9.14

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Werte Zuse­herinnen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich gleich eines klarstellen, und ich bin über­zeugt, dass das im Sinne aller hier im Saal ist: Gewalt an Frauen, egal, welcher Art, ist hässlich, ist feige und ist klar abzulehnen und zu verurteilen! (Allgemeiner Beifall.)

Wenn man die Zahl der Femizide im heurigen Jahr betrachtet, sich das vermehrte Auf­treten von Hasspostings im Netz anschaut und man von frauenfeindlichen Aussagen in den verschiedensten Medien hört, dann hat man fast den Eindruck, es habe sich in den letzten Jahren noch immer zu wenig zur Stärkung von Frauen, von Frauenrechten und zur Sicherheit und zum Schutz von Frauen getan. Frauen sind noch immer und immer wieder Zielscheibe von Erniedrigung und Ausbeutung.

Und Gewalt hat viele Gesichter: Am Anfang ist es psychische Gewalt, der Frauen ausge­setzt sind, sie sind Beleidigungen und Demütigungen ausgesetzt, und das reicht von Hass und Gewalt im Netz über sexuelle Gewalt bis hin zu physischer Gewalt, die letztlich auch bis zu einem Frauenmord führen kann. Es ist dabei für die Opfer nicht immer leicht, sich zur Wehr zu setzen und sich zu befreien. Existenzängste, Angst vor weiterer Gewalt und Abhängigkeit gegenüber dem Täter hindern die Frauen oftmals daran, sich Schutz und Hilfe zu holen und sich aus der Spirale der Unterdrückung zu befreien.

Gewalt an Frauen ist ein gesellschaftspolitisches Thema, und es stellt sich schon die Frage, wie entwickelt eine Gesellschaft ist, die es nicht zur Gänze schafft, entschlossen für Anerkennung, Wertschätzung, Respekt und Gleichstellung von Frauen und Mädchen aufzutreten und einzutreten. Immer noch werden Frauen in erster Linie als wichtig für die Familie gesehen, und Gewalt an Frauen wird daher lediglich problematisiert, wenn Frauen und Partnerschaften nicht mehr funktionieren. Ich denke, da ist auch eine be­sondere Wahrnehmung der Gesellschaft notwendig. Gerade die Coronapandemie hat aufgezeigt, welche Rollen, welche vielfältigen Rollen Frauen – als Mütter, als Arbeiterin­nen, als Pflegekräfte und vieles mehr – übernommen haben und als welche wesentliche Stütze sie gerade auch in dieser Zeit in unserem Zusammenleben, in unserer Gesell­schaft fungiert haben. Und noch immer haben wir zu wenige Maßnahmen davon abge­leitet, um diese Frauen auch zu stärken.

Frauen tragen nicht nur die Last in den Familien, sondern auch in der Gesellschaft. Aner­kennung und Wertschätzung sind ein erster guter Schritt, aber bis zur wirklichen Gleich­stellung haben wir noch einen weiten Weg vor uns.

Studien besagen, unsere Gesellschaft befindet sich derzeit in einem Übergangsprozess, in dem sich patriarchale Einstellungen und Normen mit neuen partnerschaftlichen Ansät­zen noch im Widerstreit befinden. Gewalt ist aber nicht die Lösung des Problems, denn Frauen werden weiterhin und vehement und umso vehementer für ihre Rechte aufstehen und auch kämpfen.

Gewalt an Frauen ist ein gesellschaftliches Problem, das uns alle angeht, das uns alle betrifft und bei dem auch wirklich niemand von uns wegschauen darf. Es ist für uns eine politische und auch gesellschaftspolitische Aufgabe, mit allen uns zur Verfügung stehen­den Mitteln gegen Gewalt an Frauen und Mädchen anzukämpfen und uns für ihre Gleich­stellung einzusetzen.

Ich denke, ein wichtiger Schritt in der Prävention gegen Gewalt ist, die Frauen und Mäd­chen dahin gehend zu sensibilisieren, Gewalt zu erkennen, und sie auch zu bestärken und zu schützen. Angst und Scham beziehungsweise das Gefühl, dass Gewalt normal und ein Recht des Mannes ist, bewirken, dass Opfer Gewalterlebnisse eher herunter­spielen oder überhaupt gar nicht als solche erkennen oder benennen.

Bereits während des ersten Lockdowns starteten das Innenministerium und das Bun­deskanzleramt eine umfassende Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagne gegen häusliche Gewalt, mit dem Ziel, dass wirklich jede Frau weiß, dass sie einen Zufluchtsort hat, wo sie bereits bei den ersten Anzeichen von Gewalt Schutz findet. Ich bin froh, dass diese Infokampagne gegen Gewalt in der Privatsphäre weiter intensiviert wird.

Es braucht auch weiterhin alle Anstrengungen in dieser Bundesregierung, um gemein­sam Maßnahmen zu setzen. Mitte Mai wurde von den Ministerien für Soziales, Frauen, Justiz und Inneres ein gemeinsames Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention dem Ministerrat vorgelegt. Es umfasst die weitere Intensivierung der Zusammenarbeit der einzelnen Stakeholder, Expertinnen und Ex­perten.

Aufgrund der zunehmenden Gewalt gegen Frauen und der Frauenmorde sollen künftig in jeder Polizeistation speziell geschulte Beamtinnen und Beamte im Bereich des Ge­waltschutzes zur Verfügung stehen, die auch mit den Opferschutzeinrichtungen vernetzt sein sollen.

Das Frauenministerium und das Bundeskriminalamt geben zur Motivforschung über die vergangenen Femizide gemeinsam eine Untersuchung in Auftrag, um daraus Erkennt­nisse zur Motivlage und zu den Möglichkeiten, die für eine frühzeitige Intervention, bevor die Gewalt eskaliert, zur Verfügung stehen, zu gewinnen.

Weiters sollen Gewaltschutzeinrichtungen finanziell gestärkt und ausgebaut werden. Familienberatungsstellen sind Erstanlaufstellen in Familien- und Partnerschaftsfragen, sie sind wichtige Eckpfeiler der psychosozialen Versorgung der Menschen und somit auch eine wichtige Einrichtung zur Prävention; auch sie sollen weiter finanziell gestärkt und ausgebaut werden.

In Summe umfasst das Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention noch viele weitere wichtige Maßnahmen und ist ein klares Zeichen der Bundesregierung, dass ihr Gewaltschutz und Gewaltprävention wirklich ein zentrales Anliegen ist.

Noch einmal: Es ist aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu deren Erfüllung nicht nur Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch die Zivilgesellschaft, die Bildungs­einrichtungen sowie auch die Medien an einem gemeinsamen Strang ziehen müssen.

Abschließend möchte ich sagen: Frauenverachtung, Gewalt gegenüber Frauen ist Men­schenverachtung! Also seien wir wachsam, seien wir achtsam, stärken vor allem wir Frauen uns gegenseitig, denn nur mit Mut und Entschlossenheit, Achtsamkeit und sen­sibler Wahrnehmung können wir jene Frauen unterstützen, die in unserer Gesellschaft aufgrund ihrer Herkunft, ihrer sozialen Stellung und ihres Umfeldes die schlechteren Karten haben! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der BundesrätInnen Gross­mann und Arlamovsky.)

9.21

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Elisabeth Grossmann. – Bitte.