9.59

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (ein Fähnchen in Regenbogenfarben auf das Rednerpult stellend): Danke für den Anfangsapplaus! (Bundesrat Steiner: Hahaha!) Sehr geehrter Herr Präsident! Auch im Namen meiner Fraktion möchte ich mich ganz herzlich für die Vorsitzführung bedanken. Die Steiermark ist ein schönes Bundesland und hier sehr schön vertreten. – Vielen herzlichen Dank!

Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Mayer! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde enthält diesen einen Satz, der gerade kritisiert worden ist – das ist übrigens ein Satz, den man jetzt in der gesamten Europäischen Union verwendet, der wurde ja nicht für die heutige Aktuelle Stunde erfunden –: „Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind.“ Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde diesen Satz sehr schön, und ich würde sagen, dieser Satz trifft auf ganz viele Bereiche zu: Eine globale soziale Sicherheit, eine Sicherheit beim Klimaschutz und dergleichen, das sind ja tatsächlich Bereiche, auf die es zutrifft, dass, wenn die anderen sicher sind, ich selber sicher bin.

Dieser Satz – erlauben Sie mir jetzt gleich diesen Sidestep, weil es gerade auch wieder Thema war – gilt natürlich auch für die Jugend Ungarns. Ich glaube, wenn wir hier über dieses Thema, über LGBTIQs sprechen und dann über das Politische hin und her diskutieren, dann sollten wir über die sprechen, um die es wirklich geht, und mit denen erkläre ich mich hier solidarisch: Das ist die Jugend Ungarns. (Beifall der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Die Jugend Ungarns soll keinem Hass, keiner Diskriminierung und keiner Ausgrenzung ausgesetzt sein, und wenn Sie, Herr Kollege Hübner, sagen, es gilt die Meinungsfreiheit, dann muss ich erwidern: Genau das wird in Ungarn verboten, weil man Jugendliche nicht mehr aufklären und informieren darf. Das ist eine Beschneidung der Meinungsfreiheit und nicht deren Unterstützung. (Beifall bei den Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich spreche als einer, der in seiner Jugend sehr früh seine Sexualität entdeckte. So mit 13, 14 entdeckte ich, dass ich Erwartungen, die meine Familie, Freunde, meine Reli­gionsgemeinschaft – ich bin in einer sehr strengen Religionsgemeinschaft aufge­wachsen – an mich hatten, nicht entspreche. Ich hatte damals übrigens kein Internet und keine Informationen. In Bad Ischl gab es auch keine Organisation, an die ich mich hätte wenden können. Ich war allein. Wir wollen die Jugend Ungarns nicht alleinlassen, denn wir wissen aus allen Studien: Wenn homosexuelle Jugendliche ihre Sexualität ent­decken, ist die psychologische Krisenanfälligkeit, ja sogar die Suizidrate, 14‑fach höher als bei heterosexuellen Jugendlichen. (Bundesrat Steiner: Wie nach euren Maßnahmen, Co­ronamaßnahmen! Das ist genau dasselbe!)

Deswegen ist es so wichtig, die Jugend aufzuklären und Aufklärung zu ermöglichen, auch im Zusammenhang mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie Aids. Das möchte ich hier ganz bestimmt betonen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Triagen in der Kinderpsychiatrie! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Danke an Schwarz-Grün!) – Regen Sie sich nicht auf!

So, zurück zur Diplomatie rund ums Impfen, um die geht es, aber diesen Sidestep habe ich mir jetzt erlaubt. Die Pandemie, und da brauchen wir uns gar nicht in die eigene Tasche zu lügen, hat in internationalen Organisationen, auch innerhalb der Euro­päischen Union, sowohl Schwächen als auch Stärken aufgezeigt. Es gilt natürlich jetzt, nach all dieser Zeit, auch zu schauen: Haben wir die Lessons learned, wie das so schön heißt?

Zu Beginn der Pandemie begann ja eigentlich genau das, was am Ende keinem hilft, was aber sehr oft passiert, wenn Panik ausbricht: Man schaut auf sich selber und nicht auf den anderen. Da wurde mit Nationalismen und nationalen Tönen natürlich eine gewisse Solidarität übertüncht.

Jetzt allerdings, wo es um die Bekämpfung einer Pandemie geht, erkennen wir, dass internationale Zusammenarbeit natürlich unfassbar entscheidend ist. Der Impffortschritt geht in der EU mittlerweile sehr gut voran, das muss man wirklich sagen, sowohl innerhalb der EU, aber auch außerhalb der eigenen Grenzen. Die EU hat gemeinsam – und das ist eine Zahl, die immer so abstrakt wirkt, wenn man sie nennt – 16 Milliarden Euro für die weltweite Verbreitung von Coronatests, Medikamenten und Impfstoffen zur Verfügung gestellt. Das ist eine hohe Summe.

