9.57

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin, an­gesichts der aktuellen Ereignisse ist es tatsächlich sehr schwer, auf das Thema der Ak­tuellen Stunde, „Konferenz zur Zukunft Europas“, konkreter einzugehen, weil einfach die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung durch die im Raum stehenden Vorwürfe massiv eingeschränkt und Österreich dadurch ein großer Schaden zugefügt wird. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Kollege Schreuder – er ist gerade unterwegs hinaus –, auch die Herausforderungen, die du in deiner Rede angesprochen hast, die wirklich wichtigen, großen Herausforderun­gen, können mit dieser, sagen wir einmal, Kurz-Truppe, Kurz and friends, nicht bewältigt werden. Bitte nimm auch das zur Kenntnis! Geh in dich und überleg, was an Schritten zu setzen ist! Es sind große Herausforderungen, die vor uns stehen, gerade wenn es um die Aufarbeitung der Pandemiefolgen und vieles mehr geht, Klimaschutz und so wei­ter. Da braucht es eine handlungsfähige Regierungsmann- und -frauschaft. Die brau­chen wir dringend.

Die Konferenz zur Zukunft Europas ist sicherlich ein ganz, ganz wichtiges Gremium. – Ich will dich (in Richtung des den Saal verlassenden Bundesrates Schreuder) nicht auf­halten, du bist schon am Sprung, lieber Kollege! – Ich möchte konkret auf diese Konfe­renz eingehen. Auch die Zusammensetzung ist sehr klug gewählt: Nicht nur Politikerin­nen und Politiker als gewählte Repräsentantinnen und Repräsentanten nehmen teil und nehmen die Konferenz hoffentlich auch sehr ernst, sondern auch Bürgerinnen und Bür­ger, die eben nicht dieses Selektionsverfahren durch politische Parteien haben durchlau­fen müssen, können ihre Beiträge einbringen. Davon verspreche ich mir auch sehr viele frische, neue Ideen abseits der bisher vielleicht in den Fraktionen vertretenen Positionen. Auch die Beteiligung der Sozialpartner, von Regionsvertreterinnen und -vertretern, des Ausschusses der Regionen, des Europäischen Jugendforums: All das ist gut überlegt und bietet auch Potenzial für kluge Antworten – zweifellos!

Die Erwartungen an diese Konferenz sind dementsprechend hoch, und wenn etwas Ge­scheites dabei herauskommt, dann ist es auch den ganzen Aufwand, der – auch in Ös­terreich – betrieben wird, wert. Das möchte ich einmal voranstellen.

Die Herausforderungen unserer gemeinsamen Europäischen Union sind immens groß, und es ist schon vieles von den Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden: Wie verarbeiten wir die Folgen der Coronakrise? Wer bezahlt letztendlich auch dafür? Wir haben eine soziale Schieflage, die größer geworden ist. Die Schere zwischen Arm und Reich ist durch die Pandemie noch weiter aufgegangen, die Armen sind ärmer gewor­den, die Reichen sind reicher geworden. Wir sehen anhand von vielen Untersuchungen und Statistiken eine soziale Schieflage, die dringend beseitigt gehört.

Bei der Gründung der EU und bei allen Beitrittsverträgen, zuletzt auch beim Vertrag von Lissabon, wurde immer ein Wohlstandsversprechen abgegeben. Es wurde den Men­schen in Aussicht gestellt, dass es ihnen in Zukunft besser gehen soll. Und dieses Wohl­standsversprechen muss auch eingelöst werden, aber die Entwicklungen, die Realität ist oft gegenläufig. Lohn- und Sozialdumping gepaart mit Steuerdumping verstärken die soziale Schieflage, und vom Wohlstandsversprechen bleibt immer weniger übrig.

Es gehört natürlich auch geschlossen vorgegangen, wenn es um den Klimawandel geht. Auch da braucht es eine vertiefte, gesteigerte europäische Zusammenarbeit.

Das sind ganz, ganz wichtige Themen, denen man sich stellen muss. Wir sehen aber, dass das Reden und das Tun der Vertreter Österreichs im Rat, vor allem im Rat der Ministerinnen und Minister, aber auch im Europäischen Rat der Staats- und Regierungs­chefs einfach nicht zusammenpassen, sie reden anders, als sie handeln. Dazu möchte ich einige Beispiele anführen.

Zum Beispiel wurde im Februar eine Börsensteuer vorgeschlagen, nachdem schon seit 2011 durch die Konservativen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer immer wie­der torpediert wurde – zuletzt durch Finanzminister Blümel, aber auch sein Vorgänger Löger hat diesbezüglich schon eine unrühmliche Rolle gespielt. Auch da hat die ÖVP offensichtlich das Ruder herumgedreht, denn der ehemalige ÖVP-Parteichef und Vize­kanzler Mitterlehner hat sich sehr wohl für eine Finanztransaktionssteuer starkgemacht, daran kann ich mich noch genau erinnern, aber ihn haben Sie ja unrühmlicherweise, worüber wir jetzt immer mehr erfahren, in die Wüste geschickt.

Präsident Dr. Peter Raggl: Frau Bundesrätin, ich darf Sie bitte auf die Redezeit auf­merksam machen!

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (fortsetzend): Es geht also wirklich um die Glaubwürdigkeit und um die Handlungsfähigkeit. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.03

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Span­ring. – Bitte.