20.26

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Die digitale Infrastruktur ermöglicht es nun endlich, zentrale Justiz­service­stellen an den Standorten von Gerichten und Staatsanwaltschaften einzurichten, die aber nicht mehr an den Gerichtsstandort gebunden sind. Damit wird der Zugang zu Rechtsinformationen aus ganz Österreich ermöglicht und mit rechtlich geschultem und serviceorientiertem – das ist auch ein wichtiger Punkt in Österreich – Personal besetzt. Die bereits bestehenden Servicecenter und Amtstage bei den Gerichten bleiben aber zusätzlich bestehen.

Das macht den Zugang zur Justiz ein weiteres Stück niederschwelliger, weil Menschen leichter zu ihrem Recht kommen. Das macht die Justiz auch transparenter, weil Men­schen leichter zu Informationen kommen. Die JuristInnen unter uns wissen – vielleicht manchmal leidvoll –, wie gefragt kostenlose Rechtsinformation ist. Bei den Justizservice­stellen können nun einfache Anträge gestellt, Klagen und Formulare eingebracht wer­den. Es können Grund- und Firmenbuchauszüge gemacht werden und es können Beglaubigungen durchgeführt werden. Damit kann ein großer Teil der Rechtsangele­genheiten dort abgehandelt werden, was eine große Entlastung der Gerichte bedeutet.

Ein Punkt in der Regierungsvorlage zur Novellierung des Gerichtsorganisations­ge­setzes, der leicht zu übersehen ist, ist der Verweis auf § 107d Abs. 3a Z 3, der eine seit mehr als zehn Jahren bestehende Lücke schließt, nämlich dass in Strafverfahren, bei denen es um wiederholte Gewaltausübung gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität geht, nur Richterinnen oder Richter mit besonderen Kenntnissen und aus­reichender Erfahrung im Umgang mit Betroffenen zuständig sein dürfen.

Warum ist das so wichtig? – Im vorhin eingebrachten Entschließungsantrag wurde auf die Istanbulkonvention, das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Be­kämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, verwiesen. Dieses wurde von Österreich unterzeichnet und ratifiziert, und es beinhaltet die Empfehlung, die Aus- und Fortbildung und die Bewusstseinsbildung von Berufsgruppen, die regelmäßigen Kontakt zu Opfern oder StraftäterInnen haben, als eine wesentliche Maßnahme für die Sensibilisierung, Prävention und ein frühes Aufdecken von Gewalttaten auszubauen.

Ich begrüße daher den Erlass der Justizministerin, Behörden besonders für Opfer häus­licher Gewalt zu sensibilisieren, genauso wie die einstimmige Entschließung im Natio­nalrat, dass RichteramtsanwärterInnen im Rahmen ihrer Ausbildung zum Thema Gewalt gegen Frauen verstärkt sensibilisiert werden sollen und dass sogar geprüft wird, ob RichteramtsanwärterInnen auch verpflichtend einen Ausbildungsdienst bei Opfer­schutz­einrichtungen absolvieren sollen.

Respekt vor der Integrität der Person und sexuelle Selbstbestimmung müssen eindeutig Grundlage jeglicher Beurteilung von Sexualdelikten an den Gerichten sein. Das unterstützt auch der kostenlose psychosoziale und juristische Beistand der Opfer oder die gesonderte Einvernahme von Opfern ohne den angeklagten Täter. Im Ausschuss haben wir gehört, dass diese auch mit Videoübertragung möglich sein wird.

Jede, die schon einmal die zutiefst beschämende und verletzende Erfahrung von sexu­eller Belästigung oder gar sexueller Gewalt gemacht hat, weiß, wie schwer es ist, über solche intimen Situationen, in denen es um Eingriffe in die körperliche und seelische Integrität geht, zu reden – noch dazu im Gerichtssaal, mit Fremden, AnklägerInnen, Schuldsuchenden und Urteilenden. Da muss es selbstverständlich sein, besonders geschulte RichterInnen heranzuziehen, um weitere Bloßstellungen, Schuldzuweisungen an die Opfer, Verletzungen oder gar Retraumatisierungen unbedingt zu vermeiden.

Danke daher, liebe Justizministerin, für Ihren Einsatz zum Schutz von Frauen vor Gewalt, der auch mit vielen anderen Maßnahmen verbunden ist. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.30

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Sebastian Kolland. – Bitte, Herr Bundesrat.