20.43

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Immer mit der Ruhe! – Sehr verehrtes Präsidium! Herr Minister! Ich glaube, ich bin ein Glückskind – ich hoffe, ich darf Sie noch als Herr Minister ansprechen, denn ein Kollege von Ihnen ist ja jetzt offenbar keiner mehr. – Ich weiß nicht, ob gerade viele Vorstandsposten bei Raiffeisen frei werden oder so. Ich habe keine Ahnung, aber irgendetwas muss da im Busch sein. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Du hast Animo, super! – Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

Ich war bei Raiffeisen und ich weiß, was der damalige Generalanwalt Christian Konrad zu Herrn Kurz gesagt hat: Bua, mach einmal dein Studium fertig! – Jetzt haben wir den Salat. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das heißt, ohne Studium ist man nichts wert!? – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause, so Sie noch bei uns sind! Ja, Frau Zwazl, wir beide kennen uns auch noch von Raiffeisen. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern – wahrscheinlich nicht (Ruf bei der ÖVP: Ohne Studium ist man in der SPÖ nichts wert! – Bundesrätin Zwazl: Na, noch bin ich nicht verkalkt!), denn da schaut man ja nicht auf die kleinen MitarbeiterInnen. Da schaut ihr, wohin ich es geschafft habe, gell? (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber, Herr Minister, danke schön für Ihre Aufklärung betreffend das Thema Komma­setzung. Ich bin überzeugt davon, dass uns da nur ein Flüchtigkeitsfehler passiert ist; die Fehler, die Ihnen passiert sind, sind hingegen nicht nur Flüchtigkeitsfehler – aber vielen Dank! Ich nehme an, Sie haben es so zerlegt, weil Sie ein bisschen angefressen sind, dass Sie heute hier sitzen müssen (Bundesrat Bader: Na, geh bitte! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder), aber auch von mir ein herzliches Dankeschön für Ihre wirklich umfassende Beantwortung unserer Anfrage, wenn auch nicht immer alles zufriedenstellend war.

Ich muss auch sagen, die ÖVP hat ein bemerkenswertes Traineeprogramm: Acht Wochen Bundeskanzler – mach auch du mit! Im Sinne der Gleichstellung wäre ich dafür, dass ihr jetzt bitte eine Frau aussucht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: ... Frau, die ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Vielleicht brauchen wir das aber eh bald nicht mehr, weil ich einmal davon ausgehe, dass wir im Frühjahr Neuwahlen haben werden. Die SPÖ ist auf alle Fälle bereit dafür.

Herr Minister, vielleicht sollten Sie eher Lehrer sein, statt Politik zu machen, denn ich bin mir nicht sicher, ob wirklich die Menschen im Blickpunkt Ihrer Politik stehen. Sie haben bei der Pressekonferenz, bevor wir in den vierten Lockdown gegangen sind, gesagt: Die Schulen bleiben offen, die Kinder sollen aber nicht hingehen – das waren zwei Ihrer Botschaften. Ich kann Ihnen sagen, ich selbst als Mutter zweier Kinder, die noch in die Schule gehen, war erstaunt. Meine Telefone sind heiß gelaufen, es gab Whatsapp-Nach­richten, Mails: Was tun wir jetzt, wie machen wir das jetzt?

Die Bildungsdirektion ist in engem Kontakt mit unserer Bildungslandesreferentin, und die haben sich sofort zusammengesetzt und getagt, um zu schauen, was sie machen. – Ich muss sagen: Ja, im Burgenland gibt es Krisenmanagerinnen und Krisenmanager – die im Übrigen nicht vom Himmel fallen, wie wir sehen. Ich glaube auch, dass es in der türkisen Ausbildung nicht vorgesehen ist, dass man Krisenmanagement lernt, sondern da geht es eher um Selbstdarstellung und diverse andere Dinge, beispielsweise wie man gut dasteht.

Auf alle Fälle haben wir im Burgenland gute Krisenmanagerinnen und Krisenmanager, und es wurde sofort das digitale Klassenzimmer Burgenland eingeführt. Man hat Pläne gemacht, Frau Winkler hat dazu aufgerufen, die Lerninhalte zu festigen und zu vertiefen, aber keine neuen Lerninhalte durchzunehmen, und die Lehrer und Lehrerinnen wurden mit Microsoft-Arbeitspaketen ausgestattet.

