13.56

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Ein weiteres Mal: Herr Staatssekretär! Der Schienenverkehr ist zweifelsfrei das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs. Die Bahn ist nicht nur bei uns, sondern international im Auf­schwung, gewinnt an Attraktivität – das war ja nicht immer so –, Bahnhöfe rücken wieder ins Zentrum und werden zu Zentren. In der Nähe von Haltestellen zu wohnen ist inzwi­schen fast schon ein Privileg und sehr begehrt sowie auch teuer geworden – leider.

Dennoch ist es nach wie vor ein harter Kampf, mehr Menschen und Güter auf die Schiene zu bekommen, in die Bahn zu bekommen. Der wachsende Markt bringt auch mit sich, dass der Konkurrenzkampf auf der Schiene deutlich zugenommen hat. Das merkt man am Güterverkehr besonders stark. Da werden bereits von anderen Unterneh­men als den ÖBB 30 Prozent des gesamten Güterverkehrs abgewickelt.

Das Jahr 2020 war bekannterweise ein besonderes. Der Schienenpersonenverkehr hat die Auswirkungen sehr stark gespürt. Die Anzahl der Fahrgäste in Österreich sank um 39 Prozent – das ist schon sehr massiv.

Die größten Rückgänge gab es im Fernverkehr. Das Klimaschutzministerium ist da hel­fend eingesprungen, es gab, wie Sie wissen, die Notvergabe auf der Weststrecke; das heißt, der Bund bestellt die Dienstleistungen, er musste sozusagen die Züge bezahlen. Da haben sich immerhin 160 Millionen Euro angesammelt, die dafür ausgegeben wur­den, dass ein dichtes Intervall aufrechterhalten werden konnte.

Was den Personenverkehr betrifft, ist Österreich gut unterwegs. Es ist Bahnland Num­mer eins in der EU. 1 500 Kilometer pro EinwohnerIn ist man in Österreich Zug gefahren, in Schweden waren es 1 400. Deutlich darüber liegt allerdings noch die Schweiz – sie ist zwar kein EU-Land, aber trotzdem ist die Schweiz natürlich ein Vorbild, was die Bahn betrifft.

Generell haben wir im Personenverkehr grundsätzlich eine erfreuliche Entwicklung. Ei­nen weiteren Schub wird das Klimaticket mit sich bringen. Es wird die Nachfrage schü­ren, gar keine Frage, und in der Folge wird sich auch das Angebot verbessern. Das ist ein ganz normaler Mechanismus, wir sehen das zum Beispiel sehr gut in Vorarlberg, wo wir vor inzwischen sieben Jahren das 365-Euro-Ticket eingeführt haben. Das hat zu ei­nem enormen Anstieg der Fahrgastzahlen geführt und zu einem Nachziehen, einem sehr kräftigen Nachziehen, des Angebotes.

Hervorzuheben ist sicher noch das wirklich tolle Engagement der ÖBB, was die Nacht­züge betrifft, was die Nightjets betrifft. Die ÖBB sind europaweit inzwischen der größte Anbieter, haben das größte Nachtzugnetz. – Das ist sehr schön.

Im Güterverkehr war der Rückgang nicht ganz so massiv wie im Personenverkehr, be­trug aber immer noch um die 7 Prozent. Die Rail Cargo Austria hat allerdings wieder einen Rückgang der Marktanteile erlitten – sie hat immer noch zwei Drittel, aber er geht zurück. Die Konkurrenz am Cargomarkt ist wirklich heftig, da gibt es viele Anbieter. Be­sonders stark ist das auf der Brennerachse und auf der Westachse zu sehen, wo schon fast die Hälfte der Güterverkehrsleistung von anderen bewerkstelligt wird.

Was ich nicht versäumen möchte zu erwähnen, ist, dass all diese Bahnunternehmen wichtige Arbeitgeber sind. Über 31 000 Menschen finden Beschäftigung in diesen Unter­nehmen, und wenn man noch die Angehörigen mitrechnet, ist das schon ein ganz wich­tiger Faktor.

Durch die Situation 2020 sind jetzt die Trends schwer erkennbar und die Vergleiche mit der Straße schwer zu ziehen, aber was natürlich nach wie vor gilt – das sieht man ja in ganz Europa, leider auch bei uns –: Die Grundherausforderungen bleiben die gleichen, nämlich den Anteil des Gütertransportes auf der Schiene zu erhöhen. Wir haben in Ös­terreich mit etwas über 20 Prozent einen hohen Anteil, das ist international gut, aber natürlich trotzdem – da sind wir uns wohl alle einig – sind wir nicht dort, wo wir hinsollen und -wollen.

Warum ist das so? – Ein Fakt ist, dass die Kostenstruktur der Bahnsysteme nun einmal ist, wie sie ist, und diese erschwert die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Lkw-Ver­kehr. Es ist eine sehr teure und eine sehr aufwendige Infrastruktur, die die Bahn auch selber finanzieren muss – das ist ja anders als bei den Straßen –, aber immerhin gibt es Einigkeit darüber, dass diese Verlagerung stattfinden muss. Man denke nur an die mas­siven Belastungen von Anrainern an Autobahnen und an die fatale Wirkung der Ver­kehrsemissionen auf die Klimaerhitzung. Der Lkw-Verkehr hat um den Faktor 20 höhere spezifische Emissionen als der Bahnverkehr – Faktor 20, das ist schon massiv! ‑, die CO2-Emissionen aus dem Güterverkehr haben sich seit 1990 mehr als verdoppelt.

