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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

934. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Dezember 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

934. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Dezember 2021: 9.00 – 21.59 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer/eines Schriftführerin/Schriftführers für den Rest des 2. Halbjahres 2021

2. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria samt Anhang

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 und das Forschungs­organisationsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung von Bundes­zuschüssen an die Länder Burgenland, Niederösterreich und Wien aus Anlass des 100-jährigen Bestehens als eigenständige Länder und ein Bundesgesetz über die Finanzie­rung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2022 erlassen sowie die Exekuti­onsordnung, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Ver­fügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Gebührenanspruchsgesetz, das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz, das Schülerbeihilfen­gesetz 1983, das FTE-Nationalstiftungsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Bundestheaterorganisationsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2022)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz, das Garantie­ge­setz 1977 und das ABBAG-Gesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Pfandbriefe (Pfandbrief­ge­setz – PfandBG) erlassen wird und das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Einlagensiche­rungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz, die Insolvenzordnung, das Insolvenz­rechtseinführungsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 2

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Re­ferenzwerte-Vollzugsgesetz geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Normverbrauchsabgabegesetz geändert wird

9. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Abänderung des am 22. September 2003 in Abu Dhabi unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emira­ten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen

10. Punkt: Zweites Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unter­zeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 28. Mai 2001 in Seoul unterzeichneten Protokolls

11. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme der österreichischen Erklärung zu Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Zahlungsdienste­gesetz 2018 zur Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket)

14. Punkt: Protokoll zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht betref­fend die vorläufige Anwendung

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002, das Waffengesetz 1996 und das Sprengmittelgesetz 2010 geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Sicher­heits­polizeigesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsge­setz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Grenzkontrollgesetz und das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985 geändert werden (Erstes EU-Informationssysteme-Anpassungs­ge­setz)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschaden­gesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert wer­den (Pensionsanpassungsgesetz 2022 – PAG 2022)


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21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Notarversorgungsgesetz geändert wird

22. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Wortmeldung des Bundesrates Christoph Steiner betreffend nachträglich er­teilte Ordnungsrufe sowie Verhalten der Regierungsmitglieder dem Bundesrat gegen­über ...........................................................................................................................      13

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Mit­glieds und eines Ersatzmitglieds des Bundesrates ..................................................      31

Angelobung des Bundesrates Mag. Sascha Obrecht ..........................................      13

1. Punkt: Wahl einer/eines Schriftführerin/Schriftführers für den Rest des 2. Halb­jahres 2021 ...............................................................................................................      41

Verlangen der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder und Korinna Schumann auf Unterbrechung der Sitzung und Abhaltung einer Stehpräsidiale
..................................................................................................................  80, 80, 81

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................      81

Wortmeldungen in Bezug auf beleidigende Äußerungen:

Marco Schreuder ....................................................................................................      88

Karl Bader ................................................................................................................      95

Christoph Steiner ....................................................................................................      96

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............    218

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    218

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      12

Ordnungsrufe ....................................  12, 13, 78, 87, 125, 134, 153, 157, 164, 168

Aktuelle Stunde (90.)

Thema: „Covid-19: Aktuelle Lage an den Schulen“ ...........................................      14

RednerInnen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................      14

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................      16

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      18

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      20

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................      22

Sebastian Kolland ...................................................................................................      24

Horst Schachner .....................................................................................................      25


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Josef Ofner ..............................................................................................................      26

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      27

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bun­des­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union 35, 36, 37, 38, 39

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      40

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  29, 218

22. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemein­samen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 ..........................................................................    217

Dringliche Anfragen

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Im Taumel zwischen Corona-Maßnahmen-Chaos, Lockdown-Partys der Bundesregierung und Impfpflicht“ (3960/J-BR/2021) .............................    126

Begründung: Christoph Steiner ..............................................................................    127

Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. .........................................    131

Debatte:

Josef Ofner ..............................................................................................................    134

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) .......................................................    139

Karl Bader ................................................................................................  139, 168

Ingo Appé ................................................................................................................    142

Josef Ofner (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................    146

Marco Schreuder ....................................................................................................    147

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    149

Michael Bernard ......................................................................................................    149

Marco Schreuder (tatsächliche Berichtigung) ........................................................    153

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    153

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    156

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    159

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................    164

Markus Leinfellner ..................................................................................................    165

Christoph Steiner ....................................................................................................    168

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Fake-News-Rechenschaftsbericht der Bundesregierung“ – Ablehnung .................................................................................................  152, 169

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Corona-Chaos in Kindergärten, an Schulen, Fachhochschulen und Universitäten – Herr Minister haben Sie aus zwei Jahren Krise nichts gelernt?“ (3961/J-BR/2021) .......    169

Begründung: Mag. Daniela Gruber-Pruner ............................................................    169

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................    173


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Debatte:

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................    183

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................    188

Markus Leinfellner ..................................................................................................    190

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    192

David Egger .............................................................................................................    193

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................    196

Mag. Sandra Gerdenitsch ......................................................................................    198

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesundheit von Schüler*innen fördern!“ – Ablehnung ..  188, 202

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Maskenzwang im Unterricht“ – Ablehnung .....  191, 202

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Nieder­österreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria samt Anhang (1063 d.B. und 1151 d.B. sowie 10788/BR d.B.) ..............................................................................      41

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ..........................................................      41

RednerInnen:

Marco Schreuder ....................................................................................................      41

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................      42

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................      44

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      45

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      46

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 und das Forschungs­orga­nisationsgesetz geändert werden (1098 d.B. und 1152 d.B. sowie 10770/BR d.B. und 10789/BR d.B.) ..................................................................................................      46

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ..........................................................      46

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................      46

Marco Schreuder ....................................................................................................      48

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      49

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      50

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................      51

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      51

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung von Bundes­zu­schüssen an die Länder Burgenland, Niederösterreich und Wien aus Anlass des 100-jährigen Bestehens als eigenständige Länder und ein Bundesgesetz über die


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Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2022 erlassen sowie die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Gebührenanspruchsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Um­weltförderungsgesetz, das Schülerbeihilfengesetz 1983, das FTE-Nationalstif­tungs­gesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Bundestheaterorgani­sations­ge­setz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2022) (1102 d.B. und 1154 d.B. sowie 10773/BR d.B.) .........................................................................................................      52

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................      52

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz, das Garantiegesetz 1977 und das ABBAG-Gesetz geändert werden (1155 d.B. sowie 10774/BR d.B.) ........      52

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................      52

RednerInnen:

Korinna Schumann .................................................................................................      53

Christoph Steiner (tatsächliche Berichtigung) ........................................................      56

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................      56

Andrea Kahofer .......................................................................................................      58

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      60

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      63

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      64

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      66

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .........................................................      68

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umfassender Gewalt­schutz“ – Ablehnung ......................................................................................  55, 69

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dauerhafte Finanzierung des VKI“ – Ablehnung .  60, 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      68

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      69

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Pfandbriefe (Pfandbriefgesetz – PfandBG) erlassen wird und das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Einlagen­sicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichts­behör­dengesetz, das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz, die Insolvenzordnung, das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz geändert werden (1029 d.B. und 1145 d.B. sowie 10768/BR d.B. und 10775/BR d.B.) ...............................................................      69

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      70

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das


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Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Referenzwerte-Vollzugsgesetz geändert werden (1100 d.B. und 1146 d.B. sowie 10776/BR d.B.) .........................................................................................................      69

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      70

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Normverbrauchsabgabegesetz geändert wird (2009/A und 1147 d.B. sowie 10777/BR d.B.) .......................................................................      69

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      70

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emi­raten zur Abänderung des am 22. September 2003 in Abu Dhabi unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (1030 d.B. und 1148 d.B. sowie 10778/BR d.B.) ...............................................................................................      70

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      70

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Zweites Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unter­zeich­neten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 28. Mai 2001 in Seoul unterzeichneten Protokolls (960 d.B. und 1149 d.B. sowie 10779/BR d.B.) ...............................................................................................      70

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      70

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................      71

Elisabeth Mattersberger .........................................................................................      72

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      73

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      75

Stefan Schennach ...................................................................................................      76

Michael Bernard ......................................................................................................      77

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .........................................................      81

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes“ – Ablehnung ...  79, 82

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur flächendeckenden LKW-Maut und damit zu einer weiteren Belastung der österreichischen Bevölkerung“ – Ablehnung ..........  80, 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      82

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      82

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      82

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem


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vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...........................................................      83

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...........................................................      83

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme der österreichischen Er­klärung zu Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermitt­lung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (959 d.B. und 1108 d.B. sowie 10780/BR d.B.) ..............................................................................      84

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................      84

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Zahlungsdienste­ge­setz 2018 zur Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln geändert werden (1099 d.B. und 1109 d.B. sowie 10781/BR d.B.) ..............................................................................      84

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................      84

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      84

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      85

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................      86

Christoph Steiner ....................................................................................................      88

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      89

Stefan Schennach ...................................................................................................      90

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................      92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................      92

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket) (1104 d.B. und 1123 d.B. sowie 10787/BR d.B.) ...........      92

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................      93

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................      93

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      96

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ..........................................................................      99

Nicole Riepl .............................................................................................................    101

Günther Novak ........................................................................................................    102

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. .........................................................    103

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pfandsystem ohne Teuerung und versteckte Steuern“ – Ab­lehnung ........................................................................................................  94, 104


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 9

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    104

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Protokoll zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht betreffend die vorläufige Anwendung (1027 d.B. und 1150 d.B. sowie 10790/BR d.B.) ................    104

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................    104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    104

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002, das Waffengesetz 1996 und das Sprengmittelgesetz 2010 geändert werden (1101 d.B. und 1118 d.B. sowie 10791/BR d.B.) .........................................................................................................    105

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .............................................................    105

RednerInnen:

Markus Leinfellner ..................................................................................................    105

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................    106

Dominik Reisinger ..................................................................................................    108

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    110

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Sicherheits­poli­zeigesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthalts­ge­setz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Grenzkontrollgesetz und das Staats­bürger­schaftsgesetz 1985 geändert werden (Erstes EU-Informationssysteme-Anpassungs­gesetz) (1103 d.B. und 1119 d.B. sowie 10769/BR d.B. und 10792/BR d.B.) ........    110

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .............................................................    110

RednerInnen:

Silvester Gfrerer ......................................................................................................    111

Dominik Reisinger ..................................................................................................    112

Markus Leinfellner ..................................................................................................    113

Marco Schreuder ....................................................................................................    114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    115

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1923/A und 1137 d.B. sowie 10771/BR d.B. und 10782/BR d.B.) ..............................................    115

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    115

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    115

Heike Eder, BSc MB


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 10

A .............................................................................................    116

Günter Kovacs ........................................................................................................    118

Christoph Steiner ....................................................................................................    118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    120

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird (1999/A und 1138 d.B. sowie 10783/BR d.B.) .........................................................    120

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    120

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird (1139 d.B. sowie 10784/BR d.B.) ...............................................................................................    120

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    120

RednerInnen:

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    121

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    121

Mag. Franz Ebner ....................................................................................................    122

Horst Schachner .....................................................................................................    123

Josef Ofner ...............................................................................................  124, 204

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    126

Ingo Appé ................................................................................................................    202

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    206

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    208

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    208

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadenge­setz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsge­setz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsge­setz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2022 – PAG 2022) (1105 d.B. und 1127 d.B. sowie 10772/BR d.B. und 10785/BR d.B.) .......................................    208

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    208

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversorgungsgesetz geändert wird (1970/A und 1135 d.B. sowie 10786/BR d.B.) ..............................................................................    208

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    208

RednerInnen:

Eva Prischl ...............................................................................................................    209

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................    211

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    212

Marco Schreuder ....................................................................................................    214

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    216


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 11

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Maßnahmenpaket für Pensionen“ – Ablehnung .............  210, 217

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    217

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    217

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Gemeinde­finanzen in der Krise (316/A(E)-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortführung des Corona-Familienhärteausgleichs (317/A(E)-BR/2021)

Anfragen der BundesrätInnen

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Impfpflicht für wen? (3958/J-BR/2021)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend nicht genehmigte Anträge Ausfallbonus durch COFAG (3959/J-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Im Taumel zwischen Corona-Maßnahmen-Chaos, Lockdown-Partys der Bundesregierung und Impfpflicht“ (3960/J-BR/2021)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Corona-Chaos in Kindergärten, an Schulen, Fachhochschulen und Universitäten – Herr Minister haben Sie aus zwei Jahren Krise nichts gelernt?“ (3961/J-BR/2021)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Prob­leme bei Schüler*innentransporten (3962/J-BR/2021)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Probleme bei Schüler*innentransporten (3963/J-BR/2021)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Probleme bei Schüler*innen­trans­porten (3964/J-BR/2021)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Corona-Testlabor in St. Pölten (3626/AB-BR/2021 zu 3915/J-BR/2021)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Druck auf Kinder mittels Impfbusse vor Schulen (3627/AB-BR/2021 zu 3914/J-BR/2021)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 12

09.00.43 Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Peter Raggl, Vizepräsident Günther Novak, Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs.

09.00.45*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Ich eröffne die 934. Sitzung des Bundesrates. (BundesrätInnen aller Fraktionen tragen orange An­stecker, auf denen eine blaue Hand sowie die Aufschrift „Stoppt die Gewalt an Frauen“ zu sehen sind.)

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 933. Sitzung des Bundesrates vom 23. November 2021 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Mitglieder des Bundesrates Andreas Lackner, Günter Pröller und Andrea Michaela Schartel.

09.01.19*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgrund der Coronapandemie befinden wir uns zweifelsohne in einer Zeit, die viele von uns beunruhigt und auch innerlich aufwühlt. Nicht nur hier im Hohen Haus wird dazu aufgeregt diskutiert, sondern auch in der allgemeinen Öffentlichkeit, aber vor allem in den sozialen Medien.

Gegensätzliche Meinungen prallen dabei sehr oft sehr heftig in einer sehr emotionalen Weise aufeinander. Das ist irgendwie verständlich, diese emotionale Diskussion wird uns aber nicht weiterbringen. Es braucht meiner Meinung nach eine Kommunikation auf Augenhöhe mit gegenseitiger Wertschätzung und auch mit gegenseitiger Kenntnis­nahme.

Auch hier im Bundesrat gilt es, den Anstand zu wahren und insbesondere auf die Würde des Hohen Hauses zu achten. Der Maßstab muss hier bei uns im Bundesrat ein noch strengerer sein als bei Diskussionen außerhalb des Parlaments oder gar in sozialen Medien. Politische Mandatare haben nämlich eine Vorbildwirkung, die gerade jetzt in dieser doch schwierigen Zeit nicht missachtet werden darf.

In der letzten Sitzung des Bundesrates haben wir alle Redebeiträge gehört, die dem Ansehen des Parlaments nicht angemessen sind, Redebeiträge, die nicht dazu bei­tra­gen, den Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck sachlicher und zielführender Diskus­sionen zu vermitteln. Mancher Redner befeuerte mit seinem Stil hier im Hohen Haus die ohnehin bereits sehr hitzigen Diskussionen in der Öffentlichkeit – und hier wäre meiner Meinung nach die Sachlichkeit der Argumente in den Vordergrund zu stellen.

Ich habe mir deshalb das Stenographische Protokoll der letzten Bundesratssitzung noch einmal intensiv angesehen und bin zu dem Schluss gekommen, dass einige der ge­tätigten Aussagen nicht der Würde des Hohen Hauses angemessen waren und so auch nicht hingenommen werden können.

Ich erteile daher Herrn Bundesrat Andreas Spanring gemäß § 70 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung für die in seiner Rede getätigten Anspielungen zum beziehungsweise Ver­gleiche mit dem nationalsozialistischen Regime, wie etwa: „Für Menschen wie Sie oder auch Thomas Szekeres wurde der Nürnberger Kodex geschrieben. Denken Sie einmal darüber nach.“, beziehungsweise: „Schicken Sie mir dann die Geheime Impfpolizei nach


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 13

Hause?“, sowie: „Kommen die dann mit einer Armbinde, wo zwei überkreuzte Spritzen drauf sind?“, und: „Impf Heil“, einen Ordnungsruf.

Weiters erteile ich Herrn Bundesrat Christoph Steiner für seine Aussagen wie: „[...] ihr von den Regierungsparteien habt die Bürger verarscht. Ihr habt die Bürger mit falschen Versprechen in die Nadel getrieben. Ihr habt die Bürger nachweislich belogen und betrogen.“, und: „Ich frage mich ja sowieso, Herr Minister Mückstein, wie wahrscheinlich viele andere auch, ob Sie Ihren Doktortitel nicht vielleicht beim Hendlwatten oder bei irgend­einer Auslosung gewonnen haben [...]“, sowie: „Herr Schallenberg, Herr Mückstein, schleichen Sie sich!“, auch einen Ordnungsruf.

Ich darf alle Anwesenden ersuchen, sich in der heutigen Sitzung eines angemessenen Ausdrucks zu bedienen, und fordere auch – leider ist die Regierungsbank derzeit noch leer –, den Ausführungen der Bundesrätinnen und Bundesräte aufmerksam zuzuhören.

Ich appelliere daher an Sie alle, Ihrer Vorbildwirkung in diesem Plenarsaal gerecht zu werden und die Bürgerinnen und Bürger mit Argumenten und nicht mit unangemessener und beleidigender Wortwahl zu überzeugen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner hebt die Hand.)

*****

Zur Geschäftsordnung: Bundesrat Steiner. – Bitte.


09.05.56

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ja, wir nehmen die Ordnungsrufe zur Kenntnis. Ich will nur darauf hinweisen, dass man das in Zukunft – sonst müssen wir jedes Mal zu Beginn der Sitzung ein Statement des Präsidenten, der dann im Nachhinein die Ordnungsrufe erteilt, über uns ergehen lassen – vielleicht während der Vorsitzführung in der laufenden Sitzung macht und dass man nicht fünf Zeitungen braucht, die den Präsidenten auffordern, im Nachhinein einen Ordnungsruf zu erteilen. Das sollte man schon während der Vorsitzführung in der laufenden Sitzung machen. Ich würde schon bitten, dass man das im Auge hat.

Herr Präsident, ich bin Ihnen aber dankbar dafür, dass Sie jetzt das mit den Regierungs­mitgliedern angesprochen haben, denn: So wie man in den Wald hineinschreit, hallt es zurück. Was will man sich bei der Art und Weise, wie die Regierungsmitglieder mit uns hier im Bundesrat umgehen – mit einer Abschätzigkeit, mit einer Nichtwertschätzung, mit ständigem Spielen am Handy und auch noch Telefonieren auf der Regierungsbank –, erwarten? Da fühlt sich natürlich der Bundesrat am Rednerpult gepflanzt und gibt dann auch eine entsprechende Antwort.

Daher würde ich schon auch dringendst einfordern, dass sich die Regierungsmitglieder – Herr Faßmann ist heute der erste Minister, der hier ist, und ihn nehme ich jetzt explizit aus, weil er wirklich immer zuhört und mitschreibt, aber alle anderen Regierungs­mit­glieder sollten sich da schon betroffen fühlen – ein bisschen selber an der Nase nehmen und hier im Bundesrat ordentlich und wertschätzend mit uns umgehen, wie sich das auch in Wahrheit im Parlamentarismus gehört und es sich der Bundesrat auch verdient hat. Darum würde ich schon bitten. (Beifall bei der FPÖ.)

9.07

09.07.31Angelobung


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich darf weitergehen: Eingelangt ist ein Schreiben des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Mitglieds und eines Ersatzmitglieds des Bun­desrates. (siehe S. 31)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 14

Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Guten Morgen! Ich verlese die Gelöb­nisformel für die Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beachtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfül­lung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner leistet Bundesrat Mag. Sascha Obrecht die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat!


Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat Sascha Obrecht, auch ich darf Sie recht herzlich bei uns hier im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

09.09.07Aktuelle Stunde


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Covid-19: Aktuelle Lage an den Schulen“

mit dem Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann, den ich im Bundesrat recht herzlich willkommen heiße. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bun­desministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend ein Redebeitrag des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.


9.10.10

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ge­schätzte Zuhörer, die von zu Hause aus zuhören! Ich beginne meine Rede heute mit einem Dank, und zwar einem Dank an unseren Bildungsminister dafür, dass es gelungen ist, die Schulen offen zu lassen, und einem Dank an alle Mitwirkenden, allen voran an die Pädagogen und Pädagoginnen, die Direktoren und Direktorinnen, aber auch die Schülern und Schülerinnen aufgrund ihrer Disziplin, denn „offene Schulen schützen Kinder vor psychischen Erkrankungen und Bildungsverlust“. – Ich zitiere hier die Kinder-


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 15

und Jugendanwaltschaft, oder auch Michael Stadlmann, AHS-Landesschulsprecher in Niederösterreich und stellvertretenden Bundesschulsprecher: Er „erinnert an die ,enor­me psychische Belastung‘, die bei Distance Learning entsteht“.

Wir alle sind soziale Wesen und brauchen Kontakte, und zwar physische. Auch die Mehr­heit der Lehrer und Lehrerinnen sieht die derzeitige Situation der offenen Schulen positiv, wie eine aktuelle Erhebung der Universität Wien zeigt. 60 Prozent sind dafür, die der­zeitige Regelung der offenen Schulen und Aufhebung der Präsenzpflicht beizubehalten.

Wir sehen nun nach einer zehntägigen Beobachtungsphase: Ja, offene Schulen funktio­nieren. Warum? – Weil die Schule ein kontrollierter Raum ist. Der Komplexitätsforscher Klimek unterstreicht sogar die Bedeutung der Schulen zur Pandemiebekämpfung, weil wir eben ein sehr engmaschiges Testsystem in den Schulen haben, welches das lang­fristige Offenhalten der Schulen unterstützt. Wir wissen, die Kinder werden in der Schule seriell getestet: in Niederösterreich, Oberösterreich und Wien zweimal – Dienstag und Donnerstag – mittels PCR-Test und einmal – am Montag – mittels Antigentest. (Bundesrätin Hahn: In Niederösterreich ist es einmal!)

Natürlich ergeben sich daraus auch höhere Fallzahlen, obwohl diese Tendenz wieder sinkend ist, denn je mehr getestet wird, desto mehr positive Fälle können auch heraus­gefiltert werden – und das ist gut so. Das Wichtigste dabei aber ist, dass wir dadurch die Kinder punktgenau nach Hause schicken und somit auch großflächige Schließungen verhindern können.

Wie sieht die derzeitige Situation aus? – Nach rund zehn Tagen Schulbetrieb im Lock­down haben wir gesehen – und ich beziehe mich jetzt in meinen Ausführungen auf Niederösterreich –, dass täglich 85 Prozent der Schüler und Schülerinnen in den Schulen anwesend waren. Die restlichen 15 Prozent teilen sich in Krankenstände, Quarantänemaßnahmen oder gerechtfertigtes lockdownbedingtes Fernbleiben auf. Ich denke, es war sinnvoll, den Verlauf eine Woche zu beobachten und zu schauen, wo es Nachschärfungen braucht; und diese Regeln wurden auch nachgeschärft.

Im Detail: Die Klassen gehen ab dem zweiten Coronainfektionsfall für mindestens fünf Tage ins Distancelearning. Konkret bedeutet das auch: Bei einem Infektionsfall muss nur das positiv getestete Kind nach Hause, für die restliche Klasse läuft der Unterricht weiter. Allerdings müssen die Schüler die nächsten fünf Tage täglich testen, was beispielsweise gerade bei meiner Tochter im Gymnasium der Fall ist, aber ich sage Ihnen: Jeder Tag in der Schule ist ein gewonnener Tag. Wenn es dann einen zweiten Infektionsfall in der Klasse gibt, gehen alle Schüler für fünf Tage ins Distancelearning, nach diesen fünf Tagen können die Kinder nach einem negativen Test ins Klassen­zim­mer zurückkehren und werden in der Schule noch einmal getestet. Somit werden auch die Absonderung von positiven Fällen und vor allem in Hotspotregionen das Contact­tracing erleichtert.

Meine Kinder, einerseits in der Volksschule und andererseits im Gymnasium, befinden sich seit dieser Woche, so wie es die Direktorin formuliert, in einem solchen Regelbetrieb unter Lockdownbedingungen. Das ist gut so, denn wir alle, Pädagogen, Pädagoginnen, Schüler, Schülerinnen und auch Eltern, brauchen eine gewisse Regelmäßigkeit, auf keinen Fall mit Vollgas, aber mit Hausverstand und Augenmaß, sodass die notwendigen Lernfortschritte auch ermöglicht werden.

Somit gibt es Präsenzunterricht für all jene, die ihn benötigen. Kinder dürfen jedoch – und das ist bekannt – ohne ärztliches Attest zu Hause bleiben. Schulen stellen Be­treuung und Lernpakete für diese Kinder sicher.

Ja, es sind die Eltern, die da dieses Mal entscheiden. Es ist richtig, dass man die Entscheidung den Eltern überlässt (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), denn wer sonst,


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wenn nicht die eigenen Eltern, die Erziehungsberechtigten der Kinder – weil sie es sind, die die private und berufliche Situation am besten einschätzen können –, soll entschei­den?

Was passiert jetzt mit denen, die zu Hause bleiben, bleiben können? – Die nehmen – und das ist auch bekannt – ebenfalls am Unterricht teil, entweder über eine Synchron­übertragung – dafür braucht es kein aufwendiges technisches Equipment, da reicht ein einfacher Laptop mit Internetverbindung – oder asynchron, indem eben Lernpakete, Haus- und Schulübungen zur Verfügung gestellt werden (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), wie beispielsweise in der Volksschule über Schoolfox oder im Gymnasium meiner Tochter über Moodle. Diese werden abgearbeitet und dann wieder abgegeben. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Weil hier oft falsch argumentiert wird: Das ist kein hybrider Unterricht, bei dem der Lehrer gleichzeitig alles machen muss, Distancelearning und Präsenzunterricht, nein, es ist ein Präsenzunterricht, der es erlaubt, Schüler und Schülerinnen, die zu Hause sind, über die Lernplattform oder in anderen Medien daran teilzunehmen zu lassen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Da jetzt auch hier im Saal die Stimmen wieder lauter werden, ist es mir noch wichtig, zum Schluss eines zu sagen: Man wird es nie allen recht machen können. Wenn jemand behauptet, er oder sie habe die optimale Lösung, dann kann ich gleich vorweg eines sagen: Die wird es nicht geben. Dazu gibt es ein ganz passendes Sprichwort: „Allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.“

In diesem Sinne, meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen: Zeigen wir uns solida­risch, und bekämpfen wir uns nicht gegenseitig, sondern den wahren Feind, nämlich das Coronavirus! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

9.17


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.


9.17.25

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Wenn nur alles so rosig wäre, wie meine Vorrednerin es geschildert hat, dann müssten wir das heute nicht diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich als Politikerin und auch als Pädagogin eine Entscheidung zu treffen habe, die so heikel ist wie in diesem Fall, nämlich ob Schulen offen bleiben können oder nicht, dann befrage ich im Zweifelsfall die UN-Kinderrechtskonvention, nämlich: Welche Rechte von jungen Menschen, die von dieser Maßnahme so sehr betroffen sind, sind in Gefahr und welche sind gewahrt? Oft ist es dann so: Wenn man Themen, die Kinder betreffen, mit den Kinderrechten in Relation setzt, dann geht es um eine Abwägung ihrer Inter­essen und ihrer Rechte.

In diesem Fall der vierten Welle und der Frage, was mit den Schulen passieren soll, würde sich das möglicherweise so anhören: Es gibt das Recht eines jeden Kindes auf den Schutz seiner Gesundheit und auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Beides ist aktuell in der Covid-Situation, in der wir uns befinden, in großer Gefahr. Wir wissen, auch Kinder erkranken derzeit an dem Virus; es gibt auch welche, die auf den Inten­sivstationen liegen, und es gibt leider auch die ersten Todesfälle. Also ja, Kinder sind in großer Gefahr – und dieses Kinderrecht ist in großer Gefahr.

Abgesehen von dieser physischen Situation ist natürlich auch die psychische Situation enorm angespannt. Wir bekommen fast täglich Berichte aus den Psychiatrien, aus den


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Ambulanzen, wie sich dort die Wartelisten verlängern und wie angespannt und wirklich lebensbedrohlich die Situation für viele Kinder ist.

Es gibt aber gleichwertig zu diesem Recht auf Gesundheit auch das Recht aller Kinder auf Bildung. Und ja, wir als SPÖ haben uns immer, von Anfang an, für offene Schulen ausgesprochen, vor allem deshalb, weil wir eben wissen, was passiert, wenn Schulen nicht offen sind. Wir wissen mittlerweile auch – und davor haben wir immer gewarnt –, dass es viele Schülerinnen und Schüler gibt, die man bei geschlossenen Schulen nicht mehr erreichen kann und die nachhaltig in Schwierigkeiten geraten. Auch das ist aktuell der Fall.

Wenn man also diese beiden Rechte gegeneinander abwägt, gibt es in diesem kon­kreten Fall keine eindeutig gute Lösung für die aktuelle Situation. Herr Minister, Ihrer Herleitung, Ihrer Bewertung der Situation während der entscheidenden Pressekonferenz vor wenigen Tagen konnte ich einiges abgewinnen. Ich glaube, wir teilen einige dieser Punkte.

Trotzdem haben wir massive Kritik speziell an drei Dingen:

Der erste Punkt – und das ist wahrscheinlich der stärkste –: Wir müssten nicht in dieser verheerenden Situation sein, wenn diese Regierung rechtzeitig die notwendigen Maß­nahmen getroffen hätte. (Beifall bei der SPÖ.) So viele ExpertInnen warnen seit Monaten vor diesem Herbst, vor diesem Winter, vor dieser vierten Welle. Ich als Wiener Bun­desrätin schaue recht stolz nach Wien: Der Wiener Bürgermeister hat konsequent den vorsichtigeren Weg gewählt und sich auch dieser Kritik gestellt, mit der er konfron­tiert war. Das hat sich aber mehrfach bewährt. – Und nein, unangenehme Entschei­dungen werden von dieser Regierung einfach nicht getroffen. Darum stehen wir jetzt in dieser Situation. Am Ende müssen wie bei den vorhergehenden drei Lockdowns wieder die Kinder den Preis für dieses Nichthandeln der Regierung bezahlen – und das klagen wir an.

