21.07

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Justizministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Nachdem Kollege Hübner ja den Schwerpunkt im überwiegenden Teil seiner Rede auf die Verschleierung des Anti­semitismus gelegt hat (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), werde ich mich jetzt im ersten Teil meiner Rede ein bisschen kürzer halten, Kollege Steiner.

Zum einen: Es war beeindruckend, im EU-Ausschuss in den letzten zehn Jahren Stück für Stück diesen Weg der europäischen justiziellen Zusammenarbeit nachzuverfolgen. Kollege Hübner war in diesem Zeitraum nicht bei uns im Bundesrat. Der EU-Ausschuss des Bundesrates war einer der wenigen EU-Ausschüsse in Europa, die den Euro­päischen Staatsanwalt explizit begrüßt haben, und damit ein wesentlicher Faktor, dass wir so weit gekommen sind. Warum brauchen wir den, Kollege Hübner? Warum denn? Na? – Da geht es um Korruptionsfragen.

Warum hat man so lange versucht, die Ernennung von Laura Codruța Kövesi aus Rumänien, einer absoluten Expertin der Korruptionsbekämpfung, zu verhindern? Es ist nicht gelungen, und es ist richtig und wichtig, dass sie seit 1.11.2019 die erste Euro­päische Staatsanwältin ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Österreich hatte das Glück, per Los zum Zug zu kommen. Frau Oberstaatsanwältin Ingrid Maschl-Clausen wird für drei Jahre dem Team der Europäischen Staatsanwälte angehören. Das heißt, Frau Kövesi ist für sechs Jahre nominiert, unsere Österreicherin für drei Jahre.

Frau Bundesministerin! Wir brauchen allerdings noch ein paar Begleitregelungen zur Europäischen Staatsanwaltschaft. Ich nehme an, wie ich Sie kenne, dass das bald auf den Weg gebracht wird.

Jetzt noch einmal zum kleinen Schrebergarten des Kollegen Hübner: Kollege Hübner! Wir sind in Europa, wir haben Reisefreiheit, Niederlassungsfreiheit. Natürlich gibt es Erblassfälle: Da stirbt ein Österreicher, der sich in Kopenhagen niedergelassen hat, oder eine Österreicherin, die sich in Spanien niedergelassen hat. Das sind ja alles Dinge, bei denen wir in einem Europa Regelungen haben, in dem es ganz viele Erblassfälle über die nationalen Grenzen hinweg gibt.

Aber – ihr liebt ja den Kampf gegen die Kriminalität – die organisierte Kriminalität kennt keine Grenzen, und die Zusammenarbeit im Bereich der Justiz, aber auch im Bereich des Inneren hilft uns, diese brutale grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen.

Dann kommt noch dazu: Es gibt verschiedene Zeugen. Wenn man sich zum Beispiel den jüngsten Fall mit dieser Kinderpornoseite anschaut: Da muss man verschiedene Straftatbestände sichern und verschiedene Einvernahmen machen. Genau das will die justizielle Zusammenarbeit! Ja, es können zum Beispiel für ein Verfahren, das in Österreich durchgeführt wird, Zeugen in Frankreich befragt werden.

Nun, kommen wir zu dem Vorhaben! Da gibt es sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht zwei Dinge. Im Strafrecht gibt es zwei Richtlinien. Das Erste ist die Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen. Da geht es um genau das, was ich mühsam versucht habe, Kollegen Hübner zu erklären: um Sicherung elektronischer Beweismittel im Strafverfahren. Das Zweite sind einheitliche Regeln für die Bestellung bei der Beweiserhebung im Strafverfahren. Das ist da drinnen, und das ist gut so. Da kann man auf jeden Fall von einer Effizienzsteigerung ausgehen.

Im Zivilrechtlichen gibt es jetzt etwas, das wir bei uns noch nicht haben. Vor allem geht es da – da wird wahrscheinlich die Wirtschaft interessiert sein – um Investitionen. Da gibt es die Präzisierung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung im internationalen Privat­recht. Das heißt, dass Dritten Forderungsrechte übertragen werden, und – wir hier im Bundesrat lieben ja alle die KMUs – die KMUs profitieren davon. Das EU-Parlament hat übrigens in diesem Bereich schon zugestimmt.

Der ganz, ganz große Brocken aber sind die digitalen Dienste und die digitalen Services, also einerseits gibt es Services, andererseits gibt es Markt. Da wird – wir hatten sie schon im EU-Ausschuss – wieder die E-Commerce-Richtlinie zu überarbeiten sein. Es geht aber auch um Standardfestlegungen für Notice-and-Action-Verfahren, und natürlich kommt Hass im Netz als Thema dazu.

Bei Frau Kittl schließe ich kurz an, was den ökologischen Bereich betrifft. Da gibt es die nichtfinanzielle Berichterstattung. Das wurde jetzt einmal als Strategie für die nachhaltigen Investitionen probiert. Jetzt gibt es da das Problem, dass die Informationen nicht vergleichbar sind, dass sie nicht zuverlässig sind, nicht relevant sind. Deshalb hat man die European Financial Reporting Advisory Group mit einem Mandat beauftragt, die Finanzstruktur und die Governance zu organisieren. Man hat auch gesagt, in welchem Bereich es solche Standards braucht: bei der nichtfinanziellen Berichterstattung. Das betrifft den Klimaschutz, den Sie genannt haben, das betrifft die Umwelt, die Energie, die Mobilität, die Innovation, die Technologie und so weiter. Da geht es um wichtige und richtige Vorhaben.

Ganz zum Schluss, weil ich ja schon einmal über die Adäquanzentscheidungen ge­sprochen habe: Das wichtigste Gut, das wir haben, sind unsere Daten. Früher waren wir Sammler, dann wurden wir Jäger und heute sind wir Datenproduzenten und –produ­zentinnen. Da geht es darum, dass unsere Datenschutz-Grundverordnung mit anderen Ländern harmonisiert werden muss. Wir hatten schon einmal den Safe Harbor ge­kündigt, und zwar mit den USA. Jetzt machen wir das stattdessen mit dem Vereinigten Königreich, aber auch mit Japan und auch mit Südkorea. So, das ist alles in diesem Vorhaben.

Jetzt kommen wir zu dem, was Kollege Hübner versucht hat lächerlich zu machen. Erstens erinnern wir dieser Tage an den 100. Geburtstag des Mitglieds der Weißen Rose Sophie Scholl. Sophie Scholl war Christin und hat als junge Frau angefangen, Flugblätter zu produzieren. Sie wurde von den Nazis ermordet.

Jetzt kann man sagen, es gibt auch heute Menschen wie Sophie Scholl. Ich möchte nur einen Namen nennen: Olga Misik. Sie, damals 17 Jahre alt, hat sich vor eine riesige Truppe der russischen Polizei hingesetzt und hat die Verfassung vorgelesen. Das Resultat waren zwei Jahre Haft.

Die Israelitische Kultusgemeinde hat 2019 berichtet, dass es 550 antisemitische Übergriffe gegeben hat. Das waren doppelt so viele wie davor. Nun kommt genau das, was Kollegen Hübner solche Sorgen macht, nämlich dass das Verbotsgesetz in irgendeiner Weise tangiert ist. Deshalb die vielen Worte. Sie hätten einfach sagen können: Wir wollen nicht, dass Antisemitismus und Verbotsgesetz miteinander verknüpft werden. Dann wäre die Sache, was Sie wollen, klar gewesen, aber so haben Sie sich lustig gemacht.

Es gab irgendeinen Zwischenruf. Ich glaube, es war Herr Schreuder, der gerufen hat: Die rennen mit Judensternen herum. Also ich habe auf der Straße Menschen mit Judensternen gesehen, das ist extrem irritierend, und natürlich finden sich da Rechts­radikale, Neonazis, ReichsbürgerInnen, WutbürgerInnen und andere ein. Und das ist eine Form des Antisemitismus, dem wir entschieden entgegentreten müssen.

Ich weiß nicht warum, aber ich kriege so viele E-Mails von Weltverschwörern. Da kommt das genau heraus: Bill Gates, eine jüdische Maßnahme, um uns alle auszutauschen, diese Pandemie wurde erfunden!, und so weiter und so fort. Da kommen ganz alte Verschwörungstheorien mit ganz neuen zusammen, und deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesamt­gesellschaftliche Sensibilisierungsoffensive gegen antisemitische Verschwörungs­theorien“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung möge so rasch wie möglich, abseits der bereits beschlossenen Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, im Schul- und gesamten Bildungsbereich und mit gesamtgesellschaftlichen Sensibilisierungsoffensiven Maßnahmenpakete set­zen, um gegen die antisemitischen Verschwörungstheorien, die sowohl im Netz, als auch in der realen Welt vertreten werden, entgegenzuarbeiten. Zusätzlich soll ein jährlicher Bericht über die Verbreitung und Vertretung von antisemitischen Verschwörungstheorien den beiden Kammern vorgelegt werden, wobei der föderale Aspekt des Problems, genauso wie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Netzvarianten und jener im sozialen und politischen Leben besonders berücksichtigt werden sollen.“

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Damit unterstützen wir zusätzlich die Nationale Strategie gegen Antisemitismus der Bun­desregierung, und wir hoffen angesichts dieses wichtigen Themas, dass wir da nicht alleine bleiben und die Koalition bei diesem Antrag mitgehen kann. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

21.19

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Gesamt­ge­sell­schaftliche Sensibilisierungsoffensive gegen antisemitische Verschwörungstheorien“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr dieses.