17.41

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Familien gehören zu den am stärks­ten betroffenen Gruppen in dieser Krise. Sie müssen jeden Tag den Balanceakt zwi­schen Distancelearning, dem sogenannten Homeoffice, Erziehung und Haushalt schaf­fen. Das Leben im sogenannten Lockdown wird für viele Familien zur Belastungsprobe. Die Konflikte nehmen zu, die Zahl der Fälle von Gewalt in Familien steigt.

Gewalt an Kindern beispielsweise hat während der Coronakrise um 49 Prozent zuge­nommen. Die Umstände zeigen, dass in vielen Fällen die Perspektiven und Hoffnungen ausbleiben. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Druck in den Familien weiterhin zunehmen wird, mit der Folge, dass, wenn der Druck steigt, auch Konflikte mehr werden und das auch wieder vermehrt zu Trennungen, zu Scheidungen, auch zu gewalttätigen Situationen führt.

Eine wichtige Rolle im Kampf dagegen spielen die Familienberatungsstellen. Schon vor der Coronapandemie leistete die Familienberatung mit ihren rund 400 Familien­be­ratungs­stellen einen unverzichtbaren und unermesslich wertvollen Beitrag für die psycho­soziale Gesundheitsversorgung von Familien in Österreich. In Zeiten der Corona­pan­demie steht die Familienberatung vor außergewöhnlichen Herausforderungen und leistet einen wichtigen systemrelevanten Beitrag.

Mit der Dauer der Pandemie und den behördlichen Maßnahmen sowie den ein­schnei­denden Veränderungen schwinden die persönlichen Ressourcen zunehmend, und viele Menschen beziehungsweise Familien stoßen an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit. Die Familienberatung in diesen Zeiten nicht ausreichend zu fördern ist daher verant­wortungslos, denn bereits vor der Krise mangelte es der Familienberatung an finan­ziellen Mitteln.

Außerdem leiden besonders Kinder und Jugendliche unter den politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie. Laut einer aktuellen Studie der Donau-Univer­sität Krems leiden aktuell 26 Prozent der österreichischen Bevölkerung an depressiven Verstimmungen, 23 Prozent an Angstsymptomen und 18 Prozent an Schlafstörungen. Besonders besorgniserregend sind laut den Autorinnen und Autoren der Studie die Ergebnisse bei jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Da kam es zu einem sprunghaften Anstieg von rund 30 auf 50 Prozent Betroffene.

Expertinnen und Experten schlugen kürzlich auch medial Alarm, dass Essstörungen und psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen sich seit dem Beginn der Corona­krise häufen. Doch eine parlamentarische Anfrage unseres Nationalrats­abgeordneten Gerald Loacker an das Gesundheitsministerium brachte ein ernüchterndes Ergebnis: Es fehlen Hunderte Ärztinnen, Ärzte und Therapieplätze in der Kinder- und Jugend­psychi­atrie. In manchen Bundesländern ist nicht einmal ein Drittel der benötigten Therapie­plätze und Ärzte vorhanden.

In Wien müsste es 180 Betten geben, es sind aber nur 60 vorhanden, und das sind sogar weniger als vor ein paar Jahren. In der ganzen Stadt gibt es nur sieben niedergelassene Ärztinnen/Ärzte mit Kassenvertrag, benötigt werden aber 22.

In Niederösterreich gibt es 78 Betten, zehn Kassenstellen, benötigt werden aber 164 Bet­ten und 20 Ärztinnen/Ärzte.

Im Burgenland, wie wir auch schon gehört haben, gibt es nicht ein einziges Bett und nicht einen einzigen Arzt, empfohlen werden 29 Betten und vier Ärztinnen/Ärzte.

Wie schon anfangs erwähnt hat die Gewalt während der Coronakrise zugenommen. Doch wie die aktuellen Umstände zeigen, hat Gewalt in der Familie leider viele Facetten.

Österreich hat ein Riesenproblem mit Femiziden. Nirgendwo sonst in Europa passieren verhältnismäßig so viele Frauenmorde wie bei uns. Die Regierungspolitik muss des­wegen mit den Lippenbekenntnissen und medientauglich inszenierten Gipfeltreffen auf­hören und endlich Maßnahmen zum Schutz von Frauen setzen, die über reine Anlass­politik hinausgehen und die wirklich nachhaltig greifen. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es gibt eindeutig ein Problem mit Männergewalt. Das müssen wir auch klar als solches identifizieren und benennen. Da müssen wir ansetzen, das Problem an der Wurzel packen, nämlich bevor etwas passiert. Die Gewaltprävention muss daher bereits ab dem Kindergarten zum Einsatz kommen. Den respektvollen Umgang miteinander und die Gleichstellung von Mann und Frau müssen schon die Kleinsten verinnerlichen. Wir NEOS fordern daher umfassende Sensibilisierungs- und Präventionsmaßnahmen von Anfang an.

Darüber hinaus muss an besseren Täter- und Risikoprofilen gearbeitet werden, um Maß­nahmen noch konkreter setzen zu können, sowie an verpflichtenden Antigewalttrainings für straffällig gewordene Personen, und es braucht Gewaltambulanzen in allen Bun­desländern, in denen Opfer an einem einzigen Ort schnell, niederschwellig und anonym Zugang zu medizinischer, psychologischer und rechtlicher Unterstützung finden kön­nen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.46

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. – Bitte.