Der zweite Kritikpunkt: Wenn ein System auf einen Krisenmodus zusteuert, nämlich mit diesem Tempo eigentlich in diesen Krisenmodus hineingerast ist, wenn Österreich – wie damals bei dieser Pressekonferenz – kurz vor einem vierten Lockdown steht, wenn bei allen Menschen in unserem Land mittlerweile die Nerven blank liegen und wenn vor allem die Systemerhalter und die Systemerhalterinnen nicht mehr können, dann – so habe ich es in der Psychologie in Bezug auf Krisensituationen gelernt – sind klare Ansagen jedenfalls besser als Unklarheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, ein Jein kann nicht die Lösung sein. Dass ein Jein – man hält die Schulen offen, sagt aber: schickt die Kinder nicht!, und begleitet die Kinder auch nicht wirklich zu Hause – keine Lösung sein kann, das merkt man jetzt an der Verzweiflung der Eltern, der LehrerInnen und der Kinder. Alle sind verunsichert, alle wursteln eh nach bestem Wissen und Gewissen dahin – das möchte ich nicht bezweifeln –, und in Wahrheit wurde die Verantwortung der Politik an alle anderen abgegeben und delegiert – eben auch an die Kinder. Wie auch immer sich die Kinder und die Eltern jetzt entscheiden, es fühlt sich nicht richtig an: Gehen sie in die Schule, helfen sie nicht mit, das Infektionsgeschehen einzubremsen; gehen sie nicht in die Schule, können sie nicht sicher sein, was sie verpassen und welche Konsequenzen das für ihre Bildungslaufbahn haben wird. Das bringt Kinder und Eltern – und da bin ich ganz anderer Ansicht als meine Vorrednerin – in einen unglaublichen Interessenkonflikt, und das ist eine falsche Wahlfreiheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Der dritte Kritikpunkt, Herr Minister, betrifft die Zeit zwischen den Lockdowns, die nicht entsprechend genutzt wurde. Er betrifft die Frage, welche Vorkehrungen getroffen wurden, um diesen vierten Lockdown zu verhindern und um auch die Schulen dafür fit zu machen. Es hätte massive Anstrengungen gebraucht, die Bildungseinrichtungen noch


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digitaler zu machen. Es hätte massive Anstrengungen gebraucht, das Begleitsystem der Schulen stärker auszubauen: Teamteaching, Sozialarbeit, individuelle Zuwendung für die Schülerinnen und Schüler, Einrichtung von Anlaufstellen für Eltern und vieles mehr. All das hätte man im Sommer, in der Zeit, die zur Verfügung gestanden wäre, tun können.

Herr Minister, noch eine letzte Kritik – das ist eigentlich ein vierter Punkt –: Mit der Wahl des Titels dieser Aktuellen Stunde hat sich zum wiederholten Male offenbart, was sich eigentlich bei all Ihren Pressekonferenzen durchzieht: Sie haben offenbar einen blinden Fleck in der Bildungspolitik, nämlich in den Bereichen der Elementarbildung, im Bereich der Lehre, im Bereich der Universität. Auch in diesen Bereichen brennt aber der Hut, nicht nur in der Schule. Deshalb haben wir uns entschieden, hat sich die sozialdemo­kratische Fraktion entschieden, dass wir das heute noch einmal ausführlich mit Ihnen besprechen wollen. Daher haben wir Sie, Herr Minister, heute noch einmal zu einer Dringlichen Anfrage ins Hohe Haus geladen. Das heißt, Herr Minister, alles Weitere, alle weiteren Problemfelder werden wir am Nachmittag mit Ihnen besprechen, denn Bildung ist uns wichtig, und sie verdient, dass die Aufmerksamkeit auf alle Bereiche, nicht nur auf die Schule gelegt wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.25


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses.


9.25.49

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Genau das, wovor wir Freiheitliche seit Beginn der Pandemie gewarnt haben, ist eingetroffen – genau das! Es vergeht kein Tag, an dem nicht Medien – Radio, Fernsehen und Zeitungen – berichten, wie schlecht es den Kin­dern gesundheitlich geht. Ich spreche jetzt aber nicht von Coronainfektionen, sondern ich spreche vielmehr von einem dramatischen Coronakollateralschaden, welchen diese schwarz-grüne Bundesregierung zu verantworten hat. (Beifall bei der FPÖ.)

20 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind suizidgefährdet, es wurden während der Pandemie 41 Prozent mehr Antidepressiva und 35 Prozent mehr Antipsychotika verab­reicht, verschrieben. Im Gegenzug hat aber die Zahl der Besuche beim Arzt, der persön­lichen Gespräche um 60 Prozent abgenommen – na, gratuliere, tu felix Austria!

Diese Situation ist aber nicht verwunderlich: Seit fast zwei Jahren werden Kinder und Jugendliche in ihren Grund- und Freiheitsrechten eingeschränkt, seit fast zwei Jahren werden Kinder von der schwarz-grünen Bundesregierung mit Horrorgeschichten unter Druck gesetzt und in Angst und Panik versetzt. Kindern und Jugendlichen wurden ab dem ersten Lockdown wichtige Grundlagen entzogen. Von einem Tag auf den anderen wurden im März 2020 die Schulen geschlossen – ohne Vorbereitung für die Kinder, ohne Vorbereitung für die Lehrer wurde einfach auf Distancelearning umgestellt. Es wurde nicht einmal daran gedacht, dass speziell armutsgefährdete Schüler vielleicht nicht einmal einen Computer zu Hause haben. So war es unheimlich schwierig für die Lehrer, und ein Drittel der Schüler konnte von den Lehrern nicht einmal erreicht werden. Im zweiten und dritten Lockdown wurde dann versucht, im Schichtbetrieb zu arbeiten. Auch dieses Modell hat sich aber nicht als optimal herausgestellt, weil eben dieselben Prob­leme wie im ersten Lockdown aufgetreten sind.

Schlussendlich befinden wir uns jetzt im vierten Lockdown. Gott sei Dank sind jetzt die Schulen geöffnet – und ich stehe nicht an, Herr Minister, dass ich Ihnen dafür Danke sage, weil der Präsenzunterricht an den Schulen durch nichts zu ersetzen ist. Es ist aber immer noch nicht das Gelbe vom Ei. Erstens wurde die Verantwortung zum Großteil auf


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die Eltern abgewälzt, und zweitens kennt sich kein Mensch mehr aus. Wer ist denn jetzt tatsächlich zuständig? Schaffen die Länder an oder können doch Sie als Bundesminister noch die Entscheidungen treffen? – Der eine sagt Hü, der andere sagt Hott. Täglich werden massenhaft gesunde Kinder in Quarantäne geschickt und versäumen dadurch wieder Unterricht – und in jedem Bundesland ist das anders geregelt.

Die Eltern tragen die Sorgen, wie denn ihre Kinder ein gutes Bildungsniveau erreichen können. Das ist einfach nervenraubend. Zwei Jahre der Pandemie hinterlassen bei vielen Familien einfach Spuren. Es geht ihnen die Kraft aus, sie sind physisch, psychisch und wirtschaftlich am Limit – und die Leidtragenden sind die Kinder und Jugendlichen.

Letzten Samstagnachmittag war auf Ö3 eine Sendung zum Thema Bildung, und es war erschreckend, zu hören, welche Sorgen die Anrufer hatten. Zwei Mütter fingen sogar während des Sprechens zu weinen an. Es ist wirklich bitter und traurig.

Unzählige Male haben wir Freiheitliche hier vor dieser Situation gewarnt und betont, dass man nicht auf die Kinder und Jugendlichen vergessen soll und darf, weil eben für sie die Situation besonders schwierig ist. Es ist kein Wunder, die Kinder müssen die Sorgen der Eltern mittragen. Den Kindern fehlt Bewegung, es fehlen ihnen die Freunde, es fehlt ihnen eine wahre Aufgabe. Den Kindern fehlt die Freude am Leben, sie verlernen das Lernen, und sie verlieren die Freude am Lernen. Es ist wirklich herzzerreißend, was man alles in Studien nachlesen kann. Anscheinend dürfte das der ÖVP und den Grünen aber völlig wurscht sein, da wird mit den Handys gespielt, wird nicht einmal zugehört. Ich kann nur sagen: Kinder sind keine Gefährder! Kinder sind unsere Zukunft! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zukunft wurde den Kindern und Jugendlichen eben von der schwarz-grünen Bun­desregierung in den letzten zwei Jahren geraubt. 1,2 Millionen Schülern wurde wertvolle Bildungszeit gestohlen. Die Schulschließungen waren eine Katastrophe, und dabei hatten wir ja eigentlich schon vor Corona Probleme im Bereich der Bildung. Ich darf nur an ratloses Kopfschütteln von manchen Politikern erinnern, wenn wieder Ergebnisse einer aktuellen Pisa-Studie gekommen sind. Da war Österreich bereits vor Corona nicht gerade im obersten Spitzenbereich – im Gegenteil.

Herr Minister, sorgen Sie bitte dafür, dass endlich die Mankos – Lernmankos, Bildungs­rückstände und Bildungsverluste –, die in der Pandemie entstanden sind, wieder aufgeholt werden können! Statt dass die Kinder stundenlang mit Maskentragen drang­saliert und sekkiert werden, wäre es besser, sich dafür einzusetzen, dass zumindest ein Teil des durch Corona versäumten Unterrichtsstoffes aufgeholt wird und dennoch parallel dazu neuer Unterrichtsstoff vermittelt wird.

Wir Freiheitliche haben ja schon etliche Lösungsvorschläge präsentiert, aber diese wurden leider von ÖVP und Grünen allesamt abgelehnt. Ich denke dabei zum Beispiel an Klassenteilungen in den Kernfächern, bezogen auf den jeweiligen Schultyp, für die Dauer von zwei Jahren, oder auch an eine Blockveranstaltung von vier Wochen zu Beginn des Jahres. Zusätzliches Personal dafür könnte man ja vielleicht von privaten Bildungsinstituten erhalten. Die haben das ja schon angeboten, die haben sich schon bereit erklärt, einzuspringen; dadurch könnte man 1 000 zusätzliche Lehrer gewinnen. Aber auch das Heranziehen von Lehramtsstudenten wäre ein Zugang und eine Mög­lichkeit; da würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Studenten könnten sich ein bisschen etwas dazuverdienen und gleichzeitig Praxis und Erfahrung für den späteren Beruf sammeln. Es gäbe unzählige Möglichkeiten. Leider muss ich aber viel im Konjunktiv sprechen, weil das die Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wieder abwürgt, da sie derartig beratungsresistent ist und auf sinnvolle Vorschläge nicht ein­geht.


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Herr Minister, was mir besonders wichtig ist: Sorgen Sie bitte vor allem dafür, dass keine staatlichen Repressionsmaßnahmen gegenüber unseren Kindern stattfinden! (Beifall bei der FPÖ.) Ganz besonders darf es kein Mobbing von manchen Lehrern an ungeimpften Kindern geben. Herr Minister, pfeifen Sie jene Lehrer zurück, welche nachweislich – nachweislich! – im Unterricht ungeimpfte Kinder unter Druck setzen, jene Lehrer, welche nachweislich ihre Kompetenz überschreiten und Stimmung gegen ungeimpfte Kinder machen! Informieren Sie Ihre Bildungsdirektionen, weisen Sie diese an, diesen Skandal umgehend zu beenden! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

Kein Lehrer hat das Recht, an den Schulen ungeimpfte Kinder zu schikanieren oder zu mobben. (Bundesrat Steiner: Wo sind wir denn?!) Diese Lehrer gehören sofort von den Schulen abgezogen – und bitte weit, weit weg von jedem Kind. (Beifall bei der FPÖ.) Das sind keine Pädagogen, das sind Hetzer und Spalter, und solche haben bei Kindern nichts verloren! (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Im Hinblick auf die Impfungen erinnere ich noch einmal ganz eindrücklich an den Vorrang des Kindeswohls und die Autonomie von Kindern. Das ist eine menschenrechtliche Verpflichtung, zu der sich Österreich auf internationaler und europäischer Ebene be­kannt hat. Eine Impfung ist eine höchstpersönliche Entscheidung, und es darf niemand zu einer Impfung gezwungen oder verpflichtet werden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

9.34


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


9.34.26

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Schule und Corona – es gibt kaum ein Thema, das Kinder, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer im letzten Jahr mehr beschäftigt hat. Fragen wir uns aber einmal: Was bedeutet Schule für uns alle überhaupt? Wie würden wir Schule definieren, wenn wir gefragt würden?

Schule wird auch eine Bildungsanstalt oder Lehranstalt genannt und ist eine Institution, deren Bildungsauftrag im Lehren und Lernen, also in der Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrerinnen und Lehrer an Schülerinnen und Schüler, aber auch in der Wertevermittlung und in der Erziehung und Bildung zu mündigen, sich verantwortlich in die Gesellschaft einbringenden Persönlichkeiten besteht. Meine Tochter, die Lehrerin ist, wusste mir zu sagen, dass sie schon im Studium darauf hingewiesen wurde, dass sie in ihrem zukünftigen Berufsleben nicht nur unterrichten wird, dass es nicht nur um das Unterrichten gehen wird, sondern dass auch Erziehungsaufgaben auf sie als Leh­rerin zukommen werden. Worin wir uns wahrscheinlich alle hier einig sind: Es ist nicht die Kernaufgabe einer Schule, Betreuung zu leisten.

Bleiben wir aber bei der Wissens- und Wertevermittlung und dem daraus resultierenden Einbringen in die Gesellschaft als Persönlichkeit, die in großem Ausmaß von der Schule geprägt wird! Geschätzte Damen und Herren, denken Sie einmal an Ihre eigene Schul­zeit zurück – und nicht nur an das Wissen, das Sie in der Schulzeit vermittelt bekommen haben: Konnten Sie sich nicht gerade auch durch Ihren Schulbesuch zu der Persön­lichkeit entwickeln, die Sie heute sind?

Das dürfte für mich einer der Kernpunkte in Bezug auf Corona und Schule sein. Nehmen wir unseren Kindern durch ein dauerhaftes Schließen der Schulen nicht genau diese Aspekte ihrer Entwicklung! Dabei muss uns natürlich ganz klar sein, dass die Sicherheit unserer Kinder in Bezug auf ihre Gesundheit in der Schule oberste Priorität haben muss


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und seitens der Regierung auch hat. Demnach war es nämlich zu Beginn der Pandemie unabänderlich, dass die Schulen geschlossen waren, denn da konnte noch niemand das Risiko abschätzen, das sich durch geöffnete Schulen ergeben würde, weder für die Schülerinnen und Schüler noch für das Lehrpersonal oder für die Eltern. Das Distance­learning war damals das Mittel der Wahl. Die Situation war mühsam und zum damaligen Zeitpunkt auch noch mit ausreichenden Hürden behaftet, eben zu Beginn von Corona.

Folgendes möchte ich aber an dieser Stelle auch erwähnen, und das ist wirklich positiv: Wir haben in diesem Jahr erhebliche Fortschritte in diesem Bereich machen können, die uns auch nach Corona von großem Nutzen sein werden. Da möchte ich als Stichwort einfach das E-Learning in den Raum werfen.

Nun, im Dezember 2021, stellt sich die Situation aus meiner Sicht anders, wesentlich anders dar: Wir verfügen inzwischen über eine wirksame Impfung und über gute Test­möglichkeiten. Das minimiert das Gesundheitsrisiko in den Schulen erheblich. In vielen Schulen sind 100 Prozent des Lehrpersonals geimpft, und auch die Impfung der Zwölf­jährigen schreitet voran. Neben der Impfung gibt es eine gut funktionierende Teststra­tegie, und sogar – ich sage: sogar – in Oberösterreich wird an den Schulen mittlerweile zweimal pro Woche PCR- und einmal antigengetestet.

Das bedeutet in Wirklichkeit, dass fast nirgendwo sonst so wie an den Schulen eine Ausbreitung von Corona schnell und rechtzeitig erkannt wird und dann auch sofort die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden können. Bei mir im Bezirk und auch im Nachbarbezirk Gmunden ist es so, dass bereits ab einem positiven PCR-Test pro Klasse die Möglichkeit der Umstellung dieser Klasse auf Distancelearning vorgesehen ist.

Die Landeshauptleute von Salzburg und Oberösterreich wollten zunächst ja die Schulen schließen. Das hätten sie laut Schulverordnung als Gesundheitsbehörde auch tun kön­nen. Da die Schulen dann aber ganz geschlossen gewesen wären, hätte es auch keine Möglichkeit der Betreuung gegeben, und so konnte man sich schlussendlich einigen, dass die Schulen offen bleiben, es den Eltern und Schülerinnen und Schülern aber freisteht, ob die Schüler hingehen und ob man die Sicherheitsvorkehrungen nachschärft, was mittlerweile durch das durchgehende Tragen von Masken getan wird. Die Testun­gen habe ich ja schon erwähnt.

Jetzt möchte ich mich wirklich sehr herzlich bei Ihnen, Herr Bundesminister, bedanken, nämlich bedanken für das Einstehen für die offenen Schulen gegen alle Widerstände, die, glaube ich, nicht sehr gering waren. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Soziale Kontakte und persönlicher Austausch sind in Zeiten wie diesen tatsächlich von essenzieller Bedeutung für unsere Kinder und Jugendlichen. Geschlossene Schulen – und da müssen wir uns auch nichts vormachen – gehen vor allem zulasten von bereits benachteiligten Kindern und Jugendlichen, die dadurch noch weiter abgehängt werden, und das kann nicht in unserem Sinne sein.

Ich habe mich in der Schule ein bisschen umgehört und von betroffenen Schülerinnen und Schülern folgende Aussagen gehört, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Eine Schülerin sagt zum Beispiel: Ich hoffe, dass die Schulen offen bleiben, denn letztes Jahr, als wir zu Hause waren, war ich mit allen Aufgaben total überfordert. – Ein anderer Schüler sagt: Ich bleibe in der Schule, weil ich letztes Jahr die Erfahrung gemacht habe, dass meine Noten total schlecht wurden und ich zu Hause einfach nichts mache. – Und ein ein bisschen jüngeres Mädchen sagt: Ich bleibe in der Schule, solange es geht, ich möchte bei meinen Freunden bleiben. Zu Hause bin ich den ganzen Tag alleine, weil meine Eltern arbeiten sind.


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Ja – wir haben es heute auch schon gehört, und es entspricht natürlich den Tatsachen und ist nicht zu vernachlässigen –, Kinder- und Jugendpsychologen warnen uns vor dem starken Anstieg von Depressionen und sogar Suizidversuchen bei Kindern und Jugend­lichen. Ja – das wurde heute auch schon erwähnt, und ich halte diese Regelung trotz­dem für eine gute Lösung –, die Infektionszahlen, vor allem unter Kindern und Jugend­lichen, sind in manchen Regionen sehr hoch. Dort soll die Entscheidung, ob die Kinder zu Hause bleiben, schlussendlich bei den Eltern liegen. Und auch noch zu sagen ist: Neben den Testungen hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ein Abwasserscreening installiert, das uns ermöglicht, regionale Entwicklungen zu beob­achten. Diese Beobachtungen sind auch wichtig, um die Lage richtig einschätzen und fundierte Entscheidungen treffen zu können.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Lehrende und Schulleitungen müssen gerade sehr viel stemmen, und es ist oft eine frustrierende Situation, weil kurzfristig reagiert werden muss. Das ist tatsächlich nicht einfach, und ich schätze diesen Einsatz außerordentlich. Daher müssen die Schulen entlastet werden, wo immer es möglich ist; zum Beispiel durch AMS-Förderungen für eine Aufstockung von Admins, durch Supportpersonal oder durch Unterstützung bei Verwaltungsaufgaben. Natürlich ist der Wunsch nach klareren und einheitlichen Vorgaben für alle da, aber wir sehen auch, dass die Schulen eine gewisse Flexibilität brauchen, um eben regionale Gegebenheiten aussteuern zu können.

All das bedeutet wirklich eine Herausforderung – und gerade im Hinblick auf eine mög­liche Verschärfung durch die neue Virusvariante noch einmal mehr. Gelingen wird uns diese Herausforderung nur, wenn wir unsere Kräfte bündeln und zusammenhelfen – das in Form von Rücksichtnahme und Toleranz und vor allem auch der Annahme des An­gebots der Impfung, die noch immer das Mittel der Wahl ist, um uns aus der Pandemie zu führen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.43


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Ich erteile es ihm, und auch seine Redezeit soll 10 Minuten bitte nicht überschreiten.


9.43.53

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herzlichen Dank für die Themensetzung, herzlichen Dank auch für die Beiträge der Vorredner und Vorrednerinnen! Ich habe mich jetzt be­müht, kritische Gegenstimmen für mich zu sammeln, um Ihnen entgegnen zu können – ich habe sie nicht wirklich gefunden.

Frau Steiner-Wieser, Sie haben dazu aufgefordert, dass die Schulen offen bleiben sol­len. Ja, genau das habe ich auch getan. Es hat viele Stimmen aus den Ländern gegeben, ich sage quer durch die Couleurs, bis auf die FPÖ; auch der Linzer Bürger­meister ist immer der Meinung, dass die geschlossene Schule das Beste ist. Wobei, und darauf hat meine Vorrednerin hingewiesen, es da ja ein Missverständnis gibt. Man spricht so schnell von der geschlossenen Schule, aber: Was heißt geschlossene Schule? – Nach dem Epidemiegesetz heißt das: Betretungsverbot, es darf niemand mehr hingehen. Da merken dann diejenigen, die fordern, die Schulen zu schließen: Hoppla, ganz so geht es ja nicht! Wie machen wir das mit der Betreuung? Also machen wir die Schule doch einen Spalt auf, zumindest für die Betreuung. – Denen muss ich dann aber auch wieder entgegnen und sagen: Wir haben beim letzten Mal bemerkt, dass bei der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern zur Betreuung zum Schluss 40 Prozent, 50 Prozent, in manchen Gebieten 80 Prozent der Schüler in der Schule waren.


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Aber nur ein Betreuungsangebot zu machen und den ganzen Tag „Mensch ärgere Dich nicht“ zu spielen, das ist, glaube ich, keine wirkliche Ansage, also habe ich gesagt, wir ermöglichen eine Schule, die Unterricht anbietet, und wir sorgen dafür, dass diejenigen, die, aus welchen Gründen auch immer, in dieser sehr angespannten Situation nicht in die Schule gehen wollen, über Lernpakete, über Distancelearning am Unterrichts­ge­schehen teilhaben können. Das ist eine gute Lösung – eine gute Lösung, weil letztlich die Eltern am besten wissen, was für ihre Kinder gut ist. Manche lernen auch zu Hause ordentlich, manche lernen nur in der Schule, manche haben zu Hause einen Arbeits­platz, manche haben keinen – und Sie glauben doch nicht wirklich, dass das der Bil­dungsminister für 1,1 Millionen Schülerinnen und Schülern vom Minoritenplatz aus beur­teilen kann.

Warum, meine Damen und Herren, trete ich so unverdrossen für eine grundsätzlich offene Schule ein? – Weil ich weiß, dass natürlich das Zusammentreffen mit den Gleichaltrigen, das soziale Leben in der Schule eine ganz wichtige Komponente dar­stellen. Interessanterweise ist das bei den jüngeren weniger der Fall als bei den älteren Schülern. Wer als 16-Jähriger den ganzen Tag von Mama und Papa betreut wird, der wird irgendwie unzufrieden werden. Kollegen aus der Psychiatrie haben auch sehr deutlich nachgewiesen, dass gerade das Verschreiben von Antidepressiva, suizidale Attitüden bei den Älteren deutlich ansteigen. Daher bin ich immer sehr dafür gewesen, die Schule offen zu halten. Das scheint mir ganz wichtig zu sein.

Ich weiß auch, dass die Bildungsschere bei geschlossenen Schulen aufgeht. Man darf nicht glauben, dass ich nicht die soziale Realität kenne. Natürlich, wer zu Hause einen guten Arbeitsplatz hat, der wird Lockdownphasen, auch schulische Lockdownphasen, schon überstehen, wer das nicht hat, der tut sich sehr viel schwerer. Ich denke da – und das sage ich auch ganz klar und offen – auch an Mehrkindfamilien, an Alleinerzie­herInnen, für die es vielleicht sehr viel schwieriger ist, einen schulischen Alltag über Dis­tancelearning aufrechtzuerhalten.

Und schließlich trete ich für die offene Schule ein, weil ich sage, dass das ein kon­tro­llierter Ort ist. Wir werden heute vielleicht am Nachmittag noch einmal darüber sprechen, wir haben vom Bildungssystem her dafür gesorgt, dass wir in den Schulen systematisch und strukturiert testen können. Nennen Sie mir ein anderes Beispiel aus der Gesell­schaft, wo wir so systematisch unterwegs sind, um Infektionsketten zu unterbrechen! Diejenigen, die sagen: Schickt doch die Kinder nach Hause!, die geben letztlich ein ganz wesentliches Instrument der Pandemiebekämpfung auf. Was nämlich werden die Jugendlichen machen? Den ganzen Tag bei Mama und Papa sitzen? – Nein, sie werden sich woanders treffen, in einem unkontrollierten Setting. Daher sage ich: Nein, das ist keine Lösung. Wir haben eine gute Lösung gefunden, und zu der stehe ich auch. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Jetzt sagen mir manche Kollegen auch aus der Wissenschaft: Aber Sie ignorieren da die hohen Infektionszahlen! – Darauf antworte ich: Nein, keineswegs, wir haben jetzt die Maskenpflicht im Unterricht. Ich weiß, das ist eine Zumutung, ich sage auch, es muss Maskenpausen geben, aber in dieser prekären Situation – das muss man auch zur Kenntnis nehmen – ist das ein gelinderes Mittel als das Schließen von Schulen. Wir testen, wir testen auch die Geimpften, denn in dieser Situation ist meiner Meinung nach Vorsicht wichtiger als eine Nachsicht, wodurch wir dann vielleicht Gefahr laufen, dass wir in den Schulen zusätzliche Cluster erzeugen.

In Oberösterreich und Niederösterreich, Frau Kollegin, haben wir einen Antigentest durch einen PCR-Test ersetzt. Während alle anderen Testsysteme ins Straucheln kommen (Rufe bei der SPÖ: Wien nicht!), weil sie zur rechten Zeit zu wenig Labor­kapazität aufgebaut haben, haben wir vorgesorgt; auch in Kooperation mit Wien, gar


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keine Frage. Ich stehe mit dem Stadtrat immer in Kontakt darüber, wir ergänzen da unsere Aktivitäten.

Wir haben auch die überlasteten Gesundheitsbehörden mit der bereits erwähnten Regelung, dass wir im Falle von zwei positiv getesteten Schülern und Schülerinnen Dis­tancelearning verordnen, entlastet. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Wo stehen wir derzeit? – Rund 85 Prozent der Schüler und Schülerinnen kommen in die Schule, nehmen am Präsenzunterricht teil – gut so. In Salzburg und Oberösterreich sind es weniger, weil dort die Infektionssituation eine prekärere ist – gut so. Wir haben in den vergangenen Wochen wieder Antigentests und PCR-Tests durchgeführt. Wir sehen: Gott sei Dank sinkt die Positivitätsrate, und das heißt, der Anteil der positiven Tests an der Gesamtzahl der Testungen wird immer geringer. Das ist ein guter Indikator dafür, dass die Infektion nicht mehr so grassiert, wie sie es getan hat. In die gleiche Richtung geht auch die schon erwähnte Abwasseranalytik, die ich als Bildungsminister in meiner Kompetenz als Forschungsminister installiert habe. Wir sehen aus der Abwasser­analytik, dass die Situation eine bessere wird.

Meine Damen und Herren! Kinder und Jugendliche haben seit Anbeginn dieser Pan­demie eine außerordentlich große Solidarität mit den Älteren, mit meiner Altersgruppe, gezeigt, das ist gar keine Frage. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass jetzt auch meine Altersgruppe Solidarität mit den Jüngeren zeigt, anstatt den Druck zu erhöhen, sodass die Kinder und Jugendlichen abermals Opfer bringen müssen. Geben wir ihnen die offenen Schulen zurück! – Ich danke Ihnen für jede Unterstützung dieser Strategie, den Kindern und Jugendlichen eine offene Schule zu geben. Das ist genau das, was ich möchte: ihnen ein Stück Normalität wieder zurückzugeben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.51


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache nun darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz jeweils 5 Minuten nicht über­steigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Bitte.


9.52.12

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann mich Ihnen, Herr Bundesminister, und auch vielen Vorrednerinnen und Vor­rednern nur anschließen: Es war und es ist wichtig, auch in einer pandemisch durchaus herausfordernden Zeit die Schulen offen zu halten. Es ist wichtig für die Kinder und deren Bildungs- und Zukunftschancen und damit auch wichtig für uns als Gesamtgesellschaft. Ich darf mich deshalb bei Ihnen, Herr Bundesminister, auch im Namen ganz vieler Eltern dafür bedanken, dass Sie trotz teils massiver Widerstände, die es gegeben hat, kon­sequent geblieben sind.

Natürlich sind dieser Entscheidung kontroversielle Debatten vorausgegangen, nicht nur bei uns in der ÖVP, sondern auch in anderen Parteien – zum Beispiel in der SPÖ: Ich denke da an den Linzer Bürgermeister Klaus Luger, der gefordert hat, die Schulen zu schließen. Ich verstehe diese Debatten aber auch, weil wir wissen, dass das Infektions­geschehen in diesen Alterskohorten durchaus erheblich ist. Es geht, wie auch Kollegin Gruber-Pruner gesagt hat, immer um eine Interessenabwägung, und die ist schwierig.

Ich bin der Meinung, dass die Schule als Ort, der nicht nur der Bildung dient, sondern auch ein wichtiger Ort für die Kinder ist, um sich sozial zu entwickeln und soziale Bindungen


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aufzubauen, der letzte Ort sein sollte, der geschlossen wird. Ich finde deshalb die nun gewählte Lösung sinnvoll. Ich weiß, dass manche hier anderer Meinung sind, aber ich finde sie deshalb sinnvoll, weil sie einerseits Kinder nicht aus dem für sie so wichtigen Schulalltag reißt, aber andererseits auch Eltern, die sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder machen, die Möglichkeit gibt, sie aus dem Präsenzunterricht zu nehmen.

