11.56

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Präsi­dium! Werte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Mein Redekonzept kann ich jetzt ad acta legen. Es wurde vieles bereits gesagt, und ich glaube, es bringt auch nicht wirklich etwas, wenn ich jetzt noch einmal die Ergebnisse des Weltbiodiversitätsberichtes 2019 präsentiere. In Wahrheit brauchen wir alle nur die Augen und Ohren aufzumachen, denn es brummt nicht mehr, es summt nicht mehr, es fliegen keine Schmetterlinge mehr, und wenn man auf der Decke in der Wiese liegt, wird man nicht von Heuschrecken überfallen. Wir alle wissen: Die Biodiversität, die Artenvielfalt, sie gehen zurück.

Biodiversität beinhaltet ja mehr als nur Artenvielfalt. Biodiversität beinhaltet drei Grup­pen: die genetische Vielfalt, die Artenvielfalt und die Vielfalt der Lebensräume. Wenn wir über Biodiversität reden, dann meinen wir in der Regel die Vielfalt der Arten. Wir dürfen dabei aber eines nicht vergessen: Auch wir Menschen sind eine Art, nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir hier davon reden, Arten vor dem Aussterben zu bewahren, dann sollten wir daran denken, dass wir auch uns selbst vor dem Aussterben bewahren müssen, und darum geht es letztlich – alle oder keiner, das ist einfach so!

Wir haben heute auch schon sehr viel darüber gehört – in der Theorie und in schönen Worten –, was Biodiversität beinhaltet. Wir haben von Fröschen, von Vögeln, von vielem gehört. Letztlich aber müssen wir über eines reden: Was tun wir? Was tun wir jetzt, und was tun wir so schnell wie möglich? Wenn ich „wir“ sage, dann ist der Einzelne gemeint, dann ist aber natürlich auch die Politik gemeint, und wenn Sie, Frau Minister, sagen, Sie sind sehr zuversichtlich: Ich bin es nicht. Denn bei diesem Thema wissen wir alle ganz genau – da brauchen wir uns nicht in die Tasche zu lügen –: Es geht um einen Kampf, wie es vorhin gesagt wurde, zwischen wirtschaftlichen Interessen, landwirtschaftlichen Interessen und Naturschutzinteressen. Wir alle wissen das. Es geht letztlich darum, dass wir einen Weg finden, wie Wirtschaft und Natur konstruktiv zusammenfinden können. Das muss gehen und das geht, sonst werden wir es nämlich nicht überleben. (Beifall bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Es geht auch nicht darum, eine Gruppe anzugreifen. Nein, wir brauchen die Land­wirtschaft. Immer mehr Menschen auf dieser Welt brauchen Nahrung. Wir brauchen die Landwirtschaft, wir brauchen die Bauern – natürlich. Sie wollen den Anteil der Bioland­wirtschaft erhöhen. Jetzt habe ich leider die Zeitschrift „Kommunal“ auf meinem Platz liegen lassen, aber in dieser Zeitschrift sagt Landwirtschaftskammerpräsident Moosbrugger, dass er leider kritisieren muss, dass die österreichische Landwirtschaft überökologisiert ist. – Wie geht das zusammen? (Zwischenruf des Bundesrates Gfrerer.) Da müsst ihr euch zusammenfinden. Da muss das grüne Ministerium einfach seine Interessen durch­setzen. Es wird nicht anders gehen.

Es kommt letztlich auch darauf an, dass Maßnahmen, die wir treffen, leistbar sein müssen, dass sie finanzierbar sind, dass sie sozial verträglich gestaltet sind. Wir wissen, dass wir aus der fossilen Energie heraus müssen, dass wir den CO2-Ausstoß reduzieren müssen. In Niederösterreich und auch im Rest von Österreich gibt es Förderungen dafür. Diese sind aber zu wenig, wenn man kein Einkommen hat –gerade jetzt in dieser Krise. Ich sage es wieder: Wenn ich 55 Prozent Nettoersatzrate habe, werde ich nicht meine Heizung zu einer Pelletheizung umbauen können. Das geht nicht! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es ist auch notwendig, den Flächenverbrauch zu stoppen, es ist notwendig, Altbestand zu sanieren, und es ist notwendig, das nicht den Gemeinden umzuhängen, denn diese können es sich nicht leisten. Es wird die notwendigen Förderprogramme brauchen. Die Gemeinden können nicht alles stemmen, und wir können nicht immer mehr zubauen.

Wir brauchen die Landwirtschaft! Niemand greift hier die Bauern an, wir wissen aber, dass Düngemitteleinsatz den Boden schädigt. Wir wissen, dass wir damit den Lebens­raum für viele Arten gefährden. Wir diskutieren in den Ausschüssen noch immer über das Verbot von Glyphosat, das ja angeblich gar nicht schädlich ist. Dann lese ich aber eine Studie von - -

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Entschuldigung, Frau Kollegin, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Bundesrätin Andrea Kahofer (fortsetzend): - - konventionellen Nudelprodukten in zwölf Glyphosat nachgewiesen wird. Das ist der Artenvielfalt bestimmt nicht zuträglich. Ich erinnere noch einmal daran, dass auch der Mensch eine Art ist.

Wir brauchen nicht nur den Regenwald, wir brauchen nicht nur die europäischen Wälder, wir brauchen alle Wälder. Ich bin froh, wenn Sie sich auf EU-Ebene für die Erhaltung der Wälder einsetzen. Es macht mich aber schon nachdenklich und stimmt mich etwas kritisch, wenn zugleich Landwirtschaftsministerin Köstinger schon vorher bekannt gibt, dass sie sich dagegenstellen wird. So werden wir nicht weiterkommen! Wir werden auch nicht mit schönen Worten weiterkommen, sondern wir werden nur mit Handeln weiter­kommen!

Kollege Schreuder hat vorhin gesagt, es ist gut, dass wir in der Pandemie Leben gerettet haben. Auch bei diesem Thema geht es darum, Leben zu retten. Auch da müssen wir damit rechnen, dass es Geld kosten wird – das ist so! Es wird auch Einsatz und Kom­promisse benötigen. Wir müssen das gemeinsam angehen! Ich ersuche Sie und auch das grüne Ministerium wirklich darum. Ein Koalitionskuschelkurs ist dabei nicht gefragt! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

12.03

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.