19.09

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerinnen! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Mit der Novellierung des Kartell- und Wettbewerbsrechts schaffen wir sehr wohl einen Ordnungsrahmen für die großen und die kleinen PlayerInnen des digitalen Wirtschaftslebens.

Worum geht es im Kartellrecht? – Marktbeherrschung hat den Effekt, dass Konsu­mentInnen überhöhten Preisen oder unvorteilhaften Bedingungen gegenüberstehen, aber keine andere Wahl haben, als das Produkt trotzdem zu kaufen.

Marktbeherrschung führt auch dazu – Sie haben es kurz ausgeführt –, dass Konkur­rentInnen daran gehindert werden, am Markt mitzumachen. Ist die marktbeherrschende Stellung einmal gegeben, wird sie immer weiter gefestigt, da Konkurrenz keine Chance hat. Daher geht es im Kartellrecht darum, marktbeherrschende Positionen von Unterneh­men zu vermeiden.

Die Änderung des Kartell- und Wettbewerbsrechts will nun die Wettbewerbsbehörden weiter stärken, Marktbeherrschung sichtbarer machen und sie dort, wo notwendig, einschränken, um den Wettbewerb zu stärken. Ja, die Schnelligkeit, mit der sich digitale Märkte entwickeln, und auch der damit gleichzeitig einhergehende Machtmissbrauch von Marktmacht stehen und standen oft im Kontrast zu langen kartellrechtlichen Verfahren. Das soll aber nun verbessert und die Verfahren schneller und effizienter gemacht werden. Auch wird die Einhebung von Geldbußen bei Verstößen gegen das Kartell- oder Wettbewerbsrecht, insbesondere bei Auskunftspflichten, treffsicherer ge­macht, und Amtshilferegelungen werden verbessert.

Sie haben es schon erwähnt, Frau Kollegin Grossmann, die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird das Recht haben, sich jederzeit  auf Verlangen der Bundeswettbewerbsbehörde schriftlich  über die Gegenstände der Geschäftsführung unterrichten zu lassen, also nicht darüber, was dort immer so vorgeht, sondern über die Gegenstände der Geschäftsführung. Das ist auch im Artikel 20 der Bundesverfassung so geregelt. Es gilt aber die wichtige Einschränkung – das haben Sie nicht erwähnt –, dass laufende Ermittlungen durch die Auskunftspflicht nicht gefährdet werden dürfen. Auch Anfragen zu laufenden oder bevorstehenden Hausdurchsuchun­gen sind explizit vom Auskunftsrecht ausgenommen.

Die Anmeldung eines Zusammenschlusses aber muss der Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort bekannt gegeben werden. VertreterInnen ihres Bun­desministeriums und der Bundeswettbewerbsbehörde sitzen im beratenden Ausschuss für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen.

Die Miteinbeziehung der Bundesministerin wurde, eben weil die Wettbewerbsbehörde unabhängig und weisungsfrei ist, vorsichtig gestaltet, soll aber trotzdem gewährleisten, dass sie bei Fusionen mit ausländischen Unternehmen, die massive Auswirkungen auf Österreich haben, rechtzeitig eingebunden wird.

Ich möchte nun auf ein paar Maßnahmen eingehen, die den verzerrten Wettbewerb auf dem digitalen Markt in den Fokus der Wettbewerbshüter rücken werden. Um marktbe­herrschende Positionen im digitalen Sektor besser feststellen und analysieren zu können, werden nun Faktoren eingeführt, welche die Marktmacht von digitalen Groß­kon­zernen – wir kennen sie – besser greifbar machen. Herangezogen werden der Zugang zu Daten, Netzwerkeffekte und die Intermediationsmacht. Was ist das? – Daten erlan­gen, wie wir wissen, eine immer stärkere Bedeutung als Ware, vor allem dann, wenn man Schnittstelle zwischen KundInnen und HerstellerInnen ist. Daher ist der Zugang zu diesen Daten immer wettbewerbsrelevant.

Der Netzwerkeffekt bedeutet, dass, wenn viele Menschen ein digitales Tool verwenden, es immer mehr Menschen verwenden. Das zeigt sich eigentlich bei allen großen PlayerInnen wie der Software, die wir kennen, bekannten Chatprogrammen, Social-Media-Apps oder Verkaufsplattformen.