Entgegen aller Unkenrufe – und ich habe in den letzten Tagen mit vielen Eltern gesprochen, auch aus meinem unmittelbaren Umfeld – funktioniert diese Lösung großteils auch gut. Ja, es ist natürlich nicht immer ganz einfach: die Testungen für die Kinder, das Tragen von Masken und auch der Umstand, dass in Gebieten mit hohen Inzidenzen zahlreiche Klassen im Distancelearning sind. Bei uns in Tirol sind es derzeit 72 Klassen von insgesamt 4 900. All diese Dinge sind eine Herausforderung, das ist keine Frage, aber im Spannungsfeld der zwei Extrempositionen, die es gibt, nämlich dem kompletten und rigorosen Schließen aller Schulen und dem Offenhalten ohne all diese Schutzmaß­nahmen, bin ich der Meinung, dass die jetzt praktizierte und gefundene Lösung ein guter und verantwortungsvoller Kompromiss ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Dieser Kompromiss trägt nämlich sowohl der großen Bedeutung der Schule als Ort, der für die Entwicklung und soziale Gesundheit unserer Kinder so wichtig ist, als auch der Verantwortung, die wir für die physische Gesundheit der Kinder und deren Familien haben, Rechnung. – Deshalb, Herr Minister, danke, dass Sie sich nicht haben beirren lassen. Danke, dass Sie diese Lösung gegen Kritik verteidigt und dann am Ende des Tages auch gegen Widerstand durchgesetzt haben – Danke dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.55


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


9.55.45

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Werter Präsident! Lieber Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen hier im Hohen Haus! Mein Vorredner hat gesagt, dass das super und klasse war. – Ich kann euch nur eines sagen: Dann habt ihr wahrscheinlich noch nie mit Eltern geredet. Ich weiß nicht, wer von euch Kinder hat. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich kann euch nur sagen, das war ein Desaster. Es war ein Wahnsinn, was die Eltern mitgemacht haben, was die Lehrer mitgemacht haben, was die Schülerinnen und Schüler mitgemacht haben. Wenn da einer sagt, das ist super gelaufen, dann muss ich darauf ganz ehrlich sagen: Ihr habt wahrscheinlich noch nie mit Eltern, die schulpflichtige Kinder haben, die dort drinnen sitzen, geredet. Das sage ich euch ganz ehrlich. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn ich nur eineinhalb Wochen zurückgehe: Als Erstes hat das Ministerium gesagt, die Schulen bleiben offen. – Okay, dann bleiben sie offen. Dann hat die Regierung gesagt, die Schülerinnen und Schüler sollen zu Hause betreut werden. Dann hat sich schon gar keiner mehr ausgekannt. Dann ist das Nächste gekommen: Es wurde be­stritten, dass es zu einem klassischen Homeschooling kommt. Das ist bestritten worden, Sie haben gesagt, es gibt kein Homeschooling. Dann hat das Ministerium wiederum gesagt, dass es keine Schularbeiten gibt. – Ich kann euch nur eines sagen: Es gibt in jeder Schule Schularbeiten. Ich kenne keine Schule, in der keine Schularbeiten geschrie­ben werden.

Die Eltern fragen sich, was sie machen sollen: Sollen sie ihre Kinder daheim lassen, sodass die Kinder dann ein Defizit in der Schule haben, oder sollen sie die Kinder in die


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Schule schicken, mit der Angst, dass sie vielleicht angesteckt werden könnten oder sonst irgendetwas? – Dann sagt ihr: In den Schulen wird eh besser getestet! – Wir wissen doch alle, dass die Ansteckungsrate dort zehnmal höher ist als irgendwo anders – und dann macht man so etwas. Ich muss euch ganz ehrlich sagen: Dafür habe ich kein Verständnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil ich Gewerkschafter bin, möchte ich auch die Sonderbetreuungszeit ansprechen: Am ersten Schultag im Lockdown hat kein Mensch gewusst, wie die Regelung betreffend Sonderbetreuungszeit ausschaut. Dann ist es endlich rausgekommen: Sonderbetreu­ungszeit wird es weiterhin geben. Was macht man aber mit Leuten, die heuer im Frühjahr schon drei Wochen Sonderbetreuungszeit genommen haben? Die können sich jetzt keine mehr nehmen. Wenn sie jetzt die Kinder daheim lassen, dann müssen sie sich Urlaub nehmen beziehungsweise irgendwie anders schauen, wie sie das zusammen­bringen.

Da muss ich euch ganz ehrlich sagen: Wieder ab dem 1.1. – mit der sechsten Phase der Sonderbetreuungszeit – drei Wochen Sonderbetreuungszeit ist mir viel zu wenig. Es ist traurig, dass die Regierung in diesem Fall einen meines Erachtens wirklich wilden Fehler gemacht hat, denn so geht man einfach nicht mit Menschen um, die in Österreich leben. So geht man nicht mit Kindern um, die gerne in die Schule gehen. Ich habe selber zwei schulpflichtige Kinder – eines ist 14, eines ist 16 –, und wir haben daheim diskutiert, wer in die Schule geht, wer nicht in die Schule geht. Ich kann euch sagen: Nicht einmal wir sind richtig zu einer Lösung gekommen. Die gehen jetzt in die Schule und machen dort weiter. Wie gesagt: Einfach ist es für die Eltern nicht gewesen. Das wollte ich heute dazu sagen. – Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

9.58


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.


9.58.55

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen! Vor allem liebe Zuschauer vor den Bildschirmen zu Hause! Wir behandeln heute die aktuelle Lage an den Schulen. Ich kann meinem Vorredner nur recht geben: Beim diesjährigen Schulstart hatte ich eher ein Déjà-vu, es war ein Schulstart wie im Jahr 2020. Von erfolgreich dürfen wir in diesem Zusammenhang schon gar nicht reden, denn nachdem man den Sommer wieder verschlafen hatte, ist man direkt in den unnötigen Herbstferienschlaf übergegangen. Man hat aus dem vergan­genen Jahr dahin gehend gar nichts gelernt, wieder sind wir beim Thema der generellen Schulschließungen gewesen.

Wenn man aber den aktuellsten Meldungen Glauben schenken darf, so haben Sie seit heute in diesem Bereich uneingeschränkte Handlungsfreiheiten, da Ihr massivster Konter­part Kurz ja Geschichte sein dürfte. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) Damit dürfte auch Geschichte sein, dass der Bildungsbereich einer jener Bereiche war, die einen wesentlichen Teil des Coronamissmanagements dieser Regierung ausge­macht haben. Ich hoffe, es gelingt, dass man das nun in Zukunft erfolgreicher umsetzen kann, und vor allem hoffe ich, dass jetzt endlich auch ein sinnvoller Weg eingeschlagen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, weil Sie aktuell in einem Interview gesagt haben, der Bund habe alles richtig gemacht: Das war nicht der Fall! Das ist immer dieses Spiel, dass der Bund auf die Länder abwälzt und es dann wieder zurückgeht, aber es war eben nicht der Fall, dass der Bund alles richtig gemacht hat. Ich hoffe aber, dass wir jetzt einen Weg wie zum Beispiel Schweden gehen. Ich nehme dieses Beispiel gerne her, denn dort hat man


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ständig auf den Unterricht im Klassenverband anstatt auf Distancelearning gesetzt, weil man von Beginn an den bildungspolitischen Zugang vertreten hat, dass gerade in Zeiten einer Pandemie der Präsenzunterricht zum Wohle der Kinder extrem wichtig ist, dass es vor allem gerade in der Grundschule höchste Priorität haben muss, dass auf die Bildung Wert gelegt wird, aber dass vor allem auch die soziale Komponente prioritär behandelt wird.

Dieser Zugang ist auch einer jener, den beispielsweise auch wir Freiheitliche als Ansatz vertreten, wenn wir eben von der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sprechen.

Ich möchte die Aktuelle Stunde aus aktuellem Anlass aber auch dazu nutzen, um einen weiteren Bildungsbereich zu beleuchten, für den Sie zuständig sind, und das sind die Universitäten. Da muss ich Sie als Wissenschaftsminister schon fragen, warum Sie seit einem Monat noch immer kein Machtwort gesprochen haben, wenn ein Rektor in Kärnten für das Universitätsgebäude eine 2G-Regel ausruft, die Impfpflicht einfordert, dabei den Vatikan zitiert – und sich der Quelle Wikipedia bedient; übrigens ein hochwissenschaft­licher Zugang – und dann zu allem Überfluss in einem Schreiben an die Studierenden auch meint, dass Studenten, die die Impfung ablehnen, darüber nachdenken sollten, ob eine Uni­versität das Richtige für sie sei. Ob dieser polemischen und untragbaren Wort­wahl, die den demokratischen und vor allem den rechtsstaatlichen Grundwerten zutiefst abträglich ist, frage ich mich schon, ob nicht Sie als Minister darüber nachdenken sollten, ob ein Rek­torat an einer Universität für diesen Herrn Vitouch das Richtige ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Den jungen Menschen den freien Zugang zur Bildung zu verwehren, obwohl wir dabei von einem Grundrecht sprechen, und diesen abhängig von einem Impfstatus zu machen, ist ein absoluter Wahnsinn, der eigentlich die sofortige Ablösung erfordert. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, die Kärntner Studierenden fordern das ihnen zustehende Grundrecht auf Bildung auch entsprechend ein und haben daher am vergangenen Donnerstag dem Kärntner Landtagspräsidenten eine Resolution übergeben. Da dieser zufällig beinahe übersehen hatte, diese geschäftsordnungsgemäß dem zuständigen Ausschuss zur Be­handlung zuzuleiten, und bei der Übergabe der Forderung lediglich darauf verwiesen hat, die Studierenden mögen sich impfen lassen, darf ich Ihnen diese Resolution nun­mehr gerne vorab übergeben, da ich denke, dass die Übermittlung und der Eingang des Originals zu viel wertvolle Bildungszeit für die Studierenden verstreichen lassen.

Abschließend: Jene Studentin, die am Donnerstag die Resolution übergeben hat, hat übrigens auf die Aussagen des Herrn Landtagspräsidenten absolut treffend repliziert: Es geht um die Freiheit und Freiwilligkeit bei der Impfung, und ich fühle mich an einer Universität mit getesteten Ungeimpften weitaus sicherer als mit ungetesteten Geimpften, die glauben, sicher und geschützt zu sein. – Zitatende. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Ofner überreicht Bundesminister Faßmann ein Schriftstück.)

10.04


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


10.04.36

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, Sie haben es in Ihrer ersten Stellungnahme schon angesprochen: In der Debatte Covid und Schulen ist es sehr wichtig, eine Begriffsklarheit zu wahren, weil viele Möglichkeiten zu Miss­verständnissen und Irreführung bestehen. Sie haben gesagt: offene Schulen, geschlos­sene Schulen. Geschlossen nach dem Epidemiegesetz bedeutet ein Betretungsverbot, das heißt, es darf dort niemand hinein, weder für Unterricht noch für Betreuung.


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Worüber wir normalerweise die ganze Zeit reden, ist, ob eine Priorität auf dem Präsenz­unterricht oder auf dem Distancelearning liegt. In beiden Fällen ist es aber so, dass das dann nicht exklusiv ist, denn wenn als Priorität bzw. als Defaultform des Unterrichts Distancelearning festgesetzt wird, ist es auch möglich, in die Schule zu kommen, dort Betreuung zu erhalten. Auf der anderen Seite ist, wenn default Präsenzunterricht ist, erlaubt, sanktionslos zu Hause zu bleiben. Das ist insbesondere wichtig, wenn die Schülerinnen und Schüler einer Risikogruppe angehören – und selbst das verringerte Risiko, minimierte Risiko nicht tragen möchten – oder wenn ihre Angehörigen einer Risikogruppe angehören. Sie haben auch gesagt, dass das, wenn Schülerinnen und Schüler nicht in der Schule anwesend sind, nicht heißt, dass sie den ganzen Tag zu Hause sitzen, sondern das Alternativverhalten ist natürlich, dass diese Schülerinnen und Schüler auch Kontakte haben.

Jetzt wird häufig mit großer Sorge darauf hingewiesen, dass die Inzidenz in dieser Altersgruppe, für die Alterskohorte, der die Schülerinnen und Schüler angehören, eine sehr hohe ist, nämlich die höchste beziehungsweise zweithöchste, je nachdem womit man sie vergleicht. Wenn man sich aber die Inzidenzen und die Impfquoten in den ver­schiedenen Alterskohorten anschaut, dann sieht man, dass das auch in dieser Alters­gruppe ziemlich gut korreliert und der Großteil der hohen Inzidenz in der Altersgruppe der Schülerinnen und Schüler davon kommt, dass diese Alterskohorte auch am wenigs­ten geimpft ist. Nur weil es eine hohe Inzidenz in einer Altersgruppe gibt – in diesem Fall in der Altersgruppe der Schülerinnen und Schüler –, heißt das nicht automatisch, dass die Ansteckungen alle in der Schule erfolgen.

Tatsächlich ist es so, dass viele Kontakte in der Schule passieren und die Ansteckungs­gefahr bei diesen Kontakten durch verschiedene Maßnahmen, die es auch zum Beispiel am Arbeitsplatz gibt, verringert werden kann, wobei die wichtigste Maßnahme, um Ansteckungen in der Schule zu verhindern, die regelmäßige Testung ist; dreimal in der Woche sollte man auf jeden Fall testen, davon sollten mindestens zwei Tests PCR-Tests sein. So wie es in Wien ist, dass drei PCR-Tests in der Woche angestrebt werden, ist es noch besser.

Wenn es einen positiven Fall gibt, dann ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass das Umsteigen auf tägliche Tests den Kontaktpersonen eine Quarantäne ersparen kann. Dabei ist aber wichtig, dass auch „schwach“ positive Tests – schwach unter Anführungs­zeichen; in diesem Fall sind jene mit einem hohen CT-Wert gemeint – auch als positiv zu werten sind und man diese nicht abtun darf als: Ja, das wird wohl eine vergangene Infektion gewesen sein, die noch Nachwirkungen hat. – Wenn nämlich dreimal in der Woche getestet wird, dann kann es ja nicht sein, dass das eine vergangene Infektion ist – außer nach langen Ferien –, sondern das ist eine sich erst entwickelnde Infektion, die dann zu den täglichen Tests beziehungsweise, wenn es zu mehr positiven Fällen in einer Klasse kommt, zu einer Quarantäne führen muss.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, für die Prioritätensetzung Präsenzunterricht haben Sie die Unterstützung der NEOS. – Danke sehr. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.08


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank. – Der Herr Bundesminister verzichtet auf die Abgabe einer abschließenden Stellungnahme, unter anderem mit dem Hinweis, dass am Nachmittag bei der Dringlichen Anfrage über dieses Thema ja noch ausführlich diskutiert wird.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.


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10.08.40Einlauf und Zuweisungen


Präsident Dr. Peter Raggl: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeant­wortungen,

der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalte von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 11)

2. Schreiben des Landtages

Schreiben des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatz­mitgliedes des Bundesrates (Anlage 2)

3. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundes­minis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck am 2. De­zem­ber 2021 in Brüssel, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat Frau Bundesminis­terin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wahrnehmen wird (Anlage 3)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Linhart am 1. Dezem­ber 2021 (mittags) und 2. Dezember 2021 in Stockholm, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat Herr Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc wahrnehmen wird (Anlage 4)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesminis­terin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner am 1. und 2. Dezember 2021 in Rom, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger wahrnehmen wird (Anlage 5)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundes­minis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA am 2. Dezember 2021 in Brüssel, wobei ihre Angelegenheiten im Bun­desrat Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M. wahrnehmen wird (An­lage 6)

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesminis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck am 2. De­zember 2021 in Brüssel, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat nunmehr Herr Bun­desminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann wahrnehmen wird (Änderung) (Anlage 7)

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Präsident Dr. Peter Raggl: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zuge­wiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tages­ordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände

sowie die Wahl einer Schriftführerin, eines Schriftführers für den Rest des zweiten Halb­jahres 2021

und die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Ver­fassungsgesetzes 1948

auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Dr. Peter Raggl: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sich­tige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 4 und 5, 6 bis 10, 11 und 12, 18 und 19 sowie 20 und 21 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen


Präsident Dr. Peter Raggl: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Im Taumel zwischen Corona-Maßnah­men-Chaos, Lockdown-Partys der Bundesregierung und Impfpflicht“ an den Herrn Bundes­kanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass mir ein Verlan­gen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Daniela Gruber-Pruner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Corona-Chaos in Kindergärten, an Schulen, Fachhoch­schulen und Universitäten – Herr Minister haben Sie aus zwei Jahren Krise nichts gelernt?“ an den Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung vor­liegt.

Die Behandlung der an den Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und For­schung gerichteten Dringlichen Anfrage wird unmittelbar im Anschluss an die Behand­lung der Dringlichen Anfrage an den Herrn Bundeskanzler erfolgen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.


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10.11.221. Punkt

Wahl einer/eines Schriftführerin/Schriftführers für den Rest des 2. Halbjahres 2021


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt mir der Vorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Johanna Miesenberger für den Rest des zweiten Halbjahres 2021 zur Schriftführerin des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt. – Johanna? (Zwischenruf der Bun­desrätin Berger-Grabner.) – Nicht da. Wir werden die Frage nachholen und die Zustim­mung nachträglich einholen.

10.12.112. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend eine Vereinba­rung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria samt Anhang (1063 d.B. und 1151 d.B. sowie 10788/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Bericht.


10.12.48

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 19. No­vem­ber 2021 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria samt Anhang zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


10.13.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ob Forschung zum Klimawandel oder zum Verhalten von Zellen, ob es um die Erforschung von Blockchains oder von Quantencomputern geht – viele dieser Forschungen und andere


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werden unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen, und das Institute of Science and Technology in Klosterneuburg hat sich diesbezüglich mehr als nur bewährt.

Das wurde am Anfang durchaus nicht immer von allen so gesehen. Erinnern wir uns daran: Es gab gerade aus der Wissenschaft und aus der Forschungscommunity durchaus Skepsis gegenüber einer solchen Institution. Entstanden ist es ja, als Anton Zeilinger, den wir alle gut kennen, 2002 – glaube ich, war das – im Forum Alpbach angekündigt hat: Wir brauchen so eine Spitzenforschungsstätte in Österreich.

Dann hat es bis 2006 gedauert, bis wir eine gesetzliche Grundlage hatten, und seitdem beziehungsweise seit der Eröffnung 2009 entwickelt sich dieses Institut weiter und weiter. Es ist immer auch Baustelle gewesen – bis 2015 gab es noch sehr viele Bau­stellen –, aber das ist auch etwas, was die Wissenschaft bis zu einem gewissen Grad auch sein muss: eine kontinuierliche Baustelle, ein Ort, wo immer wieder etwas beendet wird, neu aufgebaut wird, entwickelt wird, weiterentwickelt und neu aufgebaut wird und auch manchmal neue Strukturen braucht – und genau das schaffen wir mit der heute zu beschließenden 15a-Vereinbarung.

Wir sichern heute die Finanzierung des IST Austria bis 2036, und das ist eine sehr gute und wichtige Perspektive. Wir sichern damit auch, dass das IST Austria eine Spitzen­forschungsstätte im internationalen Kontext bleiben kann, und zwar gemeinsam mit dem Bildungsministerium – vielen Dank, Herr Minister! –, dem Finanzministerium und natürlich zu 25 Prozent auch dem Land Niederösterreich.

Bislang, das hat das IST Austria immer betont, gab es einen Planungshorizont bis 2026, und zwar mit ungefähr 90 Forschungsgruppen, und sie haben auch immer wieder ge­sagt, wenn man wirklich ins Spitzenfeld hineinstoßen möchte, wenn man wirklich zu den Spitzen der Welt gehören will, dann braucht es circa 150 Forschungsgruppen – und das bewerkstelligen wir mit dem heutigen Beschluss.

Ich möchte wieder einmal betonen – und das tue ich öfter, wenn ich aus dem Inno­va­tionsausschuss hierher kommen darf und wir die Forschungsstätten und Forschungen beschließen –, dass dies keine Kosten im herkömmlichen Sinn sind, sondern dass das tatsächlich Investitionen sind. Es sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von so vielen Bereichen, nicht nur der Wissenschaft, sondern das geht in die Zukunft der Medizin, der Wirtschaft, der IT, unseres Innovationsstandorts Österreich, aber diese Forschung soll ja auch der gesamten Welt dienen. Und sie dient auch uns, der Politik: Wir brauchen Fakten und evidenzbasierte Wissenschaft manchmal, um kluge Entscheidungen – und vielleicht weniger emotionale oder populistische – zu treffen.

Ich möchte mich ausdrücklich bei Ihnen bedanken, Herr Minister Faßmann, ich möchte mich auch beim Land Niederösterreich dafür bedanken, dass das heute möglich ist, aber vor allem möchte ich auch ein Danke und meine Gratulation an den Präsidenten des IST Austria, Thomas Henzinger, der wirklich eine tolle Arbeit macht, zum Ausdruck bringen, ebenso wie an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Institution, die man sich mittlerweile aus der Forschungslandschaft Österreichs wirklich nicht mehr wegdenken kann. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.17


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.


10.17.49

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Zuschauer, die von zu Hause aus zusehen! Mit unserer Zustimmung bei


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diesem Tagesordnungspunkt zeigen wir heute unser klares Bekenntnis zu Wissenschaft und Forschung und setzen einen wichtigen Impuls für Österreich, insbesondere für Niederösterreich, als Forschungsstandort.

Im Detail – wir haben es bereits von meinem Vorredner gehört – geht es ja um die Finanzierung des IST Austria in Klosterneuburg, Maria Gugging, auf Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederöster­reich. Wir haben auch bereits gehört, dass allerdings keine Finanzierungszusage be­steht, was sich ja nachteilig auswirken würde, und um dies zu vermeiden, haben wir es heute in der Hand, diese Vereinbarung zu aktualisieren. Ich denke, der heute vorlie­gende Antrag ist ein klares Bekenntnis der Bundesregierung und des Landes Nieder­öster­reich zum IST Austria und damit zur wissenschaftlichen Exzellenz in Österreich.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir bauen heute Zukunft, indem wir dem IST Austria nicht nur Planungssicherheit auch über 2026 hinaus geben, sondern auch die weiteren Weichen für das notwendige Wachstum und den Ausbau des Instituts stellen. Das Ziel soll ja ein Vollausbau auf 150 Forschungsgruppen bis Ende 2036 sein, denn mit diesen 150 Forschungsgruppen hat das Institut dann jene Größe erreicht, die es braucht, um mit den weltbesten Forschungseinrichtungen langfristig konkurrieren zu können. Dieses Ziel sollten wir im Miteinander und unter aller Anstrengung gemeinsam verfolgen, damit die Erfolgsgeschichte des IST Austria auch weitergeschrieben werden kann.

Diese Erfolgsgeschichte lässt sich auch eindrucksvoll mit einigen Zahlen untermauern. 2019 wurde das IST Austria zur Nummer zwei der weltweit besten Forschungs­institutio­nen gewählt. Der sogenannte Nature Index reiht das IST Austria in Klosterneuburg somit an die Weltspitze, wo es mit den berühmtesten Einrichtungen der weltweiten Wissen­schaftsszene erfolgreich konkurriert. Platz eins geht zum Beispiel an das Cold Spring Harbor Laboratory in New York, und Platz drei belegt das Weizmann Institute of Science in Rechovot in Israel. Ausgezeichnet durch eine Kombination von Grundlagenforschung und Graduiertenausbildung ist das IST Austria ein besonders erfolgreiches Modell für wissenschaftliche Exzellenz.

Mit seiner Grundlagenforschung steht das IST Austria in Bereichen, die für die Lösung der Probleme, denen sich die Menschheit stellen muss, entscheidend sein werden, an vorderster Front. Mit den Worten von Antoine de Saint-Exupéry aus „Der kleine Prinz“ formuliert: „Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“ – Deshalb ist es heute ent­schei­dend, dass wir den Grundstein für diese dritte Ausbaustufe legen und dem Institute of Science and Technology, einem sogenannten Leuchtturmprojekt in der heimischen Forschungslandschaft, den weiteren Ausbau ermöglichen.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Gehen wir entschlossen voran! Investieren wir in die Zukunft und geben wir der Wissenschaft die besten Rahmenbedingungen für die besten Forscher, denn: Forschung wirkt wie ein Magnet für Exzellenz. Investitionen wie jene sind hocherfreulich, weil sie auf der einen Seite Arbeitsplätze schaffen, aber auch einen wichtigen Impuls für Österreich als Forschungsstandort liefern, die Wirtschaft fördern und insgesamt ein klares Bekenntnis zu Österreich aufzeigen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.22


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.



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10.22.10

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­seherinnen und Zuseher, die via Livestream mit dabei sind! Wie wirkt sich die gegen­seitige Pflege von Ameisen auf ihre Krankheitserreger aus? Wie können flache Platten so programmiert werden, dass sie sich zu komplexen 3D-Objekten falten? Was sind die Energiespeicher der Zukunft? Und: Wie turbulent fließt eigentlich unser Blut? – Mit diesen und ähnlichen hier recht bildhaft und populärwissenschaftlich formulierten, aber den­noch, glaube ich, hochkomplexen Fragestellungen haben sich im letzten Jahr immerhin 531 WissenschafterInnen aus der ganzen Welt am IST Austria auseinandergesetzt. In aktuell etwa 60 Gruppen wird theoretische und experimentelle Forschung in den Be­reichen mathematische und physikalische Wissenschaften, Lifesciences sowie Informations- und Systemwissenschaften betrieben.

Wir haben es von meinen Vorrednern schon gehört: 2006 per Gesetz als postgraduale Wissenschaftseinrichtung gegründet und schließlich 2009 feierlich eröffnet ist das Institute of Science and Technology in Klosterneuburg, in meinem Heimatbezirk, inzwischen ein international hochbesetztes und vor allen Dingen ein multidisziplinäres Forschungsinstitut, das Grundlagenforschung mit akademischer Ausbildung verbindet. Als solches ist es wirklich recht schnell, trotz aller Unkenrufe zu Beginn, zu einem wahren Aushängeschild für den Bezirk, für die Region, für das Land Niederösterreich, aber natürlich auch für den gesamten Wissenschaftsstandort Österreich avanciert.

Bei den Eröffnungsfeierlichkeiten hielt der damalige Bundespräsident Dr. Heinz Fischer eine Brandrede auf die Wissenschaft und hat damals das IST als „Bekenntnis zu außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen“ gewürdigt.

Das wurde uns auch im Ausschuss bestätigt, wo wir gehört haben, dass knapp die Hälfte aller Anträge für Exzellenzforschung vom Europäischen Forschungsrat auch tatsächlich bewilligt wird. Im Vergleich mit ähnlichen Instituten, wie zum Beispiel dem Max-Planck-Institut, bei dem es nur etwas über 20 Prozent sind, ist das wirklich ein sensationeller Wert – daher auch meine Gratulation an dieser Stelle.

Bereits im Rahmen der Eröffnungsfeier 2009 hat es den Spatenstich für die erste Erwei­terung gegeben, nämlich für ein neues Laborgebäude. Heinz Fischer hat damals auch darauf hingewiesen: „Ernten und Säen finden in der Wissenschaft nicht im gleichen Jahr statt.“ – Man braucht also in der Forschung immer ein gewisses Maß an Geduld und Ausdauer. Insofern ist eine entsprechende Planungssicherheit über viele Jahre hinweg natürlich unerlässlich. Und diese Planungssicherheit ist mit der Zustimmung zur vorlie­genden 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich, mit dem, wie wir schon gehört haben, vorgesehenen Budget von in Summe 3,28 Milliarden Euro ganz sicherlich gegeben – Planungssicherheit im Sinne der Leitprinzipien und der Kernziele des IST, natürlich neben der Grundlagenforschung, der Exzellenzforschung.

Es wird auch für die Ausbildung der nächsten Generationen von SpitzenforscherInnen im Rahmen der Graduate School gesorgt. Wir haben qualitativ hochwertigste PhD-Programme, seit Kurzem auch kombinierte Master- und PhD-Programme. Wir haben das Postdocprogramm mit unterschiedlichsten Internships und verschiedenes anderes. Das IST stellt außerdem auch wissenschaftliche Infrastruktur zur Verfügung: vom Elek­tronenmikroskop bis hin zu Hard- und Softwarelösungen für wissenschaftliche Datenver­arbeitung und vieles mehr.

Ich persönlich habe mir natürlich auch, da es in meinem Heimatbezirk ist, gar keine Frage, ein Bild machen können. Ich bin von WissenschafterInnen durch das Institut geführt


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worden, Studierende haben aus ihrem Forscheralltag berichtet, und ich muss sagen, ich war wirklich beeindruckt. Ich war beeindruckt vom Gelände, von der Infrastruktur, von den wirklich einzigartigen Laborgegebenheiten, aber auch von der Arbeit der Lehrenden und Studierenden gleichermaßen.

Man muss hervorheben, dass das IST auch als Arbeitsplatz nicht zu unterschätzen ist. Wir haben Forschung, Ausbildung, Verwaltung, vieles andere mehr. Bis 2036 sollen immerhin bis zu 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort tätig sein. Aktuell sind es rund 650. Hinzu kommt noch, dass sich im erweiterten Gelände, im IST Park, auch zahlreiche technologiebasierte Unternehmen mit knapp 150 Arbeitsplätzen angesiedelt haben, die natürlich von der Kooperation mit dem IST immens profitieren können. Allein dieser Aspekt stärkt natürlich die Region ganz ungemein.

Schön ist auch – und das muss ich jetzt als Lehrerin dazusagen –, dass das IST immer wieder auch Aktionen setzt, um die Bevölkerung zu sensibilisieren, um darüber zu informieren, was am Gelände so alles passiert, und vor allem auch, um etwas für die Kinder zu tun. Da gibt es zahlreiche Angebote, um die Wissenschaft und das wissen­schaftliche Arbeiten schon den Kleinsten näherzubringen, schmackhaft zu machen und vor allen Dingen auch wirklich greifbar zu machen.

Gerade in den vergangenen Monaten haben wir gesehen, und wir sehen es in Wahrheit tagtäglich, welche Bedeutung Wissenschaft und Forschung für unser Leben haben: von der Entwicklung des Coronaimpfstoffs erst vor wenigen Monaten über die Erfassung neuer Virusvarianten bis hin zur Modellierung von Infektionskurven mit den unter­schied­lichsten Maßnahmen, die getroffen werden, und vieles mehr. Insofern können und müs­sen wir natürlich die vorliegende 15a-Vereinbarung begrüßen und werden selbstver­ständlich auch unsere Zustimmung dazu erteilen. – Dem IST viel Erfolg! (Beifall bei der SPÖ.)

10.28


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


10.28.25

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Meine Vorredner haben zu diesem Tagesordnungspunkt bereits alles gesagt.

Es geht im Grunde genommen um die Aufteilung der Finanzierung. Das war bisher ein eher umständliches System mit der Aufstellung nach Kostenarten und wird jetzt auf eine 25:75-Prozent-Aufteilung zwischen dem Land Niederösterreich und dem Bund geändert. Insgesamt geht es bis 2036 um 3,228 Milliarden Euro. Diese Neuregelung ist aus Sicht der Freiheitlichen sinnvoll, und deshalb werden wir auch keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ sowie der BundesrätInnen Schreuder und Zwazl.)

10.29


10.29.23Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Da gerade Bundesrätin Johanna Miesenberger wieder zurück in den Saal kommt, darf ich ihr mitteilen, dass sie in der Zwischenzeit in Abwesenheit einstimmig zur Schrift­füh­rerin gewählt wurde. – Ich darf dich fragen, ob du dieses Amt annimmst.

*****

(Bundesrätin Johanna Miesenberger nimmt die Wahl an.)

*****

Okay, vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.30.233. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesstatistikgesetz 2000 und das Forschungsorganisationsgesetz geändert werden (1098 d.B. und 1152 d.B. sowie 10770/BR d.B. und 10789/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Bericht.


10.30.47

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstatistik­ge­setz 2000 und das Forschungsorganisationsgesetz geändert werden. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Vizepräsident Günther Novak: Danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Doris Hahn. Ich erteile ihr das Wort.


