10.31

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu einem Tagesordnungspunkt, bei dem man sagen kann, den Gegen­stand, der heute beschlossen wird, braucht wirklich niemand – oder, um es wienerisch zu steigern, den braucht wirklich, wirklich niemand. Alles andere, was wir heute auf der Tagesordnung haben, ist wichtiger, entscheidender und sinnvoller als die Europäische Staatsanwaltschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Warum es diese Institution gibt, erschließt sich außerhalb von Propagandaüberschriften und Worthülsen der EU wirklich niemandem. Eingeführt wird sie offiziell zur Bekämpfung von Korruptions-, Untreuefällen und so weiter, die gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtet sind. Okay, nur wozu braucht man da eine neue bürokratische Organisa­tion? Wozu muss man ein neues Hauptquartier in Luxemburg einrichten? Wozu muss es Beamte geben, die den österreichischen Staatsanwälten Weisungen erteilen? Wozu muss es eine Überwachung unserer Staatsanwaltschaft geben?

Ich könnte mir noch vorstellen, dass sich Länder wie Bulgarien oder Rumänien oder – wenn sie einmal EU-Mitglied werden – Moldawien oder Montenegro einer solchen Insti­tution unterwerfen, weil sie sagen: Unsere Staatsanwaltschaft funktioniert so wenig, die ist so korrupt, da freuen wir uns, wenn es irgendeine Behörde gibt, die uns auf die Finger schaut. – Warum das aber Österreich macht, ist mir völlig unerklärlich.

Es ist ja auch nicht von ungefähr, dass verschiedene demokratische Staaten wie Irland, Dänemark und Schweden dabei nicht mitmachen. Sie haben ihre Gründe. Wenn Sie die Begründungen dieser Ländern lesen, geht es darum: Wir verstehen nicht, wozu man das braucht, und zweitens ist das ein Eingriff in unsere eigene Rechtsordnung, in unsere demokratisch kontrollierte Rechtsordnung, den wir ohne irgendeinen ersichtlichen Grund nicht zulassen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Überwachung der ordnungsgemäßen Handhabung des EU-Subventionsregens in die Mitgliedsländer gibt es ja ohnehin die Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf. Die unter­sucht das, zeigt es auf und meldet es dann den lokalen Behörden in den Mitgliedslän­dern, wenn sie den Verdacht auf Straftaten hat. Zudem bewirkt sie ja, dass die betroffe­nen Länder unter Umständen die erhaltenen Subventionen, Förderungen, Zuschüsse – was immer das auch ist – zurückzahlen müssen, sodass die Länder selbst ein eminentes Interesse daran haben, solche Dinge aufzuklären, weil es um ihre eigene Geldbörse geht. Warum es jetzt nicht mehr möglich ist, dass die lokale österreichische Staatsan­waltschaft über eine Anzeige der Olaf hinweg tätig wird, warum es jetzt eine Aufsicht durch eine EU-Behörde geben muss, erschließt sich mir jedenfalls nicht.

Ich habe Ihren gestrigen informierten Vertreter aus dem Justizministerium im Ausschuss gefragt, ob ihm ein einziger Fall vorstellbar oder in Erinnerung ist, dass in Österreich ein solches Delikt, das von der Europäischen Staatsanwaltschaft kontrolliert oder begleitet werden will, nicht oder nicht ausreichend verfolgt wurde, und es nur in einem einzigen Fall sinnvoll, notwendig gewesen wäre, eine Europäische Staatsanwaltschaft oder eine vergleichbare Oberbehörde zu haben. Darauf hat er gesagt, so ein Fall ist ihm nicht erinnerlich und vorstellbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Da kommen wir zum entscheidenden Punkt: Wir sollten trotz der Vorfälle um Leute wie Blümel und Kurz, trotz Novomatic, trotz Ibiza und trotz eines Gesundheitsministers, der uns erzählt, dass ein Impfstoff, wenn man ihn in den Muskel spritzt, ja nicht ins Blut gelangt, prinzipiell unserem Staat und unseren Organen ein bisschen vertrauen und nicht auch da die – ich sage einmal – Kastration der eigenen Institutionen vornehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das beste Beispiel, wie realitätsfern und propagandagestützt diese Einrichtung ist, ist ja die Aussage der Vizepräsidentin Jourová vor ein paar Tagen, die gesagt hat, die Behörde wird am 1. Juli ihre Arbeit aufnehmen, und dann wird dafür gesorgt sein, „dass kein Euro durch Korruption und Betrug mehr verloren geht“. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Können Sie sich als Ministerin eine absurdere und wirklichkeitsfremdere Idee vorstellen, als dass, wenn wir jetzt österreichweit eine neue bürokratische Form der Kontrolle der Staatsan­waltschaft, eine Oberstaatsanwaltschaft Neu oder einen Weisungsrat Neu im Justizmi­nisterium einrichten, durch Korruption und Betrug kein Euro mehr verloren geht, weil alle Leute sich so ängstigen, dass sie die Finger von Korruption und Betrug lassen? Das kann sich nur eine EU-Institution vorstellen!

