartiges leisten und denen ich auch an dieser Stelle meinen großen Dank und meine Anerkennung ausdrücken möchte. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Lob ist immer gut – auch die Ärztinnen und Ärzte sind viel gelobt worden, wie auch die Pflegerinnen und Pfleger viel gelobt worden sind –, das ist in ideeller Hinsicht schön, aber ich glaube, das muss sich auch in finanzieller Richtung auswirken. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das Lob alleine ist nach 15 Monaten Pandemie vielleicht nicht ausreichend. (Bundesrätin Grimling: Das haben wir schon oft gehört! – Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zum Thema Pflegereform – das ist heute auch schon angesprochen worden –: Da geht es um das Große, um den Finanzausgleich, um die Umsetzung der Pflegesysteme in den Ländern, es geht aber auch um das Thema, wie wir überhaupt Leute in Pflegeberufe kriegen. Wir haben einen Riesenmangel! Wir wissen, dass bis 2030 hunderttausend Pflegerinnen und Pfleger fehlen. Wir wissen, dass wir zum Beispiel zu wenige Ausbildner dafür haben – das heißt, wir haben noch nicht einmal die Leute, die ausbilden, und es fehlen uns jedes Jahr mehr Pfleger.

Wir müssen auch das Berufsbild attraktivieren, wir müssen den jüngeren Personen Angebote machen, sodass sie verstärkt Pflegekräfte werden wollen. Auch andere For­men gehören berücksichtigt: Die Pflegelehre ist angesprochen worden, die Wertschät­zung von pflegenden Angehörigen zu Hause, deren sozialversicherungsrechtliche Absicherung und so weiter. Das heißt, es gibt sozusagen das große Ganze, das vielleicht noch ein bisschen brauchen wird – es ist unter Rudi Anschober ja nicht nichts ge­schehen, da kann man gut ansetzen –, es gibt aber sicherlich Dinge, die man auch rascher und unmittelbar machen kann.

Auch Menschen mit Behinderung sind mir ein besonderes Anliegen. Wir haben ein Prob­lem betreffend die berufliche Teilhabe dieser Menschen, auch betreffend ihre Teilhabe am öffentlichen Leben. Wir haben im Regierungsübereinkommen – das war der Teil, bei dem ich dabei war – ausgemacht, dass wir die UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich in Form des Nationalen Aktionsplans Behinderung umsetzen. Auch da werde ich in den nächsten Monaten einen Schwerpunkt setzen.

Ich möchte auch den Tierschutz ansprechen: Wer Bilder von Vollspaltböden gesehen hat, dem, glaube ich, wird schlecht; also da, denke ich, kann man schon einmal genauer hinschauen. Das muss man natürlich auch mit dem Landwirtschaftsressort besprechen – das ist eine Querschnittsmaterie, da gibt es unterschiedliche Interessen –, aber das ist mir ein persönliches Anliegen.

Ein weiteres Anliegen – das hat nur indirekt mit dem Tierschutz zu tun – ist mir die Kennzeichnung von Lebensmitteln, weil ich der Meinung bin, dass der Konsument und die Konsumentin am Ende selber entscheiden sollen, was sie kaufen, wie sie die Kaufentscheidung treffen, und dazu ist die Voraussetzung, dass Lebensmittel ausreichend gekennzeichnet sind. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) 

Da heute auch das Thema Konsumentenschutz und der VKI angesprochen worden sind: Nicht nur der VKI, sondern auch das Reiserecht, die Stornobedingungen, die durchaus im letzten Jahr zumindest in einem Graubereich gelegen sind, sind ja Thema. Für den Verein für Konsumenteninformation braucht es eine anständige Finanzierung, nicht immer nur eine für jeweils ein Jahr. Ich glaube, der VKI hat – das sieht man auch an den Verkaufszahlen der Zeitschrift „Konsument“ – eine sehr hohe Compliance in der Bevölkerung und eine gute Reputation. Da gilt es, glaube ich, dieses Informations­angebot, aber natürlich auch die Möglichkeiten bezüglich Klagen, die der VKI macht, abzusichern und auszubauen. (Bundesrat Schennach: ... Koalitionspartner!)

