20.30

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt behandeln wir heute ein paar Themen aus dem Sozialbereich, dem Pflegebereich und auch die pande­mie­bedingte Armut.

Laut Statistik Austria bezogen im Jahr 2020 durchschnittlich 467 136 Personen Pflege­geld, heuer schaut es nicht viel besser aus. Das bedeutet, dass rund 470 000 Menschen in Österreich Hilfe bei der Bewältigung des Alltags benötigen. Wer immer geglaubt hat, dass nur das Älterwerden mit Pflege verbunden ist: Das stimmt nicht ganz. Jeden von uns, jeden Einzelnen von uns kann es von einem Moment auf den anderen erwischen – mit einem Schlaganfall, mit einem Unfall, mit einem sonstigen anderen Schicksalsschlag, den wir erleiden müssen – und wir sind auf Hilfe angewiesen. Den Großteil dieser Pflege – das haben wir ja heute schon gehört – übernehmen Angehörige, die in einer akuten Situ­ation oft selbst überfordert sind und nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Aus diesem Grund soll eine zentrale Anlaufstelle mit den Communitynurses, auf Deutsch den Gemeindeschwestern, beschlossen werden.

Herr Minister, es ist sowohl das Wort Communitynurses als auch das Wort Gemein­de­schwestern fürchterlich, wirklich fürchterlich. Kollege Kornhäusl hat es vorhin schon gesagt – ich habe es auch schon von Kollegen Lackner im Ausschuss gehört, also von den beiden steirischen Kollegen –, dort gibt es die Pflegedrehscheibe. Schauen Sie, dass Sie irgendwie einen neutralen Begriff dafür finden, aber Communitynurse ist schrecklich und Gemeindeschwester will ich schon gleich gar nicht sagen müssen, auch wenn es Deutsch wäre!

Diese Gemeindeschwestern sollen also in Zukunft auf regionaler Ebene die zentrale Anlauf­stelle für Pflegefragen sein. Wir werden dem heute die Zustimmung geben, wenn­gleich ich nicht hundertprozentig davon überzeugt bin, weil es eben nicht das Gelbe vom Ei, kein großer Wurf und eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wir haben ja auch schon gehört, dass als Pilotprojekt 150 Gemeindeschwestern installiert werden sollten. Wie das funktionieren sollte, kann mir kein Mensch erklären, auch im Ausschuss nicht. Wir ha­ben 2 100 Gemeinden in Österreich. Welche Gemeinden werden jetzt mit diesen 150 Ge­­meindeschwestern versorgt? Wie ist da der Schlüssel? Das konnte mir keiner erklären.

Des Weiteren gibt es ja jetzt schon in jedem Bundesland – ich habe es mir angeschaut: in jedem Bundesland – geeignete Anlaufstellen und Informationsstellen, und das flächen­deckend österreichweit. Auch Ihr Ressort bietet mit dem Sozialministeriumservice wirklich gute Informationen und Broschüren an. Es wird mit diesem Projekt ein neuer zusätzlicher Verwaltungsapparat aufgebaut, aber es wäre viel wichtiger, Maßnahmen zu setzen, damit wir mehr Pflegepersonal rekrutieren könnten. Wir brauchen mehr Pflegekräfte und weniger Verwaltungskräfte in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wäre dringend notwendig, die mobile Pflege, die Tagesbetreuung auszubauen. Der Großteil der älteren Generation wünscht sich nichts sehnlicher und inständiger, als so lange wie möglich zu Hause zu leben. Viele haben oft einmal das Glück, dass sie sogar bis zu ihrem Tod zu Hause gepflegt werden können, so wie wir es bei meiner Mutter gemacht haben. Kollegin Hauschildt-Buschberger hat gemeint, ab einer gewissen Pflege­stufe geht es nicht mehr. Mit ein bisschen einem Willen und einer 24-Stunden-Pflege gemeinsam geht es. Man darf sich halt nicht zu gut sein, selbst Windeln zu wechseln, selbst die Magensonde anzusetzen, selbst den Harnkatheter zu setzen, selbst – sagen wir einmal – bei der Pflege mitzuhelfen.

Herr Minister, worauf ich Ihnen auch einmal empfehlen würde, ein Auge zu werfen, ist die 24-Stunden-Pflege. Kein Mensch kann 24 Stunden, sieben Tage die Woche durch­arbeiten. Wir haben gestern von der Sozialdemokratie Kritik wegen der Arbeitszeitflexi­bilisierung gehört. Da arbeiten die Leute 12 Stunden mit einer Viertagewoche, was ich ja gut finde, und beim Pflegepersonal, bei der 24-Stunden-Pflege lässt man Menschen wirklich 24 Stunden, sieben Tage die Woche durcharbeiten.

