10.55

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Bundesministerinnen! Geschätzte Damen und Herren! Der haupt­säch­liche Inhalt dieses Gesetzesbeschlusspakets, über das wir hier abstimmen sollen, lässt sich im Wesentlichen damit zusammenfassen, dass der Coronaausnahmezustand in der Justiz, im Bereich der Justizverwaltung im weitesten Sinne verlängert wird, es werden wieder einige Fristen aufgeschoben.

Ich sage einmal, es wird das, was bis 31. Juli hätte gelten sollen, bis 31. Dezember ver­längert. Ich kann schon absehen, dass es wahrscheinlich am Ende des Jahres wie­der so fortgeschrieben wird und wir hier wieder eine neue Verlängerung des Corona­ausnahmezustands beschließen sollen.

Während andere Länder in der ganzen Welt, insbesondere in den Vereinigten Staaten, diese Coronasondergesetzgebung bereits aufgehoben haben und dort wieder ein nor­males Leben möglich ist, sind wir in Österreich immer noch dem Gedanken verhaftet, man müsse das jetzt ewig fortschreiben. Das österreichische Provisorium wird also zum Dauerzustand, wir kennen das, nichts anderes haben wir von dieser türkis-grünen Bun­desregierung erwartet. (Beifall bei der FPÖ.) Daher stimmen wir dem größten Teil dieses Gesetzespakets auch nicht zu. Ich finde das sehr schade, denn es ist wieder einmal ein Teil dieser Selbstbeschäftigung, die man bei der türkis-grünen Bundes­regie­rung sieht.

Im Justizressort wäre so viel zu tun – ich rede jetzt noch gar nicht von unseren frei­heitlichen Initiativen im Justizbereich, die ja leider mit dem Ausscheiden aus der Regie­rung und dem Ende unserer Regierungsbeteiligung begraben wurden. Da gab es genug: Da gab es die Reform des Insolvenzrechts, die wir angeregt haben, da gab es auch viele Initiativen im Strafprozessrecht, was zum Beispiel die Reform des Haupt- und Rechts­mittelverfahrens betrifft und, und, und.

Bleiben wir einmal bei dem, was sich die türkis-grüne Bundesregierung selbst vor­ge­nommen hat! Da sind ja auch gute Überschriften, die man im Programm finden kann, bei denen man sagen kann: Gut, wenn das sinnvolle Angelegenheiten sind, die auch für viele Bürger wichtig sind, reden wir darüber, bringen wir uns konstruktiv ein und stimmen wir auch einmal mit! Wo aber sind denn diese Reformen? Wo ist die Reform des Unter­haltsrechts, das ja schon längst antiquiert ist und viele Baustellen zeigt? Wo ist denn die umfassende Reform des Wohnrechts, mit dem Ziel, wie Sie so schön im Regierungs­programm schreiben, Wohnraum für Mieter und Eigentümer leistbar zu machen?

Da kann das Justizministerium an vielen Stellschrauben drehen. Ich weiß schon, dass das in der freien Marktwirtschaft schwierig ist, ich weiß schon, dass da auch viel Län­dermaterie dabei ist, das ist ja ganz klar, das Justizressort hat aber trotzdem zum Bei­spiel die Hoheit über das Wohnungseigentumsgesetz, über das Mietrechtsgesetz, Woh­nungsgemeinnützigkeitsgesetz und, und, und, also da kann man an vielen Schrau­ben drehen. Wo ist denn die Neuregelung der Maklerprovisionen? Nach dem Besteller­prinzip wollen Sie es künftig haben, ja, da kann man ja darüber reden. Das ist ja eine sinnvolle Neuerung, das wurde in Deutschland längst gemacht. Sie bleiben da aber untätig und tun einfach nichts, das ist sehr schade.