Wie viele Mitarbeiter es dort geben wird, wie viel es kostet und so weiter, wissen wir alles nicht. Es wird ja nicht aus dem EU-Budget bestritten, weil es noch dazu eine Materie ist, die nach dem Arbeitsvertrag für die Europäische Union, vulgo EU-Verfassung, über­haupt nicht Kompetenz der Europäischen Union, sondern Kompetenz der Mitgliedstaa­ten ist. Nicht umsonst ist diese Verordnung seit 2017 auf Eis gelegen, die Verord­nung 2017/1939 gibt es ja schon seit 2017. Diese Verordnung kommt jetzt nach vier Jahren über die bewährte Vorgangsweise der EU in Geltung: etwas zu machen, dann zu warten, dann es wieder zu machen, dann zu warten, dann wieder jemanden zu ge­winnen, dann wieder zu warten – und irgendwann ist es so weit, dass alle müde werden und der Institution zustimmen. Dann kann im Drüberwaschen die Kompetenz noch so schwammig festgelegt werden, dass sie eigentlich beliebig austauschbar ist.

In der jetzigen Fassung der Verordnung gibt es ja auch die Kompetenz, in allen Fällen tätig zu werden, in denen in Mitgliedsländern gegen die finanziellen Interessen der EU verstoßen wird. Gegen die finanziellen Interessen wird immer dann verstoßen, wenn ei­ne Maßnahme oder ein Delikt gesetzt wird, das das Bruttonationaleinkommen reduziert. Das ist zum Beispiel auch Steuerhinterziehung in jeder Form, Schwarzbau eines Häusls. Das ist nämlich die Bemessungsgrundlage für die Eigenmittel der EU, und damit sind alle Delikte, die in irgendeiner Weise das Bruttonationaleinkommen betreffen, Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft eingreifen kann. Das heißt, wir geben damit eine Kompe­tenz aus der Hand, von der wir nicht wissen, wie weit sie gehen wird und wo sie landen wird. Wir können das bei den Punkten – da werden Sie nicht mehr hier sein – 9 bis 11 der Tagesordnung, bei denen es ja um die Eigenmittel der EU geht, ein bisschen näher analysieren.

Kurz gesagt, bis noch vor 20 Jahren hat es veröffentlichte Erkenntnisse gegeben, die auch heute noch gelten, dass jede Verwaltung umso effizienter, korruptionsärmer, bür­gernäher und verständlicher ist, je dezentraler sie erfolgt. Sogar Staaten wie Frankreich, die eine fast 200-jährige Zentralisierungsgeschichte haben, haben in den Achtziger- und Neunzigerjahren nachgegeben, Regionen geschaffen, Kompetenzen devolviert. Jetzt aber, nach mehreren Hundert Jahren dieser Erkenntnis, darf darüber nicht mehr disku­tiert werden, jetzt gibt es nur noch einen Glaubenssatz – oder ein Axiom, wie der Mathe­matiker sagen würde –, und der lautet: Wir können nichts mehr alleine machen, wir müs­sen alles zentralisiert verwalten, dann ist es gut, dann ist es möglich, dann ist es effizient; je weniger lokal passiert, je weniger lokal entschieden wird, je weiter es von Entscheidun­gen der betroffenen Bevölkerung weg ist, desto besser!

Diese Umkehrung aller Erkenntnisse, diese Umkehrung – meiner Ansicht nach – der Vernunft und diese Umkehrung des demokratischen Prinzips sehen wir heute mit diesem Gesetzesantrag, der brav eine für uns völlig absurde EU-Verordnung umsetzt. Dieser Vorschlag wird von uns – für Sie nicht überraschend – daher auch nicht die Zustimmung finden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.39

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.