10.31.28

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wissenschaft und Forschung brauchen Daten; oder umgekehrt: Ohne die entsprechenden Daten gibt es keine Forschung. Im Lichte dessen stehen wir der Änderung des Gesetzes grundsätzlich positiv gegenüber, wie so oft aber sehen wir einmal mehr Licht, aber auch Schatten in dieser geplanten Änderung des Bundesstatistik- und des Forschungsorganisationsgesetzes.

Fangen wir aber von vorne an! Worum geht es in der vorliegenden Gesetzesänderung überhaupt? – Die vermutlich wesentlichste Änderung ist die Einrichtung eines Mikro­daten­zentrums bei der Statistik Austria. Dieses Austrian Micro Data Center, kurz AMDC,


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soll per Gesetz mit 1.1.2022 geschaffen werden und, wie uns im Ausschuss auch bestätigt wurde, per 1.7. bereits operativ so weit sein, dass es seine Dienste aufnehmen kann.

Dieses Datenzentrum soll, wie es heißt, innovative Forschung, Registerforschung vor allem dadurch erleichtern, dass Datenbestände abgefragt und kombiniert werden kön­nen, um dann in weiterer Folge Forschungsabfragen durchführen zu können, für die es bis dato noch keine Datengrundlage gegeben hat. Ermöglicht werden soll das in Zukunft durch einen Fernzugriff für wissenschaftliche Einrichtungen über eine noch einzurich­tende Schnittstelle – so weit, so gut, und so weit auch zu begrüßen. Der Teufel steckt aber aus meiner Sicht tatsächlich im Detail, und darauf möchte ich kurz eingehen.

Zum Ersten: Ganz grundsätzlich muss festgehalten werden, dass mit dem AMDC ein immens mächtiges Instrument geschaffen wird. Die ohnehin schon sehr starke Daten­kontrolle der Statistik Austria wird noch weiter ausgebaut, oder wie es Datenschutz­experte Lohninger von Epicenter Works formuliert: Bald wird es wenig geben, was die Statistik Austria nicht weiß. – Es ist natürlich – das weiß ich schon und das ist mir klar – eine zutiefst politische Entscheidung, der Statistik Austria noch mehr Datenmacht zu geben, was übrigens genauso in der Tageszeitung „Der Standard“ hinterfragt wurde.

Zum anderen: Die im Gesetz genannte Schnittstelle müsste aus unserer Sicht in ihren technischen Anforderungen im Gesetz wesentlich genauer definiert werden. Wer tech­nisch ein bisschen affin ist, wird sicher bestätigen können, dass derartige Schnittstellen immer auch ein digitales Tor öffnen, durch das logischerweise auch für nicht redliche Zwecke eingedrungen werden kann. Ich darf an dieser Stelle auch auf den offenen Brief hinweisen, den immerhin 13 namhafte Datenschützerinnen und Datenschützer, aber ebenso Forscherinnen und Forscher Anfang November, vor gar nicht allzu langer Zeit also, an die Abgeordneten im Nationalrat und die Mitglieder des Bundesrates gerichtet haben.

In diesem Brief wird ebenfalls von signifikanten Mängeln und von Missbrauchspotenzial in diesem Zusammenhang gesprochen. Ich weiß schon, im Ausschuss ist uns versichert worden, es werde da auch entsprechende Sicherheitsinstrumente geben: Der Einstieg in die Schnittstelle wird nur mittels einer Zwei-Faktor-Authentifizierung erfolgen können –, aber wir wissen alle – und das möchte ich hier trotzdem noch einmal festhalten –: Daten sind in Wahrheit das neue Gold, Daten sind das neue Rohöl, für Daten wird entsprechend viel Geld bezahlt. Ich glaube, insofern ist es wohl unerlässlich, da auch den wirklich höchstmöglichen Sicherheitsstandard zu gewährleisten, besonders wenn es um perso­nenbezogene Daten geht.

Ich erinnere mich da an diverse Hackerangriffe auf verschiedenste Ministerien, die es vor gar nicht allzu langer Zeit gegeben hat, und ich erinnere mich auch an die etwas hatscherte Umsetzung des Kaufhauses Österreich. Daher schrillen da bei mir in diesem Zusammenhang auch ein bisschen die Alarmglocken.

Hinzu kommt noch, dass in § 2d Forschungsorganisationsgesetz ja die Zugriffsproto­kollierung der Daten dahin gehend geändert werden soll, dass eben nicht mehr lückenlos protokolliert werden muss, wer wann welche Daten über das AMDC abruft, sondern in Zukunft soll es genügen, diese Protokollierung „im notwendigen Ausmaß“ durchzu­führen. – Was ist dieses notwendige Ausmaß?, habe ich mich gefragt. Im Ausschuss habe ich den anwesenden Vertreter des Ministeriums auch nach einer Begründung für diese Änderung gefragt. Meine Fragen blieben aber leider gänzlich unbeantwortet, vielleicht können Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) mich da erhellen.

Ein weiterer Aspekt, der zu hinterfragen ist, ist die im Grunde ja ein wenig, möchte man meinen, willkürliche Aufzählung von wissenschaftlichen Einrichtungen, denen ein On­linezugriff für Forschungsvorhaben eingeräumt wird, was unter anderem auch die Bun­desarbeitskammer kritisiert hat. Da werden aus unserer Sicht private gemeinnützige


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Institute der Sozialforschung durchaus gänzlich ausgeschlossen, und das ist natürlich nicht im Sinne einer umfassenden evidenzbasierten Forschung in Österreich.

Kurz zusammengefasst – die Datenschutzexperten von Epicenter Works sagen das auch ganz klar –: Das Gesetz verstößt unter Umständen auch gegen die Datenschutz­grund­verordnung (Bundesminister Faßmann schüttelt den Kopf), und es stellt nationales Recht über EU-Recht. Der Datenschutzrat hat ja bereits in der Begutachtungsphase auf Mängel- und Kritikpunkte hingewiesen, ebenso wie zahlreiche der über 100 Stellungnah­men, die eingetroffen sind, und leider wurden nur wenige Empfehlungen aus all diesen Kritikpunkten bis heute umgesetzt.

Wir müssen daher bei unserer auch schon im Nationalrat geäußerten Beurteilung bleiben, und so ist eine Zustimmung für uns als Sozialdemokratie nicht möglich. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.37


Vizepräsident Günther Novak: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


10.37.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen jetzt nach dem vorherigen Tagesordnungspunkt den zweiten Punkt, der für die Forschung und die Wis­senschaft in unserem Land schon auch ein wichtiger Meilenstein ist.

Umso überraschter bin ich, dass etwas, was international für die Forschung und die Wissenschaft total üblich ist, hier nicht einstimmig beschlossen wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Es gab ja sehr viel Kritik, die geäußert worden ist; es ist mittlerweile schon eher der Kritik zuliebe kritisiert worden. Im Unterschied zu Ihnen, Frau Kollegin Hahn, hatte ich im Ausschuss eine andere Wahrnehmung, nämlich dass von den Be­amten des Ministeriums sehr ausführlich und sehr fundiert auf die Fragen geantwortet wurde. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Vielleicht aber der Reihe nach: Ich habe ja als Unternehmer – da darf ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern – ein paar Vorträge, die ich immer wieder anbiete. In einem dieser Vorträge geht es um Datenschutz und darum, wie man diesen mit der Notwen­digkeit von Daten in Einklang bringt, und da nehme ich als Anschauungsbeispiel immer eine Choleraepidemie, die in London in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausge­brochen ist. Damals haben zum ersten Mal Forschungen dazu stattgefunden, die sehr viel mit Städtebau zu tun hatten – mit Wasserversorgung, mit Hygienefragen, damit, wer wo wohnt, mit sozialen Fragen. Hätten diese Forscherinnen und Forscher von Anfang an die Daten darüber gehabt, wer welches Wasser wo holt, hätte man sehr viele Leben retten können.

Heute beschließen wir ein Micro Data Center der Statistik Austria und ziehen bei dem nach, was uns so viele – ja fast alle – EU-Länder schon längst voraus haben. Weiters ermöglichen wir – und das muss ich auch ganz klar sagen – 14 Forschungsstätten und jeder Forschungsstätte, die sich um eine Akkreditierung bewirbt, die Möglichkeit, unter strengen Voraussetzungen Zugriff auf diese Daten zu erhalten.

Diese Daten sind für Forschungen zum Beispiel für eine Pandemiebekämpfung extrem wichtig, sie sind extrem wichtig, um die Auswirkungen des Klimawandels zu erforschen, sie sind aber auch in der Sozialforschung, bei Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der Wohnsituation, von Armut extrem wichtig. Viele Länder waren uns da einfach hinsichtlich vieler Daten und vieler Forschungsergebnisse voraus, und Österreich konnte keine vergleichbaren Forschungsergebnisse liefern, weil der Zugriff auf diese Daten einfach nicht möglich war. In einem unglaublich strengen Verfahren – ich möchte das betonen –


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dürfen jetzt 14 definierte Einrichtungen und weitere, die sich einer ganz, ganz strengen Kontrolle unterwerfen, mit diesen Daten forschen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Die Stellungnahmen zu diesem Gesetz waren übrigens ausgesprochen interessant zu lesen, das würde ich auch dringend empfehlen, weil sie auch sehr gut Anschauungs­bei­spiele zeigen, indem viele Forschungsstätten in diesen Stellungnahmen erzählen, welch wirklich wichtige Grundlagenforschung damit betrieben werden wird, und das ist eigent­lich ein sehr gutes Argument dafür.

Der Zugang wird datenschutzrechtlich absolut abgesichert sein, das war uns ja auch enorm wichtig (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), da hat es auch gedauert, bis man zu einer Lösung kam. Es wurde insbesondere nach der Begutachtung noch eine daten­schutzrechtliche Vorabprüfung eingeführt, Transparenzpflichten, eine lückenlose Proto­kollierung von Fernzugriffen und technische Sicherheitsmaßnahmen wurden ergänzt und auch präzisiert. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Was die Protokollierung betrifft, gibt es den Vorwurf, diese sei schlampig formuliert –dieser Vorwurf wird jetzt schon seit der Nationalratssitzung formuliert. Das wurde von allen widerlegt, es wurde im Gesetz eindeutig eine ganz strenge Protokollierung festge­schrieben. Deswegen kann ich diese Kritik (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) nicht nachvollziehen, weil eine strenge und lückenlose Protokollierung umgesetzt wurde, und das war uns auch sehr wichtig. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, gegen dieses Gesetz zu sein. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.42


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm das Wort.


10.42.18

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Grundsätzlich ist die Erhebung von Daten, vor allem auch, um valide Statistiken zu erhalten, etwas Positives. Wenn ich jetzt polemisch wäre, würde ich sagen, diese Regie­rung schafft es in 20 Monaten nicht, herauszufinden, wie viele Spitals- und Intensivbetten es tatsächlich in Österreich gibt. Dann schwant mir Fürchterliches, wenn man komplexe Daten auswerten will.

Bei diesem Gesetz geht es aber nicht um unprofessionelle Erhebungen, wie sie in den schwarz-grünen Kabinetten stattfinden – oder eben auch nicht stattfinden –, sondern es geht um Datenabfragen für wissenschaftliche Einrichtungen im Fernzugriff auf Statistik- und Registerforschungsdaten. Wie gesagt, grundsätzlich stehen wir einer validen Ver­arbeitung von Daten positiv gegenüber, in diesem besagten Fall allerdings ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass die Bedenken von unzähligen Datenschützern einfach so vom Tisch gewischt werden.

Worüber ich mich besonders wundere, sind wieder einmal die Grünen. Ich war selbst einige Zeit Mitglied im Datenschutzrat, und wenn ich mich zurückerinnere, wie sich insbesondere die Grünen bei jedem neuen Gesetz zum Thema Datenschutz gebärdet haben, dann muss ich sagen, dass das jetzige völlige Ignorieren der Datenschützer keinesfalls nachvollziehbar ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Damals galt das Credo, Datenschutz steht über allem, selbst wenn damit Verbrechen gedeckt und Verbrecher geschützt werden. – So ändern sich die Zeiten! Jetzt, da die Grünen in der Regierung sind, quasi an den Schalthebeln der Macht, werden ganz schnell alle angeblichen Prinzipien über Bord geworfen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 50

Für uns Freiheitliche ist Datenschutz wichtig, wir nehmen die Kritik der Datenschützer ernst, denn letztendlich handelt es sich bei diesem Data Center um eine Superdaten­bank. Auch beim Datenschutz ist es wichtig, immer das gesunde Mittelmaß zwischen Datenschutz und natürlich auch der Anwendbarkeit im Auge zu behalten – quasi Datenschutz mit Hausverstand. Leider fehlt der Hausverstand dieser Regierung da komplett – der ist wahrscheinlich gerade beim Billa –, und deshalb können wir dieser Gesetzesänderung nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.45


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm das Wort.


10.45.09

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, was der Lebensmitteleinzelhandel jetzt mit dem Bundesstatistikgesetz und dem Forschungsorganisationsgesetz zu tun hat, Kollege Spanring, aber diese Logik wird sich vielleicht noch erschließen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Diese Novelle hat das Ziel, der Wissenschaft den Zugang zu verknüpfbaren, anonymisierten und nachhaltig nutzbaren Registerdaten zu sichern. Der Datenzugang, das wurde angesprochen, wird ausschließlich auf wissen­schaftliche Zwecke beschränkt. Im Gesetzentwurf sind demonstrativ 15 Organisationen, Institutionen angeführt, die diese Vernetzung primär nutzen können. Es wurde im Aus­schuss ausdrücklich von mir nachgefragt, ob das eine taxative Aufzählung ist, und das ist es nicht, es ist eine demonstrative Aufzählung, und daher sind die Sorgen, dass andere Einrichtungen möglicherweise auf diesen Datenbestand nicht zugreifen könnten, unbegründet. Allerdings müssen sich jene Institutionen, die auch diesen Datenzugang haben wollen, einem Zertifizierungsprozess unterziehen, und das ist auch ganz im Sinne des Vorredners, der ja Wert darauf legt, dass Datenschutz ernst genommen wird.

Europarechtliche Vorgaben – auch das wurde im Ausschuss diskutiert – des Daten- und des Datenschutzrechtes insbesondere unter Beachtung der EU-Datenschutz-Grundver­ordnung werden erfüllt. Es wurde von Kollegen Schreuder auch schon darauf hinge­wiesen, dass eine lückenlose Zugriffsprotokollierung angedacht ist und umgesetzt wird, und damit sind auch Bedenken in dieser Hinsicht aus meiner Sicht unbegründet.

Mit diesem Austrian Micro Data Center werden bei der Statistik Austria die Vorkehrungen geschaffen. Ja, es wurde vom Vorredner gesagt, das ist dann quasi ein Superdaten­center; ich hoffe, dass es Superdaten liefern wird, damit wir zu nachhaltigen, zu validen Daten kommen, damit die Empfehlungen und Entscheidungsgrundlagen für jene Per­sönlichkeiten, aber auch für jene Institutionen, die auf Basis dieser nachvollziehbaren Daten Entscheidungen treffen müssen, auch tatsächlich ihre Wirksamkeit entfalten kön­nen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade die Tage der Pandemie haben gezeigt, wie wichtig es ist, auf valide Daten zurückzugreifen, um eben fundierte und evaluierbare Entscheidungen treffen zu können.

International sind wir mit dieser Novelle in einem guten Gleichklang: Die Dänen, die Niederländer, die Schweden und die Finnen haben ähnliche Einrichtungen geschaffen. Wir kommen damit zu einem internationalen Standard, der, glaube ich, der wissen­schaft­lichen Arbeit in letzter Konsequenz, aber auch der politischen Entscheidungsfindung einen Dienst erweisen wird.

Im Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft wurden aus meiner Sicht alle Fragen bezüglich des Datenschutzes und der Zugriffsprotokollierung erläutert, für mich


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 51

zufriedenstellend erläutert, weshalb der Beschlussfassung heute hier im Hohen Haus nichts im Wege steht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.48


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Dr. Heinz Faßmann. – Bitte, Herr Bundesminister.


10.49.00

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hoher Bundesrat! Herr Spanring, Sie haben Ihre Rede damit angefangen und eingeleitet, dass es gut ist, wenn man Daten hat, um eine evidenzbasierte Politik auch begründen zu können. Ganz genau, aus diesem Grund habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass dieses Austrian Micro Data Center eingerichtet wird, denn ich halte viel von einer fakten­basierten, datengestützten, von Indikatoren abgesicherten Politik.

Warum habe ich mich sehr dafür eingesetzt? – Ich habe mich auch sehr dafür eingesetzt, dass es bei Statistik Austria angesiedelt wird, denn Statistik Austria ist, glaube ich, eine Institution, die außerhalb von Kritik stehen sollte. Ich habe noch nie etwas von Daten­skandalen im Zusammenhang mit Statistik Austria gehört – wohlkontrolliert, öffentliche Einrichtung. Also Statistik Austria ist, glaube ich, über diesen Zweifel erhaben.

Ich bin mir auch ganz sicher, dass Sie im Ausschuss die Fragen des Datenschutzes diskutiert haben. Natürlich gibt es eine Protokollierung aller Zugriffe – Herr Schreuder hat das vollkommen zu Recht erwähnt –, natürlich gibt es eine Ausnahmeklausel in der europäischen Datenschutz-Grundverordnung – die Ausnahmeklausel ist Wissenschaft; für die Wissenschaft darf die Datenschutz-Grundverordnung gleichsam geöffnet wer­den –, natürlich gibt es die Institution für die Forscher und Forscherinnen, die darauf Zugriffsmöglichkeiten haben – die Institutionen verpflichten sich, dass alles eingehalten wird. Die Forschungsergebnisse selber müssen noch einmal Statistik Austria vorgelegt werden, damit Statistik Austria kontrolliert, ob da nicht identifizierbare Individualdaten veröffentlicht werden. Es gibt so viele Vorkehrungen, dass ich mir manchmal schon wieder denke: Hoffentlich gibt es Forscher und Forscherinnen, die darauf zugreifen werden!, denn die Hürden zum Austrian Micro Data Center sind keine kleinen, es sind ausgesprochen hohe Hürden.

Ich schließe mich der Meinung von Bundesrat Schreuder an: Es gibt auch meiner Ansicht nach überhaupt keinen Grund, gegen dieses Gesetz zu sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

10.51

10.51.20


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister, für die abschließende Stellungnahme.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 52

10.52.074. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung von Bundeszuschüssen an die Länder Burgenland, Niederösterreich und Wien aus Anlass des 100-jährigen Bestehens als eigenständige Länder und ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2022 erlassen sowie die Exeku­tionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privat­sphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Gebührenanspruchs­gesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Umweltförderungs­ge­setz, das Schülerbeihilfengesetz 1983, das FTE-Nationalstiftungsgesetz, das Bun­desmuseen-Gesetz 2002 und das Bundestheaterorganisationsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2022) (1102 d.B. und 1154 d.B. sowie 10773/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz, das Garantiegesetz 1977 und das ABBAG-Gesetz geändert werden (1155 d.B. sowie 10774/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 4 und 5 ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Ich bitte um die Berichte.


10.52.47

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­gen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des National­rates vom 16. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung von Bundeszuschüssen an die Länder Burgenland, Niederöster­reich und Wien aus Anlass des 100-jährigen Bestehens als eigenständige Länder und ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2022 erlassen sowie die Exekutionsordnung, das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, das Gebüh­ren­anspruchsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Umweltförde­rungs­­gesetz, das Schülerbeihilfengesetz 1983, das FTE-Nationalstiftungsgesetz, das Bundes­museen-Gesetz 2002 und das Bundestheaterorganisationsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 16. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz, das Garantiegesetz 1977 und das ABBAG-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke für die Berichterstattung.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 53

Ich begrüße Herrn Finanzminister Mag. Gernot Blümel im Plenum. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


10.54.46

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Vor uns liegt jetzt das Budgetbegleitgesetz in seiner umfassenden Form, man könnte sagen, eine Kraut-und-Rüben-Gesetzesvorlage hat den Bundesrat erreicht.

Für uns ist aber Folgendes ganz, ganz wesentlich: Was ist denn nicht im Budget und was bräuchten jetzt die Menschen in Österreich eigentlich, um besser durch die Krise und um besser durch diesen Winter zu kommen? (Bundesrat Steiner: Eine neue Regie­rung!)  – Was uns da wirklich mehr als belastet, ist die Frage der Teuerung. (Beifall bei der SPÖ.) Die Preise steigen in einem unglaublichen Ausmaß! Wir haben eine Inflation von 4,3 Prozent im November – das sind Zahlen, aber die Menschen spüren es im Geldbörsel, und jene, die wenig haben, spüren es umso mehr im Geldbörsel. Uns war wichtig: Bitte, da muss man etwas tun! Es ist längst an der Zeit, insbesondere bei den Kosten für das Heizen, für den Strom eine Abfederung vorzusehen. Wir brauchen eine Teuerungsbremse! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben diesen Antrag im Ausschuss eingebracht. Im Ausschuss wurde unser Antrag dann von den Regierungsfraktionen vertagt, und zwar mit der Begründung, es müsse zuerst evaluiert werden. – Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Da muss nichts mehr evaluiert werden! Die Teuerung ist einfach da, den Menschen fehlt das Geld im Geldbörsel, und da muss man handeln! (Beifall bei der SPÖ.)

Vor allem seitens der ÖVP wird immer gefordert, jetzt solidarisch zu handeln, und sie sagt: Wir müssen gemeinsam vorgehen! – Ja, eh, aber wenn dann die Opposition Vor­schläge macht und sagt: Bitte, es wäre dringend und wichtig, da hinzuschauen, es ist für die Menschen!, dann sagt man: Hm, das vertagen wir aber lieber; da müssen wir evaluieren, ob die Teuerung wirklich so groß ist! – Das ist nicht die Vorgangsweise, wie man mit der Opposition umgeht, wenn man einen Schulterschluss haben möchte.

Was uns darüber hinaus bestürzt, ist, dass in diesem Budget wieder keine Erhöhung des Arbeitslosengeldes enthalten ist, dass es bisher keine Arbeitsmarktmaßnahmen, die wirklich greifen, für Langzeitarbeitslose gegeben hat, und es ist kein besonderes Budget für eine Pflegeoffensive vorgesehen.

Wir brauchen eine Pflegereform! Die Beschäftigten in diesem Bereich sind am Semmerl, sie können nicht mehr, und zwar wirklich nicht mehr! Und es ist wirklich zynisch, wenn diese Beschäftigten auf die Straße gehen und sagen: Wir können nicht mehr, wir brauchen jetzt endlich Entlastung, wir brauchen mehr Personal, wir brauchen auch finanziell eine wirkliche Anerkennung unserer Arbeit!, und darüber hinweggesehen wird, als ob es das nicht gäbe. Es ist unerträglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Und die Zahlen für die Pflege, die in diesem Budget enthalten sind – diese 50 Millionen Euro für die Ausbildung und die 150 Communitynurses –, das sind Tropfen auf den heißen Stein, das kann den Pflegenotstand und die Pflegeproblematik nicht abdecken. Es gilt jetzt, hier zu handeln, und zwar ganz, ganz rasch. Insbesondere die Coronazeit hat die Beschäftigten in den Krankenanstalten über ihre Möglichkeiten strapaziert, das ist keine Frage.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 54

Wir brauchen jetzt die Impfung. Wir ersuchen alle Menschen: Bitte, fassen Sie sich ein Herz, lassen Sie sich impfen, lassen Sie sich die Boosterimpfung geben! Es ist jetzt ganz, ganz wichtig, durch diesen Winter zu kommen und der Pandemie so weit wie möglich Einhalt zu gebieten. Das ist wichtig.

Ich sehe – und diesbezüglich bin ich sehr gespannt auf die heutige Dringliche Anfrage der FPÖ –, dass die Geschlossenheit innerhalb der FPÖ bei den Fragen: Impfen oder nicht impfen, wie geht man weiter vor, wie radikalisiert man sich weiter, auch in den Aussagen?, ja auch nicht mehr besteht, sondern dass es da kracht und grammelt unter den Granden der FPÖ. Da hört man von Mölzer: Es wäre schon gescheit, wenn man eine Impfpflicht hätte!, und Susanne Riess sagt: Diese Radikalisierung ist nicht gescheit (Bundesrat Steiner: Die haben aber nichts mehr zu melden! – Bundesrat Ofner: Die sind aber Geschichte!), und – ich weiß nicht, Sie kennen ihn, glaube ich, alle – der stell­vertretende Landeshauptmann von Oberösterreich Haimbucher (Bundesrat Steiner: Wie heißt der?) hat gesagt, und das ist wirklich gescheit: Das Impfen wirkt, bitte lassen Sie sich jetzt impfen! – Na also! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Wir alle müssen nämlich durch diese Krise kommen, sie wird uns noch länger begleiten – da brauchen wir doch keine Illusion zu haben! –, und Radikalisierung wird uns allen nicht helfen. Aber auch den Regierungsfraktionen sei eines gesagt: Die Menschen hier noch mehr auseinanderzudividieren, noch mehr Gräben zu schaffen, das tut unserer Gesellschaft nicht gut, und das sollte man auch tunlichst unterlassen.

Was steht noch nicht im Budget? – Die Mittel für einen wirklich starken Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen. Dafür ist nichts darin enthalten. Es gibt zwar die 15a-Vereinbarungen, die jetzt verhandelt werden, aber da werden nicht jene Mittel zustande kommen, die man braucht, um wirklich Schwung in den Ausbau der Kinderbildungs­ein­richtungen zu bringen. Es hätte die 1,2 Milliarden Euro gegeben. Das ist wirklich wie ein Stachel im Fleisch aller Eltern, die schon lange darauf gehofft haben, dass die Kinder­bildung in Österreich flächendeckend ausgebaut wird. Da nicht zu handeln ist wirklich fahrlässig – im Interesse der Eltern, im Interesse der Kinder, im Interesse des ländlichen Raumes und auch im Interesse der sozialen Fragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage der Ökosteuer sei auch noch angesprochen. Die Kosten zur Bekämpfung des Klimawandels müssen sozial abgefedert werden, das ist gar keine Frage. Mit dem Klimabonus, diesem komischen Mechanismus, der vor allen Dingen den Wienerinnen und Wienern schadet, werden wir nicht weiterkommen. Ich muss schon ehrlich sagen: Die Entscheidung von Bundesministerin Gewessler ist für die Donaustädterinnen und Donaustädter – in diesem Bezirk leben ganz viele Bewohner, so viele, wie Linz hat – eine ganz, ganz schlechte Entscheidung. Für sie wird es noch schwieriger, die Verkehrs­belastung wird noch größer. Ein großes Verfahren ist abgeschlossen gewesen, es hätte gebaut werden können, die Donaustadt hätte hinsichtlich des Verkehrs entlastet werden können, die Menschen hätten durchatmen können. Dieses neue Gebiet, in dem so viele soziale Wohnungen entstehen, wäre geschützt und gestützt worden. Das wurde jetzt mit einem Federstrich wegradiert. Was dabei noch mehr schmerzt, ist, dass keine Alter­native genannt wird. Was ist die Alternative dafür? Wie kann man die Menschen in diesem großen Bezirk endlich entlasten? – Davon haben wir nichts gehört, und das macht einen wirklich, wirklich betroffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Budgetbegleitgesetz in seiner unglaublich umfassenden Thematik macht alle Bundesrätinnen und Bundesräte, glaube ich, etwas ratlos, denn es gibt da drinnen so viele Teile. Die Themenbandbreite reicht von der Finanzierung des VKI über das Gewalt­schutzgesetz bis zum Schülerbeihilfengesetz und dem Bundestheaterorganisations­gesetz – das ist ein Bauchladen an Gesetzen. Bei manchen könnten wir mitgehen, bei manchen können wir nicht mitgehen. Das ist aber doch nicht der Sinn der Sache. Wir


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 55

BundesrätInnen der sozialdemokratischen Fraktion haben schon lange gefordert, dass das Teileinspruchsrecht für den Bundesrat endlich umgesetzt wird. ÖVP und Grüne haben es verhindert. Jetzt haben wir wieder solch ein Sammelgesetz, bei dem es ganz schwierig ist, Einzelentscheidungen in einen Gesamtpool zu packen und zu entscheiden. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden diesem Gesetz nicht zustim­men. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Lassen Sie mich noch weitere Punkte anführen! In diesem Gesetz geht es auch um die zukünftige Finanzierung des Insolvenz-Entgelt-Fonds. Dem Insolvenz-Entgelt-Fonds werden die Mittel gekürzt. Bereits 2020 hat man ihm 50 Millionen Euro weggenommen, 2022 sollen es um 100 Millionen Euro weniger sein. Jetzt kann man sagen: Was ist schon der Insolvenz-Entgelt-Fonds?! – Na, der ist aber ganz, ganz wichtig für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, weil sie im Fall einer Insolvenz – in Zeiten wie diesen, mit all den Schwierigkeiten um die Pandemie, können Insolvenzen sehr leicht vorkom­men – durch diesen Fonds die Absicherung haben, dass sie Löhne, Gehälter und Sonderzahlungen erhalten. Diesen Fonds zu schwächen ist eine politisch ganz, ganz schlechte Entscheidung, und wieder wird gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer gehandelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch zwei weitere Punkte ansprechen! In diesem Konvolut der Gesetze ist auch der Bundeszuschuss für Jubiläumszahlungen. Im ersten Entwurf war nur Niederösterreich mit 9 Millionen Euro bedacht, weil Niederösterreich nächstes Jahr 100 Jahre Abschied von Wien, die Trennung der Bundesländer, feiert. Das ist gut, das ist schön, aber das Burgenland hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass auch das Burgenland 100-Jahr-Feier hatte und dafür nichts erhalten hat. Das ist kein feiner Zug. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.) Auch für Wien muss man ganz ehrlich sagen – die Trennung betrifft ja nicht ein Bundesland, sondern beide –: Es ist sehr klug gewesen, das nachzuholen und die Jubiläumszahlung für alle Bundesländer möglich zu machen, aber es zeigt schon, dass man zuerst nur an ein Bundesland gedacht hat.

