12.16

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz: Frau Vorsitzende! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ja, ich habe den Dank aller Rednerinnen und Redner für die Tätigkeit der Volksanwaltschaft vernommen.

Die Volksanwaltschaft wurde vor nahezu 45 Jahren in Österreich ins Leben gerufen und hat seit Kurzem die Bundespräsidentschaftskanzlei, was den Personalbedarf betrifft, um zwei oder drei Dienstposten überholt. Das heißt, wir sind jetzt die zweitkleinste Organisa­tionseinheit im Bereich des Bundes. Wir jammern aber nicht wegen einer Personal­knappheit oder Ähnlichem. Es ist trotzdem möglich, dass sich mit den 170 Mitarbeitern bei 89 Dienstposten – wir versuchen, bei Teilzeitarbeit sehr mitarbeiterfreundlich zu sein – und den zusätzlichen ehrenamtlichen Mitgliedern der Opcat-Kommissionen alles ausgeht. Die Opcat-Kommissionen wurden bereits erwähnt, sie kontrollieren Anstalten und Einrichtungen, in denen eine Zwangsanhaltung passiert, entsprechend dem Auftrag, Erniedrigung oder Folter zu ahnden und darüber zu berichten. Diese Tätigkeit machen wir gemeinsam mit den Kommissionen.

Nebenbei noch erwähnt: Wir sind auch Sitz des IOI, des International Ombudsman Insti­tute – dazu vielleicht Kollege Amon –, und wir betreuen auch die Heimopferrentenkom­mission; da geht es darum, dass Kinder in staatlichen Jugendheimen eine „Behand­lung“ – unter Anführungszeichen – erfahren und erdulden mussten, aufgrund derer ih­nen jetzt der Bundesgesetzgeber eine entsprechende Rente zubilligt. Das wird auch in unserem Haus mitbetreut.

Die Qualität ist auch durch die verfassungs- und einfachgesetzliche Einbettung möglich, dadurch, dass wir vom gesetzlichen Auftrag her ganz klar in jedem Bereich absolut un­abhängig und weisungsfrei arbeiten können.

Es gibt auch eines, das wir uns zugutehalten können: dass die juristischen Bediensteten für die nachprüfende Kontrolle eine sehr hohe Expertise aufweisen: vom Bereich des Sozialrechts – der Gesetzgeber weiß am besten, welche Novellen es da gibt und wie da die Schränke alle Wochen, Monate und Jahre gefüllt werden – über Fragen der sieben Bauordnungen – warum sieben?; weil, um es hier zu erwähnen, Vorarlberg und Tirol ja eigene Landesvolksanwaltschaften eingerichtet haben, von denen die Verwaltungstätig­keit der Gemeinden und der Bundesländer behandelt wird – bis hin zu Fragen des Was­serrechts, des Naturschutzrechts, des Umweltrechts – zu all dem ist Expertise bei uns da, sodass wir nicht nur, wie ich schon gesagt habe, unabhängig und weisungsfrei, son­dern auch mit entsprechend hoher Expertise arbeiten können.

Es wurde bereits die Zahl genannt: 18 000 Beschwerden im Jahr. Das klingt nach einer sehr hohen Zahl, aber setzen Sie diese doch nur ganz kurz in Relation zu der Zahl der tagtäglichen Verwaltungsakte in der Republik Österreich auf jeder Ebene – Gemeinde, Gemeindeverbund, Länder, unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung –: Ich glau­be, da ist das insgesamt schon ein relativ verschwindender Teil.

Manche meinen, Österreich sei vielleicht ein überverwalteter Staat, aber auch aufgrund der Beschwerdeanzahl kann man sagen, es ist grundsätzlich ein gut verwalteter Staat. Dennoch erreichen uns Beschwerden, und so haben wir im Jahr 2020 bei den 6 000 Be­schwerden, die es auf Bundesebene gab, und bei den 3 000 Länderbeschwerden die entsprechenden Prüfverfahren eingeleitet und konnten zu 1 350 Missstandsfeststellun­gen kommen. In Relation zu den Millionen Einwohnern der Republik ist das vielleicht wenig, nur, und das sehen wir ganz deutlich bei uns in der Volksanwaltschaft, es ist das Schicksal jedes Einzelnen, das zählt, der sagt, sein spezieller Fall ist das Wichtigste, das es momentan auf der ganzen Welt für ihn gibt.

