11.31

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte, ge­schätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank, dass wir heute an diesem Ort dieses wichtige Thema diskutieren dürfen! Bundes­rat Gross hat es am Anfang erwähnt: Wir tun das vielleicht viel zu selten. Es gibt allerdings kaum einen besseren Anlass als den nächsten großen Schritt in der Erstellung einer Biodiversitätsstrategie, um sich diesem Thema zu widmen.

Es ist schon erwähnt worden: Österreich ist eines der artenreichsten Länder Mittel­europas. Diese Vielfalt macht unser Land ganz besonders, sie macht es auch schön. Ich glaube, dass viele von uns, wenn sie die Augen schließen und sich Österreich vorstellen, genau dieses Bild vor Augen haben. Es ist ein Bild von einer schönen, von einer intakten, von einer vielfältigen Natur.

Biodiversität ist aber nicht nur Schönheit, Erholung und Lebensqualität, sie macht nicht nur unser Land aus, sondern sie ist auch wirklich unsere Lebensgrundlage. Deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Vielfalt schützen und erhalten, denn nur so können wir diese Lebensgrundlage erhalten, und zwar nicht nur für uns, sondern auch für künftige Generationen. Genau deshalb haben wir im Regierungsprogramm den Erhalt der Vielfalt und die Verantwortung für den Erhalt der Vielfalt sehr deutlich und sehr umfangreich festgeschrieben.

Der Verlust der Artenvielfalt und die Klimakrise sind die zwei großen Herausforderungen in der Umweltpolitik. Beide Krisen – auch das ist in der Diskussion schon angeklungen – hängen aber eng zusammen, sowohl was die Ursachen betrifft, als auch in Bezug auf die Auswirkungen und mögliche Lösungen. Gerade im letzten Redebeitrag hat der Herr Bundesrat am Beispiel der Karpaten auf die enorm wichtige Rolle des Waldes verwiesen. Ich kann Ihnen versprechen: Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir auf EU-Ebene eine gute Waldstrategie zustande bringen, die auch dieses Thema mit im Blick hat, weil wir diese Lungen unserer Erde nicht nur im Amazonas, nicht nur in der großen weiten Welt, sondern auch in Europa brauchen.

Warum wir Biodiversität brauchen, ist, glaube ich, in den Reden schon vielfach ange­klungen, deswegen möchte ich es nun in meiner fast ein bisschen abkürzen. Eines möchte ich allerdings noch hervorstreichen: Die Vielfalt der Natur wird für uns auch zunehmend wichtiger, um uns an veränderte Lebensbedingungen anzupassen. Je mehr die Klimakrise Einfluss darauf hat, welche Lebensgrundlage unser Planet uns zur Verfügung stellt, desto wichtiger ist, dass die Biodiversität vielfältig und die genetische Vielfalt in unserem Lebensmittelbereich, in unserem Natur- und Tierbestand groß ist – denn nur wenn wir diese Vielfalt haben, können wir in Krisensituationen anpassungsfähig sein.

Denken wir nur daran: Wenn durch geänderte Rahmenbedingungen auch nur eine Ge­treidesorte ausfällt, müssen wir anpassungsfähig sein und Vielfalt haben, damit wir dies kompensieren können. Deswegen ist diese Vielfalt auf so unterschiedliche Art wichtig für uns: als Überlebensbasis, als Rohstoffbasis, als Basis für Gesundheit und Medizin. Je mehr Artenvielfalt es gibt, desto widerstandsfähiger sind wir, nämlich wir als Men­schen in diesem System.

Leider – das muss man einfach konstatieren – steht es um die Vielfalt in Österreich derzeit nicht besonders gut, auch diesbezüglich sind schon viele Zahlen genannt worden. Laut dem Bericht der EU über den Zustand der Natur von 2020 sind derzeit nur 18 Prozent – 18 Prozent! – der Lebensraumtypen und 14 Prozent der Arten in Öster­reich in einem günstigen Erhaltungszustand. Was mich besonders schreckt, ist, dass der Anteil der bedrohten Arten bei Reptilien und Amphibien beinahe bei 100 Prozent liegt. Es gibt bei Amphibien und Reptilien in Österreich keine Art mehr, die nicht gefährdet ist.

