10.53

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler, der im Moment nicht hier ist! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Lieber Magnus, auch von meiner Seite alles Gute zum Geburtstag! (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte am Beginn meines Redebeitrags, wie es meine Fraktionsobfrau schon festgehalten hat, nochmals die Behauptung des Herrn Bundeskanzlers, die Opposition habe im Bundesrat getrickst, nicht kommentarlos stehen lassen. Es hat hier niemand getrickst, sondern man muss demokratische Entscheidungen im Parlament zur Kenntnis nehmen, und die Äußerungen sind in diesem Fall – auch wenn sie vom Bundeskanzler sind – komplett entbehrlich. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Nochmals zur Erinnerung, falls es noch nicht ganz durchgesickert ist: Der Ausgang der entsprechenden Abstimmung war dem geschuldet, dass drei Bundesräte der Regie­rungs­parteien nicht anwesend waren, aus gesundheitlichen Gründen an der Sitzung leider nicht teilnehmen konnten, und daher das entsprechende Ergebnis zustande ge­kommen ist. Vielleicht hat er aber das aufgebaute System der Messagecontrol nun nicht mehr so im Griff, und man wird halt lernen müssen, mit diesen Ergebnissen auch umzu­gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Auch ich möchte an dieser Stelle als Gesundheitssprecher dem aus dem Amt geschie­denen Bundesminister Rudi Anschober recht herzlich danken, der im letzten Jahr sicher den undankbarsten Regierungsjob innehatte, aber stets auch ein guter Gesprächs­part­ner hier im Bundesrat war. Alles Gute für die Zukunft!

Wie stand es auf der Titelseite der „Kleinen Zeitung“? – „Das unmögliche Amt“, „Allein­gelassen und mit der Kraft am Ende“. „Rudolf Anschober verlor im letzten Auftritt kein Wort über Kanzler Kurz und die ÖVP.“ „Schon bei Schönwetter geht Spitzenpolitik oft an die Grenzen des Zumutbaren. Nach einem Jahr Pandemie kann Gesundheitsminister Rudolf Anschober nicht mehr und geht. Wolfgang Mückstein ist sein Nachfolger.“ – So weit die „Kleine Zeitung“ als Beispiel von vielen Pressemeldungen zu diesem Thema.

Dem neuen Gesundheitsminister wünschen wir im Sinne der Gesundheit von uns allen für sein Wirken alles Gute. Herr Bundesminister, Gesetzgebung passiert aber im Parla­ment, in Nationalrat und Bundesrat, und ob förderlich oder nicht förderlich, sie erfolgt demokratisch.

Es warten noch viele Baustellen auf Sie, Herr Bundesminister. Kollege Arlamovsky sprach von drei Baustellen, ich möchte noch sechs hinzufügen.

Die erste ist das Kabinett und Beamtenquerelen, haben doch im Pandemiejahr unge­schickte Kabinettsvorstöße und interne Beamtenquerelen das Gesundheitsministerium ausgehöhlt – Herr Bundesminister, Sie haben es selbst angesprochen –: Wissensträger wurden ins Abseits gestellt, sind weg, wichtige Abteilungen nicht oder nur interimistisch besetzt; so sorgte zum Beispiel die Abschaffung der Abteilung für Angiologie mitten in der Krise für Entsetzen und Fassungslosigkeit bei Experten.

Baustelle zwei, Coronaampel und Co: Rudi Anschober hat in seiner Ära versucht, viele gute Ideen hervorzubringen, nur gelang es nicht, diese auch erfolgreich umzusetzen. Zukünftig wird es auch notwendig sein, österreichweit Vernetzungen und Ressourcen besser zu nutzen, um rasche und effektive Maßnahmen einleiten zu können, beispielhaft die Ages, die GÖG, die Gesundheitsreferenten der Länder und so weiter.

Baustelle drei, der wirkungslose E-Impfpass: Dieser hält bis dato nicht, was er ver­sprochen hat. Da stehen wir auch in Bälde vor der Entscheidung, wie EU-konform der sogenannte grüne Pass realisiert werden soll. Es ist zu hoffen, dass die großen Ankün­digungen nicht dann wieder bitter von der Realität eingeholt werden.

Viertens, verwirrende Anordnungen und Verordnungen: Wenn wir an das Anordnungs­wirrwarr zurückdenken, bei dem sich keiner mehr auskannte, was nun wirklich gilt, dann haben Sie, Herr Bundesminister, noch sehr viel aufzuarbeiten. Was den Bundesrat als Länderkammer betrifft, gilt es, auch wieder die Länder ins Boot zu holen und Vertrauen aufzubauen – da braucht man zum Beispiel nur an die Probleme der EU bei der Impf­stoffbeschaffung zu denken.

Fünftens, Pandemie- und Impfplan: Auch wenn hier vielerorts vom Licht am Ende des Tunnels gesprochen wurde – Sie haben es selbst angeführt –, ist eines klar: Wir werden auch zukünftig über Jahre hinweg mit diesem Virus leben müssen, und da wird sich die Frage stellen, wie es dann im Herbst und im Winter weitergeht, denn weitere Lockdowns werden wir uns so nicht mehr leisten können.