Das ist wie gesagt alles Teil Ihres Regierungsprogramms, das haben Sie, Frau Bun­desministerin Zadić, selbst mitverhandelt. Diesen Teil können Sie jetzt als Ressort­verantwortliche also auch umsetzen, da brauchen Sie nicht Arbeitskreise einzuberufen und Hunderte Leute oder vielleicht die Makler zu fragen, was sie davon halten. Sie brauchen das einfach nur umzusetzen, also das können Sie einmal als Entwurf aus Ihrem Ressort bringen, aber ich sehe da nichts.

Man sieht nur das, was Sie medial verkaufen wollen: die Entmachtung des Sektionschefs Pilnacek – ja, da kann man ja durchaus sagen, das ist einmal ein positives Zeichen gewesen, aber es ist Selbstbeschäftigung, die nichts bringt. Wenn Sie sagen, Sie seien die Vorkämpferin gegen die Korruption und Sie sorgen dafür, dass gegen die türkisen Regierungsmitglieder von den Staatsanwälten und von den Gerichten natürlich ganz frei ermittelt werden kann, dann ist das schön und gut, aber es ist wiederum Selbst­be­schäftigung.

Das muss man sich einmal vorstellen, dass eine Regierung sagt: Liebe Staatsanwälte, ihr habt von mir freie Hand, macht bitte eure Arbeit!, und dann sagt, das ist gute Justiz­politik. Das ist sie natürlich nicht, wenn gegen die eigenen Regierungsmitglieder ermittelt werden muss. Das ist eine rein mediale Diskussion, da können Sie medial schön punk­ten, aber in der Sache, in der Substanz bleibt da wenig übrig.

Bei diesem Coronapaket ist es ähnlich, das ist eine reine Selbstbeschäftigung.

Bleiben wir vielleicht beim Thema Wohn- und Mietrecht, weil das jetzt so viele Menschen betrifft, die schwer von Ihren Coronamaßnahmen getroffen sind! Diese haben schwer in die Wirtschaft eingegriffen und viele in Probleme gestürzt.

Ich habe es Ihnen schon öfter gesagt: Sie waren dort untätig, wo Sie tätig hätten werden sollen, nämlich im Bereich der Geschäftsraummieten. Dort haben Sie sich vornehm zurück­gehalten, und es ist auf einmal ein enormer Regelungsbedarf entstanden. Was heißt denn das jetzt für Geschäftsräume, die nicht mehr oder nur mehr teilweise nutzbar sind? – Ja, das sollen die Gerichte entscheiden, dazu gibt es nichts in der Judikatur. Sie treiben die Leute in teure Rechtsstreitigkeiten. Ich habe Ihnen schon oft gesagt, was da das Problem ist und was ganz einfach zu tun wäre, nämlich eine Verordnung zu erlassen, in der man klare Richtsätze definiert und sagt: Für diese Maßnahme, die wir im Gesundheitsressort setzen, wäre dieser Prozentsatz beispielsweise in der Gastro­nomie, dieser Prozentsatz in der Hotellerie angemessen. Daran kann sich dann jeder, Vermieter und Mieter, orientieren. Sie haben aber gesagt: Dieses heiße Eisen fassen wir nicht an!

Und dort, wo Sie lieber untätig hätten bleiben sollen, sind Sie auf einmal tätig geworden, nämlich im Bereich des Wohnungsmietrechts. Sie haben den Leuten versprochen: Na ja, gut, jetzt ist einmal Coronakrise, jetzt braucht ihr einmal keine Miete zu zahlen! Diese Stundungsregelungen sind auch Teil dieses COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes, über das wir heute schon wieder reden. Sie haben gesagt: Machen wir doch einmal eine Stun­dung! – Ja, das ist doch ein Danaergeschenk, das ist ja ein Trojanisches Pferd! Wer weiß denn schon wirklich, was eine Stundung ist? Ich möchte jetzt niemanden belei­digen, aber das sind ja oft Fachbegriffe, mit denen man nicht viel anfangen kann.