Ja, auch wir haben wieder bemerkt, dass leider Gottes das technische Equipment in den Schulen fehlt, deswegen haben wir von den Kinderfreunden im Vorjahr die Initiative gestartet, dass wir Kinder und Familien, die eben nicht die technischen Möglichkeiten haben, mit gebrauchten, aber gut erhaltenen Laptops ausstatten. Auch heuer haben wir wieder Anfragen bekommen. Hätten (in Richtung Bundesminister Faßmann) Sie also das bereits fertige Konzept der Ministerin Hammerschmid nicht ewig lange in der Lade liegen gelassen, wären wir da schon einen Schritt weiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auch sehr viel Kontakt mit jungen Menschen. Ein Maturant hat mir gesagt: Ich habe jetzt genau folgende Wahl: Entweder ich verhaue die Matura – er hat nicht gesagt, er verhaue die Matura, sondern er hat etwas anderes gesagt, aber in diesem Hohen Haus werde ich das Wort, das er benutzt hat, nicht verwenden –, oder ich stecke mich mit Corona an. – Das ist quasi eine Entscheidung zwischen Bildung und Gesundheit, und das kann es bitte nicht sein! Wir müssen in 21 Monaten Krise doch gelernt haben, wie wir damit umgehen – aber offenbar ist es nicht so.

Mein Kollege Kovacs hat es in der vorwöchigen Sondersitzung in (in Richtung Bundes­minister Faßmann) Ihre Richtung klar formuliert: Klar war, dass mit Ihrem Erlass, Herr Bundesminister, nichts klar ist. Sie haben die Verantwortung für ein funktionierendes Coronamanagement in Kindergärten, Schulen und im universitären Bereich, aber Sie nehmen Ihre Verantwortung leider nicht wahr. Die Situation ist für die Menschen im Land nicht mehr erträglich! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Es werden vor allem bei den Jugendlichen Lücken aufgerissen, die ein ganzes Leben lang nachwirken werden – wahrscheinlich nicht bei allen, aber sicher bei sehr vielen. Die Kinder und Jugendlichen versäumen persönlich und auch schulisch vieles, und all das wird sich früher oder später auch auf unsere Volkswirtschaft auswirken. Ich weiß nicht, ob Sie sich das als ausge­sprochene Wirtschafter überlegt haben.

Man kann davon ausgehen, dass durch die teils entstandenen aktuellen Bildungsver­luste bei vielen auch der Erfolg am Arbeitsmarkt geringer sein wird. Das wirkt sich dann auf die Produktivität und auf die Arbeitslosigkeit aus, und für die Betroffenen wird es in ihrem Erwerbsleben auch zu finanziellen Einbußen kommen.

Sie lassen aber nicht nur die Kinder und Jugendlichen in Unsicherheit zurück, sondern auch die Pädagoginnen und Pädagogen. Die Alarmrufe haben Sie nicht gehört, aber ich bin dafür, dass man alle Pädagoginnen und Pädagogen von der GIS-Gebühr befreit, weil sie immerhin dienstlich fernschauen müssen, damit sie am Freitag vielleicht erfahren, was dann am Montag in der Schule aktuell gilt und was sie zu tun haben. (Beifall bei der SPÖ.) Wir werden einen Antrag formulieren.

Was heute alles passiert ist, ist bitter für Sie, aber es ist auch bitter für die Menschen im Land. Sie haben den Sommer verschlafen, dabei wurde im Gegenteil groß plakatiert: „Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft“. – Dass Sie keine Krisenmeister sind, das sieht aber man an den heutigen Ereignissen.

Bis kurz vor Schulbeginn war eigentlich ziemlich unklar, wie die Schule starten würde, weil auch die Infektionszahlen im Herbst stiegen und das Infektionsgeschehen zuneh­mend Fahrt aufnahm. Sie, Herr Minister, und Ihre Regierungskolleginnen und -kollegen haben jedoch mehr oder weniger abgewartet, so nach dem Motto: Schauen wir einmal, dann sehen wir schon!

In der Situation, in der wir heute sind, sind wir, weil Sie und Ihre Regierungskolleginnen und -kollegen es auch verabsäumt haben, eine entsprechende Impfkampagne mit Aufklärung, Information und begleitenden Maßnahmen einzuführen. Damit – Mathematik der 1. Klasse Volksschule, eins und eins zusammenzählen – war der vierte Lockdown quasi unausweichlich.