Da jetzt schon für 2022 und 2023 der Kauf von 42 Millionen Impfdosen im Wert von 800 Millionen Euro unter Dach und Fach ist, wird auch eine durchdachte Impfstrategie notwendig sein, um diese auch rasch und unbürokratisch an die Impfwilligen zu bringen. Ich bitte, keine PR-Raketen wie die Sputnik-Impfungen zu starten, sondern das Ganze mit Hausverstand anzugehen, um das gewünschte Resultat dann auch zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Schlussendlich sechstens, die Finanzierung: Ebenfalls und vielleicht die größte Heraus­for­derung ist das Aufbringen der finanziellen Mittel für die Bewältigung der zukünftigen Problemstellungen, wie Einbindung der niedergelassenen Ärzte in die Pandemie­be­kämp­fung, die Bekämpfung des Ärztemangels, auf den ich abschließend noch eingehen möchte, die Zahl der Intensivbetten, dringend anstehende Probleme bei der Pflege und so weiter und so weiter.

All dies sind nur kurz umschriebene Eckpunkte, neben vielen anderen, die Sie, Herr Bundesgesundheitsminister, als Manager, ich hoffe aber auch als Friedensstifter und Stratege, vor allem aber auch in Ihrer Funktion als Fachmann zu lösen haben werden. Wir hoffen, es möge Ihnen gelingen.

Wie bereits vorhin angesprochen, möchte ich noch auf den zu bekämpfenden Ärzte­mangel eingehen.

Als praktischem Arzt ist Ihnen ja, Herr Bundesminister, diese Problematik in keinster Art und Weise unbekannt, betrieben Sie doch bisher in einer Gemeinschaftspraxis das erste Primärversorgungszentrum in Wien. Daher wissen Sie Bescheid, wie massiv die haus­ärztliche Versorgung in Teilen Österreichs mittlerweile ausgedünnt ist. Damit verbunden besteht Gefahr für das bisher gewohnte Angebot der medizinischen Grundversorgung durch die Leistungsträger der Gebietskrankenkassen und in der Nähe des Wohnortes für die Menschen in unserem Land. Gerade diese Wohnortnähe ist für die Menschen, vor allem für die, die nicht oder nicht mehr mobil sind, unheimlich wichtig. Zugleich sind die sinkenden Zahlen von niedergelassenen ÄrztInnen im ländlichen Raum bekannt. Auch ist diese Versorgung ein wichtiger Teil der Lebensqualität, und sollte – besonders im ländlichen Raum – diese nicht mehr gegeben sein, trägt das massiv dazu bei, dass die Abwanderung in die Zentralräume stattfindet.

Die verheerende Epidemie, die unser Land seit mehr als einem Jahr im Griff hat und die von der Bundesregierung nur unzureichend bewältigt wird, tut das ihre, um die Prob­lematik noch zu verschärfen. Gerade deshalb braucht es sinnvolle Maßnahmen, die unmittelbar greifen und den Trend nicht nur stoppen, sondern auch umkehren können. Neben der Etablierung und dem Ausbau der Primärversorgungszentren ist auch hin­sicht­lich der Attraktivierung der Kassenverträge und der Lebensumstände der ÄrztInnen Vorsorge zu treffen.

Es freut mich daher, heute hier einen Allparteienantrag einbringen zu dürfen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ärztemangel bekämpfen“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanz­lers gemäß § 37 Abs. 4 Gemeindeordnung - -, ah, Geschäftsordnung des Bundesrates (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ) – das passiert, wenn man mehr auf der Gemeindeebene unterwegs ist (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ) – anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz.

Daher stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgenden

Antrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend Maßnahmen zu erarbeiten und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorzulegen, die dem Ärztemangel entgegenwirken und die flächendeckende hausärztliche Sachleistungs­ver­sorgung durch Kassenvertragsärzt*innen sicherstellt. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf folgende Punkte zu legen, die durch diese Maßnahmen sichergestellt sein müssen:

-          die erhöhte Praxiserfahrung in der Ausbildung,

-          Anreize für Medizinstudierende und Ärzt*innen im Land zu bleiben und/oder Allgemeinmediziner*in zu werden,

-          Anreize zur Übernahme von Kassenverträgen (insbesondere der ÖGK)

-          die Reduktion der Belastung von Ärzt*innen durch Delegation von Aufgaben an andere Gesundheitsberufe,

-          der raschere Ausbau der Primärversorgungseinheiten

-          die Aufwertung von Ärzt*innen in der Primärversorgung durch Ausbildungsver­pflichtungen von Turnusärzt*innen sowie

-          die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu ermöglichen

Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert, jährlich die entscheidenden Kennzahlen (absolute Anzahl der Hausärzt*innen, Kassenverträge, Verteilung nach Bundesländern und Auslastungsgrad) zu erheben und in einem Hausärzt*innen-Report zu veröffent­lichen sowie die Abdeckung durch hausärztliche Versorgung in einem Hausärzt*innen-Atlas für ganz Österreich abzubilden.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

11.04

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Karl Bader, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ärztemangel bekämpfen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin.