14.24

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bin heute schon kurz darauf eingegangen: Wir beschließen heute die mehrheitsfähigen Teile eines Gesetzespakets, das vor sechs oder sieben Wochen hier keine Mehrheit gefunden hat, weil die Regierungsparteien ein Paket geschnürt hatten, in dem für alle Oppositionsparteien mindestens ein Dealbreaker drinnen war – dies noch einmal zum Thema, zum Stil bei den Gesetzentwürfen, die aus Ihrem Ressort, aus dem Ressort Ihres Vorgängers, gekommen sind, der nicht hilfreich war.

Heute holen wir das nach. Wir greifen einige Punkte aus diesem Gesetzespaket heraus, die hier im Haus eine breite Mehrheit haben und auch von uns NEOS sowohl im Natio­nalrat als auch hier unterstützt werden. Ein Punkt, der endlich erfüllt wird, betrifft die Berufsgruppentests in Form der Testpflicht an Betriebsstätten. Jetzt wird endlich darauf geschaut. Ich habe diese Inkonsistenz nie verstanden, dass man zum Beispiel an den Schulen erkannt hat, dass ein großes Infektionsrisiko entsteht, wenn sich viele Personen aus verschiedenen Haushalten in geschlossenen Räumen lang miteinander aufhalten, und man dort, um die Infektionen wesentlich zu verringern, oft testen muss, das aber an den Arbeitsstätten bisher nicht passiert ist. Teilweise hat es diesbezüglich geheißen, dass die Anforderungen an den Arbeitsplatz bereits durch Präventionskonzepte erfüllt werden – dafür würden auch Plexiglasscheiben ausreichen. Wir sehen es deshalb sehr positiv, dass diese Testpflicht jetzt auch für Betriebsstätten gelten wird, an denen Infek­tionen vorkommen können.

Der zweite Punkt, der endlich erfüllt wird und den wir NEOS schon seit Dezember, als das Konzept der Eintrittstests zum ersten Mal aufgekommen ist, fordern, ist, dass geimpfte Personen genesenen Personen bezüglich der Eintrittstests endlich gleich­ge­stellt werden. Sie bekommen – auch das ist schon oft erwähnt worden – weitreichende Verordnungsermächtigungen und stehen dabei in einer großen Verantwortung, diese normativ gut umzusetzen, weil ja im Gesetz noch nicht festgelegt wurde, was genau im Hinblick auf Impfungen für eine Gleichwertigkeit ausreicht. Das beginnt mit der Frage: Welche Impfstoffe gelten? Ab wann nach einer Impfung gilt die Gleichwertigkeit? Wie lange nach einer Impfung gilt die Gleichwertigkeit?

In diesem Kontext: Wenn die Gleichwertigkeit bereits 22 Tage nach der ersten Impfung – in diesem Fall: der ersten Teilimpfung – gilt, wie das medial schon oft kolportiert wurde und wie dies zum Beispiel auch bei der Einstufung als K1- statt als K2-Kontaktperson gilt, dann muss man – wie Sie das, glaube ich, heute auch schon erwähnt haben – darauf achten, dass das nicht dazu führt, dass sich einmal geimpfte Personen denken: Jetzt ist für mich eh schon alles erledigt, ich kann mich schon zurücklehnen, was das Ansteckungs­risiko betrifft!, und dann vielleicht sogar auf die zweite Impfung verzichten. Ich habe Zahlen aus den USA gesehen. Dort sind es, glaube ich, knapp 10 Prozent, die sich ihre zweite Teilimpfung nicht abholen. Dem muss man definitiv entgegenwirken.

Eine Methode, die im Gesundheitsausschuss von Ihrem Mitarbeiter schon genannt worden ist, würde darin bestehen, zu überlegen, die Gültigkeit für die Gleichwertigkeit nach der ersten Teilimpfung nur vorläufig und befristet wirken zu lassen, nämlich – natürlich mit einem gewissen Spielraum – bis zur planmäßigen zweiten Impfung. Das wäre gut so.

Was in dem heutigen Gesetzesbeschluss nur mit einer Gültigkeit von ungefähr einer Woche – nämlich bis zum Inkrafttreten des liegengebliebenen Gesetzes – beschlossen wird, ist leider der Punkt, der die Frage behandelt, wo überall Eintrittstests verordnet werden dürfen. Bisher gilt ja, dass Eintrittstests nur dort verordnet werden dürfen, wo das Ansteckungsrisiko aufgrund einer länger andauernden Interaktion mit anderen Per­sonen relevant ist. Diese Bestimmung wird ersetzt, es wird ganz anders formuliert, aber die Voraussetzung der länger andauernden Interaktion kommt jedenfalls nicht mehr vor.

Diesbezüglich ist von Ihrem Vorgänger beziehungsweise den Regierungsparteien oft thematisiert worden, dass es dann auch möglich sein wird, Eintrittstests für Betretungen von Betriebsstätten, zum Beispiel Betriebsstätten des Handels, vorzuschreiben. Das wäre keine gute Idee, nämlich aus drei Gründen.

Erstens: Es muss ein gewisses Ansteckungsrisiko bestehen, damit so ein Eintrittstest Sinn macht. Das, glaube ich, ist auch von vornherein die gesetzliche Anforderung, ohne dass es im Gesetz jetzt ausdrücklich mit einer länger andauernden Interaktion umschrie­ben würde, weil es sonst wahrscheinlich bereits verfassungswidrig wäre.

Die zweite Frage ist die Kontrollierbarkeit.

Der dritte Grund ist das Argument, das dann oft gebracht wird: Selbst wenn im Einzel­handel keine hohe Ansteckungswahrscheinlichkeit zwischen Kundinnen und Kunden besteht, dann wäre das doch die Möglichkeit, dass man für viele Personen einen Anreiz schafft, sich testen zu lassen, damit sie sich eben, wenn sie im stationären Handel ein Buch kaufen wollen, testen lassen, dass man Personen, die sich ansonsten nicht testen lassen würden, so zum Testen bringt.

Das ist eine ganz schlechte Idee, weil gerade der Einzelhandel eine Sparte ist, der durch den Onlinehandel sehr, sehr leicht substituierbar ist. Extra um in ein Buch- oder ein Schuhgeschäft zu gehen, wird sind definitiv niemand testen lassen. Eine derartige Verordnung würde nur dazu führen, dass der stationäre Handel in Österreich zulasten der Onlinehändler – und zwar auch internationaler Onlinehandelskonzerne – Marktan­teile und Umsätze verlieren würde.

Zum nächsten Punkt, dem sogenannten grünen Pass: Ich sage sogenannt, weil es weder im Gesetz noch in der Verordnung drinnen stehen wird. Worum es da geht, ist weder ein grünes Ding, noch ist das Ding ein Pass, sondern es geht in Wirklichkeit um die Zusammenführung von Datenbanken, aus denen man einen bestimmten Status und eine bestimmte Eigenschaft der Person erkennen kann, nämlich die Eigenschaft, ob diese Person entweder schon geimpft ist – womit, wie lange, wann –, ob sie eine Infektion hinter sich hat oder ob sie aktuell einen Eintrittstest gemacht hat, der noch gilt.

Die Frage ist: Warum wird das Ganze – leider – überall grüner Pass genannt? – Ich nehme an, weil es in Israel ein derartiges Ding gibt (Bundesrat Schennach: Genau!) und sich unser Herr Bundeskanzler wieder mit den Federn der israelischen Pande­miebekämpfung schmücken möchte. Das ist leider sehr irreführend, weil der israelische grüne Pass etwas anderes ist als das, was bei uns kommen soll. Der israelische grüne Pass ist nämlich im Wesentlichen ein Impfnachweis, teilweise auch ein Genesungs­nach­weis für vormals erkrankte Personen. In Israel ist das System aber ein definitiv anderes, weil es dort das System der Eintrittstests nicht gibt, das bei uns nämlich die Grundlage für die Nachweispflichten sein wird.

Also ich finde die Bezeichnung missverständlich, ich finde sie auch kontraproduktiv, weil man dadurch der Impfverweigerung Vorschub leistet, und ich wäre dafür, dass man das Ding auch tatsächlich beim richtigen Namen nennt.

Wichtig bei der Zusammenführung der Datenbanken von Impfungen, Genesungen und Eintrittstests ist definitiv – wie wir das heute auch schon gehört haben –, dass man auf den Datenschutz schaut, dass damit auf keinen Fall Bewegungsprofile gemacht werden können. Wir haben sowohl im Nationalrat als auch hier schon jedes Mal, als das Thema war, darauf hingewiesen, dass das Ganze besser in Elga hätte zusammengeführt werden sollen, anstatt dass die Daten aus Elga in andere Register überspielt werden. Warum? – Weil man als Elga-Teilnehmer Einsicht in Abfragen aus der Datenbank hat. In die neu geplante Datenbank wird man als Bürgerin/Bürger kein Einsichtsrecht haben. Es besteht die große Gefahr, dass das wieder ein Digitalisierungsprojekt ist, das bei der Umsetzung vermasselt wird, wie das Kaufhaus Österreich.

Die Frage ist, ob es sich überhaupt für die paar Wochen, bis das europäische Zertifikat kommt, auszahlt, eine eigene österreichische Insellösung aufzusetzen, die allenfalls damit sogar inkompatibel ist, denn am 19. Mai wird das österreichische Zertifikat sowieso nicht in Kraft treten, wie wir gehört haben, sondern erst im Juni. Dann sind es vielleicht drei Wochen, bis das europäische Zertifikat in Kraft tritt. Die Frage ist: Zahlt sich das überhaupt aus?

Letzter Punkt: Eine weitere Verordnungsermächtigung, die Sie bereits haben und für die die Gesetzesänderungen heute gar nicht relevant sind, bei der aber auch die Frage der Gleichstellung Geimpfter relevant ist, ist die Einreiseverordnung: die Einreise nach Österreich von Geschäftsreisenden, Touristen, aber auch die Rückkehr von Öster­reichern, die ins Ausland gereist sind, oder von Auslandsösterreichern, die Heimaturlaub machen möchten.

Auch dort stellt sich die Frage, wie mit den Anforderungen oder den Auflagen, die an die Einreisenden nach Österreich gestellt werden, mit der Testpflicht und mit der Quaran­tänepflicht für Geimpfte umgegangen wird. Werden dort die gleichen Anforderungen gestellt, die für die Gleichstellung in Österreich bei den Eintrittstests gestellt werden? Wie würde man argumentieren, dass es andere Anforderungen sind?

Ein großes Problem, das die Einreiseverordnung aufweist, was ich – wie die Kolleginnen und Kollegen wissen – auch jedes Mal Minister Anschober gesagt habe, ist die Inkonsis­tenz in der Länderliste im Anhang der Einreiseverordnung. Dort gibt es zwei Länder­listen: Die eine Länderliste ist quasi die grüne Liste, das sind die Staaten, aus denen man quarantänefrei nach Österreich einreisen kann. Die andere Liste ist die Liste der Hochinzidenzstaaten, aus denen man verschärfte Auflagen hat. Beide Listen sind inkonsistent, weil in beiden Listen Länder fehlen.

Auf der Liste der Länder mit quarantänefreier Einreise hätten ja angeblich Länder mit einer Siebentageinzidenz unter 50 sein sollen. Tatsächlich wird die Schwelle sehr viel niedriger angesetzt, wenn man sich die Inzidenz anschaut. Damit ein Land auf diese Liste kommt, darf die Inzidenz offenbar maximal 25 sein, denn die Länder, die in der Inzidenz zwischen 25 und 50 liegen, fehlen dort.

Jetzt sind von den europäischen Staaten nur Finnland, Island und der Vatikan auf dieser Liste. Finnland hat eine Inzidenz in der Gegend von 25, Island hat ungefähr 11. Die anderen europäischen Staaten mit einer ähnlichen Inzidenz fehlen aber dort. Portugal hat eine Inzidenz von 25, Großbritannien eine Inzidenz von 20, Albanien hat auch eine Inzidenz von ungefähr 20. Warum die einen Länder drauf sind und die anderen nicht, ist unerfindlich. Jetzt könnte man sagen, das wäre ja egal, man irrt sich da auf der sicheren Seite. Das Problem ist: Auf der Liste der Hochinzidenzstaaten fehlen auch Länder.

Jetzt zu den Ländern in Europa mit der aktuell höchsten Inzidenz: Die ersten zwei auf dieser Liste sind, so wie es gehört, Zypern in der Gegend von 450, Schweden - -

Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, ich bitte, die Redezeitusancen zu beachten.

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (fortsetzend): Schweden ungefähr mit 340, aber das Land mit der dritthöchsten Inzidenz fehlt. Das wäre Litauen mit einer Inzidenz in der Gegend von 300. Dann kommen aber wieder Länder mit einer Inzidenz in der Gegend von 300 – Kroatien, Niederlande –, dann Frankreich mit einer Inzidenz von 200, dann kommen aber Länder, die eine Inzidenz haben, die niedriger ist als die österreichische, die aber auf der Hochinzidenzstaatenliste stehen. Das passt alles nicht zusammen. Da wäre es notwendig, dass Sie die Versäumnisse Ihres Vorgängers bezie­hungsweise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Ihrem Vorgänger die Liste zum Unterschreiben vorgelegt haben, ausbessern.

Ich komme jetzt zum Schluss. Wieder zurück nach Österreich: Man sieht, wenn man sich die Entwicklung der Inzidenzen an den beiden geografischen Extremen Österreichs – im Burgenland und in Vorarlberg – anschaut, ganz verschiedene Ausgangsbedingungen, aber an den Entwicklungen der Inzidenzen beider Bundesländer sieht man, dass weder die Ausgangsbeschränkungen noch die Schließung von Einzelhandel, Museen, Friseur­salons oder Schulen die Conditio sine qua non ist, um Ansteckungen deutlich zu ver­ringern. Ich hoffe, dass Sie da auch vom Vorbild Ihres Vorgängers abweichen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

14.39

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein. – Bitte.