11.04

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Herr Gesundheitsminister Dr. Mückstein! Beim ersten Auftritt, den Sie vor der Presse hatten, bei dem Sie vom Herrn Vizekanzler als Nachfolger des scheidenden Gesundheitsministers Anschober vorgestellt wurden, haben Sie in mir die Hoffnung geweckt, dass nun eine sehr kompetente Person diesem Ressort vorste­hen wird, dieses Ressort leiten wird.

Meine besondere Aufmerksamkeit hat Ihnen damals gegolten, weil Sie als einer der Ersten erwähnt haben, welche Kollateralschäden die Maßnahmen dieser Regierung bei der Bevölkerung in Österreich angerichtet haben. Die Zahl der psychisch erkrankten Kinder ist exorbitant in die Höhe geschossen, vor allem jener, die eine stationäre Betreuung brauchen. So hat Univ.-Prof. DDr. Paul Plener, der klinische Leiter im AKH Wien, bereits am 24.2. vor dieser Situation gewarnt. Er musste in diesem Zusam­men­hang sogar das Wort Triage in den Mund nehmen.

Sie haben heute in Ihren Ausführungen auch erwähnt, dass es sehr, sehr viele Men­schen gibt, die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus haben, wenn sie in die Ordination gehen, wenn sie eine Nachuntersuchung oder Vorsorgeuntersuchung machen sollten. Ich weiß nicht, ob Sie es vergessen haben, aber ich sage es Ihnen gerne zur Erinnerung: Wer hat denn diese Angst geschürt? Wer hat es denn in Presse­konferenzen nicht verabsäumt, immer wieder darauf hinzuweisen, wie viele Menschen bald sterben werden und dass jeder Einzelne einen davon kennen würde? – Das war die Regierung mit dem Bundeskanzler, Herr Dr. Mückstein. Dann darf man sich nicht wundern. (Beifall bei der FPÖ.)

Es stimmt natürlich: Österreich hat ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem. Wir haben tolle Mediziner, hoch qualifiziertes Pflegepersonal, aber gerade die Pandemie hat in zwei Bereichen dieses Gesundheitssystems die Schwachstellen aufgezeigt. Vor allem im Bereich der Pflege, in den Krankenanstalten und in den Alten- und Pflegeheimen, hat sich gezeigt, dass es große Schwachstellen gibt, aber nicht, weil die Qualität des Pflegepersonals so schlecht ist. Im Gegenteil: Es sind so hervorragende, liebevolle Menschen, die sich in ihrem Beruf aufopfern. Würde es diese Menschen nicht geben, dann wäre es um Österreich viel, viel schlechter bestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Für mich liegen die Ursachen vor allem in zwei Dingen, das sind die Einsparungsmaß­nahmen und die Gewinnoptimierung in diesem Bereich. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: In meinem Bundesland zum Beispiel wird, seit die ÖVP für das Gesundheitsressort zuständig ist, ein Spital nach dem anderen zugesperrt. Dann darf man sich natürlich nicht wundern, wenn es in so einer besonders herausfordernden Zeit zu Problemen, zu Engpässen und zu Schwierigkeiten kommt. Hätte man eine vorausschauende, eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik gemacht, hätte man wahrscheinlich das eine oder andere vermeiden können. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Bereich der Altenpflege: Sie wissen genau: Am Anfang der Pandemie mussten leider sehr, sehr viele Menschen, die vertrauensvoll in die Hände stationärer Einrich­tungen gegeben wurden, durch schwere Covid-Erkrankungen ihr Leben lassen. Das hängt nicht damit zusammen, dass die dort verantwortlichen Menschen nicht ordnungs­gemäß mit diesen Menschen umgegangen wären, nein.

Es stand am Anfang fast gar keine Schutzausrüstung zur Verfügung und später zu wenig. Wissen Sie, was ich an dieser Situation so zynisch finde? – Dass man hergeht und Heilmasseure, die meistens Einpersonenunternehmen sind, mit Schutzausrüstung, Desinfektionsmitteln, Schutzbrillen überschüttet, soviel es nur geht, und die, die das wirklich bräuchten, haben diese nicht. Ich weiß von sehr vielen, die diese Schutzausrüs­tungs­pakete erhalten haben, dass sie die Gott sei Dank in ihren Gemeinden an die zuständigen Krankenanstalten und an die Pflegeheime verteilt haben. Danke für diese tolle Tätigkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wie gesagt: Die Dinge, die ich jetzt erwähnt habe, sind Dinge, die passiert sind. Wir sollten aus diesen Fehlern lernen.

Schauen wir ein bisschen in die Zukunft: Ich bin davon überzeugt, dass es, um diese Schwachstellen, die jetzt so sichtbar wurden, wirklich in den Griff zu bekommen, eine Aufstockung der Kapazitäten der Intensivstationen braucht, nicht nur personell, sondern auch beim medizinischen Equipment – weg von Sparzwang und von Gewinnoptimie­rung!

Ist das nicht eine Schande, dass bei uns in Österreich der Betrieb von Alten- und Pflege­heimen als lukratives Renditenmodell möglich ist? Sollten wir uns dafür nicht alle schämen?

Man sollte jetzt für die Zukunft planen und gestalten, also agieren statt reagieren. Ich möchte Ihnen das am Beispiel der Pflegebetreuung zeigen: Zurzeit hat der österreichische Staat das Glück, dass 80 Prozent aller Menschen, die einer Pflege bedürfen, zu Hause von den Angehörigen – meist, wie wir wissen, von Frauen – gepflegt werden.