Da kriegt man die Information: Aha, gut, ich brauche meine Miete einmal nicht zu zahlen! Wer kann denn aber wirklich drei Bruttomonatsmieten einfach so zurücklegen und dann nach einem Jahr, wenn das alles ausgelaufen ist, samt Verzugszinsen bezahlen? Das ist doch komplett weltfremd. Wir sehen es jetzt beispielsweise an den Delogierungs­zahlen in Wien: Tausende, Zehntausende Menschen sind betroffen. Ich sage jetzt nicht, jede einzelne Delogierung ist auf dieses Gesetzespaket zurückzuführen, aber Sie haben einen großen Teil dazu beigetragen. Das ist eigentlich ein Armutszeugnis für die Miet- und Wohnrechtspolitik Ihres Ressorts. (Beifall bei der FPÖ.)

Ähnliches gilt für die Stundungen von Verbraucherkreditverträgen. Das ist auch eine Zeitbombe, die noch immer tickt. Genauso wie die Verschleppung der Insolvenzen: Sie haben auch die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Da schieben wir wie eine Lawine vor uns her. Das Problem wird also mit fortschreitender Zeit immer größer und größer, weil Sie einfach auch das Wesen einer Insolvenz nicht verstanden haben. Niemand freut sich darüber, das ist schon klar, aber es gibt ja im geltenden Insolvenzrecht auch Maßnah­men, die dann beiden helfen, den Gläubigern und dem Schuldner – dem Schuldner, in­dem er sich wieder erholen kann, eine angemessene Quote zahlen kann, sodass er sein Unternehmen sanieren kann; den Gläubigern, weil sie zumindest noch einen Teil ihres Geldes erhalten.

Das Insolvenzrecht hat ja einen Sinn, und Sie sagen auf einmal: Nein, das Insolvenz­recht ist superböse, schieben wir das einmal auf! Es hat ja einen Sinn, warum Insol­venz­verschleppung auch strafbar ist. Sie legalisieren das jetzt, damit ist aber das wirt­schaftliche Problem nicht beseitigt. Sie tun wie bei einem Provisorium, einem öster­reichischen Provisorium: das Problem vor sich herschieben.

Irgendwelche großen Ansätze sind nicht erkennbar, ich sehe sie auch bei diesem Paket wiederum nicht. Sie verlängern wie gesagt damit nur den Coronaausnahmezustand und können sich dann wieder auf die Schulter klopfen, wie viel denn nicht im Justizressort geschehen sei.

Sie werden jetzt vielleicht darauf verweisen, dass Sie ja auch schon Erfolge gehabt und auch andere Gesetzespakete auf den Weg gebracht haben, wie zum Beispiel die Reform des Exekutionsrechts. Dazu sage ich: Das betrifft natürlich wirklich sehr viele Leute, und es ist auch ein großer Wurf, wenn dabei legistisch ein bisschen etwas modernisiert wird. Das ist aber nicht das, was die Menschen bewegt. Die Menschen interessieren beispiels­weise Miet- und Wohnrecht. Dort gibt es wirklich viel zu tun!

Gut, dann werden Sie noch sagen: Na ja, wir haben beim Medienrecht ein bisschen etwas gemacht, das Hass-im-Netz-Paket! Dazu habe ich Ihrer Kollegin Edtstadler, die damals bei der Debatte dabei war, auch schon einmal gesagt, dass Sie damit die Ruine des Medienrechts, das ja schon zersplittert ist, einfach nur weiter vergrößert und neue Instrumente geschaffen haben. Sie haben aber nicht wirklich etwas kodifiziert, verein­facht und klarer geregelt. Dieses Hass-im-Netz-Paket ist also ebenfalls ein Danaer­ge­schenk und bringt keine einzige Verbesserung in dieser wichtigen Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit. Dadurch haben Sie einfach eine ohnehin schon komplizierte Rechtsmaterie noch komplizierter gemacht.

Das ist immer schon so typisch für eine rot-schwarze Politik des Stillstands und des im­mer wieder Aufbauens von neuen Bausteinen ohne Vereinfachungen, ohne Deregu­lierung gewesen. Und das setzt sich jetzt unter Türkis-Grün nahtlos fort. Das finden wir schade und deswegen werden wir diesem Entwurf auch nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.04

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Bitte, Herr Bundesrat.