10.54

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Vor uns liegt jetzt das Budgetbegleitgesetz in seiner umfassenden Form, man könnte sagen, eine Kraut-und-Rüben-Gesetzesvorlage hat den Bundesrat erreicht.

Für uns ist aber Folgendes ganz, ganz wesentlich: Was ist denn nicht im Budget und was bräuchten jetzt die Menschen in Österreich eigentlich, um besser durch die Krise und um besser durch diesen Winter zu kommen? (Bundesrat Steiner: Eine neue Regie­rung!)  – Was uns da wirklich mehr als belastet, ist die Frage der Teuerung. (Beifall bei der SPÖ.) Die Preise steigen in einem unglaublichen Ausmaß! Wir haben eine Inflation von 4,3 Prozent im November – das sind Zahlen, aber die Menschen spüren es im Geldbörsel, und jene, die wenig haben, spüren es umso mehr im Geldbörsel. Uns war wichtig: Bitte, da muss man etwas tun! Es ist längst an der Zeit, insbesondere bei den Kosten für das Heizen, für den Strom eine Abfederung vorzusehen. Wir brauchen eine Teuerungsbremse! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben diesen Antrag im Ausschuss eingebracht. Im Ausschuss wurde unser Antrag dann von den Regierungsfraktionen vertagt, und zwar mit der Begründung, es müsse zuerst evaluiert werden. – Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Da muss nichts mehr evaluiert werden! Die Teuerung ist einfach da, den Menschen fehlt das Geld im Geldbörsel, und da muss man handeln! (Beifall bei der SPÖ.)

Vor allem seitens der ÖVP wird immer gefordert, jetzt solidarisch zu handeln, und sie sagt: Wir müssen gemeinsam vorgehen! – Ja, eh, aber wenn dann die Opposition Vor­schläge macht und sagt: Bitte, es wäre dringend und wichtig, da hinzuschauen, es ist für die Menschen!, dann sagt man: Hm, das vertagen wir aber lieber; da müssen wir evaluieren, ob die Teuerung wirklich so groß ist! – Das ist nicht die Vorgangsweise, wie man mit der Opposition umgeht, wenn man einen Schulterschluss haben möchte.

Was uns darüber hinaus bestürzt, ist, dass in diesem Budget wieder keine Erhöhung des Arbeitslosengeldes enthalten ist, dass es bisher keine Arbeitsmarktmaßnahmen, die wirklich greifen, für Langzeitarbeitslose gegeben hat, und es ist kein besonderes Budget für eine Pflegeoffensive vorgesehen.

Wir brauchen eine Pflegereform! Die Beschäftigten in diesem Bereich sind am Semmerl, sie können nicht mehr, und zwar wirklich nicht mehr! Und es ist wirklich zynisch, wenn diese Beschäftigten auf die Straße gehen und sagen: Wir können nicht mehr, wir brauchen jetzt endlich Entlastung, wir brauchen mehr Personal, wir brauchen auch finanziell eine wirkliche Anerkennung unserer Arbeit!, und darüber hinweggesehen wird, als ob es das nicht gäbe. Es ist unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Und die Zahlen für die Pflege, die in diesem Budget enthalten sind – diese 50 Millionen Euro für die Ausbildung und die 150 Communitynurses –, das sind Tropfen auf den heißen Stein, das kann den Pflegenotstand und die Pflegeproblematik nicht abdecken. Es gilt jetzt, hier zu handeln, und zwar ganz, ganz rasch. Insbesondere die Coronazeit hat die Beschäftigten in den Krankenanstalten über ihre Möglichkeiten strapaziert, das ist keine Frage.

Wir brauchen jetzt die Impfung. Wir ersuchen alle Menschen: Bitte, fassen Sie sich ein Herz, lassen Sie sich impfen, lassen Sie sich die Boosterimpfung geben! Es ist jetzt ganz, ganz wichtig, durch diesen Winter zu kommen und der Pandemie so weit wie möglich Einhalt zu gebieten. Das ist wichtig.