Daher sind wir als Volksanwaltschaft nicht aufgerufen, die großen Dinge des Lebens anzugehen – Klimaschutz, Weltfrieden, so wünschenswert es ist, aber bei uns nicht im Vordergrund –, sondern die Probleme des Einzelnen, und daher haben wir auch ver­sucht, in den Zeiten der Pandemie entsprechend diese – wie man so schön sagt – nie­derschwellige Zugangsmöglichkeit zu uns zu finden. Man braucht bei uns keine wissen­schaftliche Arbeit über die Beschwerde einzuschicken, sondern es genügen ein paar Zeilen, auch auf schriftlichem Weg oder in einem Telefonat, und unsere Bediensteten wissen mit dem nötigen Fingerspitzengefühl, wo sie nachfragen müssen und wie sie zur Information kommen, um zu helfen – auch um zu helfen, wenn wir, was der Österreicher gar nicht so gerne hört, nicht zuständig sind.

Wir kontrollieren nur die Verwaltung beziehungsweise im Rahmen des Opcat-Mandates, aber wir sind nicht für Gerichtsverfahren zuständig. Sehr viele Menschen wenden sich an uns und sagen, sie brauchen Hilfe in diesem oder jenem Verfahren. Wir sind kein kostenloser Rechtsanwalt, aber wir sagen nicht einfach, wir sind unzuständig und legen den Hörer auf, sondern wir sagen, wir können es leider nicht machen, da haben wir eine gesetzliche Schranke, aber wir wissen ganz genau, wohin sie sich wenden sollen. Da versuchen wir auch möglichst einfach, klar und vollständig, die Menschen dorthin zu weisen, wo ihr Anliegen unter Umständen gehört wird.

Das bezieht sich auch auf Anliegen, die uns in der Verwaltung betreffen würden, nur manche Beschwerdeführer haben der Verwaltung noch gar keine Chance gelassen, richtig zu handeln, da sie sich nicht an die Gemeinde, an die Bezirkshauptmannschaft gewendet und gesagt haben: Das Lokal neben mir ist laut!, oder: Dort stinkt es!, Da gibt es einen Schwarzbau!, oder Ähnliches. Die waren noch nie beim Bauamt der Gemeinde, die waren noch nie bei einem Gesundheitsamt, bei der Bezirkshauptmannschaft. Das heißt, da drängen wir dann schon darauf, denn bevor eine Beschwerde zu uns kommt, muss die österreichische Verwaltung die Chance bekommen, richtig zu handeln.

Erst dann, wenn der Bürger glaubt, die Verwaltung hat nicht richtig gehandelt, und es ist auch kein Instanzenzug zu einem Gericht, insbesondere zu einem Verwaltungsgericht, mehr möglich – denn auch das hinterfragen wir nicht, wir hinterfragen logischerweise auch nicht die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, das ist unser Prüfmaß­stab –, schauen wir uns die einzelnen Situationen an. Im Großen und Ganzen versuchen wir aber, den Menschen zu helfen.

Da in einzelnen Geschäftsbereichsfeldern – die Kollegen werden dann zu ihren Berei­chen sicherlich noch Stellung nehmen – die Verfahrensdauer bei der MA 35 angespro­chen wurde: Ja, es ist ein Problem, das schon seit mehreren Jahren in jedem Bericht aufgetaucht ist. Aus der Pandemie heraus ist natürlich auch herausfordernd, dass wir lange nicht gewusst haben, welche Sicherheitsmaßnahmen zum Beispiel bei den Opcat-Kommissionen, die in ein Pflegeheim hineingehen, vorgenommen werden müssen. Die Auskunft, es wären dieselben wie bei Verwandtenbesuchen, ist ein bisschen zu wenig. Da ist dann ein menschenrechtliches, verfassungsmäßig geschütztes Mandat, das wir kontrollieren, schon auch ein wenig höher. Nur müssen alle dort in die Zimmer mit Voll­schutzausrüstung gehen und verbreiten dann unter Umständen mehr Panik und lösen Angstzustände aus. Es war durchaus ein heikler und sensibler Weg, dennoch, es sind im Jahr 2020 – wir haben im budgetären Wirkungsziel 400 Besuche für normale Zeiten angegeben – rund 450 Besuche gewesen, die unsere Kommissionen auch unter diesen erschwerten Bedingungen gemacht haben.