Zu den wesentlichen Faktoren wurde ebenfalls schon einiges gesagt: Lebensraum­ver­lust, Bodenerosion, Flächenversiegelung, Luftverschmutzung, Intensivierung der Land­nutzung, invasive Arten – die Gründe für den Artenverlust sind vielfältig, und genauso vielfältig müssen auch unsere Antworten sein. Deswegen arbeiten wir auch in der neuen Biodiversitätsstrategie 2030 sehr umfangreich und sehr vielfältig an diesem Auftrag zum Schutz und zum Erhalt der Artenvielfalt in Österreich.

Es liegt nun ein Entwurf vor, der unseren Weg zum Schutz unserer Vielfalt beinhaltet. Wir kommen damit auch den europarechtlichen und weltweiten Verpflichtungen nach, auch diese wurden heute schon in einer Rede angesprochen. Bei der Entwicklung der Biodiversitätsstrategie – und nun möchte ich noch auf den Prozess eingehen – sind wir aber wirklich neue Wege gegangen. Es war ein Prozess, der 2019 gestartet wurde, es war ein sehr umfangreicher, längerer Prozess.

Es war mir sehr wichtig, dass dieser Prozess offen, transparent und vor allem auch partizipativ ist, sodass sich wirklich alle einbringen können. Und wir hatten in den letzten eineinhalb Jahren drei Runden an Workshops mit interessierten und inhaltlichen Exper­tinnen und Experten, natürlich auch aus den Interessenvertretungen, selbstverständlich auch aus der Land- und Forstwirtschaft. Wir hatten Runden mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde ein Papier mit Elementen aus Experten- und Expertinnensicht für eine zukünftige Strategie verfasst, das wir einer breiten Konsultation mit fast 2 200 Einzelkommentaren zu diesen Elementen unterzogen haben.

Aus der Fülle dieser Beiträge, aus dem breiten Prozess wurde nun von den Expertinnen und Experten meines Ressorts und des Umweltbundesamts ein erster Entwurf ent­wickelt. Dieser erste Entwurf wurde gestern der Nationalen Biodiversitätskommission vorgestellt und dort erstmals diskutiert. Die Nationale Biodiversitätskommission ist ein Beratungsgremium der Ministerin, sie hat derzeit 42 Mitglieder – von Bundesministerien, die mit den Themen international wie national befasst sind, über die Interessen­ver­tretungen und Sozialpartner bis hin zu den Bundesländern.

Der Herr Präsident hat mich gerade daran erinnert, dass die Zeit drängt. Mein Ziel ist, dass wir die Beratungen noch Ende dieses Jahres abschließen und dem Ministerrat dann eine Biodiversitätsstrategie 2030 für Österreich vorlegen können.

Ganz zentral sind folgende drei Ziele, die mir auch besonders wichtig sind: Eine zentrale Zielsetzung ist es, den Status von 30 Prozent der gefährdeten Arten und Lebensräume bis 2030 zu verbessern. Wir wollen wirklich bei einem Drittel eine Verbesserung erreichen. Dazu sollen Arten- und Lebensraumschutzprojekte umgesetzt werden, Schutzmaßnahmen bei der Bewirtschaftung einbezogen werden und vieles mehr. Wir wollen auch wichtige Lebensräume schützen und ausreichend vernetzen, also auch da den Flächenanteil der Schutzgebiete auf 30 Prozent steigern – er liegt derzeit bei 29 Pro­zent. Nun klingt das nicht sehr viel, es ist aber ein großer Schritt für jeden einzelnen Quadratmeter, Hektar und Quadratkilometer.