Auch die Intermediationsmacht ist ein Faktor, der Marktmacht bestimmen kann. Sie bedeutet, dass digitale PlayerInnen wie Suchmaschinen, Handelsplattformen, Preisver­gleichsplattformen oder Buchungsportale auf Angebot und Nachfrage Einfluss nehmen können.

Das alles verschafft einen erheblichen Informations- und Wettbewerbsvorsprung und damit die Möglichkeit, eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen und zu festigen. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat nun die Möglichkeit, die Marktmacht von Unterneh­men durch das Kartellgericht feststellen zu lassen. Das kann einerseits Ausgangspunkt für eine detaillierte Prüfung sein und dient gleichzeitig dazu, das anschließende Verfahren rasch und effizient durchzuführen eine der Forderungen. Der gute Neben­effekt ist zusätzlich, dass digitale GatekeeperInnen durch die Prüfung an ihre beson­deren kartellrechtlichen Pflichten erinnert werden. Darüber hinaus wird die Bundeswett­bewerbsbehörde Zusammenschlüsse zukünftig daraufhin prüfen, ob sie den Wettbe­werb auf sonstige Weise erheblich behindern. Dazu müssen die Unternehmen bei der Anmeldung von Zusammenschlüssen Angaben machen.

Eine weitere wichtige Maßnahme zur Unterstützung von kleineren Unternehmen im Wettbewerb ist die Erweiterung des Konzepts der relativen Marktmacht. Das sieht vor, dass Unternehmen mit relativer Marktmacht anderen Unternehmen, die auf ihre Dienste angewiesen sind, diese Dienste nicht diskriminierend verweigern dürfen. Beispielsweise will eine Warenhändlerin bei einer Verkaufsplattform ihre Waren anbieten, die Verkaufs­plattform verbietet ihr das aber aus diskriminierenden Gründen. Wenn das schwere be­triebswirtschaftliche Nachteile für das anfragende kleine Unternehmen hat, darf das mit relativer Marktmacht ausgestattete Unternehmen diese Dienste nicht verweigern.

Es wird aber auch Ausnahmen für marktbeherrschende Unternehmen, Absprachen oder Zusammenschlüsse geben, nämlich dann, wenn Zusammenschlüsse aus Gemeinwohl­gründen vorgenommen werden und die volkswirtschaftlichen Vorteile die Nachteile des Zusammenschlusses überwiegen. Dabei geht es um volkswirtschaftliche Belange unter Beachtung angemessener Sozial- und Umweltstandards, wie zum Beispiel die Hebung des Wohlstands, eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität durch Beschäfti­gungs­sicherung, Einkommenswachstum oder fairere Einkommensverteilung.

Eine weitere, sonst kartellrechtlich nicht erlaubte Möglichkeit unternehmerischer Koope­ration wird sein, wenn es sich um ökologisch nachhaltiges oder klimaneutrales Wirt­schaf­ten handelt und zusätzlich noch der Allgemeinheit dient – sogenannte grüne Koope­rationen. Ökologische Nachhaltigkeit meint in diesem Fall ein Wirtschaften, das die Aus­wirkungen auf die nächsten Generationen bedenkt und mit natürlichen Ressourcen rücksichtsvoll umgeht. Das ist beispielsweise die Nutzung erneuerbarer Energien, weniger Treibhausgasausstoß, die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasserres­sourcen, die Förderung von Reparatur- und Recyclingfähigkeit, der Schutz und die Wie­derherstellung von Biodiversität und Ökosystemen wie zum Beispiel eine nachhaltige Waldbewirtschaftung – wir haben es heute schon gehört. Damit die Bestimmung aber nicht zu einem Greenwashing führt, wurde sie dahin gehend präzisiert, dass der Beitrag zu einer signifikanten Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit führen muss. Das ist alles in allem ein richtiger und überfälliger Schritt für unsere zunehmend digitale Wirt­schaft.

Ich bringe jetzt noch folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen zu TOP 17, gegen den Beschluss Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbs­gesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021), keinen Einspruch zu erheben

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

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Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

19.17

Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR eingebrachte Antrag zum Ver­hand­lungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2021 betreffend ein Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 keinen Ein­spruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort ist nun Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring gemeldet. Ich erteile dieses.