Ich stehe auch in regem Kontakt mit SchülerInnen, Eltern und Lehrern und mit der Bil­dungsreferentin, das habe ich Ihnen bereits gesagt. Wirklich positives Feedback kommt da von niemandem. Ich habe mit einer Lehrerin gesprochen, die mir gesagt hat: Wieso schickt man jetzt Frühwarnungen aus? Wie kann man jetzt, in Zeiten der Krise, eine Leistungsbeurteilung vornehmen? Das versteht niemand – und diese Lehrerin war nicht der Sozialdemokratie zuzurechnen, sondern das ist eine ausgewiesene Türkis-Schwarze; keine Ahnung, wie man es genau einordnen kann. (Heiterkeit des Bundesrates Himmer.)

Sie geben die Verantwortung, die Sie innehaben, lächelnd ab. Die Familie muss sich eben entscheiden: Bildung oder Gesundheit. Ein 16-Jähriger kann das vielleicht, ein Kind in der Volksschule kann das nicht. Meine sechsjährige Nichte war total fertig, weil es geheißen hat: Du gehst vielleicht am Montag nicht in die Schule! – Was macht das mit den Kindern? (Bundesminister Faßmann: In die Schule gehen!) Die freuen sich auf die Schule, aber man muss abwägen: Soll sie sich vielleicht anstecken oder geht sie in die Schule? (Bundesminister Faßmann: ... wird getestet!) – Ja, aber wenn man am Montag nicht in der Schule ist, dann ist es öha mit dem PCR-Test, ja, dann muss man warten. Das ist halt das Problem. Ja, das berichten mir meine Kinder aus der Oberstufe. (Bun­desminister Faßmann: Mir ganz anders!)

Für alle Lehrerinnen und Lehrer in der Oberstufe: Distancelearning gibt es nicht, die Kinder können zu Hause bleiben, das ist kein Problem, wir machen Präsenzunterricht und wir schauen, dass wir streamen! – Ja, wenn es die technischen Voraussetzungen gibt. Ich kenne ein Kind, das in eine Privatschule geht, da funktioniert das halbwegs. Dann kenne ich einen Schüler aus einer HTL, dort sind 1 500 Schülerinnen und Schüler, da gibt es diese technische Voraussetzung gar nicht. Wenn der Lehrer da nicht seinen Privatlaptop mitnimmt und versucht, zu streamen, dann haben die Kinder zu Hause wirklich Pech gehabt. – Also alles in allem sind wir nicht sehr zufrieden mit Ihrer Leistung.

Ich habe Ihnen heute auch ein Zeugnis mitgebracht – es sind auch zwei Sehr gut dabei –: funktionierende Konzepte entwickeln – Nicht genügend; umfallen – Sehr gut; Plan für Homeschooling und Matura – Nicht genügend; Zukunft von jungen Menschen verbauen – Sehr gut; politische Bildung – Nicht genügend. Ich darf es Ihnen (das genannte Schrift­stück auf die Regierungsbank legend) – schon vorbereitet in der Klarsichtfolie – hierher­legen. (Ruf: Ist aber streng!) – Mit euch muss man streng sein, es geht leider nicht anders. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wer hat denn das unter­schrieben?)

Zum Thema FHs und Hochschüler - - (Bundesrat Preineder: Ist das ein burgenlän­di­sches Zeugnis? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wie bitte? Wir können nachher in einem Privatissimum gern noch darüber reden. Zu den Fachhochschulen und Uni­versitäten: Da reden Sie sich auf die Autonomie aus. – So einfach ist das nicht. Schauen Sie einmal in die APA rein, da gibt es vom 18.11. eine Aussendung, vom 22.11. eine Aussendung, in denen die ÖH – durchgehend, jeder Couleur – mit der Performance, die Sie, Herr Minister, abliefern, nicht zufrieden ist.

Alles in allem: Die Menschen im Land haben sich etwas Besseres verdient. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Neuwahlen gehen werden, so wie es Landeshauptmann Hans Peter Doskozil heute gesagt hat. Wir sind bereit (Bundesrat Raggl: Jaja!), es ist Zeit, reinen Tisch zu machen. Die Menschen in diesem Land haben sich etwas Besseres verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Jawohl! – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

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