Dazu zählen auch, und das halte ich für ganz besonders wichtig, begleitende Maß­nahmen in der Entwicklungszusammenarbeit. Für Covax, das schon genannt worden ist – so nennt sich das Programm: Covid-19 Vaccines Global Access, damit das auch einmal erklärt ist –, sind 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Man muss betreffend Covax auch sagen, dass die Europäische Union der größte Zahler ist. Die Europäische Union koordiniert zudem bilaterale Impfstoffhilfen und Verkäufe der Mitgliedstaaten und den Gesamtmechanismus zur Weiterverteilung von Impfstoffen. Österreich hat im Rahmen dieser Subgroup bei der Verteilung von Impfdosen an die Westbalkanstaaten eine füh­rende Rolle. Da möchte ich schon auch betonen: Da sind wir auf die Rolle Österreichs immer sehr stolz gewesen. Das war beim EU-Beitritt schon so, das war im Balkankrieg so, dass wir Brückenbauer sind, da uns mit dem Balkan eine besondere Geschichte verbindet. Deswegen finde ich es richtig und wichtig, dass wir Solidarität mit dieser Region gezeigt haben.

Wir müssen auch anerkennen, dass die EU sehr viel zur Forschung beigetragen hat. Die Forschung ist nämlich ein indirekter globaler Motor bei der Bekämpfung von Covid‑19 und zukünftig auch von anderen Pandemien. Was hilfreich wäre, das möchte ich hier schon betonen, das sage ich auch für die europäischen Grünen, wäre eine temporäre Aufhebung des Patentschutzes, damit auch arme Staaten Impfstoff produzieren können. Da würde ich mir von der Europäischen Union tatsächlich etwas mehr Engagement wünschen.

Der gemeinsame grüne Pass, der mehr gemeinsame Regeln vertragen würde, ist an sich eine sehr gute Idee, um Europas BürgerInnen wieder reisen lassen zu können, und, das darf man nicht unterschätzen, auch das Sicherheitsgefühl beim Reisen zu unter­stützen. Ich gehe zum Beispiel gerne in Gastronomiebetriebe oder ins Fitnessstudio, und als die vergangenen Sommer wieder geöffnet waren und man nicht wusste, ob sich der Nachbar oder die Nachbarin testen lässt, geimpft ist oder genesen ist, hatte ich ein Gefühl der Unsicherheit. (Bundesrat Spanring: Oh mein Gott! Wie schlimm!) Und jetzt weiß man, dass es gecheckt worden ist, und das hilft den Leuten, das gibt mehr Sicherheit.

Lessons learned: Mittlerweile können wir sagen, dass vieles gelungen ist, auch dass der Green Deal ganz stark dazu beitragen wird, klug in die Ankurbelung der Wirtschaft nach der Pandemie zu investieren, und trotzdem gibt es natürlich kritische Punkte, die wir uns genauer anschauen und an denen wir noch arbeiten müssen. Wir wissen nicht, ob es nächstes Jahr wieder eine Pandemie geben wird oder erst in hundert Jahren. Wir wissen es nicht, aber wir müssen jetzt auf jeden Fall schauen, dass diese Notfallszenarien auch auf internationaler Ebene gut funktionieren, und da wird die Europäische Union auch weiterhin eine ganz entscheidende Rolle spielen – und Österreich als Teil der Europäischen Gemeinschaft.

Im Hinblick auf globale Pandemie der Zukunft braucht es noch eine etwas genauere Zielgerichtetheit auf diese globale Sicht, auf die globale Zusammenarbeit. Natürlich wird das nicht immer leicht. Es gibt ja auch Staaten, große Staaten, ich nenne nur Brasilien als Beispiel, wo die Zusammenarbeit tatsächlich schwierig ist. Die USA haben gerade, ich glaube heute Nacht, drei Millionen Impfdosen für Brasilien zur Verfügung gestellt, habe ich gehört. Die Rolle der Konzerne und der Patente sollte man sich auf jeden Fall noch einmal anschauen. Natürlich ist das Verdienen mit Impfstoffen ja auch ein Motiv, dass man überhaupt forscht, das braucht man überhaupt nicht zu verschweigen, aber wenn arme Staaten sich Impfstoffe nicht leisten können, dann müssen wir schon über die Patente sprechen.

Einen weiteren Punkt möchte ich noch ansprechen: Beim Kauf von Medikamenten oder Impfstoffen ist sicher ein Thema, dass man die Verträge in Zukunft auf europäischer Ebene transparenter gestaltet, um gewisse Verschwörungserzählungen hintanhalten zu können. Je mehr Transparenz, desto weniger Verschwörung.

Ich glaube aber, alles in allem haben wir wahnsinnig viel gelernt. Wir selbst und ich persönlich, Sie persönlich, wahrscheinlich wir alle, haben sehr viel gelernt. Das war eine Zeit – sie ist noch nicht vorbei, das muss man auch betonen –, in der wir unglaublich viel dazulernen mussten, wo natürlich Fehler passiert sind, aber wo wir, glaube ich, sehr gut die Chancen erkannt haben, auch die Chancen einer globalen Zusammenarbeit. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.09

Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Fraktionsvorsitzender Christoph Steiner hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

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