20.23

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bild­schirmen! Der Schritt, die Communitynurses einzuführen, ist ein wichtiger und ein sehr positiver Schritt. Trotzdem würde ich davor warnen, diese Communitynurses von Beginn an zu überfordern. Das ist jetzt ein Pilotprojekt, und ich hoffe sehr, dass es da nicht zu Verschiebungen kommt, die dieses gute Projekt und diese tolle Idee der Community­nurses scheitern lassen.

Wenn man davon ausgeht, dass die Communitynurses 2 000 bis 3 000 Personen betreuen sollen, dann sollen sie beraten, dann sollen sie, wie Kollege Kornhäusl gesagt hat, noch ein bisschen Prävention machen, dann sollen sie die Angehörigen beraten und dann sollen sie noch bei den zu Pflegenden und zu Betreuenden nachschauen – das wird ein bisschen viel werden. Also ich glaube, es wäre wichtig, den Kreis ihrer Tätig­keiten möglichst einzuschränken, um sie auch erfolgreich arbeiten lassen zu können.

Es muss einem klar sein: Das müssen ausgebildete Pflegekräfte sein, die dann aber an anderer Stelle wieder fehlen werden, denn wenn wir etwas haben, dann ist es ein Notstand bei den Pflegekräften. Das heißt, man muss da wirklich sehr austariert schauen, wie man dieses Projekt – noch einmal gesagt, ein sehr positives und ein sehr gutes Projekt – möglichst auch so auf die Beine stellt, dass es gut angenommen wird und dass es in der Breite getragen wird, denn wenn wir in Zukunft ein Problem haben, dann ist es die Pflege. Ich sehe keine Pflegereform, die jetzt wirklich greifen würde, ich sehe nur Baustellen über Baustellen in allen Richtungen.

Die Pflege ist einer der schwierigsten Bereiche und auch einer der höchst belastenden für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Pflege wird von allen gebraucht, wird aber nicht großartig geschätzt. Wir wissen, dass es so viele Bereiche gibt, an denen da zu arbeiten ist. Es ist die Frage, wie es eigentlich den Menschen geht, die gepflegt und betreut werden sollen, die älter werden und die würdevoll älter werden wollen, wie es den Angehörigen geht, die oft plötzlich von einem Pflegefall sozusagen betroffen werden und gar nicht wissen: Was mache ich denn jetzt? Die älteren Personen werden aus dem Spital entlassen, das muss alles ganz schnell gehen: Wie richte ich das ein?

Wir haben auf der anderen Seite die Problematik der Beschäftigten in der Pflege, das ist eine ganz, ganz große Problematik. Uns fehlen in Zukunft 80 000 Beschäftigte in der Pflege, und wenn wir jetzt noch lange warten, wird es nichts werden. Man muss jetzt beginnen, diese auszubilden, sie gut bezahlen, gute Arbeitsbedingungen für sie schaffen und einen attraktiven Beruf daraus machen, denn die Pflege oder die Betreuung ist ja kein leichtes Geschäft, sondern ein sehr, sehr schwieriges. Man hat es mit ver­schie­denen Umständen zu tun, man hat es mit Fällen von Demenz zu tun. All das ist nicht einfach zu handeln, und da braucht man eine gute Ausbildung, da braucht man Be­dingungen, unter denen gesagt wird: Ich möchte in den Job gehen und ich möchte in dem Job bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Ausbildung ist grundlegend zu sagen: Wenn ich Menschen in diesen Beruf ent­wickeln möchte, gerade aufgrund der Arbeitslosigkeit, dann muss ich schauen: Welche Bedingungen habe ich da für diese Menschen, sind sie geeignet? Und dann: Können sie sich eine längere Ausbildung auch leisten? Da ist es ganz, ganz wichtig, einen Bonus zu geben oder eine Pflegestiftung zu haben, denn mit dem Arbeitslosengeld allein werden sie sich eine längere Ausbildung nicht leisten können. Sie müssen auch die Sicherheit haben, dass sie danach einen Job kriegen können, auch das ist ganz, ganz wesentlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie gesagt, die Pflege ist nichts Einfaches, und wir wissen jetzt aus den Befragungen auch, dass sich über 40 Prozent der Beschäftigten in der Pflege und Betreuung nicht vor­stellen können, bis zum Regelpensionsalter darin zu arbeiten – und das ist schon sehr bedrückend. Das heißt, da stimmt etwas nicht, und das ist nicht allein die Bezah­lung. Es ist die Wertschätzung, es ist die Überfrachtung mit Verwaltungsaufgaben und es ist natürlich auch die Frage der Arbeitszeit. Dieser Job ist nicht leicht, er ist körperlich anstrengend und er ist psychisch anstrengend, und da muss man wirklich an vielen Schrauben drehen.

