11.48

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätz­tes Hohes Haus! Um es kurz zusammenzufassen: Acht Millionen Tier- und Pflanzen­arten, zu Land und zu Wasser, gibt es weltweit. Laut Umweltbundesamt gibt es Schät­zun­gen von zweieinhalb bis zu 30 Millionen Arten weltweit, und davon sind nur 1,7 Millionen wissenschaftlich erfasst. Die Schöpfung ist also selbst für uns Menschen kaum begreifbar und erfassbar.

In den Tropen – in den Tropenwäldern – sind 50 bis 70 Prozent der Tier- und Pflan­zen­arten beheimatet, manche Schätzungen ergeben sogar bis zu 90 Prozent. Der Ama­zonasregenwald hat somit nicht nur die Funktion der grünen Lunge inne, sondern ist auch ein Reservat der Artenvielfalt und der Biodiversität.

Über eine immense Artenfülle von Flora und Fauna verfügen auch die Korallenriffe, die nicht umsonst als Regenwald der Meere bezeichnet werden. Der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen sieht in seinem Bericht von 2019 eine Million Tier- und Pflanzen­arten als gefährdet und vom Aussterben bedroht.

Die Gründe sind schon vielfach angeführt worden – sie sind komplex –, und die Folgen davon sind auch global weitreichend. Durch das Wachstum der Weltbevölkerung seit den Siebzigerjahren um fast 100 Prozent und eine weitere Urbanisierung seit 1992 sind die Städte um 100 Prozent gewachsen. Unser Konsum, unsere Wohlstandsentwicklung und der Ressourcenverbrauch steigen. Der globale Temperaturanstieg und die Klima­veränderung allgemein sind massive Bedrohungen für viele Tier- und Pflanzenarten.

Wie sieht es mit der Artenvielfalt, mit der Biodiversität in Österreich aus? – Mit über 60 000 Tier- und Pflanzenarten ist Österreich nicht gerade mit dem Regenwald ver­gleichbar, dennoch stellt der Sustainable Development Report Österreich ein sehr gutes Zeugnis aus, was die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele betrifft. Österreich liegt beinahe an der Weltspitze und hat sich seit dem letzten Bericht auf Platz sechs der 193 Mit­gliedstaaten der Vereinten Nationen geschoben. Wie schon erwähnt: Im Vergleich zu anderen EU-Ländern ist Österreich ein artenreiches Land und bekannt für seine Arten­vielfalt.

Die Land- und Forstwirtschaft in Österreich, die Bäuerinnen und Bauern, die heute schon einige Male erwähnt worden sind, die das Land in Österreich bewirtschaften, sind einer der Faktoren für eine große Biodiversität. Die bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich sind sehr kleinstrukturiert, auch aufgrund von natürlichen Bewirtschaftungsnachteilen. Sie müssen sich vom globalen Markt abheben. Um überhaupt überleben zu können, liegt für viele Betriebe eine Chance in der Diversifizierung, in der Ökologisierung und eben in dieser Vielfalt. Durch die nachhaltige Bewirtschaftung sind die Lebensräume für Flora und Fauna, für Pflanzen und Tiere, wie wir sie kennen und schätzen, erst entstanden. Genau diese Lebensräume würde es ohne Landwirtschaft nicht geben.

In der Gemeinsamen Agrarpolitik hat Österreich eine Vorbildfunktion. Wir sind führend bei Umwelt- und Biodiversitätsprogrammen, und das nicht erst seit einigen Jahren. 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe, der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind bei Umweltprogrammen dabei. Sie haben besondere Auflagen im Bereich der Fruchtfolge, der Begrünung, der Artenvielfalt. 7 Prozent werden als Biodiversitätsflächen und Natur­schutzflächen bewirtschaftet, und 26 Prozent der Betriebe werden biologisch bewirt­schaftet.

Eben weil wir diesen anderen erfolgreichen Weg gehen – weil die österreichische Agrar­politik mit Anreizen und nicht mit Verboten arbeitet –, ist sie erfolgreich. Wichtig ist: Die freiwilligen Leistungen und der Beitrag der Bäuerinnen und Bauern zum Umweltschutz dürfen nicht selbstverständlich sein. Sie bedeuten einen Mehraufwand, der am Ende nicht für Schleuderpreise und Lebensmittelaktionen gemacht werden kann, sondern von der gesamten Volkswirtschaft geschätzt und auch abgegolten werden muss. Die öster­reichischen Bäuerinnen und Bauern gehen mit dem Biodiversitäts- und Klimapro­gramm 2030 in die Offensive: Ja, wir sind betroffen, aber wir sind nicht das Problem, sondern wir sind Teil der Lösung.

Geschätzte Frau Bundesministerin, eine nationale Biodiversitätsstrategie muss im brei­ten Dialog und Konsens aller Beteiligten ausgearbeitet und umgesetzt werden. Eine nachhaltige und vielfältige Landwirtschaft und somit Biodiversität in Österreich entsteht vor allem durch Bewirtschaftung und nicht allein durch Stilllegung oder Außernutzen­stellung. Was haben wir davon, wenn wir die Landwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes in Schönheit sterben lassen, Familien auf ihren Höfen zum Aufgeben zwingen und klimaschädliche Billigimporte auf unseren Tellern landen?

Kämpfen wir nicht gegen das Artensterben, denn in einem Kampf gibt es immer Verlierer! Artenschutz und Naturschutz brauchen Hausverstand. Ziele und Maßnahmen dürfen durchaus ambitioniert sein, aber sie müssen realistisch bleiben. Ja, eine gesunde Biodiversität und Artenvielfalt sind die Basis unserer Volkswirtschaft. Sie bedeutet Lebensgrundlage, Lebensmittelsicherheit und Lebensqualität für alle Menschen.

Dieser Schutz der Lebensgrundlagen ist eben nicht nur Aufgabe der Land- und Forst­wirtschaft, er ist Auftrag aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche, vom Kleingarten bis zur Industrie – auch dort können wir wirksame Maßnahmen für die Biodiversität setzen. (Vizepräsident Novak gibt das Glockenzeichen.) Wir müssen auch unser Konsum­verhalten ändern. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir müssen möglicherweise unsere Lebensweise ändern und vielleicht auch auf manche Dinge verzichten. Es ist auf jeden Fall eine gemeinsame Verantwortung.

Abschließend möchte ich sagen: Wir sind in Österreich sicher auf einem guten Weg, und wir müssen diesen gemeinsam konsequent weitergehen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.55

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr dieses.