Ich darf noch eines sagen: Wir sind hier im Bundesrat, und der Zusammenhalt auch über die Bundesländer hinweg ist so wichtig. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben dem Burgenland ganz, ganz herzlich zu seiner 100-Jahr-Feier gratuliert. Ich habe das leider von keinem der Präsidenten des Bundesrates gehört. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ein letzter Punkt, der noch wichtig ist, weil wir heute alle die Anstecker tragen – und völlig zu Recht tragen, über alle Fraktionen hinweg –: Die Gewalt an Frauen ist uner­träglich. Es ist der 30. Frauenmord passiert, und das halten wir alle ganz, ganz schwer aus. Das ist aber nur die Spitze eines Eisbergs. Wir wollen, dass Gewalt gegen Frauen mit allen nur irgendwie zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft wird.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Umfassender Gewaltschutz“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration, wird aufgefordert dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umgehend ein Gewaltschutzpaket zuzuleiten, das folgende Punkte beinhaltet:

- 228 Mio. Euro und 3.000 Arbeitsplätze zusätzlich für Gewaltschutz


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- einen regelmäßigen, strukturell verankerten Austausch zwischen den Bundesländern, der Bundesregierung und Gewaltschutz-Expert*innen im Rahmen eines neu einzurich­ten­den Gewaltschutz-Dialogs

- die deutliche Erweiterung der Budgetmittel des Bundes für die Akuthilfe, die gegen­wärtig vorrangig von den Bundesländern finanziert wird

- einen deutlichen Schwerpunkt auf Prävention sowie Initiativen zum Aufbrechen von Geschlechterstereotypen

- Hochrisiko-Fallkonferenzen in allen Bundesländern

- kontinuierliche, niederschwellige, öffentliche Informationskampagnen und umfassende Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Gewalt an Frauen in ganz Österreich“

*****

Bitte gehen Sie bei diesem Antrag mit! Wenn wir die Buttons tragen, dann bedeutet das für uns als Politikerinnen und Politiker auch die Verpflichtung, wirklich umfassende Maß­nahmen zu setzen. Das ist jetzt ganz, ganz wichtig. Setzen wir ein Zeichen, dass wir alle gemeinsam gegen die Gewalt an Frauen kämpfen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.07


Vizepräsident Günther Novak: Ich darf Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić bei uns im Plenum begrüßen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Steiner zu Wort gemel­det. – Bitte.


11.07.56

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Frau Kollegin Schumann hat gerade behauptet, der Herr Landeshauptmannstellvertreter aus Oberösterreich hätte behauptet: Impfen ist wichtig, und bitte geht alle impfen!

Ich berichtige tatsächlich, Frau Kollegin Schumann: „Abseits von seinem persönlichen Krankheitsverlauf, kritisiert der FPÖ-OÖ-Chef die angekündigte Impfpflicht der Bundesregierung. ‚Die Impfung ist ganz offensichtlich nicht der viel zitierte Gamechanger in der Viruseindämmung [...], wenn ich die Zahlen der Hospitalisierten von heute, mit denen vor einem Jahr vergleiche.‘“ – Aber bei dem, was die SPÖ oder die Sozialisten da immer wieder von sich geben, denke ich mir ja eh schon meinen Teil. (Beifall bei der FPÖ.)

11.08


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „Umfassender Gewaltschutz“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters ist Frau Kollegin Bundesrätin Elisabeth Wolff zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


11.09.15

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber werte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Frau Kollegin Schumann, zuerst möchte ich kurz auf Sie eingehen. Ich bin kein Mensch, der gerne mit Schlamm wirft,


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aber wenn Sie ein Budget bekritteln wollen, sollten Sie vielleicht lieber in Wien anfangen, wo auch dieses Jahr wieder die Gebühren erhöht werden. (Beifall bei der ÖVP. – Heiter­keit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann. – Bundesrätin Schumann: Oje!)

Mithilfe des Budgetbegleitgesetzes wird, wie Sie auch schon gesagt haben, eine Reihe von Maßnahmen des Budgets 2022, wie das Gewaltschutzpaket, die Verlängerung der Kurzarbeit, die Umsetzung des Fonds Zukunft Österreich, die Erhöhung der Förderun­gen des VKI und Maßnahmen für die Umwelt, umgesetzt. In meiner Rede möchte ich auf drei Punkte besonders eingehen.

Der erste und, wie ich finde, ein sehr wichtiger Punkt ist die Umsetzung des Gewalt­schutzpaketes. Erst diese Woche – und Sie haben es auch schon gesagt – hat uns wieder die Nachricht ereilt, dass eine weitere Frau tot aufgefunden wurde und somit der 30. Femizid in diesem Jahr stattgefunden hat. Wenn man sich denkt, dass das nur die Spitze der Gewalt an Frauen ist, so ist das ein ganz klarer Auftrag, den Gewaltschutz weiter auszubauen.

Derzeit befinden wir uns mitten in den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen, in denen wir unter dem Motto Orange the World ein weithin sichtbares Zeichen setzen, dass keine von Gewalt bedrohte Frau alleine ist. Es gibt bereits jetzt eine Reihe an Maßnahmen und Möglichkeiten zur Beratung der Betroffenen, aber auch zur Gewaltprävention. Im Budget 2022 kam es erneut zu einer Erhöhung der Mittel für Frauen und Gleichberechtigung, und zwar von 14,65 Millionen Euro auf 18,4 Millionen Euro, somit zu einer Erhöhung um rund 25 Prozent. Seit 2020 wurde dieses Budget insgesamt um 81 Prozent erhöht, und ich denke, dieser Wert zeigt ganz eindeutig, wie wichtig der ÖVP dieses Thema ist.

Die Maßnahmen des Gewaltschutzes umfassen zum Beispiel die Stärkung der Gewalt­schutzeinrichtungen, die opferschutzorientierte Täterarbeit, den Ausbau der Familien­beratungsstellen, männerspezifische Gewaltprävention oder Projekte für Frauen mit Migrationshintergrund. Ziel der Maßnahmen ist, durch präventive Arbeit die Gewalt­spirale zu durchbrechen. Konkret soll heute mithilfe des Budgetbegleitgesetzes die Gesetzes­grundlage dafür geschaffen werden, dass Gewalttäter zukünftig nicht nur ein Annähe­rungsverbot beziehungsweise ein Verbot, die gemeinsame Wohnung zu betreten, be­kommen, sondern zusätzlich eine Gewaltpräventionsberatung besuchen müssen. Ver­weigern sie diesen Besuch, kommt es zu Verwaltungsstrafen von bis zu 2 500 Euro beziehungsweise bis zu 5 000 Euro bei Wiederholung. Es gilt hier also, das Problem bestmöglich an der Basis zu lösen.

Als zweiten Punkt möchte ich mich auf die Förderungen für die Umwelt beziehen. Die ökosoziale Steuerreform und das Budget 2022 enthalten eine Reihe an Maßnahmen zum Schutz unserer Umwelt: die CO2-Bepreisung, den Klimabonus, das Klimaticket, die Förderung der Produktion regionaler Lebensmittel oder eben auch die Sauber-Heizen-Offensive. Letztere soll mithilfe des Budgetbegleitgesetzes umgesetzt werden; damit sollen der Austausch fossiler Heizkessel durch klimafreundliche Heizsysteme und ther­mische Sanierungsmaßnahmen gefördert werden. Dadurch ist es auch einkommens­schwachen Haushalten möglich, umzusteigen. Die Umweltförderungen werden dafür bis ins Jahr 2025 fortgesetzt und ausgebaut. Ich finde, wir gehen da einen richtigen Weg und es ist auch gut, dass wir so den Anforderungen der Zukunft entsprechen.

Der dritte Punkt, auf den ich mich betreffend das Budgetbegleitgesetz beziehen möchte, ist die Verlängerung der Kurzarbeit bis ins Jahr 2022. Ich glaube, in Anbetracht der Umstände in unserem Land muss ich das keinem erklären: Corona hat uns leider immer noch voll im Griff. Die Regierung hat es mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen geschafft, die Betroffenen bestmöglich zu entlasten. Das Modell der Kurzarbeit ist auch international extrem gut angesehen und ein wahres Erfolgsmodell in Zeiten der Krise.


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Somit sind die kommenden Zeiten sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber gesichert.

Sobald es die medizinischen Zustände wieder zulassen, können die Unternehmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schnellstmöglich wieder durchstarten und wirtschaften. Das ist ein, wie ich finde, ganz wesentlicher Punkt, um die wirtschaftliche Lage in unserem Land zu stabilisieren. Wirtschaftshilfen wie die Covid-19-Garantien laufen noch bis Ende des Jahres, und eines ist klar: Je schneller wir hinsichtlich der Bekämpfung der Pandemie zusammenarbeiten, desto schneller kommen wir gesund­heitlich wie auch wirtschaftlich aus dieser Krise wieder heraus. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.14


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort.


11.14.42

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Prä­sidium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir verhandeln jetzt in dieser Debatte die Tagesordnungspunkte 4 und 5. Die SPÖ wird den Beschluss betreffend das KMU-Förderungsgesetz nicht mittragen, denn die Verlagerung der Garantien und Forderungen, die von AWS und ÖHT im Zuge der Coronahilfsmaßnahmen eingegangen wurden, auf die Cofag findet unsere Zustimmung ganz bestimmt nicht. Die Cofag, vor eineinhalb Jahren gegründet, ist ein von ÖVP und Grünen geschaffenes intransparentes Konstrukt, um die Covid-Hilfsmaßnahmen abzu­wickeln, und wir kritisieren diese grundsätzlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, und grundsätzlich ist es auch traurig genug, dass wir aufgrund eines Regierungs­versagens – und das ist es einfach – heute wieder über Förderungen, über Probleme diskutieren. Es ist auch ein Versagen unseres Ex-Kanzlers – wenn es stimmt, was kolportiert wird, wünsche ich ihm dennoch von dieser Stelle aus für seinen privaten Weg alles, alles Gute. Diese Regierung hat uns durch Untätigkeit in diese Situation kata­pul­tiert – uns, das heißt: die Menschen, die Familien, die ArbeitnehmerInnen und auch die UnternehmerInnen. Alle sind verunsichert und das wird von Regierungsseite befeuert.

Erklären Sie den UnternehmerInnen, warum Großkonzerne und Handelsketten sehr wohl ihr Weihnachtsgeschäft machen, warum in den Handelsketten mittlerweile der Shoppingfreude gefrönt wird, warum dort die Elektroartikel, die Schuhe, die Geschenk­artikel, die Kleidung gekauft werden, während der Händler vor Ort nicht aufsperren darf! (Beifall bei der SPÖ.) Erklären Sie das den Leuten! Erklären Sie den Menschen auch, warum die Cafés und die Restaurants in Ungarn mit Österreichern voll sind! Reisen und die Grenze übertreten dürfen sie nämlich, und ich kann euch sagen: Es kontrolliert kein Mensch irgendetwas. Erklären Sie das bitte unseren Gastronomen und unseren Kaffee­hausbetreibern! (Bundesrätin Steiner-Wieser – auf den telefonierenden Bundesminister Blümel weisend –: Herr Präsident!) Erklären Sie dann bitte auch, wie es im Touris­mus­bereich gelingen soll, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, denn wir wissen, dass ganz viele jetzt schon in die Schweiz, wo die Saison ja durchaus anläuft, aus­weichen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verunsichert, und wir haben im Touris­mus ja sowieso ein Riesenproblem, es wird immer größer. Mitten hinein in diese Situ­ation beendet der Arbeitsminister dann auch noch Fit2work.

Erklären Sie, wie die UnternehmerInnen mit der Unsicherheit zurechtkommen sollen! Es wird nämlich nicht einmal ansatzweise ein Fahrplan verkündet. Was wird ab dem 13. Dezember sein? Wo sind die Wege, so oder so? Was wird mit den Friseuren sein? Was wird mit den körpernahen Dienstleistern sein? Es wird nur über den Handel


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gesprochen, und alle anderen Mutmaßungen, die in der Presse herumgeistern, lässt diese Regierung unkommentiert.

Diese UnternehmerInnen sind wahnsinnig verunsichert. Ich kriege so viele Nachrichten: Glauben Sie, dass wir aufsperren dürfen? Glauben Sie, dass die Friseure offenhaben werden? Gleichzeitig bekomme ich aber auch aus der Gastronomie Nachrichten. Die Gastronomie am Land hat nämlich auch Angst vor 2G plus. Warum? – Weil am Land nicht dafür vorgesorgt wurde, so wie in Wien, dass die PCR-Testungen funktionieren. Da stehen die Menschen in Schlangen an, und die Testergebnisse kommen viel zu spät. Ich muss sagen, meine Heimatgemeinde Neunkirchen ist da vorbildlich, da gibt es eine Kooperation mit einer Apotheke, aber auch da ist es wieder so: Richten müssen es sich die Gemeinden selbst, sie bekommen keine Unterstützung von dieser Regierung.

Jetzt grundsätzlich zum Budget: In diesem Budget sind weder die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen noch Visionen für die Zukunft abgebildet. Das Leben der Menschen in Österreich wird immer teurer. Wir haben es gehört: Die Energiekosten steigen, die Inflation ist verheerend – und das müssen die Menschen jetzt mitten in einer Pandemie stemmen; das müssen auch Niedrigverdiener und Familien stemmen. Ja, der Härtefallfonds ist spät, aber Gott sei Dank jetzt doch verlängert worden, der Familien­härtefonds aber nicht. Das war anscheinend schon wieder nicht wichtig genug. Und der ach so toll durchdachte Familienbonus führt jetzt auch noch dazu, dass Familien, in denen alle in Kurzarbeit waren, da auch noch zu kurz kommen werden.

Treffsicher, Herr Minister, schaut anders aus. Jeder Vorschlag, wie zum Beispiel die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas, wird aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Wichtig ist es nur, die Gewinnsteuern zu senken, den Großkonzernen zu helfen. Es scheint nicht wichtig zu sein, dass man Geld für eine Pflegereform braucht. Es scheint nicht wichtig zu sein, dass man Geld für die Kinderbetreuung braucht. Aber all das bietet keine Basis für eine gute und gesunde Zukunft für Österreich und die Men­schen. (Beifall bei der SPÖ.)

Maßnahmen, die die Auswirkungen dieser Pandemie bekämpfen, sind monetär in die­sem Budget überhaupt nicht berücksichtigt. Vorausschauend agieren ist wahrlich nicht die Stärke dieser Regierung, ob nun aus Nachlässigkeit oder Unvermögen. Das zeigt sich auch darin, dass diese Regierung Monate verstreichen hat lassen, ohne in Hinsicht auf die Pandemie tätig zu werden, und das Ergebnis ist wieder ein Lockdown. Dieser Lockdown bringt viele Probleme, wirtschaftliche, gesundheitliche, psychische, und es kommt vermehrt zu Aggressionen im öffentlichen, gesellschaftlichen Leben und inner­halb der Familien.

Jetzt komme ich zu diesem Konvolut an Gesetzen im Tagesordnungspunkt 4. Das Ge­waltschutzgesetz, das Umweltförderungsgesetz, der Bundeszuschuss für Niederöster­reich, das Schülerbeihilfengesetz – da ist so viel drinnen, und manchem könnte man zustimmen; aber das Teilabstimmungsrecht lehnt ihr ab. Heute Früh haben wir ein Foto gemacht, und wir tragen diese (auf den orangen Button, auf dem eine blaue Hand sowie die Aufschrift „Stoppt Gewalt an Frauen“ zu sehen ist, der an ihrem Pullover angesteckt ist, weisend) Buttons. Natürlich finden wir es positiv, dass Maßnahmen zum Gewalt­schutz getroffen werden. Natürlich ist es positiv, dass Verstöße gegen bestimmte einst­weilige Verfügungen nun zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass zum Schutz vor Gewalt verpflichtende Antigewalttrainings stattfinden. Noch mehr begrüßen würden wir es aber, wenn mehr Geld für die Prävention da wäre, die Fallkonferenzen nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich durchgeführt würden, denn 30 Frauenmorde sind zu viel! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) 30 Menschenleben, 30 Frauenleben sind zerstört, und mit ihnen das Leben von ganzen Familien, von ihrem sozialen Umfeld. Natürlich begrüße ich als Nie­derösterreicherin die Bundeszuschüsse an die Länder für ihre Jubiläen. Natürlich gibt es


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vieles, was wir befürworten. Wir können aber diesem Sammelsurium einfach nicht zustimmen, nicht jedem einzelnen Punkt und schon gar nicht jenem Punkt, der den Verein für Konsumenteninformation betrifft.

Dieser Verein ist die entscheidende Verbraucherorganisation Österreichs und vertritt die Interessen von KonsumentInnen. Dabei finanziert er sich zu 75 Prozent selbst. Die restliche Finanzierung setzt sich aus Beitragszahlungen der Bundesarbeitskammer sowie einer Basissubvention des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Gesund­heit zusammen. Seit Jahren fordern wir die dauerhafte Finanzierung des VKI, um diesen Verein langfristig abzusichern.

Deshalb bringe ich nun folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dauer­hafte Finanzierung des VKI“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, eine dauerhafte Finanzierung des VKI im Sinn der KonsumentInnen und der Belegschaft des VKI vorzuschlagen und sicher­zu­stellen.“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.24


Vizepräsident Günther Novak: Der von den BundesrätInnen Andrea Kahofer, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Dauerhafte Finanzierung des VKI“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort.


11.24.47

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich beginne ebenfalls mit dem Thema Gewalt, Gewaltprävention und dem dazu vorliegenden Antrag der SPÖ. Selbstverständlich sind wir alle in unserer Fraktion – und ich höchstpersönlich genauso – dafür, dass Gewalt etwas ist, was eine Gesellschaft wenn möglich mit Stumpf und Stiel ausrotten muss. Es ist eine Hauptaufgabe jedes Staates, jeder staatlichen Gemeinschaft, zu verhindern, dass gegen einzelne Staatsbürger Gewalt angewendet wird. Aber Gewalt ist ein Ge­samtding, und Gewalt ist nicht etwas, was man mit – wie die Frau Kollegin von der SPÖ in ihrem Antrag ausgeführt hat – Aufbrechen von Geschlechterstereotypen behandeln kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Es ist auch nichts, was – wie in den Budgetbegleitgesetzen vorgesehen – durch Be­tretungsverbote oder durch Antigewalttraining zu verhindern ist, denn derjenige, der die Gewalt ausüben will, der einen Frauenmord begeht, der seine Frau umbringt, wird sich nicht mit einer 2 500-Euro-Verwaltungsstrafe vom Betreten der gemeinsamen Wohnung oder vom Annähern an das Opfer abhalten lassen. Das glauben Sie ja selber nicht! (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich glaube auch, ein Täter, der prophylaktisch – wie auch immer der ermittelt wird; ich weiß nicht, da müsste man wahrscheinlich 50 Prozent aller Staatsbürger zu so einem Training einziehen, damit man die paar Täter auch erwischt (Zwischenruf der Bundes­rätin Hahn) – jetzt ein Antigewalttraining bekommt – ich glaube, das heißt Antigewalt­beratung oder so ähnlich –, wird sich von der Tat kaum abhalten lassen, wenn er zweimal mit einem Psychologen spricht. (Bundesrätin Kittl: Das heißt, wir lassen einfach alles, wie es ist?!) Es sei denn, er wird zwei Jahre therapiert. (Zwischenruf der Bundes­rätin Hahn.) Ja, wenn wir die Hälfte aller Österreicher und Österreicherinnen zwei Jahre therapieren, vielleicht können wir dann ein Gewaltdelikt verhindern. (Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Aber das ist doch kein realistischer Zugang. Das sind ja lauter Wünsche, nicht einmal ans Christkind, sondern Wünsche an das Budget, das überhaupt überfordert ist, die mit der Realität und mit der Situation in Österreich nichts zu tun haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Situation ist in Österreich, dass wir tatsächlich nicht in der Lage sind, die eigenen Gesetze durchzusetzen; dass wir Gewalttäter, die x-mal rechtskräftig verurteilt sind, die sich rechtswidrig in Österreich aufhalten, nicht abschieben können, weil unter anderem Aktivisten, die der SPÖ, aber auch der grünen Regierungspartei zuzurechnen sind, an wichtigen Stellen in der Europäischen Kommission und anderen europäischen Institu­tionen alles daransetzen, dass die Gesetze bei sich rechtswidrig in den Ländern auf­haltenden kriminellen Straftätern nicht angewendet werden können. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Zwazl und Schumann.)

Liebe Kollegen von der SPÖ! Diejenigen, die alles tun, damit unsere Rechtsordnung untergraben und Straftäter sich hier weiter aufhalten dürfen, vielleicht sogar noch gefördert, unterstützt, in der Sozialwiege des österreichischen Staates, die sollen hier nicht mit Anträgen ablenken und davon reden, dass man durch das Aufbrechen von Geschlechterstereotypen die Situation bewältigen wird! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt aber zum Hauptthema Budgetbegleitgesetze. Das ist tatsächlich ein Sammel­su­rium, nicht sehr glücklich, das alles zusammenzufassen, wenn man sich nicht einzeln damit auseinandersetzen kann. Das werde ich auch nicht tun; aber zwei Dinge: Erstens einmal, Herr Minister, werden da nicht die Probleme der Pandemie bewältigt, sondern die Probleme der Maßnahmen, die verhängt worden sind (Beifall bei der FPÖ – Bundesrat Steiner: Bravo!), die großteils nicht nur sinnlos, sondern auch widersprüch­lich, ja geradezu kontraproduktiv sind.

Wir wissen vor allen Dingen, dass die sogenannten Lockdowns noch nirgends irgend­etwas gebracht haben. Man kann – im Gegenteil – sogar feststellen, dass die Länder, die am wenigsten lockdownen, die die Sache am meisten haben laufen lassen, die besten Zahlen haben. Ich nenne immer wieder Schweden; deswegen wird dieser Staat auch trotz der sozialdemokratisch beherrschten Regierung von der SPÖ-Seite ausge­blendet, der ist von der Landkarte verschwunden. Der Staat, der nichts dergleichen gemacht hat, hat heute in ganz Europa die niedrigsten Inzidenzen, die wenigsten Todes­fälle, eine völlige Absenz von Kranken in den Krankenhäusern, geschweige denn auf den Intensivstationen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und Staaten wie Österreich, die ein Coronatheater machen, das hier von vielen Mitglie­dern bejubelt wird, stehen an der Spitze der Inzidenzen, stehen an der Spitze der Hospi­talisierungen. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Daraus muss man doch irgend­wann einmal lernen und darf sich da nicht damit abspeisen lassen, dass es von der Regierungsseite heißt: Ja, wir machen das und das und federn die schrecklichen Folgen der Pandemie ab! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Nein, die federn sie nicht ab. Sie federn die schrecklichen Folgen der verrückten Dinge ab, die wir – staatlich ver­ordnet – zu befolgen haben.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 62

Die Kollegin von der SPÖ hat den Irrsinn ja schon erwähnt, dass man hierzulande die Wirtshäuser zusperrt und zusieht, wie die Menschen in Ungarn, in Ödenburg oder in Stein am Anger – je nachdem, wo sie wohnen – massenhaft die ungarische Gastronomie stürmen oder wie die Kärntner Oberitalien überrennen und dort die Gastronomie und die Veranstaltungen stürmen. Das ist ja ganz klar. Der Schaden aber wird angerichtet, während es immer heißt: Wir haben eine Pandemie und müssen das alles tun!

Vielleicht eines noch zum Abschluss: Etwas, das in dem Budgetbegleitgesetz überhaupt nicht erwähnt wird, ist die aktuelle Situation der lohnempfangenden Österreicher. (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Lohnempfangend! Lohnempfangend!) Wir haben eingestandenermaßen derzeit eine Inflation von 4,6 Prozent mit einer beharrlich steigen­den Tendenz. In Deutschland sind wir weiter - - (Neuerlicher Zwischenruf der Bundes­rätin Schumann.) – Geh, Frau Kollegin Schumann, so lustig ist das nicht! Ich weiß nicht, warum Sie immer lachen, wenn man das Wort Lohnempfänger in den Mund nimmt, wenn man das Wort Arbeitnehmer in den Mund nimmt, wenn man das Wort Inflation in den Mund nimmt. (Bundesrätin Schumann: Lohnempfangend!) Das ist für die heutige So­zialdemokratie offenbar ein Witz. (Beifall bei der FPÖ.) Wichtig ist für Sie nur, dass Geschlechterstereotype aufgebrochen werden. Das ist die neue sozialdemokratische Arbeitnehmerpolitik. Das wissen wir, aber das brauchen Sie mir nicht ständig zu erklären oder den Leuten vor laufenden Kameras zu sagen. Die haben schon mitbekommen, was die neue Sozialdemokratie will. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben in den USA eine Inflation, die bereits bei über 6,5 Prozent liegt. Nach allen Prognosen, die sich in den letzten zwei Monaten stark geändert haben, ist von einem Rückgang nicht mehr die Rede, sondern die Inflation wird entweder weiter steigen oder zumindest auf hohem Niveau bleiben. Wir haben Lohnabschlüsse, die weit unter diesen Zahlen liegen. Die Handelsangestellten zum Beispiel, die ja nicht unbedingt im Wett­bewerb mit Taiwan oder Bangladesch stehen, haben eine Erhöhung von 2,5 Prozent erhalten. Das heißt, wir sind in einer Phase der aktiven Reallohnsenkung. Wir sind da drinnen. Den Leuten wird die Existenzgrundlage ständig geschmälert.

Da ist in Österreich natürlich wenig zu tun, weil wir nicht mehr die Herren der Geldpolitik sind. Die Herren der Geldpolitik und der Geldschwemme – und damit auch der Inflation – sitzen heute in Frankfurt oder bei der Federal Reserve Bank, aber nicht mehr in der Oesterreichischen Nationalbank. Trotzdem müssen wir das ins Kalkül ziehen. Wir müssen beachten, dass die Reallöhne – im Sinne der Kaufkraft der verglichenen Löhne – des unteren Drittels der Einkommensbezieher seit der Einführung des Euro um circa 30 Prozent gesunken sind. Kollegin Schumann von der Sozialdemokratie, es wäre ganz gut, auch das einmal in den Mund zu nehmen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Das sind dramatische Entwicklungen, die natürlich mit dem offenen Arbeitsmarkt zu tun haben und damit, dass unsere Dienstnehmer im Handel vor allem mit Leuten aus Nachbarstaaten und Fastnachbarstaaten, wo der Durchschnittslohn bei 500, 600, 700 Euro liegt, konkurrieren müssen und daher entweder verdrängt werden oder sich ständig sinkenden Reallöhnen stellen müssen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

All diese Dinge vermisse ich in der Debatte und natürlich in den Stellungnahmen der Regierung, und besonders schmerzlich vermisse ich sie in den Stellungnahmen der früheren Arbeitnehmerpartei Sozialdemokratische Partei Österreichs. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Danke!)

11.33


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile es ihm.



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 63

11.33.56

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei TOP 5, in dem wir uns mit dem KMU-Förderungsgesetz befassen, geht es darum, dass durch die Übernahme der Coronagarantien die dadurch erwor­benen Forderungen des AWS und der ÖHT auf die Cofag übertragen werden sollen. In der Regierungsvorlage werden als Ziel eine Restrukturierung einschließlich einer Stun­dung der Forderungen und eine einheitliche Vorgangsweise bei den Regressforderun­gen genannt.

Nun ist es zwar grundsätzlich sinnvoll, diese Forderungen einheitlich zu handhaben, zum Beispiel hinsichtlich Restrukturierung, Stundung oder Regressforderung. Allerdings erfordert das aus unserer Sicht nicht notwendigerweise die Übertragung dieser Forde­rungen an die Cofag, sondern könnte auch in der bereits bestehenden Struktur ein­heit­lich gesetzlich geregelt werden. Wir NEOS wollen aus den schon bekannten Gründen, die ich gleich im Detail ausführen werde, keine unnötige Lebensverlängerung bezie­hungs­weise Einzementierung der Blackbox Cofag. Dieser ständige Hang zu Parallel­strukturen soll endlich abgestellt werden.

Die Mängel im Detail: Die Abwicklung und Vergabe von Milliardenbeträgen über die Cofag erfolgt intransparent und außerhalb der parlamentarischen Kontrolle. Es ist unverständlich, warum wir im Parlament im Normalbetrieb wochenlang über staatliche Zahlungen von ein paar Millionen Euro diskutieren, im Falle der Cofag aber Milliarden­beträge ohne parlamentarische Kontrolle vergeben werden. (Beifall der Bundesrätin Kahofer.) Wir NEOS forderten daher schon zu Beginn der Krise gemeinsam mit Kolle­ginnen und Kollegen der anderen Oppositionsparteien die Schaffung eines eigenen Unteraus­schusses des Nationalrates zur parlamentarischen Kontrolle der Wirtschafts­hilfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt betrifft die Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen. Die Hilfen der Cofag werden nämlich auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags vergeben. Das bedeutet, es besteht kein Rechtsanspruch und es gibt auch keine Rechtsmittel für Unternehmen.

Der dritte Punkt bezieht sich auf die langsame Abwicklung und die fehlende Auskunft. Man hat mit der Cofag eine neue Struktur erschaffen, um dann erst recht wieder die Mitarbeiter der Finanz in Anspruch zu nehmen, weil die Cofag mit der Abwicklung immer neuer Hilfsinstrumente überfordert war. Im Ergebnis bringt das nur Nachteile für Unternehmen: eine längere Bearbeitungsdauer, weniger Rechtssicherheit und weniger Informationen.

Der nächste Punkt betrifft die Tatsache, dass die nahezu ausschließliche Abwicklung der Wirtschaftshilfen über externe Stellen wie die Cofag oder auch die WKO haus­haltsrechtlich problematisch ist, weil damit der Grundsatz der Transparenz und der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes – § 3 Bundeshaus­haltsgesetz – infrage gestellt wird. Dazu kommen Probleme beim Rechnungswesen. Während die Verrechnungssysteme des Bundes hinsichtlich des Public Financial Management State of the Art sind, ist das bei externen Abwicklern wie der Cofag oder auch dem Härtefallfonds bei der WKO nicht notwendigerweise gegeben. Dazu kommt die Intransparenz über den Bezug der Wirtschaftshilfen. Bis auf die Berichterstattung über den Budgetvollzug – das sind aggregierte Daten – kommt vonseiten der Regierung diesbezüglich nicht viel. Immerhin müssen geleistete Hilfszahlungen über 100 000 Euro von der Cofag gemeldet und in einer Datenbank der EU gespeichert werden. Ohne diese europäische Transparenzvorgabe würden wir wohl immer noch ziemlich im Dunkeln tappen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 64

Die ÖVP wendet gerne ein, dass es ja diesen Cofag-Beirat gibt und dass den Ab­geordneten der Opposition die Möglichkeit gegeben worden ist, selbst im Beirat zu sit­zen. Dieser kann jedoch, falls es eine einfache Mehrheit gibt, einen Beschluss des Aufsichts­rats höchstens für 48 Stunden verzögern. Darüber hinaus unterliegen sämtliche Infor­mationen, die ein Beiratsmitglied erhält, der Verschwiegenheitspflicht. Das bedeutet: Die Informationen dürfen gar nicht öffentlich gemacht werden. Eine Beiratszugehörigkeit wäre daher mit einem Abgeordnetenmandat nach Ansicht von uns NEOS unvereinbar.

Zuletzt noch zum zweiten Tagesordnungspunkt, der in der Debatte behandelt wird, dem Budgetbegleitgesetz. Das ist, wie wir schon gehört haben, wieder ein Sammelgesetz, das mehrere Punkte enthält, denen wir zustimmen würden beziehungsweise denen wir in zweiter Lesung im Nationalrat zugestimmt haben. Dazu gehören zum Beispiel die Kapitel Justiz oder Konsumentenschutz. Es enthält aber leider auch so schwerwiegende Punkte, die wir negativ beurteilen, dass wir dem Ganzen nicht zustimmen.