Wir haben wegen der Pandemie zum ersten Mal einen dritten, speziell Corona gewidme­ten Bericht aufgelegt, um diese Sonderproblematik, die für jeden in Österreich etwas Neues war, dazulegen. Und da die Orte der Freiheitsentziehung angesprochen worden sind, klassischerweise Gefängnis, eine psychiatrische Anstalt, ein Pflegeheim, eine Poli­zeiinspektion, ein Schubhaftzentrum, was auch immer: Sehr viele Österreicher waren auch in einer Anhaltesituation. Und da gab es natürlich die Fragen der Grundrechtsab­wägungen, in meinem Bereich zur Frage, inwieweit sich ein Demonstrationsrecht, ein Kundgebungsrecht mit dem Schutz der Gesundheit verträgt. Da hat uns auch der bei uns angesiedelte Menschenrechtsbeirat mit der entsprechenden gutachterlichen Stel­lungnahme ein Handwerkszeug mitgegeben, mit dem man kontrollieren kann.

Eines funktioniert natürlich nicht: Sicherheitsabstände vorzuschreiben, aber umgekehrt Einkesselungen vorzunehmen. Irgendwann gibt es einmal Punkte, bei denen sich die Argumentation gegenseitig ausschließt. Da muss man eben fein abwägen und letztlich muss unter Umständen der Verfassungsgerichtshof sein Erkenntnis fällen.

Was hat es sonst gegeben? – Natürlich und logischerweise war auch die Exekutive im Dienst bis zu einem gewissen Grad vor Herausforderungen gestellt. Der Polizeisprecher der Stadt Wien hat in einer Diskussion angegeben, es sei schwierig, wenn die Polizei im Auftrag der Gesundheitsbehörde tätig ist und Verwaltungsstrafahndungen kontrollieren und auch vollziehen muss und ein Beamter Montagfrüh in den Dienst kommt und die entsprechende Verordnung des Gesundheitsministeriums am gleichen Tag heraus­kommt. Da hat es durchaus Handlungen gegeben, die einfach rechtswidrig waren. Der Polizeisprecher meinte, der arme Polizist, der am Montag in den Dienst kam und für den keine Möglichkeit zur Einschulung bestand, habe geglaubt, was in der Pressekonferenz von einem Regierungsmitglied am Samstag oder Sonntag bekannt gegeben wurde.

Da wird eindeutig gewünscht, dass Vorlaufzeiten länger dauern und dass man unter Umständen eine Rechtssicherheit schafft, indem man Verordnungen und anderes recht­zeitig macht, sodass die Vorgesetzten und diejenigen, die dann bei den Bürgern sind, entsprechend richtig handeln können.

Ein weiteres großes Thema in der Pandemie selbst war, vor allem am Anfang, als alle Institutionen, so auch Privatkindergärten und Privatschulen, gesperrt waren, dass sehr viele Eltern fragten, was jetzt mit den Kindergartengebühren ist, die auf der einen Seite notwendig sind, um die privaten Kindergarteneinrichtungen überhaupt am Leben zu halten, jedoch rechtlich nicht zu bezahlen sind. Wahrscheinlich wird es auf die Sat­zungen ankommen, aber ob diese dann wieder rechtmäßig sind, ist die Frage. Und da ich vor der Länderkammer spreche: Die Bundesländer haben in großer Zahl gesagt, sie ersetzen diesen privaten Betreibern die Einnahmenverluste, um die Verluste auch für diese wichtigen Einrichtungen, ohne die eine flächendeckende Kindergartenbetreuung überhaupt nicht erfolgen könnte, abzufedern oder abzumildern.

Abschließend möchte ich mich noch einmal sehr, sehr herzlich für den Dank bedanken, den ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volksanwaltschaft weiterleiten möchte. Den Dank möchte ich auch mit einer Bitte verbinden: Die Volksanwaltschaft bemüht sich ähnlich wie der Rechnungshof darum, dass wir auch die ausgegliederten Unternehmen der Republik kontrollieren dürfen. Derzeit passiert das auf Good-Will-Basis. In meinem Geschäftsbereich sind es zum Beispiel die Asfinag oder die Bundesforste. Es kommen die Beschwerden zu uns, wir leiten sie weiter und haben derzeit die Erfahrung, dass wir dort auf fruchtbaren Boden stoßen und versucht wird, die Probleme auch entsprechend zu lösen. Es ist aber kein Recht.

Genauso geht es den Kollegen hier zum Beispiel, wenn es Friedhöfe in Wien betrifft oder Krankenanstalten, die ausgegliedert sind. Also es gäbe genug, und es wäre mein Wunsch an einen Teil der Bundesgesetzgebung, dass wir auch da entsprechend ausge­stattet werden. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.30

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Werner Amon. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.