Ich sehe – und diesbezüglich bin ich sehr gespannt auf die heutige Dringliche Anfrage der FPÖ –, dass die Geschlossenheit innerhalb der FPÖ bei den Fragen: Impfen oder nicht impfen, wie geht man weiter vor, wie radikalisiert man sich weiter, auch in den Aussagen?, ja auch nicht mehr besteht, sondern dass es da kracht und grammelt unter den Granden der FPÖ. Da hört man von Mölzer: Es wäre schon gescheit, wenn man eine Impfpflicht hätte!, und Susanne Riess sagt: Diese Radikalisierung ist nicht gescheit (Bundesrat Steiner: Die haben aber nichts mehr zu melden! – Bundesrat Ofner: Die sind aber Geschichte!), und – ich weiß nicht, Sie kennen ihn, glaube ich, alle – der stell­vertretende Landeshauptmann von Oberösterreich Haimbucher (Bundesrat Steiner: Wie heißt der?) hat gesagt, und das ist wirklich gescheit: Das Impfen wirkt, bitte lassen Sie sich jetzt impfen! – Na also! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Wir alle müssen nämlich durch diese Krise kommen, sie wird uns noch länger begleiten – da brauchen wir doch keine Illusion zu haben! –, und Radikalisierung wird uns allen nicht helfen. Aber auch den Regierungsfraktionen sei eines gesagt: Die Menschen hier noch mehr auseinanderzudividieren, noch mehr Gräben zu schaffen, das tut unserer Gesellschaft nicht gut, und das sollte man auch tunlichst unterlassen.

Was steht noch nicht im Budget? – Die Mittel für einen wirklich starken Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen. Dafür ist nichts darin enthalten. Es gibt zwar die 15a-Vereinbarungen, die jetzt verhandelt werden, aber da werden nicht jene Mittel zustande kommen, die man braucht, um wirklich Schwung in den Ausbau der Kinderbildungs­ein­richtungen zu bringen. Es hätte die 1,2 Milliarden Euro gegeben. Das ist wirklich wie ein Stachel im Fleisch aller Eltern, die schon lange darauf gehofft haben, dass die Kinder­bildung in Österreich flächendeckend ausgebaut wird. Da nicht zu handeln ist wirklich fahrlässig – im Interesse der Eltern, im Interesse der Kinder, im Interesse des ländlichen Raumes und auch im Interesse der sozialen Fragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage der Ökosteuer sei auch noch angesprochen. Die Kosten zur Bekämpfung des Klimawandels müssen sozial abgefedert werden, das ist gar keine Frage. Mit dem Klimabonus, diesem komischen Mechanismus, der vor allen Dingen den Wienerinnen und Wienern schadet, werden wir nicht weiterkommen. Ich muss schon ehrlich sagen: Die Entscheidung von Bundesministerin Gewessler ist für die Donaustädterinnen und Donaustädter – in diesem Bezirk leben ganz viele Bewohner, so viele, wie Linz hat – eine ganz, ganz schlechte Entscheidung. Für sie wird es noch schwieriger, die Verkehrs­belastung wird noch größer. Ein großes Verfahren ist abgeschlossen gewesen, es hätte gebaut werden können, die Donaustadt hätte hinsichtlich des Verkehrs entlastet werden können, die Menschen hätten durchatmen können. Dieses neue Gebiet, in dem so viele soziale Wohnungen entstehen, wäre geschützt und gestützt worden. Das wurde jetzt mit einem Federstrich wegradiert. Was dabei noch mehr schmerzt, ist, dass keine Alter­native genannt wird. Was ist die Alternative dafür? Wie kann man die Menschen in diesem großen Bezirk endlich entlasten? – Davon haben wir nichts gehört, und das macht einen wirklich, wirklich betroffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Budgetbegleitgesetz in seiner unglaublich umfassenden Thematik macht alle Bundesrätinnen und Bundesräte, glaube ich, etwas ratlos, denn es gibt da drinnen so viele Teile. Die Themenbandbreite reicht von der Finanzierung des VKI über das Gewalt­schutzgesetz bis zum Schülerbeihilfengesetz und dem Bundestheaterorganisations­gesetz – das ist ein Bauchladen an Gesetzen. Bei manchen könnten wir mitgehen, bei manchen können wir nicht mitgehen. Das ist aber doch nicht der Sinn der Sache. Wir BundesrätInnen der sozialdemokratischen Fraktion haben schon lange gefordert, dass das Teileinspruchsrecht für den Bundesrat endlich umgesetzt wird. ÖVP und Grüne haben es verhindert. Jetzt haben wir wieder solch ein Sammelgesetz, bei dem es ganz schwierig ist, Einzelentscheidungen in einen Gesamtpool zu packen und zu entscheiden. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden diesem Gesetz nicht zustim­men. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Lassen Sie mich noch weitere Punkte anführen! In diesem Gesetz geht es auch um die zukünftige Finanzierung des Insolvenz-Entgelt-Fonds. Dem Insolvenz-Entgelt-Fonds werden die Mittel gekürzt. Bereits 2020 hat man ihm 50 Millionen Euro weggenommen, 2022 sollen es um 100 Millionen Euro weniger sein. Jetzt kann man sagen: Was ist schon der Insolvenz-Entgelt-Fonds?! – Na, der ist aber ganz, ganz wichtig für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, weil sie im Fall einer Insolvenz – in Zeiten wie diesen, mit all den Schwierigkeiten um die Pandemie, können Insolvenzen sehr leicht vorkom­men – durch diesen Fonds die Absicherung haben, dass sie Löhne, Gehälter und Sonderzahlungen erhalten. Diesen Fonds zu schwächen ist eine politisch ganz, ganz schlechte Entscheidung, und wieder wird gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer gehandelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch zwei weitere Punkte ansprechen! In diesem Konvolut der Gesetze ist auch der Bundeszuschuss für Jubiläumszahlungen. Im ersten Entwurf war nur Niederösterreich mit 9 Millionen Euro bedacht, weil Niederösterreich nächstes Jahr 100 Jahre Abschied von Wien, die Trennung der Bundesländer, feiert. Das ist gut, das ist schön, aber das Burgenland hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass auch das Burgenland 100-Jahr-Feier hatte und dafür nichts erhalten hat. Das ist kein feiner Zug. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.) Auch für Wien muss man ganz ehrlich sagen – die Trennung betrifft ja nicht ein Bundesland, sondern beide –: Es ist sehr klug gewesen, das nachzuholen und die Jubiläumszahlung für alle Bundesländer möglich zu machen, aber es zeigt schon, dass man zuerst nur an ein Bundesland gedacht hat.