Eines möchte ich dabei herausgreifen, das ist der Bundeszuschuss, der ursprünglich nur an das Bundesland Niederösterreich gewährt werden sollte. Diese Jubiläumszuschüsse sind, wenn man sich deren historische Entwicklung anschaut, sehr willkürlich, man kann fast sagen, feudalistisch. Dem Land Salzburg wurde für 200 Jahre Zugehörigkeit von 1815 bis 2015 ein Zuschuss gewährt. Dem Land Burgenland wurde bereits für die 80-jährige, für die 85-jährige und für die 90-jährige Zugehörigkeit zu Österreich ein Zu­schuss gewährt, dem Land Kärnten ein Zuschuss für das 80-jährige, das 85-jährige und das 100-jährige Jubiläum der Volksabstimmung, dem Land Tirol 2009 ein Zuschuss für das 200-jährige Jubiläum der Erhebung im Jahr 1809. Das ist komplett inkonsistent. Manche Bundesländer bekommen überhaupt keine Bundeszuschüsse. Wenn schon solche gewährt werden, dann sollte das auf einer transparenten Grundlage erfolgen. – Vielen Dank.

11.39


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


11.39.56

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Frauenministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Ich bin stolz auf die Arbeit der grünen Justiz­ministerin und ich freue mich, dass ich schon fast in jeder Plenarsitzung hier zu etwas Neuem, das sie im Bereich des Gewaltschutzes auf den Weg gebracht hat, reden darf – danke dafür, vor allem jetzt in den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen! Ich freue mich auch, dass Kollegin Wolff von der ÖVP zu ähnlichen Themen wie ich – zum Gewalt­schutz, zu den Gewaltschutzmaßnahmen genauso wie zum Umweltförderungsgesetz – spricht.

Wir haben es schon gehört: Es geht darum, dass in gerichtlichen Wegweisungs­verfah­ren – also dort, wo es um die Verhängung von Vertretungs- und Annäherungsverboten geht – die RichterInnen von Amts wegen oder aber auch auf Antrag zusätzlich auch Gewaltpräventionstrainings vorschreiben. Das ist eine gute und logische Ergänzung dazu, dass auch die Polizei seit September den Gefährdern diese Maßnahme, diese Gewaltpräventionskurse vorschreiben kann. Das bedeutet, der Gefährder muss die Beratungsstelle innerhalb von fünf Tagen kontaktieren und er muss innerhalb von 14 Ta­gen eine erste Gewaltberatung durchführen. Tut er das nicht, dann wird er mit 2 500 Euro und im Wiederholungsfall mit 5 000 Euro bestraft, und das ist gut so. Das ist eine sehr gute Entwicklung in der Täterarbeit, weil wir zunehmend gewaltbereite Männer dazu bringen, endlich selbst etwas dagegen zu tun. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 65

Es scheint, wir – aber vielleicht nicht alle von uns – haben endlich kapiert, dass es nicht nur die Frauen sind, die schuld an der Gewalt sind, sondern erwachsene Männer, egal welcher Herkunft. Sie alle handeln aufgrund eines immer noch mörderischen, altvateri­schen und patriarchal geprägten Welt- und Geschlechterbildes, aber das darf für die Handelnden keine Ausrede sein. Der Blick muss auf die Verursacher von Gewalt ge­richtet sein, nicht mehr nur auf uns Frauen, von denen bisher die Verhaltensänderung verlangt wird. Man sagt immer: Stell dich doch auf eigene Beine! Lass dir das nicht gefallen! Mach einen Selbstverteidigungskurs! Zieh dich nicht so aufreizend an! Et ce­tera, et cetera.

Männer sind nun gefordert, aktiv etwas gegen ihr aggressives und gewaltvolles Verhal­ten zu tun. Sie werden dabei sogar professionell von Männerberatungsstellen unter­stützt – und das gratis. Dort werden überholte Männlichkeitsbilder thematisiert und das eigene Bild wird reflektiert. Dort können Bilder abseits vom starken Mann kreiert wer­den – und ich würde einmal behaupten, das würde auch hier so manchen Männern guttun –, und natürlich werden dort auch Antigewalttrainings gemacht. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Abschließend zu diesem Punkt möchte ich noch herausstreichen, was mir im Bereich Gewaltschutz aufgefallen ist. Verschiedene MinisterInnen schaffen es da, gut und ergänzend zusammenzuarbeiten. Die Justizministerin stärkt und erweitert die Instru­mente der RichterInnen gegen Gewalt. Der Innenminister stockt bei der Polizei auf und lässt die PolizistInnen besser schulen. Der Sozialminister schließlich stärkt die Männer­beratungsstellen – es läuft gerade eine österreichweite Kampagne zur Stärkung von Zivilcourage und zur Bekanntmachung von Männerberatung –, und Ausdruck findet das Ganze in den hoffentlich verstärkt einsetzenden Hochrisikofallkonferenzen. Ich möchte hier auch mein Danke für diese koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Minis­terIn­nen aussprechen.

Die SPÖ kritisiert in ihrem Entschließungsantrag die Budgetmittel, und da kann ich leider nicht umhin, Sie auch daran zu erinnern: Sie hätten schon vor Jahren während Ihrer Regierungsbeteiligung – in der langen Zeit, in der Sie die Frauenministerin stellten – mehr Geld dafür ansetzen können, dann wären wir auch heute schon viel weiter. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Trotzdem haben wir die höchste Steigerung im Frauenbudget seit jeher – Frau Kollegin Wolff hat es schon gesagt (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP) –, aber ja: Es braucht mehr Geld und noch stärkere Zusammenarbeit, und wir bleiben dran.

Nun etwas ganz anderes: ein paar Worte noch zum Umweltförderungsgesetz. Förde­rungen sind ein wichtiger Teil des Maßnahmenpakets der ökosozialen Steuerreform. Das Fördervolumen für die reguläre Umweltförderung wurde um ein Drittel erhöht und beträgt 710 Millionen Euro bis 2025.

Das Fördervolumen für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors – das heißt: „raus aus Öl und Gas“ und Sanierungsoffensive zur Senkung des Energiebedarfs – wird in den nächsten zwei Jahren auch um 150 Millionen auf 800 Millionen Euro aufgestockt und beträgt 1,14 Milliarden Euro für 2023 bis 2025. Das sind insgesamt 2 Milliarden Euro für den Heizkesseltausch und für die thermische Sanierung.

Es ist aber auch eine ökosoziale Lenkungsmaßnahme, daher gehen zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte beim Umstieg auf klimafreundliche Heizung und bei der thermischen Sanierung 330 Millionen Euro bis 2025 an die Länder. Das sind in dieser Regierungsperiode allein im Umweltförderungsgesetz 3 Milliarden Euro Fördergelder für die Verringerung von umweltschädlichen Emissionen mit dem Ziel der Dekarbonisierung des gesamten Wirtschaftssystems – aber immer unter der Prämisse des sozialen Aus­gleichs.


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Das alles wird signifikante Auswirkungen auf die Reduktion der Treibhausgasemissionen haben, aber es wird auch immens positive Effekte auf die Volkswirtschaft haben, denn mittels Förderungen investiert der Staat in die Wirtschaftsbelebung, in Aufträge und Arbeit, und das Geld, das investiert wurde, kommt durch die verschiedensten Steuer­einnahmen wieder zurück und kann damit wieder der Allgemeinheit und der Verteilungs­gerechtigkeit zugutekommen. Beides im Auge zu behalten – Klimaschutz und Wirt­schaftsförderung – ist genau der richtige Weg, und ich bin versucht zu sagen: das Beste aus beiden Welten.

Ein Satz noch zum VKI: Ja, er ist eine wichtige Institution, und daher läuft gerade eine Evaluierung die Finanzierung betreffend, die Ende des Jahres abgeschlossen sein wird, und daher wird es im Frühjahr eine Entscheidung darüber geben, wie eine mittel- beziehungsweise langfristige Finanzierung aussehen könnte. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

11.47


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


11.47.13

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Hübner hat mich zu dieser spontanen Wortmeldung veranlasst, weil Sie in Ihrer Rede bewiesen haben, dass Sie einfach nichts verstanden haben, aber wirklich nichts! (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

30 Frauenmorde in Österreich allein in diesem Jahr müssten auch bei Ihnen die Alarm­glocken läuten lassen (Zwischenruf des Bundesrates Bernard), und gerade wenn man sich auch die Hintergründe dieser Taten ansieht, erkennt man, dass alle ein gleiches Bild zeichnen: Die Ursache sind patriarchale Strukturen. Diese Frauen wurden ermordet, weil sie Frauen sind, weil sie als Eigentum ihrer Männer, Lebensgefährten, was auch immer, erachtet, angesehen wurden. Das war der Grund, dass diese Frauen ihr Leben verloren haben. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, aber man kann nicht einfach sagen: Männer sind schlecht!)

Die gefährlichste Zeit für Frauen ist die Zeit der Trennungsphase, wenn sie sich aus einer – sagen wir einmal – toxischen Beziehung, wie das so oft genannt wird, lösen wollen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Man kann nicht pauschal sagen: Männer sind schlecht!) Das ist die gefährlichste Zeit, und da müssen alle Maßnahmen gesetzt wer­den, damit solche Gewalthandlungen nicht passieren. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Diese Morde sind nur die Spitze des Eisberges. Wenn wir uns die vielen Statistiken, auch der Gewaltschutzzentren, ansehen – schauen Sie sich die alljährliche Berichts­legung der Gewaltschutzzentren in den Bundesländern an, das ist wirklich eine lesens­werte Lektüre! –, dann erkennen wir, dass sich ein ganz klares Bild abzeichnet: dass es viele, viele Gewalthandlungen gibt und dass diese Morde, wie gesagt, die Spitze des Eisberges sind, aber dass alle eine Vorgeschichte haben. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Die meisten haben eine Vorgeschichte, und, wie gesagt, es steht dahinter ein patriarchalisches Familienbild, ein patriarchalisches Gesellschaftsbild.

Da kann man nur mit Prävention wirken, und deshalb braucht es da auch mehr Mittel. Man muss bei den Gewaltbeziehungen genauer hinschauen, die Zivilcourage stärken, und man muss die Betroffenen stärken, sich auch Hilfe zu holen. Man muss die Frauen stärken und ermutigen, sich zu wehren, aber auch die Männer brauchen entsprechende


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Hilfe, wenn sie in schwierigen, belastenden Lebenssituationen sind, und auch die Män­ner müssen ermutigt werden, sich helfen zu lassen.

Deshalb muss auch die Männerberatung dringend gestärkt werden, nicht nur im Akutfall, sondern auch im Präventivfall, damit Männer in schwierigen Lebenssituationen sich auch trauen, sich an Anlaufstellen zu wenden. Wir haben sehr gute Einrichtungen in Öster­reich, die aber allesamt über Geldmangel klagen, weil sie dem großen Bedarf einfach nicht nachkommen können. (Bundesrat Hübner: Wer in Österreich klagt nicht über Geldmangel?) Männern dabei zu helfen, das patriarchale Gesellschaftsbild zu verlassen und sich einer kooperativen Konfliktlösung anzunähern, das sind Maßnahmen, die von der Politik unterstützt werden müssen, und dafür braucht es, wie gesagt, Geld.

Im Akutfall müssen die Opfer entsprechend unterstützt werden, man kann sie nicht allein lassen. Annäherungs- und Betretungsverbote sind dafür wichtige Instrumente. Sie wur­den von sozialdemokratischen Ministerinnen eingeführt und sind ganz, ganz wichtig, es braucht aber natürlich auch entsprechende Begleitmaßnahmen. Wird ein Betretungs- oder Annäherungsverbot ausgesprochen, so muss natürlich auch dessen Einhaltung kontrolliert werden, das Opfer muss entsprechend geschützt werden und natürlich muss darauf geachtet werden, dass der mutmaßliche Täter die entsprechenden Trainings wahrnimmt. Es braucht außerdem Folgeberatungen. Man kann Menschen in einer solch schwierigen Lebenssituation nicht allein lassen.

Dass Sie hier pauschal alles infrage stellen, was bisher eigentlich schon Common Sense war, das wirft, das katapultiert uns zurück. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Man darf aber auch nicht pauschal alle Männer verurteilen!) Das ist, würde ich sagen, ein zivilisato­rischer Rückschritt, gegen den man sich zur Wehr setzen muss. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Das hat mich dazu veranlasst, herauszukommen und das Wort zu ergreifen.

Es sind einige weitere Schritte gesetzt worden, die zu begrüßen sind. Das zeigt, dass es ein laufender Prozess der Weiterentwicklung ist und dass man niemals stehen bleibt. Wir in Österreich haben das traurige Alleinstellungsmerkmal – im europäischen Ver­gleich, ja sogar im weltweiten Vergleich –, dass wir mehr Frauenmorde als Morde an Männern zu beklagen haben. Jeder Mord ist dramatisch, aber bei diesem Alleinstel­lungs­merkmal Österreichs gilt es genauestens hinzuschauen.

Ja, es werden bereits Maßnahmen gesetzt. Bei genauerem Hinsehen merkt man aber, dass das vor allem in den Ländern durch die jeweils politisch Verantwortlichen passiert. In der Steiermark haben wir für Gewaltopfer beispielsweise einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe, auch auf Unterbringung in einem Frauenhaus. Diesbezüglich müssen die entsprechenden Kapazitäten österreichweit ausgeweitet werden. In einigen Bundes­ländern gibt es da immer noch große Probleme. Wien schreitet da positiv voran und weitet das Platzangebot in Frauenhäusern stetig bedarfsgerecht aus. Das ist ganz, ganz wichtig.

In der Steiermark haben wir – auch das ist, denke ich, für alle Bundesländer nachah­menswert – regionale Notwohnungen eingerichtet, weil es eben nicht sein kann, dass Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind, ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen. Die Kinder müssten sonst eventuell aus der Schule genommen werden und würden ihren gesamten Freundeskreis verlieren. Die Familie würde noch weiter stigma­tisiert. Daher sind wir in der Steiermark dazu übergegangen, in den Bezirken und in den Regionen Notwohnungen einzurichten, von denen immer welche frei sein sollten. Dabei wird auch mit Genossenschaften zusammengearbeitet, damit im Bedarfsfall rasch und unbürokratisch eine Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden kann.


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Ich würde Sie bitten, auch in Ihren Bundesländern darauf zu schauen, dass das realisiert wird. Ich glaube oder ich hoffe ja doch – Sie tragen ja heute auch den entsprechenden Sticker, und das verbindet uns ja alle –, dass wir alle gegen Gewalt auftreten. Als Bun­desrat sollten wir ein geschlossenes Zeichen nach außen, in Richtung der Bevölkerung setzen. (Bundesrat Spanring: Ich bin froh, dass die moralische Überlegenheit der SPÖ uns sagt, was wir machen müssen!) Und das sollten wir nicht nur mit dieser Plakette tun, sondern mit unseren Redebeiträgen und vor allem mit unseren Handlungen. – In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.54


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Mag. Gernot Blümel. – Bitte, Herr Finanzminister.


11.55.18

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem einige Male das Budget beziehungsweise die Hilfsmaßnahmen und das Budgetbegleitgesetz angesprochen worden sind, darf ich kurz einige Worte dazu sagen.

Mit dem Budget, das wir vorgelegt haben und wovon natürlich auch die Budgetbegleit­gesetze ein Teil sind, haben wir zunächst einmal versucht, die ökosoziale Steuerreform abzubilden. Dabei haben wir vier Ziele verfolgt: erstens: arbeitende Menschen zu ent­lasten; zweitens: umweltschädlichem Verhalten einen Preis zu geben; drittens: Unter­nehmen besser in die Lage zu versetzen, in einem herausfordernden globalen und euro­päischen Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben; und viertens: die Staatsschuldenquote Österreichs Schritt für Schritt zurückzuführen.

Gerade der letzte Punkt ist, glaube ich, sehr wichtig im Hinblick darauf, wie oft es in den letzten zwölf Jahren zu globalen Wirtschaftskrisen gekommen ist. Während dieser war es immer notwendig, genügend fiskalischen Spielraum zu haben, um ausreichend helfen zu können. Und das tun wir natürlich auch mit diesem Budget. Zum Zeitpunkt der Erstellung waren die derzeitigen Schließmaßnahmen noch nicht absehbar, wir haben aber trotzdem schon dafür Vorsorge getroffen, dass wir, sollte es zu Schließmaßnahmen kommen, wieder Wirtschaftshilfen auszahlen können.

Wir haben bis zu 5 Milliarden Euro dafür vorgesehen, um das im nächsten Jahr auch zu tun. Heute haben wir uns auf die entsprechende Richtlinie für die Monate November und Dezember geeinigt. Das sind wichtige Monate für viele Unternehmen in Österreich, gerade im Handel, aber auch in der Gastronomie, und wir werden diese Unternehmen nicht im Stich lassen. Wir hoffen natürlich, dass die Schließmaßnahmen von sehr kurzer Dauer sind, nicht nur, damit weniger Wirtschaftshilfen fließen müssen, sondern auch, damit das Wachstum, das für nächstes Jahr so positiv prognostiziert war, auch positiv bleibt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.57

11.57.14


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2021 betreffend ein Budgetbegleitgesetz 2022.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 69

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Umfassender Gewaltschutz“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Dauerhafte Finanzierung des VKI“ vor. Ich las­se über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.59.47 6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über Pfandbriefe (Pfandbriefgesetz – PfandBG) erlassen wird und das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Betrieb­liche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Hypo­thekar- und Immobilienkreditgesetz, die Insolvenzordnung, das Insolvenz­rechtseinführungsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz geändert werden (1029 d.B. und 1145 d.B. sowie 10768/BR d.B. und 10775/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Referenzwerte-Vollzugsgesetz geändert werden (1100 d.B. und 1146 d.B. sowie 10776/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Normverbrauchsabgabegesetz geändert wird (2009/A und 1147 d.B. sowie 10777/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 70

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Abänderung des am 22. September 2003 in Abu Dhabi unterzeichneten Abkom­mens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (1030 d.B. und 1148 d.B. sowie 10778/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Zweites Pro­tokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unterzeichneten Abkom­mens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 28. Mai 2001 in Seoul unterzeichneten Protokolls (960 d.B. und 1149 d.B. sowie 10779/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 6 bis 10, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 6 bis 10 der Tagesordnung ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um die Berichte. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)


12.01.53

Berichterstatter Otto Auer: Herr Vorsitzender! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Pfandbriefe (Pfandbriefgesetz – PfandBG) er­lassen wird und das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Betriebliche Mit­arbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerent­schädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz, die Insolvenzordnung, das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz geändert werden.

Die Unterlagen dazu liegen Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Referenzwerte-Vollzugsgesetz geändert werden.

Die Unterlagen dazu haben Sie erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Normverbrauchsabgabegesetz geän­dert wird.

Die Unterlagen dazu haben Sie auch erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 71

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht zu Punkt 9 der Tagesordnung: Beschluss des National­rates vom 19. November 2021 betreffend ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Abänderung des am 22. September 2003 in Abu Dhabi unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen.

Dazu haben Sie die Unterlagen ebenfalls erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Zweites Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 28. Mai 2001 in Seoul unterzeichneten Protokolls.

Auch dazu haben Sie die Unterlagen erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.


12.06.09

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Da wir ja alle bei den zum Beschluss anstehenden Punkten im Bankenwesen bestens bewandert sind, möchte ich mich in meinem Beitrag auf die Tagesordnungspunkte 6 und 7 konzentrieren und dazu die Begründung unserer Ablehnung näher erörtern.

Zur Änderung des Normverbrauchsabgabegesetzes darf ich zuvor feststellen, dass die geplante Fristerstreckung vom 1.11.2021 auf den 1. Mai 2022 aufgrund der Liefer- und Produktionsengpässe sehr sinnvoll erscheint und daher unsere Zustimmung erhält.

Nun zurück zu Tagesordnungspunkt 6, den angesprochenen Bankengesetzen: Aufgrund der EU-Richtlinie und der Verordnung zur unionsweit einheitlichen Regelung von gedeck­ten Schuldverschreibungen, sogenannten Covered Bonds, werden die im nationalen Rechts­stand in unterschiedlichen Gesetzen stehenden Bestimmungen im neuen Pfandbrief­ge­setz zusammengefasst. Obsolet werden somit Regelungen im Hypothekenbankgesetz,


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 72

im Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten und dem Gesetz betreffend fundierte Bankschuldverschrei­bungen.

Nun zum Grund unserer Ablehnung: Wie auch schon von der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft kritisiert, werden wieder einmal die Klein- und Kleinstanleger nicht aus­reichend geschützt, nicht so ausreichend, wie es eigentlich möglich gewesen wäre. Im Detail wird bei der Mindestübersicherungsquote nur ein Ansatz von 2 Prozent bestimmt, wobei dieser mindestens 5 Prozent hätte ausmachen sollen.

Zu Tagesordnungspunkt 7 ist anzumerken, dass das Vorhaben zwei Hauptmaßnahmen umfasst: Einerseits soll der grenzüberschreitende Vertrieb von Investmentfonds weiter erleichtert werden, andererseits wird durch die Änderung der Referenzwerte-Verordnung der EU und deren Anpassung an die nachhaltigkeitsbezogene Offenlegung in Bezug auf den Klimawandel eine Begleitgesetzgebung zur korrespondierenden EU-Verordnung notwendig.

Die Novellierung der Artikel 2 bis 11 ist einigermaßen minimalinvasiv. Im Insolvenz­rechtsteil entfallen Bestimmungen, die ins Pfandbriefgesetz übernommen werden, an­sonsten werden Verweise auf die neuen Gesetze vorgenommen.

In der Kritik der Arbeiterkammer wesentlich ist § 11 des Immobilien-Investment­fonds­gesetzes. Beim Immobilieninvestmentfonds ergibt sich das Problem, dass es strukturelle Liquiditätsinkongruenzen zwischen täglicher Anteilsrückgabe und der letztlich illiquiden Vermögenswerte von Immobilien geben muss. Das Gesetz sieht dafür vor, dass der Anteilsscheininhaber eine einjährige Rückeinlösefrist einhalten muss. Die Arbeiterkam­mer meint, dass hier eine Betragsstaffelung sinnvoll wäre: Alle ab 100 000 Euro hätten eine Einjahresfrist einzuhalten, Kleinanleger unter dieser Schwelle hätten keine Rück­einlösefrist. Somit könnte die Liquiditätsplanung der Fonds aufrechterhalten werden, und die Kleinanleger würden dadurch nicht in deutlich riskantere Fondsprodukte gedrängt werden. Zudem werden in den Übergangsbestimmungen zwar die Anleger von der An­wendung der neuen Bestimmung informiert, es fehlt aber die Anlegerinformation über die Ausstiegsmöglichkeiten.

Aufgrund der ausgeführten Einwände stimmen wir daher den beiden genannten Tages­ord­nungspunkten nicht zu. (Beifall bei der SPÖ.)

12.10


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich erteile ihr dieses.


12.10.24

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zusehe­rinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Die Tagesordnungspunkte 6 bis 10 werden unter einem verhandelt. Kollege Appé hat ja jetzt schon einiges ausgeführt. Ich möchte mich auch auf den Tagesordnungspunkt 6, auf die Gesetzesänderungen bei den Pfandbriefen, konzentrieren. Dabei handelt es sich um Gesetzesbereinigungen und An­passungen an EU-Regeln, also um Richtlinienumsetzungen. Zusätzlich zu den Anpas­sungen an EU-Richtlinien werden wir die in verschiedenen Gesetzen enthaltenen Rege­lungen vereinheitlichen.

Das Pfandbriefgesetz sieht im Wesentlichen die Etablierung einer einheitlichen Defini­tion im gesamten europäischen Raum vor, um für hohe Qualität und Sicherheit zu sor­gen. Die Schuldverschreibungen sollen den einschlägigen Aufsichtsanforderungen ent­sprechen, gleichzeitig wird aber auch auf existierende nationale Regelungen Bedacht


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genommen werden. Es werden alle Kreditinstitute eine Berechtigung zur Emission ge­deckter Schuldverschreibungen erlangen können. Um Rechtssicherheit zu gewährleis­ten, sollen die Deckungswerte einheitlich geregelt werden. Grenzüberschreitender Ver­trieb von Pfandbriefen wird durch die Umsetzung des europäischen Rahmens ermöglicht werden.

Es sollen im Interesse der Banken und natürlich auch der Kunden unnötige Kosten ver­mieden und damit weiterhin günstige Finanzierungen gesichert werden. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, meine Damen und Herren, weil diese Gelder als kostengünstige Kredite für den privaten und gemeinnützigen Wohnbau verwendet werden.

Von der FMA, den Banken und der Nationalbank, also von den Stakeholdern, wurde der Gesetzentwurf sehr begrüßt, insbesondere weil dadurch die österreichischen Banken einheitlichen Rechtsgrundlagen unterliegen würden.

Um die soeben ausgeführten Ziele zu erreichen, soll das neue Pfandbriefgesetz ge­nehmigt werden. Das wäre sehr wichtig. Ich ersuche Sie deshalb namens meiner Frak­tion um Zustimmung zum neuen Pfandbriefgesetz.

Des Weiteren soll mit den vorliegenden Gesetzen Folgendes beschlossen werden: Es geht um neue Regeln für Investmentfonds. Die Erhöhung der NoVA für bereits bestellte Fahrzeuge wird aufgrund bestehender Lieferengpässe auf Mai 2022 verschoben. Zu­dem geht es um zwei Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Österreich und Korea. Konkret geht es um das Gebiet der Steuern vom Einkommen. Um den OECD-Standards zu entsprechen und Missbrauch vorzubeugen, soll es zu den notwendigen Änderungen kommen.

Bevor ich meine Ausführungen schließe, möchte ich mich noch bei Ihnen, Herr Finanz­minister, für die Vorlage des Budgets 2022, welches ja bereits im Plenum des National­rates beschlossen wurde, und damit für die ökosoziale Steuerreform bedanken.

Ein ganz großartiger, essenzieller Punkt bei der Steuerreform ist die Entlastung der Fa­milien. Da möchte ich als großes, wirksames Beispiel den Familienbonus nennen. Dieser wird, wenn er beschlossen wird, von 1 500 Euro auf 2 000 Euro erhöht. Der kleine Familienbonus wird auf 500 Euro erhöht. Dies bedeutet, dass den Familien aus diesem Titel tatsächlich bis zu 2 000 Euro beziehungsweise bis zu 500 Euro pro Jahr und pro Kind mehr im Geldbörsl bleiben werden.

Der Kindermehrbetrag wird ausgeweitet. Er soll zukünftig auch für Ehepartnerschaften zu­stehen, die wenig oder keine Steuern zahlen, also für die Bezieher niedriger Einkom­men.

Die Krankenversicherungsbeiträge werden für Einkommen bis zu einer gewissen Höhe gesenkt. Zudem werden, um noch ein Beispiel zu nennen, die zweite und dritte Lohn­steuer­stufe gesenkt, was vor allem in den unteren und mittleren Einkommensbereich hinein wirkt.

Das bedeutet – zusammengefasst – eine spürbare Entlastung für die Familien sowie für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

12.15


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm die­ses.


12.15.39

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich werde mich nur zu den Tagesord­nungs­punkten 6 und 7, also Immobilien-Investmentfondsgesetz, Investmentfondsgesetz und


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Pfandbriefgesetz, äußern. Bei diesen zwei Gesetzesvorhaben haben wir Probleme und werden die Zustimmung verweigern, dies aus folgenden Gründen.

Zuerst zum Investmentfondsgesetz, also zum Immobilien-Investmentfondsgesetz in erster Linie: Die Änderungen, die gemacht worden sind, sind durchaus sachgerecht, und eine Vereinheitlichung auf übernationaler Ebene ist durchaus zu begrüßen. Allerdings ist eines nicht zu begrüßen: Die jetzige Änderung – vor allem sind das die §§ 11 und 12 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes – sieht vor, dass für alle Anleger, auch für Kleinstanleger, eine Behaltefrist eingeführt wird, und zwar in doppelter Weise. Auf der einen Seite muss man, wenn man seinen Anteil zurückgeben will, erklären, dass man ihn schon zwölf Monate lang besessen hat – es gibt also eine Verkaufssperre von zwölf Monaten –, und zweitens hat der Immobilienfonds oder dessen Verwalter danach zwölf Monate Zeit, den Anteil einzulösen, sprich auszuzahlen. Das heißt, der Anleger hat eine Mindestbehaltefrist von insgesamt 24 Monaten, im besten Fall, wenn er alles super erledigt und alle Fristen einhält. Das macht für den Klein- und Kleinstanleger die Invest­mentfondsbeteiligung wenig attraktiv, denn die Leute, die keine großen finanziellen Reserven haben und die damit rechnen müssen, dass irgendetwas passieren kann, etwa ein Autounfall oder eine Erkrankung, müssen fungible, also handelbare Instrumente haben, und da scheidet der Investmentfonds faktisch aus.

Eine Beschränkung bei Großanlegern ist natürlich durchaus sachgerecht, weil einem Fonds nicht über Nacht die Liquidität entzogen werden kann und soll. Bisher war es ja so, dass man ab 750 000 Euro Behaltefristen gehabt hat. Das fällt jetzt, und das ist etwas, das meiner Ansicht nach die Novelle für uns nicht mehr zustimmungsfähig macht.

Das Zweite ist das Pfandbriefgesetz. Bei den Pfandbriefen gibt es generell folgende Problematik: Es gibt eine konstante Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die ja durchaus im internationalen Gleichklang mit anderen Zentralbanken ist (Bundesrat Schennach: Eben!), aber bei uns ist das besonders ausgeprägt. (Bundesrat Schennach: In den USA!) – Die ist lange nicht so scharf wie in der Europäischen Union. Also unsere Nullzinspolitik liegt um 0,6 bis 0,7 Prozent unter der ohnehin restriktiven der USA. Das heißt, es gibt ohnehin eine massive Enteignung aller Sparer, aller Pensionsvorsorge­bezieher und dergleichen, eine Enteignung, die sich derzeit bereits auf fast 5 Prozent pro Jahr beläuft. Das ist also eine beträchtliche Enteignung.

Angesichts dieser Marktlage ist das Pfandbriefesystem ohnehin extrem unattraktiv geworden. Die Banken haben keinen oder sehr wenig Bedarf an Geldaufnahmen mittels emittierten Pfandbriefen, weil sie auf der einen Seite das Geld gratis von der EZB bekommen können und auf der anderen Seite auf vorhandene Einlagen keine Zinsen zahlen oder bei größeren Guthaben sogar Strafzinsen einheben.