Eine weitere Schraube, die natürlich ganz, ganz wichtig ist, ist die Frage der Finan­zie­rung der Pflege. Die Pflege muss dauerhaft finanziert und so abgesichert werden, dass Pflege nicht zum Kostenfaktor für Familien wird, denn wenn ich nicht viel Geld habe und mir dann keine gute Pflege für meine Angehörigen oder für mich selber leisten kann, na bitte, das kann ja wirklich in Österreich nicht der Fall sein! Das wollen wir auf keinen Fall, so kann man mit den Menschen nicht umgehen.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat es schon richtig gesagt: Wir gehen da auf eine Alterskurve zu, die ja nicht ohne ist. 2055 wird der Anteil der Personen über 80 Jahre bei 11,8 Prozent liegen – das ist ja nicht nichts. Wir alle, die wir hier sind, und unsere Ange­hörigen wollen gut betreut und gepflegt sein.

Ich darf schon erwähnen: Das ist ja, auch wenn man zu Hause gepflegt wird wie jetzt 80 Prozent aller Menschen, meistens eine weibliche Tätigkeit. Pflege ist weiblich. Pflege ist weiblich von den Angehörigen her und Pflege ist weiblich von den Beschäftigten her. Das heißt, ich muss schon schauen: Welche Gruppe habe ich da und wie bezahle ich diese Tätigkeit? Das ist eine Frage der Wertigkeit von Arbeit. Auch da muss man auf die Frauen schauen, da bin ich mir ganz, ganz sicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Also es braucht eine Pflegeoffensive, es braucht eine ordentliche Finanzierung, es braucht für die Angehörigen die Sicherheit, dass sie mit ihrem Pflegeproblem nicht allein­gelassen werden. Ich freue mich sehr, wenn die Arbeit der Communitynurses greift, keine Frage, aber mit 150 Communitynurses werden wir das Kraut nicht fett machen. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist nur ein erster Schritt!) – Ja, eh, das ist ein erster Schritt, aber passen wir auf, dass der erste Schritt nicht danebengeht, denn dann kann der zweite nicht folgen! (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Das Ganze braucht eine gute Vorbereitung, ein gutes Konzept, damit wir es schön in Schwung bringen können. Wir als Sozialdemokratie sind wirklich ganz begeistert davon. Machen wir es gut, machen wir es gescheit und dann hat es wirklich einen Sinn! So sollte man mit der Sache umgehen. Ich hoffe, dass die Pflegereform nicht nur eine Ankündigung ist, sondern dass da jetzt etwas passiert, denn sonst haben wir in Zukunft ein unglaub­liches Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf jetzt noch ein kurzes Nachwort an Herrn Bundesrat Gross richten. Schauen Sie, Herr Bundesrat Gross, bleiben Sie kommod! Also ganz ehrlich: Wir haben beim Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz mitgestimmt, wir haben auch die Erneuerung in der Klimafrage mitgetragen, und dann greifen Sie uns als Sozialdemokratie so derartig an. Das ist nicht gescheit und das ist nicht die Art, wie man miteinander umgeht. Bleiben wir fair zueinander, bleiben Sie kommod! Wir alle wollen das Beste und wollen, dass die Dinge weitergehen. (Beifall bei der SPÖ.) So soll es auf jeden Fall sein. Achtung voreinander – ich glaube, das ist der Weg, wie wir es machen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30

Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr das Wort.