Ich darf noch eines sagen: Wir sind hier im Bundesrat, und der Zusammenhalt auch über die Bundesländer hinweg ist so wichtig. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben dem Burgenland ganz, ganz herzlich zu seiner 100-Jahr-Feier gratuliert. Ich habe das leider von keinem der Präsidenten des Bundesrates gehört. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ein letzter Punkt, der noch wichtig ist, weil wir heute alle die Anstecker tragen – und völlig zu Recht tragen, über alle Fraktionen hinweg –: Die Gewalt an Frauen ist uner­träglich. Es ist der 30. Frauenmord passiert, und das halten wir alle ganz, ganz schwer aus. Das ist aber nur die Spitze eines Eisbergs. Wir wollen, dass Gewalt gegen Frauen mit allen nur irgendwie zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft wird.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Umfassender Gewaltschutz“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration, wird aufgefordert dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umgehend ein Gewaltschutzpaket zuzuleiten, das folgende Punkte beinhaltet:

- 228 Mio. Euro und 3.000 Arbeitsplätze zusätzlich für Gewaltschutz

- einen regelmäßigen, strukturell verankerten Austausch zwischen den Bundesländern, der Bundesregierung und Gewaltschutz-Expert*innen im Rahmen eines neu einzurich­ten­den Gewaltschutz-Dialogs

- die deutliche Erweiterung der Budgetmittel des Bundes für die Akuthilfe, die gegen­wärtig vorrangig von den Bundesländern finanziert wird

- einen deutlichen Schwerpunkt auf Prävention sowie Initiativen zum Aufbrechen von Geschlechterstereotypen

- Hochrisiko-Fallkonferenzen in allen Bundesländern

- kontinuierliche, niederschwellige, öffentliche Informationskampagnen und umfassende Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Gewalt an Frauen in ganz Österreich“

*****

Bitte gehen Sie bei diesem Antrag mit! Wenn wir die Buttons tragen, dann bedeutet das für uns als Politikerinnen und Politiker auch die Verpflichtung, wirklich umfassende Maß­nahmen zu setzen. Das ist jetzt ganz, ganz wichtig. Setzen wir ein Zeichen, dass wir alle gemeinsam gegen die Gewalt an Frauen kämpfen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.07

Vizepräsident Günther Novak: Ich darf Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić bei uns im Plenum begrüßen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Steiner zu Wort gemel­det. – Bitte.