Bei uns im Haushalt – ich hatte den Vorteil, dass meine Mutter bei uns im Haus war – haben wir uns nach 12 Stunden abgewechselt. Wie schaut das bei den Familien aus, in denen die Pfleger mit den Pflegenden 24 Stunden lang alleine sind? – und ich spreche nicht von einer Betreuungskraft, sondern tatsächlich von einer Pflegekraft, die tatsächlich einen Menschen pflegen und nicht Händchen halten und spazieren gehen muss. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Genau diese Pflegekräfte, die Wundpflege machen, Infusionen anhängen, mit Magen­sonden und mit den Harnsackerln umgehen können, brauchen wir eben. Herr Minister, wir Freiheitliche und auch die anderen beiden Oppositionsparteien haben wirklich viele Anträge eingebracht und es ist alles abgelehnt oder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden. Da, das muss ich schon sagen, ist diese schwarz-grüne Bundes­regierung wirklich beratungsresistent. Wir stimmen ja auch Regierungssachen zu, ob­wohl wir mit dieser Regierung nicht einverstanden sind. Wieso funktioniert das vice versa nicht auch so, wenn die Opposition einmal einen guten Vorschlag bringt, dass die schwarz-grüne Regierung endlich einmal von ihrem hohen Ross heruntersteigt und vielleicht gute Ideen einer Oppositionspartei mit aufnimmt? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es wäre Ihre Aufgabe, endlich damit anzufangen, sagen wir, auch an die Zukunft zu denken. Es wäre einfach einmal angebracht, dass man dem Pflegepersonal mehr Wert­schätzung entgegenbringt. Ich denke da an eine bessere Entlohnung, ich denke da an den Coronatausender, ich denke daran, dass sich die Arbeitsbedingungen für die Men­schen im Gesundheits- und Pflegebereich verbessern müssen.

Herr Minister, Sie müssen endlich dafür Sorge tragen und aktiv werden, damit zum einen das Pflegepersonal den entsprechenden Respekt erhält und zum anderen der Pflege­beruf auch attraktiver gestaltet wird. Außerdem muss jetzt schon – wir haben Juli – mit einer Pflege- und Kapazitätsplanung begonnen werden, die uns im Herbst und im Winter die entsprechende Sicherheit geben kann.

Wir haben ja den Medien entnommen, dass Sie schon wieder irgendwelche Verschär­fungen – unsinnige Verschärfungen – vom Zaun brechen wollen. Sie wollen wieder ein­mal die Gastro, wieder einmal die Wirtschaft treffen. Warum schon wieder die Gastro­nomie mit einer Impfpflicht belegen? Warum schon wieder die Wirtschaft in diesem Land schädigen? Warum schon wieder die Menschen vielleicht in Arbeitslosigkeit stürzen? Das ist ein Angriff auf die Wirtschaft. Es wird immer wieder Mutationen geben – und da können Sie Impfstoffe entwickeln, so viele Sie wollen –, wir werden wirklich schön lang­sam irgendwann einmal anfangen müssen, dass wir das zur Kenntnis nehmen, Vorsor­gemaßnahmen treffen – aber das ist zu weit gegangen.

Im Oktober – bevor die Gastro im November geschlossen worden ist – hat die Ages noch gesagt, dass nur 2 Prozent Clusterbildungen in der Gastro waren. Unnotwendigerweise ist die Gastro dann im November geschlossen worden. Ich finde, es ist unnotwendig, dass man jetzt wieder die Gastronomie, die Nachtgastronomie belastet. (Beifall bei der FPÖ.)

Was die pandemiebedingte Armut betrifft, muss ich sagen: Wir haben 1,5 Millionen Men­schen in Österreich, die von Armut bedroht sind. Das angedachte Programm gegen De­logierungen, welches coronabedingte Mietrückstände oder drohende Delogierungen ab­wen­den sollte, ist das Mindeste, was diese schwarz-grüne Regierung den Menschen zurückgeben kann. Experten rechnen heuer und zeitverzögert vor allem in den Jah­ren 2022 und 2023 mit einem starken Anstieg von Delogierungen und Räumungsklagen. Eigentlich wäre es schon lange an der Zeit, dass sich diese schwarz-grüne Bundes­regie­rung endlich einmal bei den Menschen dafür entschuldigt, was sie ihnen angetan hat. (Beifall bei der FPÖ.)

38 Prozent der Haushalte in Österreich haben finanzielle Einbußen, 17 Prozent können nicht einmal mehr ihre Fixkosten abdecken. Durch das Homeschooling sind mehr Kosten entstanden, die zu begleichen waren – mit weniger Geld für die Familie. Mit den Einmal­hilfen, die ausgeschüttet wurden, konnte keine nachhaltige Hilfe geleistet werden, son­dern sie waren ein Tropfen auf den heißen Stein und die Menschen wurden mit Almosen abgespeist.

Die Auswirkungen der Covid-Krise betreffen mittlerweile alle Gesellschaftsschichten – alle – und die Betroffenen sind verzweifelt. Bereits im letzten Sommer habe ich es hier im Plenum gesagt und davor gewarnt, dass bittere Armut auf die Menschen zukommen kann. Es haben auch viele Sozialorganisationen davor gewarnt, dass die Menschen in die Armut getrieben werden. Jetzt haben wir die ersten traurigen Ergebnisse. Für das Programm gegen Delogierungen geben Sie 24 Millionen Euro aus, aber für Werbung und PR, Marketing gibt diese schwarz-grüne Regierung 210 Millionen Euro aus. In was für einer Relation steht denn das?! Die Menschen haben Angst, dass sie ihr Dach über dem Kopf verlieren, und die schwarz-grünen Politiker stehen wieder einmal in der Zei­tung und auf Werbeplakaten – für 210 Millionen Euro! (Beifall bei der FPÖ.)

Das passt nicht zusammen und es ist eine echte Farce, dass viele Familien durch diese Bundesregierung sozusagen an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belast­barkeit gedrängt wurden.

Herr Minister, ich kann Sie nur nochmals ersuchen und auffordern: Nehmen Sie sich bitte meine Worte und auch die zahlreichen sinnvollen Vorschläge der Opposition zu Herzen! Finger weg, bitte, von weiteren Maßnahmen! Geben Sie den Menschen endlich wieder ihr Leben zurück! – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

20.41

Vizepräsident Günther Novak: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.