Jetzt müsste man das Instrument zumindest ein bisschen entbürokratisieren und leichter handhabbar machen. Das tut man entgegen den Ankündigungen nicht. Man behält vor allem das sehr komplexe, aufwendige und teure Treuhändersystem. Es müssen interne und externe Treuhänder alles laufend kontrollieren. Die müssen – wie auch der Kredit­nehmer – sogar der Aufnahme in das Sicherheitenregister zustimmen. Das sind Dinge, die dem Kreditnehmer nichts bringen, weil er das ohnehin automatisch im Vordruck seines Kredites tun muss. Das nimmt er gar nicht zur Kenntnis, das kann er nicht ver­handeln. Also da ist eine Sicherheit nicht gegeben, und für den Kreditnehmer ist es völlig egal, ob er in dieses Verzeichnis der Sicherheiten aufgenommen wird oder nicht, und genauso bringt die Zustimmung des Treuhänders nichts.

Die enge Kontrolle, der die Banken schon derzeit auf europäischer und nationaler Ebene unterliegen, macht all diese Regelungen, die aus einer Zeit stammen, in der von Re-


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gulierungen im heutigen Sinn nicht in Ansätzen die Rede war, überflüssig. Deshalb wer­den wir auch hier der Novelle die Zustimmung verweigern, da mit diesem Treuhänder- und Zustimmungssystem zu rein formalen Schritten die Hürde für die Ausgabe von Pfandbriefen weiter erhöht und dieses Instrument unattraktiv gemacht wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.20


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


12.20.50

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde zum Pfandbriefgesetz und auch zum Immobilien-Investmentfondsgesetz sprechen.

Zum Pfandbriefgesetz wurde schon sehr viel gesagt, vielleicht nur ganz kurz zur Erklä­rung, was Pfandbriefe, also gedeckte Schuldverschreibungen, eigentlich sind. Sie sind mit etwas Besonderem, nämlich mit Immobilien oder Förderungen der öffentlichen Hand oder der Zentralbank, gesicherte Darlehen. Natürlich ist es hier sehr wichtig – Herr Kol­lege Hübner hat gesagt, das sei egal, aber ich sehe das nicht so, dass es egal ist –, dass es der Zustimmung der KreditnehmerInnen bedarf, wenn mit diesen gesicherten Dar­lehen von den Banken gehandelt wird. Ein wichtiger Punkt dabei ist auch, dass mit der Zustimmung im Insolvenzfall der Bank auch auf eine Aufrechnung mit Forderungen gegen diese Bank verzichtet wird. Und das ist, glaube ich, heute gerade ein heikler und wichtiger Punkt.

Zum Immobilien-Investmentfondsgesetz: Hier geht es darum – wir haben es auch schon von Kollegen Hübner gehört –, dass die Behaltefrist ein Jahr sein muss und dann nur zu bestimmten Terminen verkauft werden kann. Das macht unserer Meinung nach auch Sinn. Warum? In den letzten Jahren zeigte sich, dass Schwierigkeiten bei der Aus­zah­lung an AnlegerInnen vorhanden waren, wenn diese sehr kurzfristig veranlagt haben, das heißt, ihre Anlage im Immobilieninvestmentfonds wieder schnell verkauft haben. Dabei kam es zu sogenannten – man lernt nie aus –  Liquiditätsinkongruenzen, das heißt, man konnte nicht auszahlen.

Der Grund liegt darin, dass Immobilien ein eher schwerfälliges Anlageobjekt sind. Wir brauchen nur alle daran zu denken, wie lange es dauert, ein Immobiliengeschäft abzu­wickeln, oft mehrere Wochen. Daher braucht es hier eine Regelung, die langfristige Investitionen unterstützt. Mit dieser Behaltefrist und den Auszahlungszeiten soll die Plan­barkeit der FondsmanagerInnen verbessert und damit das Immobilieninvestment­ge­schäft auch stabiler werden, was schließlich auch eine Sicherheit für die AnlegerInnen bedeutet.

Betrachte ich das Ganze aber nun ein bisschen mehr gesellschaftspolitisch, gebe ich den KritikerInnen recht: Spekulation mit Wohnimmobilien ist immer problematisch, vor allem, wenn man bedenkt, dass Wohnen ein Grundrecht ist und im Rahmen der Da­seinsvorsorge ganz genau darauf geschaut werden muss, dass Wohnimmobilien nicht zur reinen Finanzware werden, sondern genügend Wohnraum zur Verfügung steht, um leistbar zu bleiben. Und da muss man auch immer auf Nachfrage und Angebot schauen. Der Trend geht heute leider in Richtung mehr Spekulation mit dem sogenannten Beton­gold, wie Immobilien auch genannt werden, das aufgrund seiner starken Wertsteigerun­gen gerade in Krisenzeiten eine sichere Anlage und damit auch eine immer beliebtere Finanzware ist.


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Das Problem dabei ist, dass diese Wertsteigerungen allein schon reichen und man diese Wohnimmobilien gar nicht mehr vermieten muss. Das heißt, Wohnungen werden auch in Wien verstärkt gebaut, sie werden auch verkauft, aber sie werden nicht mehr ver­mietet, und damit wird die Nachfrage natürlich höher, die Mietwohnungen werden teuer und die Versorgung mit leistbarem Wohnraum wird schwieriger. Das ist in Österreich glücklicherweise noch im Anfangsstadium, aber durchaus schon erkannt, in anderen Städten wie zum Beispiel in London ein größeres Problem. Da gibt es aber auch einen – vielleicht kleinen – Lösungsschritt, etwas, was wir Grüne schon lange fordern: eine Leer­standsabgabe, aber dazu hoffentlich ein anderes Mal oder an einem anderen Ort wie zum Beispiel in Wien. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.25


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort. – Ich erteile ihm dieses.


12.25.25

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Auch ich spreche nicht zu allen Punkten, sondern nur zu jenen be­treffend Doppelbesteuerung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Republik Korea. Das ist völkerrechtlich gesehen eines der vielen Abkommen, die wir im Bereich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung haben. Es handelt sich hier immer um einen OECD-Mustertext und die letzte Textform ist aus 2017. Schade ist, dass die USA ihrerseits eigene Formblätter für diesen Text auflegen.

Die Vermeidung der Doppelbesteuerung gilt sowohl für natürliche als auch für juristische Personen. Man muss immer von zwei verschiedenen Dingen ausgehen, einerseits dem Wohnsitzland, andererseits dem Welteinkommen. Und dann stellt sich die Frage nach der Quelle des Einkommens, da gibt es dann die kleine und die große Quellensteuer. Da gerade Frau Kollegin Gitschthaler hereingekommen ist: Wenn zum Beispiel ein Musi­ker in Salzburg auftritt, muss er sich entscheiden, unterwirft er sich der kleinen oder der großen Quellensteuer. Normalerweise wird er, wenn er in Österreich unter 100 000 Euro verdient, sich eher der kleinen unterziehen, wenn er mehr verdient, der großen, mit der kön­nen dann nämlich Dinge gegenverrechnet werden, um die Steuer zu reduzieren. Und das Gute ist: Wenn der Musiker oder die Musikerin jetzt in Salzburg auftritt, eine Quel­len­steuer abliefert, dann kann er oder sie das im jeweiligen Heimatland gegen die dortige Steuer anrechnen, kann sagen, ich habe in Salzburg 2 000 Euro Steuer gezahlt und bezahle jetzt in Frankfurt um 2 000 Euro weniger. Das ist der Sinn und Zweck der Quel­lensteuer.

Wir sind sehr dafür, dass wir diese Formen der Vermeidung der Doppelbesteuerung haben, da wir ja auch nicht wollen, dass Einkommen und Einkünfte verschoben, ver­schleiert werden, denn es ist ein Prinzip, dass man, wenn man etwas verdient, egal, ob als juristische oder als natürliche Person, auch seine Steuer zu zahlen hat und nicht Gewinne und Einnahmen verschieben kann, damit diese nicht unter eine Besteuerung fallen. Es soll natürlich auch niemand doppelt besteuert werden, daher heißt es ja auch: zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. – Diesen Abkommen stimmen wir natürlich zu, so, wie wir diesen Abkommen immer zugestimmt haben.

Zum Schluss darf ich mich als Parlamentarier vielleicht mit einer Frage an den Herrn Minister wenden – wobei ich eher annehme, dass Sie auf diese Frage nicht eingehen werden. Aber Sie wurden in der „ZIB“ gefragt, ob Sie sich aus der Politik zurückziehen, da das türkise Projekt, an dem Sie von Beginn an beteiligt waren, heute mit dem Rückzug und dem Ausscheiden von Sebastian Kurz aus der Politik ja quasi gescheitert ist. Ihre Antwort war hier nicht eindeutig. Das wäre nun eine parlamentarische Möglichkeit – wir


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sind hier nicht der ORF –, uns, die wir hier gerade wichtige Materien mit Ihnen disku­tieren, diese Antwort zu geben, die Sie so eindeutig im Sinne von Ja oder Nein dem ORF nicht gegeben haben. Das wäre zumindest auch ein gewisser Respekt vor dem Parla­mentarismus. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster ist Herr Bundesrat Michael Bernard zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


12.29.58

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsident! Herr Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Als einen kleinen Sonnenstrahl im Belastungsurwald unter dem Motto: Wer das Kleine nicht ehrt, ist das Große nicht wert!, sehe ich die Verlängerung der alten NoVA-Regelung für – wohlgemerkt nach heftiger Diskussion – alle Fahrzeuge bis 1. Mai 2022, deren Kaufverträge vor dem 1.6.2021 abgeschlossen wurden. Warum die heftige Diskussion? – Auch heute steht noch auf der Parlamentshomepage unter der Num­mer 1216 vom 3.11.2021 – ich zitiere –: „Wegen Lieferengpässen soll die beschlossene Erhöhung der Normverbrauchsabgabe [...] für Nutzfahrzeuge erst im Mai 2022 erfolgen [...].“

Nun zu der schlechtesten – von spürbarem Hass gegen alle Personen, die auf ein Kraft­fahrzeug angewiesen sind, geprägten – Ministerin, zuständig für Umwelt, Energie und Verkehr. Bevor ich zu meinen zwei Anträgen komme, ein paar Worte zur besseren Verständlichkeit Richtung ÖVP: Man soll sich vorher überlegen, mit wem man sich ins Bett legt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Vergleich: Es gibt nicht teilschwanger, es gibt nur schwanger oder nicht schwanger. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Oder noch verständlicher: Wenn man den Grünen das Ver­kehrsministerium überlässt, ist das so, wie wenn man einen Hund auf die Knackwurst aufpassen lässt und sich nachher wundert. (Beifall bei der FPÖ.)

Den Grünen das Verkehrsministerium zu überlassen, ist, ohne diskriminierend zu sein, so, wie wenn zwei gleichgeschlechtliche Partner nach einem veganen Essen, abge­stiegen vom Bergkogel, mit einem Geschmack nach Schalen im Mund, hammermäßig zugedröhnt, während des Geschlechtsverkehrs kurz gestochen von einer Mücke, mit Blümchen im Bett, glauben, etwas für den Familienzuwachs getan zu haben. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Hallo?!)

Als Freiheitlicher, als Österreicher, als fünffacher Familienvater, als sechsfacher Groß­vater fordere ich Sie auf – um im Impfjargon zu bleiben –, aufzuhören, sich anscheinend gegenseitig irgendetwas zu spritzen, das Ihre Sinne verwirrt! (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Hallo?!) Treten Sie nicht nur zur Seite, treten Sie ab, unterziehen Sie sich einer Entziehungskur! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Hallo?! – Weitere Zwi­schenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

So viel zur aktuellen Debatte. Zuerst lässt sich die ÖVP mit dem ideologischen Auto­fahrerhass impfen und nachher wundert sie sich, dass mit einem Schlag der Fortschritt und die Entwicklung, zum Beispiel in der Ostregion, verhindert werden. Im Niederöster­reichischen Landtag gaukelt sie vor, die Verkehrsprojekte zu retten, und im Bund sitzen sie beim Leichenschmaus zusammen mit dem einzigen Ziel, den Mittelstand auszu­rotten. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 78

Wir Niederösterreicher sind diesen ÖVP-Wahnsinn, diese Verlogenheit seit vielen Jahr­zehnten gewohnt. Jetzt muss das ganz Österreich aushalten. In diesem Zusammen­hang - -

12.33.42*****


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Entschuldigung! Für den Ausdruck „Verlogenheit“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Bitte mäßigen Sie sich wieder!

*****

(Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.33.50


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Wir Niederösterreicher sind diesen ÖVP-Wahnsinn, diese Verlogenheit seit vielen Jahrzehnten gewohnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jetzt muss das ganz Österreich aushalten. In diesem Zusammenhang, da wir Freiheitliche uns für die Entlastung der anständigen österreichischen Bevölkerung und der Autofahrer einsetzen, die nachfolgenden Entschließungsanträge:

Die Kosten für Autofahrer sind seit Jahren im Steigen begriffen. Auch im heurigen Jahr stiegen die Kosten massiv weiter. So stiegen etwa die Kfz-Steuern, wie vorhin auch schon besprochen die NoVA und die motorbezogene Versicherungssteuer, deutlich an. Auch die Vignettenpreise werden jährlich höher. Während die Kosten für die Autofahrer seit Jahren steigen, ist die Höhe des amtlichen Kilometergelds, eine Pauschalabgeltung für alle Kosten, die durch die Verwendung eines privaten Kraftfahrzeuges für Fahrten im Zuge einer Dienstreise anfallen, seit Jahren unverändert.

Seit Juli 2008 beträgt das amtliche Kilometergeld für Pkw 0,42 Euro und für Motor­fahrräder 0,24 Euro. Unverständlich ist die Höhe des amtlichen Kilometergelds vor allem deshalb, da damit unter anderem die Kosten für Abschreibung, Wertverlust, Treibstoff und Öl, Wartung und Reparaturen aufgrund des laufenden Betriebes, Zusatzausrüstung, wie zum Beispiel Winterreifen, Schneeketten und so weiter, Steuern und Gebühren, alle Versicherungen, inklusive Kasko-, Insassenunfall-, Rechtsschutzversicherung, und auch die Parkgebühren sowie ausländische Mautgebühren abgegolten sind. Ein Großteil die­ser Kosten ist in den letzten 13 Jahren zumindest an die jeweilige Inflationsrate ange­passt worden. Der ÖAMTC berechnete bereits im Jahr 2017, dass die Fahrzeugkosten seit der Erhöhung im Jahr 2008 eine Steigerung von 15 Prozent erfahren haben.

Auch aus Sicht der FCG ist eine Erhöhung des Kilometergelds längst überfällig. Bereits mehrfach wurde in den Arbeiterkammervollversammlungen eine Erhöhung des amt­lichen Kilometergelds um mindestens 15 Prozent gefordert.

Neben der Erhöhung des amtlichen Kilometergelds ist der Fortbestand des Pendler­pau­schales – eine wichtige finanzielle Unterstützung für Tausende Pendlerinnen und Pendler, die meist unfreiwillig aus beruflichen, familiären oder schlicht verkehrstech­ni­schen Umständen nicht auf ihr Auto verzichten können – dringend erforderlich. Der Autofahrer darf nicht die Melkkuh der Nation sein, ein Stopp der Belastungen ist drin­gendst erforderlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 79

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert,

1. das seit Juli 2008 geltende amtliche Kilometergeld für PKW in Höhe von 0,42 auf 0,52 Euro anzuheben,

2. sicherzustellten, dass das Pendlerpauschale auch weiterhin im bisherigen Umfang (steuerlich) geltend gemacht werden kann und die geplante Ökologisierung des Pend­lerpauschales zu keinen sozialen Härtefällen und zu keiner finanziellen Schlechter­steI­lung der Pendlerinnen und Pendler führt.“

*****

In einer meiner letzten Reden betonte ich: Mit Unterstützung der ÖVP mit türkisem Mascherl, transportiert im grünen Elektrolastenfahrrad, werden die Klein- und Mittel­betriebe, die Arbeitnehmer und die Pensionisten ruiniert; so wie vorhin schon erwähnt: nicht nur durch die Erhöhung der NoVA, die Erhöhung der motorbezogenen Versiche­rungssteuer, die Erhöhung der Mineralölsteuer, die Erhöhung der Energiekosten, die Einführung der CO2-Abgabe, die Erhöhung des Preises der Autobahnvignette – nein, es ist noch nicht genug, der nächste Anschlag ist in Vorbereitung, unterstützt von den soge­nannten Sozialdemokraten: flächendeckende Lkw-Maut auf allen Straßen.

Aufgrund des großen Raunens im sogenannten sozialdemokratischen Sektor während meiner letzten Rede bei dieser Aussage geben wir Freiheitliche euch die Chance, bei der Abstimmung das Gegenteil zu dem, was die Landesführung der SPÖ in Nieder­österreich und die Nationalrätin aus dem Weinviertel fordern, zu beweisen. Wir Frei­heitliche sind der Meinung: Eine flächendeckende Lkw-Maut ist eine Maßnahme, die sicher nicht zu Ende gedacht wurde.

Beginnen wir mit den Fakten: 88,9 Prozent der Transportleistung österreichischer Unter­nehmen auf der Straße wurden 2020 im Inland erbracht. Ein fast ebenso hoher Anteil, nämlich rund 84 Prozent des Transportaufkommens im Straßengüterverkehr, wird auf einer Strecke von lediglich bis zu 80 Kilometern transportiert. Gütertransport auf der Straße spielt sich somit zum Großteil in und für die Regionen ab, nicht zum Selbstzweck, sondern zur Ver- und Entsorgung für Frau und Herrn Österreicher und für unsere Gewerbe- und Industriebetriebe. Sich von einer flächendeckenden Maut weniger Durch­zugsverkehr, weniger Schäden an den Fahrbahnen und mehr Verkehrssicherheit zu erwarten geht in der Praxis sicher nicht in Erfüllung.

Wir Freiheitliche sind der Meinung, dass sich der Verkehr durch Belastungen und Ver­bote nicht in wundersamer Weise in Luft auflöst. Die grüne Noch-Verkehrsministerin wird es dadurch auch nicht schaffen, dass die täglich benötigten Lebensmittel mit der Bahn zu den Nahversorgern kommen. Aber vielleicht sollten diejenigen, die dies fordern, in den Wintermonaten in den Bergregionen mit ihren Lastenfahrrädern, wegen der Ver­kehrs­sicherheit natürlich mit Schneeketten ausgestattet, die Lebensmittelzustellung über­nehmen; mit einem aufzeichnenden Methanmesser am Sattel, versteht sich, wegen der Klimabelastung.

 „Was hingegen mit Sicherheit als Folge einer Einführung einer flächendeckenden Maut komme, sei eine Verteuerung von Transportleistungen. ,Die Mautkosten werden in der


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 80

Regel als eigene Position an die Kunden weiterverrechnet. Es ist somit davon auszu­ge­hen, dass die Konsumenten flächendeckende Mautkosten an der Supermarktkassa um­gehend zu spüren bekommen‘ [...] Wie auch bei der geplanten Abschaffung des so genannten Dieselprivilegs gibt es von uns“ Freiheitlichen „ein klares Nein zur flächen­deckenden Maut“. (Beifall bei der FPÖ.) Dies „würde hauptsächlich zu einer weiteren Belastung der österreichischen Bevölkerung und der heimischen Wirtschaft führen“. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Aufgrund dessen stellen Bundesrat Michael Bernard und weitere unterzeichnete Bun­desräte folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur flächendeckenden LKW-Maut und damit zu einer weiteren Belastung der österreichi­schen Bevölkerung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass es zu keiner Einführung einer flächendeckenden LKW-Maut kommt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

12.41


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Herr Bundesrat Bader, Herr Bundes­rat Schreuder und Frau Bundesrätin Schumann haben sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet.

*****


12.41.34

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Aufgrund dieser herabwürdigenden und der inakzeptablen, ungeheuerlichen Worte des Bundesrates Bernard, die absolut unangebracht und auch niveaulos sind, beantrage ich eine Sitzungsunterbrechung und die Einberufung einer Präsidiale. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.42


12.42.08

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, dass ich mich bei allen, vor allem schwulen und lesbischen Menschen, die jetzt zuschauen, dafür entschuldige, dass sie das jetzt bei dieser Rede hier in diesem Bundesrat erleben mussten. Das war eine Beleidigung und ein Vergleich, der jeglichem Vergleich spottet! Ich bitte um Abhaltung einer Präsidiale. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 81

12.42


12.42.30

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen, auch wir seitens der sozialde­mokra­tischen Fraktion sehen durch die Rede des Bundesrates Bernard die Würde dieses Hauses zutiefst verletzt. Ich kann den Ersuchen meiner Vorredner nur beipflichten: Es wäre dringend die Sitzung zu unterbrechen und eine Stehpräsidiale abzuhalten. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.42


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich unterbreche somit die Sitzung, und wir treffen uns zu einer kurzen Präsidiale.

*****

12.43.09(Die Sitzung wird um 12.43 Uhr unterbrochen und um 13 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

13.00.56 Fortsetzung der Tagesordnungspunkte 6 bis 10


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Bitte nehmen Sie wieder die Plätze ein! Ich nehme die unterbrochene Sitzung hiermit wieder auf.

Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „Nein zur flächendeckenden LKW-Maut und damit zu einer weiteren Belastung der österreichischen Bevölkerung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel. Ich erteile dieses.


13.01.58

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Teile der Rede meines Vor­redners haben sich ein bissl angehört wie Symptome aufgrund von zu viel Entwurmungs­mittel, aber ich glaube, das hat man in der Präsidiale auch besprechen können.

Ich darf zu den vorliegenden Diskussionspunkten Stellung nehmen, zunächst zum Pfand­briefgesetz: Das Pfandbriefgesetz schafft eine moderne und einheitliche Rechtsgrund­lage für die Emittierung von gedeckten Schuldverschreibungen. Mit der Einbettung in die österreichische Rechtslage wird versucht, Wettbewerbsverzerrungen in Europa zu reduzieren und zu beseitigen. Gleichzeitig schaffen wir mit dem Pfandbriefgesetz eine effiziente und kostengünstige Finanzierungsquelle für Institute, die auch die heimische Wirtschaft über Kredite unterstützen.

Die zweite Regierungsvorlage regelt den grenzüberschreitenden Vertrieb von Invest­ment­fonds. Einerseits verringern wir durch das neue Gesetz die bestehenden über­schießen­den Anforderungen beim Vertrieb dieser Fonds und andererseits erhöhen wir dabei die Transparenz und gewährleisten darüber hinaus einen besseren Schutz für die Anlege­rinnen und Anleger.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 82

Aufgrund der Coronakrise wurden, wie Sie wissen, die weltweiten Lieferketten in den verschiedensten Bereichen gestört. Das betrifft natürlich auch die Automobilindustrie. Aufgrund der Lieferverzögerungen bei Fahrzeugen haben wir uns dazu entschlossen, die Übergangsbestimmungen für die neu gestaltete Normverbrauchsabgabe zu verlän­gern, und zwar bis einschließlich 30. April.

Zum Schluss: In den beiden Doppelbesteuerungsabkommen mit den Vereinigten Arabi­schen Emiraten und Südkorea wollen wir natürlich das Ziel verfolgen, Steuervermeidung zu bekämpfen und gleichzeitig den Informationsaustausch zu verbessern und ent­sprechend Amtshilfe zu leisten, wo es notwendig ist. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.04

13.04.07


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich begrüße unseren soeben eingetroffenen Staatssekretär Dr. Magnus Brunner. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pfandbriefgesetz erlassen wird und das Bankwesengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies wiederum die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Normverbrauchsabgabegesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Anhebung des amtlichen km-Geldes“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 83

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Nein zur flächendeckenden LKW-Maut und damit zu einer weiteren Belastung der österreichischen Bevölkerung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Abänderung des am 22. September 2003 in Abu Dhabi unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

Weiters lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Zweites Protokoll zur Abänderung des am 8. Oktober 1985 in Seoul unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 28. Mai 2001 in Seoul unterzeichneten Protokolls.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Weiters lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 84

13.11.0011. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme der österreichischen Erklärung zu Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Be­schlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (959 d.B. und 1108 d.B. sowie 10780/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Zahlungsdienstegesetz 2018 zur Um­set­zung der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusam­menhang mit unbaren Zahlungsmitteln geändert werden (1099 d.B. und 1109 d.B. sowie 10781/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 11 und 12, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 11 und 12 ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um die Berichte.


13.12.05

Berichterstatter Sebastian Kolland: Frau Vorsitzende! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme der österreichi­schen Erklärung zu Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermitt­lung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Zahlungsdienstegesetz 2018 zur Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungs­mit­teln geändert werden.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte.


13.13.18

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Herr Staatssekretär! Ich werde nur zum 12. Tagesordnungspunkt sprechen, und zwar zur Novelle des Strafgesetzbuches in Umsetzung der EU-Richtlinie zur Be­kämpfung der Datenkriminalität im Zusammenhang mit dem unbaren Zahlungsverkehr.

Da gibt es ein großes Problem, und das ist das Durcheinanderwürfeln der Strafhöhen beziehungsweise Strafsätze. Das ist nicht nur unserer Ansicht nach mit unserer Rechtsordnung unvereinbar. Auch die Anwaltskammer hat das in ihrer Stellungnahme gesagt, und mehrere Professoren haben darauf hingewiesen. Es geht dabei vor allem


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 85

um zwei Dinge: Auf der einen Seite wird der wohlbegründete und sonst überall durch­gezogene Grundsatz, dass Diebstahl und Betrug gleich unwert sind, durcheinander­geworfen. Bei uns ist es ja so, dass von den Mindest- bis zu den Höchstsätzen – das geht von sechs Monaten bis zehn Jahren – die gleiche Strafdrohung darauf steht, ob man jemandem durch Täuschung etwas herauslockt oder ob man es ihm wegnimmt, also ob man beispielsweise einer Frau das Taschl zieht; sozialdemokratisch bin ich immer sehr frauenbezogen in meinen Vergleichen.

Es ist unserer Ansicht nach klar verfassungswidrig, bei einer einzigen Deliktsgruppe – und da handelt es sich um Internetdelikte – diese Gleichwertigkeit aufzuheben und die Strafsätze für betrügerische Tätigkeiten im Zusammenhang mit Zahlungsmitteln im Internet, also unbaren Zahlungsmitteln, zu vervierfachen. Während es sonst bei geringer Qualifizierung einen Eingangsstrafsatz von bis zu sechs Monaten gibt, wird das jetzt bei Internetdelikten auf sechs Monate bis zu zwei Jahre ausgedehnt, sonst bleibt es überall gleich. Das ist in unserer Rechtsordnung einfach nicht unterzubringen, also das darf man, Richtlinie hin oder her, so nicht beschließen.

Das Zweite ist die Einführung eines neuen Tatbestandes der organisierten Kriminalität. Bei uns ist organisierte Kriminalität im Sinne einer Bandenbegehung dann vorhanden, wenn man selbst in einer Gruppe von Kriminellen agiert und ein zweiter Krimineller mitmacht. Nur im Internet, also betreffend diese Kriminalität im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln, wird das anders definiert: Da muss man nur Mitglied einer Gruppe sein und kein anderer mitmachen. Das sind Dinge, die nicht zusammenpassen, also da müsste man das ganze Strafgesetzbuch überarbeiten, wenn man die Strafsätze so festlegen will, wie es vorgesehen ist. Da das nicht der Fall ist und wir damit ein unserer Ansicht nach verfassungswidriges Strafrahmensystem einführen, sind wir gegen diese Regierungsvorlage. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.16


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


13.16.39

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es fällt mir, ganz ehrlich, emotional nicht leicht, jetzt einfach zur Tagesordnung überzugehen. Ich finde schon, dass man das nicht so im Raum stehen lassen kann, was da vor ein paar Minuten passiert ist. Ganz ehrlich, Kollegen von der FPÖ, vor allem Herr Bernard: Das Mindeste, das absolut Mindeste, was angebracht wäre, ist, dass Sie hier herausgehen und sich für Ihre absoluten Geschmacklosigkeiten entschuldigen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Zu TOP 11: Bereits im Jahr 1997 hat Österreich das Übereinkommen über Geldwäsche abgeschlossen. Was steht da drin, worum geht es in diesem Abkommen? – Da geht es um die grundlegenden Definitionen der relevanten Straftatbestände, vor allem geht es um internationale Zusammenarbeit in der Ermittlung, in der Bestrafung, bei der Einziehung von Erträgen aus Geldwäsche, aber auch um Vereinbarungen zum Infor­mations- und Datenaustausch, zur Überstellung von Schriftstücken et cetera. Genau um letzteres Detail geht es jetzt: Da hat Österreich – das ist zu Art. 21 Abs. 2 in diesem Überein­kom­men – aufgrund von Bedenken, es könne praktische Probleme geben, eine einschränkende Erklärung abgegeben, was die Zustellung betrifft, und das hat es eben ein bisschen er­schwert, Zustellungen an Personen durchzuführen, die von Maßnahmen betroffen sind.

Das soll jetzt zurückgenommen werden, und das ist auch richtig so, denn es vereinfacht die Zustellung per Post und so weiter. Es geht da ja um internationale Verfolgungen,


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also wenn zum Beispiel in Österreich etwas aus einem Erkenntnis in einem Nachbarland zugestellt werden soll. Es ist inzwischen auch insofern de facto überholt, weil es ein anderes Abkommen gibt, das sogenannte EU-Rechtshilfeübereinkommen aus dem Jahr 2000, in dem es diesen Passus, diesen Vorbehalt nicht gibt, und man sieht, dass es dort eh funktioniert hat – ein weiterer Grund, das jetzt zurückzunehmen. Das ist eine kleine, aber nicht irrelevante Bereinigung, denn es ist schon wichtig, den Kampf gegen Geldwäsche in keiner Art und Weise zu behindern.

Bei TOP 12 geht es – es ist schon angeschnitten worden – um Internetkriminalität. Wir sehen ja alle, dass der Internethandel und die Nutzung unbarer Zahlungsmittel – also beispielsweise Onlinebanking oder virtuelle Währungen, E-Geld – massiv zunehmen, und dem folgt natürlich der Missbrauch auf dem Fuße. Cyberkriminalität nimmt dra­matisch zu, das ist ja die am stärksten steigende Kriminalitätsart. Heute werden ja viele Verbrechen nicht mehr mit Brecheisen und Masken begangen, sondern am Bildschirm. Dem gilt es etwas entgegenzusetzen, und das machen wir jetzt mit der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019, der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln. Die wird jetzt umgesetzt. Die Zahlungsmittel werden definiert – was ist alles damit gemeint? –, Straf­bestimmungen werden angepasst und so weiter.

Es ist natürlich sehr, sehr wichtig, dass das Strafrecht den aktuellen technischen Ent­wicklungen – sozusagen auch in der Kriminalität – nicht nachhinkt. Es werden jetzt eben nicht mehr nur körperliche Zahlungsmittel erfasst, sondern wie gesagt auch unbare.