Wie auch in der EU-Biodiversitätsstrategie gefordert wollen wir auch für die Diversität und für den Klimaschutz wichtige Flächen wiederherstellen. Auch die Moore und ihre wichtige Funktion – ein großer Schwerpunkt in der Strategie – und der Biolandbau wurden diesbezüglich schon genannt. Österreich ist ein Vorzeigeland beim Biolandbau. Dieser beträgt derzeit circa 26 Prozent, da stehen wir gerade. Unser Ziel ist es, dass wir diesen Aufwärtstrend fortsetzen und 2030 bei rund einem Drittel Biolandbau in Öster­reich landen, weil damit auch im Bereich der Biodiversität ein wichtiger Beitrag geleistet wird.

Der erste Entwurf ist in der Kommission diskutiert worden, der Prozess geht nun, wie gesagt, in der Kommission weiter. Wir haben aber einige Maßnahmen schon vorab ge­startet, weil die Zeit drängt, und eine der großen Neuerungen in diesem Bereich, auf die ich mich sehr freue, weil es in Österreich eine Premiere ist, ist, dass wir erstmals eine bundesweite Förderschiene für Biodiversität – in weiterer Folge dann auch zur Um­setzung der Biodiversitätsstrategie – aufgesetzt haben. Das ist eine sehr wichtige Maß­nahme des Regierungsprogramms, die wir damit in Umsetzung gebracht haben. Für das heurige Jahr stehen für den Fonds rund 5 Millionen Euro zur Verfügung. Wir hatten über 200 Einreichungen. Man sieht also, dass das Interesse in der Bevölkerung wirklich enorm ist, dass das Thema angekommen ist, dass der Wille, auch zu einer Lösung beizutragen, sehr groß ist. Das freut mich persönlich wirklich sehr.

Ein Projekt, für das ich Sie auch gerne einlade in Ihre Bundesländer, in Ihre Gemeinden die Kunde hinauszutragen, haben wir auch schon gestartet, nämlich den Grand Prix der Biodiversität. Damit fördern wir Projekte auf Gemeindeebene im Ausmaß von 350 000 Euro. Die Mittel für diesen Fonds werden in den kommenden Jahren massiv erhöht, und zwar um 50 Millionen Euro. Das ist wirklich ein großer Schritt für die Biodiversitätsarbeit in Österreich. Wie gesagt, eine Premiere, die wir in Österreich haben – erstmals Mittel für die Biodiversität nicht nur im Landwirtschaftsbereich und in der Gewässerökologie, sondern als Querschnittsthema außerhalb dieser Bereiche.

Zum Schluss sage auch ich noch einmal: Der Erhalt der Biodiversität ist eine Aufgabe, die uns alle angeht – als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, als Unternehmerinnen und Unternehmer, als Bürgerinnen und Bürger, als Politikerinnen und Politiker. Es ist eine gemeinsame Verantwortung, und die wollen wir auch mit dieser Strategie ge­meinsam wahrnehmen. Da brauchen wir einen Schulterschluss über alle Bereiche, das betrifft alle Sektoren unserer Gesellschaft – vom Tourismus über die Wirtschaft bis zur Landwirtschaft. Da brauchen wir über alle politischen Ebenen von den Gemeinden bis zum Bund einen Schulterschluss.

Da brauchen wir vor allem den Willen, etwas weiterzubringen. Den bringen wir jetzt mit der Biodiversitätsstrategie auf den Weg, aber die heutige Diskussion, der ich gefolgt bin, macht mich sehr zuversichtlich, weil die große Anerkenntnis dessen, dass wir ein Problem haben, und der große Wille, auch zu einer Lösung beizutragen, auch hier im Raum spürbar sind. Deswegen freue ich mich, dass wir die Strategie, wenn sie ab­ge­schlossen ist, auch vorstellen und diskutieren können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.42

Vizepräsident Günther Novak: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Bundesrat Lackner. Ich erteile ihm dieses.