Diese Entwicklung gilt es mit aller Kraft zu stoppen und zugunsten der Bahn umzudre­hen, und das wird nur gehen, wenn wir endlich dem motorisierten Personen- und Güter­verkehr die Kosten anrechnen, die er auch tatsächlich verursacht – und die sind riesig.

Der gesamte Straßenverkehr – Pkw und Lkw – verursacht im Jahr in Österreich 7 bis 10 Milliarden Euro an Kosten, die nicht über die Treibstoffe bezahlt werden: 7 bis 10 Mil­liarden Euro jedes Jahr, die einfach auf die SteuerzahlerInnen umgelegt werden. Darin liegt natürlich die entscheidende Wettbewerbsverzerrung und die entscheidende Sub­vention, gerade beim Schwerverkehr und übrigens auch beim individualen Personenver­kehr.

Ein erfreulicher Beginn wurde nun mit der Bepreisung von CO2 gemacht. Ich habe es heute ja noch nicht erwähnt und möchte auch ein paar Sätze zur ökosozialen Steuerre­form anbringen: Das Modell, wie es jetzt vorliegt, ist gut. Es sieht eine dynamische Ent­wicklung des Preises vor und bringt sämtliche Einnahmen wieder zurück, sodass in Sum­me in der Volkswirtschaft keine Mehrbelastung entsteht. Das ist sehr wichtig. Beziehern kleiner Einkommen bleibt automatisch schon dadurch mehr, dass sie deutlich geringere Emissionen verursachen und ihnen somit auch mehr vom Bonus, der zurückgespielt wird, bleibt.

Ich bin jetzt auch schon lange im Klimaschutz engagiert, und nach mindestens drei Jahr­zehnten Debatte über eine ökosoziale Steuerreform haben wir es endlich geschafft, die­se einzuführen. Sie wird bleiben und sie wird exponentiell wichtiger werden. Es werden zunehmend Investitionsentscheidungen durch dieses Modell beeinflusst werden, und allen muss klar sein, dass CO2 sukzessive teurer werden wird.

Was wichtig ist: Es kann umgestiegen werden. Da muss ich Kollegin Rendi-Wagner schon massiv widersprechen, die gestern oder vorgestern gesagt hat, es gäbe diese Umstiegsmöglichkeiten nicht. Es ist genau das Gegenteil der Fall, siehe beispielsweise das Klimaticket, mit dem jetzt um einen extrem günstigen Preis in ganz Österreich ge­fahren werden kann, wodurch in vielen Fällen weit über 1 000 Euro eingespart werden kann. Hunderte Millionen Euro stehen für die Länder zur Verfügung, damit diese ihre Verkehrssysteme ausbauen können, es gibt massive Förderungen für E-Autos und so weiter, und so weiter, die Liste könnte man noch lange fortführen.

Eine wichtige – das muss ich schon noch anmerken – Sofortmaßnahme wäre natürlich trotzdem, endlich mit dem Dieselprivileg abzufahren, weil das nun wirklich nicht mehr zu argumentieren ist. Da möchte – oder kann – ich auch nicht unkommentiert lassen, was Herr Wirtschaftskammerpräsident Mahrer gestern in einem Interview im „Kurier“ von sich gegeben hat. Das ist schon beeindruckend und wirft ein weiteres Mal Licht auf das fossile Denken dieser Institution in Sachen Klimaschutz: Herr Mahrer brüstet sich unverhohlen damit, die Abschaffung des Dieselprivilegs verhindert zu haben. Allerdings übersieht er dabei einiges, zum Beispiel etwas ganz Wesentliches, dass nämlich ein großer Teil des Dieselkonsums schlicht und einfach in Transit-Lkws gepumpt und ein weiterer beträcht­licher Teil durch unsinnige Tankverkehre aus dem angrenzenden Ausland verursacht wird.

Das Dieselprivileg ist nichts anderes als ein Schwerverkehrsmagnet und damit ein mas­siver Verursacher unerträglicher Verkehrsbelastung. Ich schaue da bewusst zu meinen Tiroler KollegInnen – auch zum Herrn Präsidenten –, die davon ein Lied singen können, sofern sie überhaupt noch Lust haben, zu singen, was das Thema betrifft. (Bundesrat Leinfellner: Und mit den Traktoren dürfen die Bauern nicht ...!)

Studien zeigen, dass ein Drittel und mehr des Schwerverkehrs über den Brenner schlichtweg Verlagerungsverkehr ist. Das hat sehr viel mit diesen Preisunterschieden beim Diesel zu tun. Ich kann Herrn Mahrer nur raten, doch einmal nach Tirol zu fahren und dort deutlich zu sagen, dass er nicht will, dass der Schwerverkehr in diesem Bundes­land reduziert wird. Ich bin mir aber trotz des Bemühens der Wirtschaftskammer sicher, dass das Dieselprivileg fallen wird, er wird sehen. (Bundesrat Steiner: Jetzt fällt einmal die Regierung zuerst! – Heiterkeit bei der FPÖ.) – Wir werden am Schluss besser la­chen, da mache ich mir gar keine Sorgen.

Abschließend aber noch zum Schienen-Control-Bericht: Die Bahn hat eine große Zu­kunft, steigen Sie ein, steigen Sie um! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

14.06

Präsident Dr. Peter Raggl: Danke für die Wortmeldung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile dieses. – Bitte.