Ich möchte schon noch eines zum grünen Pass sagen, weil der heute auch immer wieder angesprochen worden ist: Wir haben das auf den 19.5. vorgezogen – das ist dankens­werterweise auch mit Ihrer Zustimmung beschlossen worden –, dass Geimpfte Gene­senen gleichgestellt werden. Das bedeutet, dass wir am 19.5. sagen können, dass alle, die zumindest drei Wochen vor diesem Tag geimpft worden sind, also den ersten Stich bekommen haben, sich nicht mehr testen müssen. Das ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass uns die Länder gesagt haben, dass sie natürlich um den 19. herum einen verstärkten Testaufwand erwarten – damit die Leute eben wieder zum Wirten gehen, ins Kino gehen und ihre Leute treffen können.

Das heißt, wir machen nun keinen österreichischen QR-Code, weil es keinen Sinn macht, denn wir haben bereits am 4.6. – bitte, das ist in weniger als einem Monat! – die Möglich­keit, den QR-Code, der in der ganzen EU gültig sein wird, zu implementieren. Damit gehören wir zu den ersten Ländern Europas, die das überhaupt können; das ist schon eine Erfolgsgeschichte. Wir machen das am 4.6., und das ist drei Wochen bevor die EU das dann eigentlich überhaupt vernetzen kann und bevor die Pilotprojekte abgeschlos­sen sind.

Es wird – das zu sagen ist mir in der Kommunikation wichtig – immer auch die Mög­lichkeit analoger Nachweise geben. Das heißt, man hat einen Zettel, auf dem steht, man war im Spital, man hat ein Testergebnis, oder man hat den alten Impfpass oder, wenn man technikaffiner ist, einen Ausdruck über die Bürgerkarte. Das wird alles gelten; das wird auch im Juli und im August und noch weiter gelten. Zusätzlich haben aber die Österreicherinnen und Österreicher ab 4.6. – das wird halten, sagen die Experten – die Möglichkeit, das zum Beispiel mittels einer Green App nachzuweisen und – das ist neu – auch mit der E-Card, was eine ganz interessante Entwicklung ist.

Die E-Card hat hinten eine Nummer aufgedruckt – das ist nicht die Sozialversicherungs­nummer –, und diese wird vom Wirt mit seiner Scannerapp eingescannt, wodurch der Gast identifiziert wird. Es gibt 3,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die vorne auf der E-Card bereits ein Foto haben – nicht alle, aber schon der überwiegende Teil, würde ich sagen. Das heißt, die Person dreht dann die E-Card einfach um und weist sich gleichzeitig damit aus. Es wird gemeldet und dann geschaut – das erfährt der Wirt nicht –, ob die Person getestet, geimpft oder genesen ist, und dann kriegt diese ein grünes Hakerl. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Zu den Datenschutzbedenken, die wir natürlich auch haben: Es wird nicht möglich sein, dass ein Tracking erfolgt, also dass dann irgendjemand weiß, dass man in der Früh im Kaffeehaus gesessen ist, mittags zum Friseur und am Abend ins Theater gegangen ist, also irgendjemand weiß, was man den ganzen Tag gemacht hat – das ist nicht möglich (Bundesrätin Schartel: Euch vertraue ich nicht!); wir haben die Datenschutzbedenken sehr ernst genommen.

Mit 4.6. wird das gesetzlich möglich sein. Es gibt dann den europäischen QR-Code, der auch gleich gilt. Ich glaube, das ist schon ein großer Erfolg der Bundesregierung insge­samt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zum Schluss möchte ich auch meinem Vorgänger Rudi Anschober recht herzlich dan­ken. Ich habe mich jetzt in 14 Tagen nicht viel mehr als im Haus orientieren können. Rudi Anschober hat schon viele, viele Probleme gehabt, als er sein Ressort übernommen hat. Das war ein Haus, in dem wesentliche Schlüsselfunktionen nicht besetzt waren. Ich erinnere daran, dass es zum Beispiel keine Chief Medical Officerin gegeben hat – Frau Dr. Katharina Reich, die das nun macht, wird bekannt sein – oder die Medizinrechts­sektion vollkommen unterdimensioniert war – kein Wunder, auch das Gesundheits­minis­terium ist natürlich nie für eine Pandemie konzipiert worden. Ich habe ein Haus über­nehmen dürfen, in dem Rudi Anschober alle diese Dinge repariert hat – die funktio­nieren –, in dem es eine starke Medizinrechtssektion gibt. Ich werde jetzt von diesen Reformschritten im Haus profitieren.

Ich beginne nun langsam zu spüren, was das für eine große Verantwortung war, die Rudi Anschober übernommen hatte. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.45

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Bundesrätin.