Wie reagiert die Politik? – Ich kann wieder ein Beispiel aus der Steiermark – nach wie vor ÖVP-geführtes Gesundheitsressort  nennen: Die sperren einfach die Betten bei den stationären Einrichtungen für Alten- und Pflegebetreuung, das heißt, sie kürzen die Anzahl der Betten, denn die werden ja momentan nicht gebraucht. Wissen Sie, wie kurzsichtig das ist? Die Generation, die jetzt bereit ist, ihre Angehörigen zu pflegen, wird in 15 Jahren unter Umständen selber Betreuung oder Pflege brauchen. Das weiß man jetzt schon genau: Unsere Kinder werden diese häusliche Pflege teilweise nicht über­nehmen können oder wollen, also brauchen wir in spätestens 15 Jahren die vorhan­de­nen Kapazitäten. Es wäre deshalb, finde ich, viel vernünftiger, wenn man nicht Kapa­zitäten kürzt, sondern die vorhandenen Überkapazitäten zum Beispiel als Kurzzeit­pfle­ge­betten anbietet, was den pflegenden Angehörigen eine immense Entlastung bringen würde. Wir würden es uns ersparen, jetzt wieder etwas zuzusperren, um damit nachher in eine Situation zu kommen, in der uns das sicher wieder auf den Kopf fällt! (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Beer und Schachner.)

Mir ist natürlich klar, dass wir dazu vor allem mehr gutes, ausgebildetes Personal brauchen. Deshalb, finde ich, ist es wichtig, das wurde schon oft erwähnt, dass der Pflegeberuf sowohl in Krankenanstalten als auch in der Alten- und Pflegebetreuung reformiert, aufge­wertet, besser bezahlt werden muss und vor allem familienfreundliche Arbeitszeit­modelle angeboten werden müssen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass jemand, der sich für einen Gesundheitsberuf ent­scheidet, das nicht aus dem finanziellen Blickwinkel betrachtet. Der macht das, weil er davon überzeugt ist, eine Liebe zu den Menschen und den äußersten Drang zu helfen hat. Wir müssen deswegen die Rahmenbedingungen so schaffen, dass diese Menschen wirklich mit Freude ihren Beruf so lange ausüben können, bis sie selber vom Alter her sagen: Jetzt freue ich mich auf meine wohlverdiente Pension! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das Konzept, das jetzt herumschwirrt, ist für mich zu kurzfristig gedacht: Man schult Personen, die aufgrund der Pandemie unter Umständen ihren Beruf nachher gar nicht mehr vorfinden – weil er weg ist oder sich so stark verändert hat –, zu Pflegepersonal um. Glauben Sie wirklich, dass das funktioniert, dass jemand, der vorher als Stewardess gearbeitet hat, sagt: Ich bin die beste Alten- oder Krankenpflegerin?! Das ist genau so, wie Ihre Vorstellung, dass man mit Reden und Sitzkreisen Gewalt gegen Frauen in irgendeiner Art und Weise verhindern kann.

Sie haben am Montag in Ihrem Redebeitrag im Nationalrat erwähnt, dass es im Feber bedauerlicherweise einen Vorfall gab: Eine Frau, die im Krankenhaus war, weil sie von ihrem Mann verprügelt wurde, wurde, nachdem sie entlassen wurde, von ihrem Mann erwürgt. Jetzt stelle ich mir die Frage: Warum ist so etwas überhaupt möglich? Wie kann es sein, dass jemand eine Gewalttat verübt und dass man ihm sogar noch Gelegenheit gibt, eine zweite Gewalttat zu verüben? Läuft da nicht bei unserer Justiz unter Um­ständen irgendetwas falsch? Oder kann es sein, dass die Strafen, die man für Gewalt gegen Frauen verhängt, zu gering sind? Ich persönlich habe das Empfinden, dass Steuerhinterziehung härter bestraft wird als der Mord an einer Frau. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zunahme von Gewalt an Frauen hat sicherlich mehrere Ursachen, aber ich bin auch davon überzeugt, dass eine hausgemacht ist: Die Verantwortlichen haben viel zu lange unkontrolliert Menschen in unser Land gelassen, die aufgrund ihrer Kultur, ihrer Religion, ihrer Überzeugung nach wie vor der Meinung sind (Unruhe bei der SPÖ), dass Gewalt gegen Frauen das übliche Kommunikationsmittel in einer Ehe ist, dass ein Mord an einer Frau sogar als Ehrenmord bezeichnet werden kann.

Mir ist klar, dass das viele von Ihnen nicht hören wollen. (Bundesrätin Schumann: Nein!) Ich darf Ihnen jetzt eine Passage eines Interviews, das Frau Johanna Brodträger mit der Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser geführt hat, vorlesen (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann): - -

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die 10 Minu­ten längst erschöpft sind. Im Sinne der Fairness würde ich Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (fortsetzend): - - „Nun ist es aber genauso falsch, zu sagen, dass Migration in dieser Entwicklung gar keine Rolle spielt. Die steigen­den Zahlen der Frauenmorde sind dramatisch – und es ist notwendig, anzuerkennen, dass sie mit der Migrationsbewegung zu tun haben.“ – Interview mit der Geschäfts­führerin der Wiener Frauenhäuser.

Ich sage Ihnen, Herr Dr. Mückstein, gerade bei diesem Thema hilft kein Arbeitskreis, es hilft kein Redekreis. Handeln Sie, setzen Sie Taten, handeln Sie aktiv, anstatt immer schöne Worte zu reden! (Beifall bei der FPÖ.)

11.16

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Lackner. – Bitte schön.