Das ist ein wichtiger Schritt gegen Cyberkriminalität und ist auch deswegen wichtig, weil es so eine komplexe Materie ist. Ein Einzelner – das geht auch mir so – ist da nicht in der Lage, irgendwie zu durchschauen und zu verstehen, was da alles passiert. Es ist daher wichtig, dass es da ganz, ganz klare Gesetze gibt, die mich schützen, und dass in einem Anlassfall dann auch rechtlich vorgegangen werden kann. Es handelt sich um eine wichtige Maßnahme zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die sich im Internet etwas kaufen oder handeln, und wir hoffen, dass es damit gelingt, effektiver gegen Inter­netkriminalität vorzugehen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.21


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir begrüßen die inzwischen eingetroffene Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile ihm dieses.


13.21.44

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Adi Gross hat, glaube ich, jetzt technisch sehr gut erklärt, worum es im Tagesordnungspunkt 12 geht, zu dem ich auch noch ein paar Worte sagen darf, und ich versuche ein bissl den praktischen Zugang.

Wir alle nutzen ja unsere digitalen Geräte, manche auch ein bissl zu viel, aber vor allem nutzen wir unsere digitalen Geräte auch, um den Zahlungsverkehr abzuwickeln. Ich bin ja durchaus begeistert, welche Erleichterungen uns das bringt und wie unkompliziert diese Zahlungsabwicklungen funktionieren können, immer gepaart mit entsprechenden sicherheitstechnischen Einrichtungen. Es wäre für mich jetzt von meinem Platz aus überhaupt kein Problem, meiner Tochter, die derzeit ihr Au-pair-Jahr in Kalifornien ver­bringt, wenn sie jetzt in finanziellen Nöten wäre, in kürzester Zeit, in wenigen Minuten aus der finanziellen Patsche zu helfen. Das sind also riesige Fortschritte, die wir da erleben und die vieles in unserem alltäglichen Ablauf auch erleichtern.


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Diese Entwicklungen bringen natürlich, wie es auch Adi Gross schon angesprochen hat, Gefahren mit sich. Die Betrüger arbeiten ständig daran, die getroffenen Sicherheitsvor­kehrungen zu umgehen beziehungsweise in den digitalen Zahlungsverkehr einzudrin­gen. Ich glaube, wir alle haben durchaus schon sogenannte Phishing-Mails erhalten: Man bekommt von seiner Hausbank – wobei eigentlich nur vorgegeben wird, dass es sich um diese handelt – ein Mail, es sieht so aus, als ob es direkt von der Hausbank kommen würde, tatsächlich ist es aber ein Phishing-Mail und die Verbrecher versuchen damit, deine Daten, deine Token und was auch immer abzusaugen. Dem gilt es entge­genzutreten. Gerade in Zeiten der Pandemie haben sich jetzt diese Tätigkeiten, die wir alle durchführen, wie eben gerade auch das Bankgeschäft, noch mehr in den digitalen Bereich verlagert, und – wie ich schon gesagt habe – auch bei den illegalen Tätigkeiten hat sich vieles verstärkt. Man spricht da von Cyberkriminalität, die es zu bekämpfen gilt.

Der vorliegende Gesetzesbeschluss sieht nun eine Harmonisierung der Straftatbestände und der strafrechtlichen Ahndung zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusam­menhang mit unbaren Zahlungsmitteln innerhalb der EU vor. Ich glaube, das ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt, damit Gleiches mit Gleichem verglichen werden kann, und daher notwendig ist die Änderung des Strafgesetzbuches und des Zahlungsdienstegesetzes. Vielfach geschehen ja die von mir angesprochenen Straftaten grenzüberschreitend und durch kriminelle Vereinigungen, daher braucht es diese Harmonisierung.

Wie im Ausschuss bereits angesprochen und auch berichtet, braucht es natürlich nicht nur eine Vereinheitlichung dieser Straftatbestände oder der Bestrafung der Täter, son­dern es muss sehr viel Energie natürlich auch dafür aufgewendet werden, wie man diese organisierten Verbrechen besser bekämpfen kann. Von der Auskunftsperson des Minis­teriums wurde uns bestätigt, dass es natürlich massive und intensive grenzüber­schrei­tende Zusammenarbeit zur Verbrechensbekämpfung gibt. Der große Nachteil bei dieser Verbrechensbekämpfung ist leider, dass die Täter in der Regel bei der Entwicklung der Betrugsmöglichkeiten den verfolgenden Behörden ein bis zwei Schritte voraus sind. Es gilt daher, immer am neuesten Stand zu bleiben.

Insgesamt bitte ich um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzesbeschluss. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.25

13.25.34 *****


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich habe inzwischen das Protokoll der von Bundesrat Michael Bernard vorhin gehaltenen Rede erhalten, und ich möchte noch einen weiteren Ordnungsruf erteilen, und zwar für die Aussage: „wie wenn zwei gleichgeschlechtliche Partner nach einem veganen Essen, abgestiegen vom Bergkogel, mit einem Geschmack nach Schalen im Mund, hammermäßig zugedröhnt, während des Geschlechtsverkehrs kurz gestochen von einer Mücke, mit Blümchen im Bett, glauben, etwas für den Familienzuwachs getan zu haben.“ – Das ist eine Beleidigung von Men­schen, die homosexuell sind, und dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.26.20Fortsetzung der Tagesordnungspunkte 11 und 12


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 88

13.26.30

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ja, jetzt passt es eh ganz gut, weil ich kurz zur Rede des Abgeordneten Michael Bernard, die ja Anlass für diese Präsidiale war, Stel­lung nehme, und ich darf für meine Fraktion Folgendes festhalten: Michael Bernard hat – das haben Sie jetzt weggelassen –, bevor er in seine Ausführungen eingegangen ist, klar gesagt: Ich will niemanden diskriminieren. (Rufe bei der ÖVP: Ha, ha! Warum macht er es dann?) – Ich darf auch für meine Fraktion Folgendes - - (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Könnt ihr vielleicht zuhören? (Ruf bei der ÖVP: Warum macht er es dann?) – Darf ich ausreden? War ich schon fertig?

Ich darf für meine Fraktion festhalten, dass Michael Bernard, wer ihn kennt – und ihr kennt ihn jetzt alle schon lang (Bundesrat Schennach: Ja, leider!), denn er ist schon über vier Jahre - - – Wer hat jetzt „Ja, leider!“ gesagt? Wer von den Sozialdemokraten hat jetzt „Ja, leider!“ gesagt? (Bundesrat Schennach: Ich hab das gesagt!) – Ah, der Herr Schennach! „Ja, leider!“, das ist die Wertschätzung: Man überhöht sich ständig über andere, und selbst ist man abschätzig – abschätzig, dass es nicht mehr ärger geht! (Beifall bei der FPÖ.) Das ist die wunderschöne Heuchelei, die hier jetzt wieder deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist. (Zwischenrufe der Bundesräte Gross und Himmer.)

Jetzt stellt sich hier jemand heraus, will es erklären, und dann hauen Sie gleich wieder solche Geschichten heraus. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Das ist aber das Problem. Das ist das Problem hier herinnen: Man überhöht sich moralisch ständig über andere. Selbst ist man keinen Deut besser, aber man überhöht sich ständig über andere.

Und dann kommt man immer mit der Würde des Hauses daher. (Bundesrat Raggl: Eine billige Ablenkung!) Wo war denn die Würde des Hauses vorhin, als Herr Minister Blümel aufstand und hier herinnen öffentlich jemandem aus unseren Reihen unterstellt hat, er würde Medikamentenmissbrauch betreiben? Da hört man von der Frau Vizepräsidentin kein Wort, keinen Ordnungsruf. Und ich fordere an dieser Stelle das Stenographische Protokoll an, denn auch für diese Entgleisung muss es nachträglich einen Ordnungsruf geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Überhöhung noch eines: Ich habe die Aussendungen des Herrn Präsidenten Raggl gelesen. Schauen Sie, Herr Präsident, jetzt haben Sie auch einmal eine Aussendung gemacht, denn Ihre Arbeitsbilanz als Präsident ist ja mickrig, wenn man das so sagen darf (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger), und jetzt habt ihr halt die FPÖ ge­braucht, um eine tolle Aussendung zu machen. Herzliche Gratulation! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Raggl: Wo ist jetzt die Entschuldigung? Nichts! Kein Wort von Ent­schuldigung!)

13.29


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zur Tagesordnung zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.

*****


13.29.27

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere sehr, dass jetzt keine Entschuldigung gekommen ist – ich habe zumindest keine gehört. Ich hätte mir eine erwartet. Das sage ich jetzt nicht nur als Politiker dieses Hauses, sondern das sage ich auch ganz selbstbewusst als schwuler, offen schwuler selbstbewusster Mann.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 89

Ich finde es einfach nicht erträglich, dass man jegliche Form einer Diskriminierung oder so ein Herabwürdigen mit dem Satz: Ich will ja niemanden beleidigen, einleitet. Wenn man danach beleidigt, dann bleibt das eine Beleidigung. Es tut mir leid. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

13.30

*****


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Das war eine Wortmeldung zur Ge­schäftsordnung, und jetzt gehen wir in der Debatte weiter. (Bundesrat Steiner: Was war das jetzt? Seit wann macht man die vom Rednerpult aus?)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung! – Bundesrat Bader: Es ist schon das Wort erteilt!) – Zur Geschäftsordnung nach dieser Rede.


13.30.34

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist tatsächlich schwierig bei diesen nacheinander gereihten Tiefpunkten des Parlamentarismus, zur Tagesordnung zurückzukehren. Ich muss selbst sagen, ich habe Herrn Kollegen Bernard tatsächlich so, in dieser Weise noch nicht gekannt. Ich weiß nicht, aber ich nehme an, da gibt es irgendeine strategische Veränderung im Klub der FPÖ, denn wie kann es sonst sein, dass man sich wirklich gezielt aufs tiefste Niveau begibt (Bundesrat Spanring: Ihr gebt vor, was Niveau ist?!) und sich offensichtlich auch Kollegen, die sonst noch nicht so oder mir zumindest noch nicht so negativ aufgefallen sind, dazu veranlasst sehen, sich diesen Untergrenzen anzunähern? Da muss man sich wirklich einmal näher darüber unter­halten, was hier beigetragen werden kann, um der Würde des Hauses wieder zu ent­sprechen. Da bitte ich Sie, in sich zu gehen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Aber ich muss auch sagen, die Replik des Ministers Blümel war auf demselben Niveau und auch entbehrlich. Das möchte ich an dieser Stelle auch gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt möchte ich aber doch zur Tagesordnung zurückkommen. Wir merken in vielen Bereichen, die rechtlichen Bestimmungen hinken den technologischen Entwicklungen eigentlich permanent hinterher und damit auch den Praktiken des Wirtschaftslebens und auch den Praktiken der Kriminalität. Es sind neue Zahlungsmittel entstanden, digitale, virtuelle Währungen, neue Zahlungsmodalitäten. Das mag praktisch sein – Präsident Raggl hat ja auch einige praktische Anwendungsfälle erläutert –, das birgt aber auch Gefahren in sich: Betrug, Fälschungen, das Absaugen von Daten zum Missbrauch der­selben in Phishing-Mails, Geldwäsche. Diese Deliktsgruppen erreichen durch virtu­elle Währungen eine neue Dimension, und daher sind die in der Regierungsvorlage vorge­sehenen Anpassungen an die zugrunde liegende EU-Richtlinie auch notwendig. Bei diesen Deliktsgruppen steckt ja auch eine viel stärkere kriminelle Energie dahinter, die Schadenssummen sind auch immens. Dadurch ist meines Erachtens auch eine höhere Strafdrohung gerechtfertigt.

Diese wichtigen Themen können im Wesentlichen dem Grunde nach – die Strafdro­hun­gen sind natürlich noch immer nationalstaatliche Bestimmungen – nur EU-weit ange­gangen werden, und diese müssten ohnehin noch intensiver bearbeitet werden. Auch die Dimension der Kryptowährungen in Bezug auf die Realwirtschaft insgesamt wird meines Erachtens immer noch stark unterschätzt.

Ich habe im Ausschuss die zuständige Beamtin gefragt, ob die Justiz personell über­haupt in der Lage ist, dieses Gesetz umzusetzen. Der Antwort war zu entnehmen, dass


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das tatsächlich ein Problem ist, weil es da natürlich beim richterlichen Personal, aber auch beim restlichen Justizpersonal entsprechendes Know-how, entsprechendes Fach­wissen braucht, das sehr oft, weil das so ein schnelllebiges Gebiet ist, einfach nicht vorhanden ist. Deshalb wird natürlich auch geschult und gibt es entsprechende Quali­fizie­rungsmaßnahmen, was gut ist, aber diese müssten auch entsprechend forciert wer­den, beziehungsweise braucht es auch die entsprechende personelle Ausstattung im Gerichtswesen insgesamt, um dieser immer größer werdenden Dimension dieses Delikts­sektors auch gerecht werden zu können.

Die Kriminalität, die Wirtschaftskriminalität verlagert sich immer mehr ins Netz, und dem muss auch Rechnung getragen werden, eben wie gesagt bei den Ressourcen, aber auch im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, und darum ersuche ich Sie auch, Frau Ministerin. Insgesamt ist dem Gesetz aber aus unserer Sicht jedenfalls zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


13.35.47

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Wie aktuell sind wir mit diesen zwei Beschlüssen heute? Gestern wurden weltweit 1 800 Personen wegen Geldwäsche festgenommen. Dazu braucht man ein bisschen mehr als nur Europa, dazu braucht man Australien, USA, Kanada, Bolivien und so weiter, um solch einen Schlag gegen das organisierte Ver­brechen, das in der Geldwäsche aktiv ist, machen zu können.

Wenn wir die Geldwäsche hernehmen: Woraus resultiert denn die Geldwäsche? – Aus dem Drogenhandel, aus dem Frauenhandel, aus dem Waffenhandel, also alles Ge­schäfte, die eigentlich nur im Rahmen der organisierten Kriminalität abzuwickeln sind. (Präsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Österreich hat das alte Abkommen des Europarates von 1990 ratifiziert: Übereinkommen des Europarats über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme, Einziehung von Erträgen aus Straftaten und über die Finanzierung des Terrorismus. Die „Finanzierung des Terrorismus“ ist 2005 dazugekommen, und somit war es quasi der erste interna­tio­nale Vertrag, der auch die Finanzierung des Terrorismus abgedeckt hat.

Die EU hat ein bisschen länger gebraucht, bis sie ihre fünfte Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche hatte, das war 2018. Da kamen aber dann schon diese modernen Sachen wie die Prepaidkarten, die virtuelle, unbare Währung hinein. Und die Kommis­sion legte damals eine Liste von 23 risikobehafteten Drittländern vor, aber darüber trau­ten sich die Staatschefs damals nicht und es bedurfte dann noch eines weiteren Jahres, bis man sich auf diese 23 Länder, die risikobehaftet sind, geeinigt hat.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die fünfte Bankenrichtlinie, weil ja die Banken hier als Aufsichtsbehörde angesprochen sind.

Meine Vorrednerinnen und Vorredner sind schon ausführlich auf Betrug und Fälschung im Bereich der unbaren, der virtuellen Zahlungsmittel eingegangen und haben darauf hingewiesen, dass diese Delikte immer mehr an Bedeutung gewinnen und die Risken in diesem Zusammenhang immer größer werden. Dass wir diese Punkte jetzt auch im Übereinkommen zur Geldwäsche drinnen haben, finde ich besonders wichtig, weil das ein wirklich sehr dynamischer Markt ist. Es gibt ja auch Untersuchungen, wonach gerade in den letzten Jahren Erpressungen über den Bitcoinhandel ein ziemlich großes Thema


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 91

geworden sind, aber ich passe da schon auf. Ich habe das im Justizausschuss gesagt, dass ich einmal über diesen Bereich gesprochen habe und dann in einen echten Mailstorm hineingerutscht bin, sodass ich da vorsichtig geworden bin.

Ich danke auch allen, die über dieses Phishing gesprochen haben, das Herauslocken von geheimen Daten – eine Praxis, die ja sehr stark zugenommen hat. Tragisch ist zum Beispiel der Fall jenes Pensionisten aus Oberösterreich, der beim ersten Mal 70 000 Euro hergab, ein Jahr später – da muss man sagen, das müssen schon enorme Überredungs­künste gewesen sein – noch einmal 60 000 Euro. Das ganze Geld ist weg! Gleichzeitig sind die Daten auch eingespeist und so weiter. Da gibt uns also dieses Übereinkommen auch neue Hilfsmöglichkeiten, und wir werden beidem – das Aufkündigen des Ersten ist ein Formalakt, die Erweiterung des Zweiten ein sehr, sehr wichtiger Akt – zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40


Präsident Dr. Peter Raggl: Danke schön.

Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.40.57

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Mit dem Regierungsprogramm haben wir uns vorgenommen, alle Arten von Cybercrime zu bekämpfen. Dieses Ziel soll mit der vorlie­genden Novelle des Strafgesetzbuches sowie des Zahlungsdienstegesetzes auch erfüllt werden. Gleichzeitig setzen wir auch die Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln um.

Warum ist das wichtig? – Das ist wichtig, weil seit Jahren die Kriminalität im Internet zunimmt. In den vergangenen Monaten und im vergangenen Jahr hat sich unser Leben durch die Pandemie immer mehr in den digitalen Raum verlagert. Wir bestellen Essen, Kleidung und Möbel im Internet, wir kümmern uns online um unsere Finanzen, wir arbeiten im Homeoffice und haben dort Meetings via Zoom. Das hat grundsätzlich Vorteile, aber auch einige Nachteile, mit denen man sich sehr wohl auseinandersetzen muss.

Ja, mit dieser Digitalisierung steigt natürlich auch die Gefahr im digitalen Raum, Opfer einer Straftat zu werden. Das gibt es einfach, und wir beobachten anhand steigender Zahlen, dass der Betrug im Internet stetig zunimmt und in den letzten Monaten rasant zugenommen hat. Es ist daher notwendig, mit dem Strafrecht auf diese Entwicklungen zu reagieren. Mit dieser Regierungsvorlage wollen wir einige Probleme in diesem Zu­sammenhang lösen.

Erstens gelingt uns das durch die Neudefinition des Begriffes im Strafgesetzbuch, denn dadurch ist es möglich, das Phänomen von Cybercrime und Betrug im Internet besser fassbar zu machen und die Gesetzeslage den derzeitigen Gegebenheiten besser anzu­passen. So wird zum Beispiel – das ist jetzt etwas sperrig und vielleicht klingt es sehr juristisch – aus „körperliche“ unbare „Zahlungsmittel“ jetzt „nichtkörperliche oder körper­liche“ unbare „Zahlungsmittel“. Warum ist das wichtig? – Das ist deswegen wichtig, weil damit jetzt auch alternative Formen von Paymöglichkeiten erfasst werden. Dienste wie Paypal und sogenannte Wallets, also digitale Brieftaschen, mit denen man virtuelle Währungen übertragen kann, fallen jetzt nämlich auch unter diese Definition.

Zweitens  und ich glaube, das ist schon wichtig und entscheidend  sieht die Richtlinie in vielen Bereichen auch höhere Strafdrohungen vor. Wir haben deswegen auch die Strafdrohungen der bereits bestehenden Straftatbestände erhöht.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 92

Sehr geehrte Damen und Herren, ich weiß, dass das Thema Cybercrime manchmal eher trocken wirkt. Es geht aber im Kern darum, Menschen vor Straftaten zu schützen, wenn sie sich im Internet bewegen. Da diese Straftaten immer häufiger vorkommen, müssen wir Menschen auch davor schützen.

Gestatten Sie mir noch einen Satz zu Tagesordnungspunkt 11: Mit dieser Regierungs­vorlage ziehen wir eine Erklärung Österreichs zum Übereinkommen über Geldwäsche zurück. Hintergrund dieser Erklärung war – nur zum Verständnis –, dass man Bedenken hinsichtlich praktischer Probleme hatte. Daher haben wir, also Österreich, eine Erklärung abgegeben, um uns das genauer anzuschauen. Da sich aber diese Befürchtungen nicht bewahrheitet haben, ist die Erklärung obsolet geworden. Dem folgen wir jetzt und nehmen die Erklärung zurück.

Ich hoffe daher sehr, dass Sie sich entschließen werden, keinen Einspruch gegen diese beiden Beschlüsse des Nationalrates zu erheben, und sie daher bald in Kraft treten können. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.45

13.45.07


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt.

Bitte nehmen Sie die Plätze ein! – Das ist bereits geschehen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Novem­ber 2021 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme der österreichischen Erklärung zu Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. No­vem­ber 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Zahlungs­dienstegesetz 2018 zur Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

13.46.3113. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Kreis­laufwirtschaftspaket) (1104 d.B. und 1123 d.B. sowie 10787/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Adi Gross. – Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 93

Bericht.


13.46.49

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Herr Präsident! Werte Kollegen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


13.47.36

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Die Unfähigkeit der Spaltungsregierung und ihr einzig wirk­liches Ziel zeigen sich auch bei der Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle Kreislaufwirtschafts­paket.

Eines vorweg: In der Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle mit dem sogenannten Kreislaufwirt­schaftspaket gibt es auch Positives. Leider wird das Positive aber mit dem türkis-grünen Belastungsschatten überdeckt.

In Österreich werden gegenwärtig jährlich 1,6 Milliarden Getränkeflaschen aus Kunst­stoff in Umlauf gebracht. 70 Prozent davon werden gesammelt und recycelt. Das reicht aber nicht aus, den strengen Vorgaben der EU-Richtlinie zu Einwegplastik zu entsprechen. Diese sieht vor, dass Getränkeflaschen aus Kunststoff bis zum Jahr 2025 zumindest zu 77 Prozent und bis zum Jahr 2029 zumindest zu 90 Prozent getrennt, gesammelt und auch recycelt werden müssen. Erreicht Österreich dieses Ziel nicht, drohen Strafzah­lun­gen an die EU in Höhe von 20 Millionen bis 45 Millionen Euro jährlich.

Aufgrund der Novellierung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 wird das Bundesminis­te­rium für Klimaschutz und Umwelt im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort nähere Bestimmungen hinsichtlich der Einführung eines Pfandsystems per Verordnung festlegen: zur Pfandhöhe, zur Kennzeichnung, zur Registrierung der Beteiligten und der Produkte, zu den zu übermittelnden Daten und Intervallen, zur Verwendung der nicht ausbezahlten Pfandbeträge – des sogenannten Pfandschlupfes – und zur Rücknahmepflicht der Letztvertreiber. Zur Erreichung der Sammel- und Recyclingziele soll für Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff oder Metall ein Pfand eingehoben werden.

Die Studie „Möglichkeiten zur Umsetzung der EU-Vorgaben betreffend Getränkege­binde, Pfandsysteme und Mehrweg“ im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz und Umwelt gibt bereits den Umsetzungspfad vor und kalkuliert mit einem Pfand von 20 bis 30 Cent. Medial kolportiert wird eine Pfandhöhe von 25 bis 30 Cent. Wer pro Tag nur zwei Mineralwasser in einer PET-Flasche oder Dosen Red Bull trinkt, zahlt bei 30 Cent Pfand im Jahr 219 Euro mehr. Für Familien verteuert sich daher der Konsum von Er­frischungsgetränken um bis zu 876 Euro.

Für Kunststoff erwartet man in der Studie jährliche Einnahmen aus Pfandschlupf in der Höhe von 24,5 Millionen Euro und für Metall zusätzlich 11,5 Millionen Euro. Die Summe entspricht annähernd den alternativen Strafzahlungen. Zusätzlich kalkuliert man mit Materialerlösen in der Höhe von 22,7 Millionen Euro.


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Wir Freiheitliche fordern ein für die Kunden aufkommensneutrales Pfandsystem. Für uns bedeutet aufkommensneutral, dass der Konsument nicht Belastungsträger eines Sys­tems werden darf, dessen Vorteile entweder dem Fiskus, der Entsorgungsindustrie oder dem Handel zukommen, je nach geltender Verordnung der Ministerin. Durch das Vor­strecken des Pfandes, Sammeln, Sortieren und Retournieren leisten Konsumenten einen entscheidenden Beitrag für mehr Nachhaltigkeit. In einer Situation, in der Lebensmittel­preise steigen, darf Pfand jedoch keinesfalls ein zusätzlicher Preistreiber sein.

Kostet ein Erfrischungsgetränk in der 0,5-Liter-PET-Flasche heute 0,99 Euro, würde ein Pfand von 0,30 Euro eine Preiserhöhung von 30,3 Prozent bedeuten. (Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.) Ein Erfrischungsgetränk in der Dose um 0,59 Euro würde bei einem solchen Pfand um 50,85 Prozent teurer. Statt die Konsumenten für ihren Ein­satz durch ein zu hohes Pfand zu bestrafen, braucht es ein System, das die Konsu­men­ten wertschätzend für ihr Engagement belohnt und keine exorbitante Teuerung bewirkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher nachfolgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pfand­sys­tem ohne Teuerung und versteckte Steuern“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Ener­gie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, mit der in Österreich ein Pfandsystem ohne Teuerung und versteckte Steuern eingeführt wird. Dazu sollen die folgenden Punkte umgesetzt wer­den:

- Pfandhöhe: Das Einwegpfand“ – das sogenannte Plastikpfand – „darf nicht teurer als das Mehrwegpfand (insb. Mehrweg-Bierflasche, derzeit 0,09 Euro) sein.

- Recyclingbonus: Die Recyclingleistung der Österreicherinnen und Österreicher muss durch ein asymmetrisches Pfandsystem (Pfandeinsatz 0,06 Euro; Pfanderstattung 0,09 Euro) abgegolten werden.

- Pfandschlupf: Der Pfandschlupf darf keine versteckte Steuer sein, sondern hat dem heimischen Konsumenten beim Recyclingbonus direkt zugutezukommen.

- Soziale Ausnahmen: Waren, welche die Grundbedürfnisse der Österreicherinnen und Österreicher abdecken – insbesondere Milch – dürfen nicht bepfandet werden.“

*****

Praxistaugliche Gesetze beruhen auch darauf, dass die Expertise der betroffenen Branchen schon im Vorfeld der Erarbeitung der Legistik genutzt wird. Darauf hätte zurückgegriffen werden sollen. Die gegenständliche Novelle hat deutlichen Änderungs- und Adaptionsbedarf, zum Beispiel bei § 15 Abs. 9:

„Transporte von Abfällen mit einem Gesamtgewicht von mehr als zehn Tonnen mit einer Transportstrecke auf der Straße von über [...] 300 km in Österreich haben ab 1. Jänner 2023, [...] 200 km in Österreich haben ab 1. Jänner 2024, [...] 100 km in Österreich haben ab 1. Jänner 2026 [...] per Bahn oder durch andere Verkehrsmittel mit gleich­wertigem oder geringerem Schadstoff- oder Treibhausgaspotential (zB Antrieb mittels Brennstoffzelle oder Elektromotor) zu erfolgen. Dies gilt nicht, wenn nachgewiesen wird,


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dass von der Bahn keine entsprechenden Kapazitäten bereitgestellt werden können, oder wenn beim Bahntransport die auf der Straße zurückzulegende Transportstrecke für die An- und Abfahrt zu und von einer der am nächstgelegenen Verladestellen im Ver­gleich zum ausschließlichen Transport auf der Straße 25% oder mehr betragen würde. Die entsprechenden Nachweise sind beim Transport mitzuführen und der Behörde auf Verlangen vorzulegen. Bis zum 1. Dezember 2022 ist vom Bundesministerium für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Abstimmung mit der Wirtschaftskammer Österreich eine digitale Plattform einzurichten, die eine Abfrage von Angeboten für Abfalltransporte im Schienengüterverkehr und, sofern keine entsprechen­den Kapazitäten bereit gestellt werden können, die Erstellung einer Bestätigung darüber binnen zwei Werktagen ermöglicht. Als Nachweis darüber, dass keine entsprechenden Kapazitäten bereitgestellt werden können, gilt ausschließlich die Bestätigung durch die digitale Plattform.“

Durch diese Novelle, mit der gleichzeitig vor allem die Zumutbarkeitsbestimmungen ge­strichen werden sollten, werden ganze Wertschöpfungsketten unbilligen Härten gegen­überstehen. Die Abfallwirtschaft stellt nur 4 Prozent des nationalen Güterverkehrs dar und hat somit nur geringe Auswirkungen auf die Schadstoffbelastung. Weil die geplante Regelung ausschließlich auf den Abfalltransport abzielt, wirft das diverse verfassungs­rechtliche Bedenken hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes auf.

Wir Freiheitliche appellieren an die Vernunft und fordern euch von den Bundesrats­fraktionen der ÖVP und der Grünen, aber auch der SPÖ und den Kollegen der NEOS auf, die Zustimmung zu diesem Nationalratsbeschluss, zu dieser Novelle zu verwehren und die Bundesministerin aufzufordern, in einer Machbarkeitsstudie den genauen Bedarf und die Möglichkeiten der Bahn, die entsprechenden Transportkapazitäten und Auf- und Abladekapazitäten zu erheben und mit den anfallenden Abfallströmen abzugleichen.

Auch sollte unserer Meinung nach das Wettbewerbsmonitoring vor einer Zwangs­andienung an einen Monopolisten erfolgen, damit die Bundeswettbewerbsbehörde preisregulatorisch eingreifen kann. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Und was ist mit der Entschuldigung?)

13.57


Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Pfandsystem ohne Teue­rung und versteckte Steuern“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Fraktionsobmann Karl Bader. – Bitte.

*****


13.57.40

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute vor Kurzem eine Sitzungsunterbrechung gehabt und eine Präsidiale durch­geführt und bei dieser Präsidiale auch die abscheulichen und widerlichen Worte des Bundesrates Bernard besprochen (Rufe bei der FPÖ: Abscheulich!) und klargemacht, dass das, was Kollege Bernard hier von sich gegeben hat, grenzüberschreitend ist.

Da es bis jetzt keine Entschuldigung gegeben hat, die wir in jedem Fall erwartet hätten, und auch der Fraktionsobmann der Freiheitlichen in seinem Redebeitrag versucht hat, abzulenken, indem er Täter-Opfer-Umkehr vorgegaukelt hat, möchte ich hier festhalten,


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 96

dass diese Argumente und diese Worte, die gewählt wurden, Ausdruck dessen sind, dass die sachlichen Argumente in der politischen Auseinandersetzung hier im Hohen Haus ausgehen und der Griff in den verbalen Schmutzkübel und Beleidigungen von Menschengruppen anscheinend der einzige Ausweg sind. Das widerspricht der Würde des Hauses in jedem Fall, ist auch inakzeptabel, und wir müssen das leider mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Oh-Rufe bei der FPÖ.)

13.59


Präsident Dr. Peter Raggl: Zur Geschäftsbehandlung: Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte.


13.59.05

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ja, ich nehme das jetzt zur Kenntnis, Herr Bader hat das jetzt brav vorgelesen, was Sie ihm da aufgeschrieben haben. Gratulation dazu, Herr Fraktionsvorsitzender! (Bundesrat Bader: Wieso bist du schon wieder so herabwürdigend?) Und dann kommt er immer mit der Würde des Hauses daher.

Ich sage es euch noch einmal: Wie man in den Wald hineinschreit, so kommt es auch zurück. Und wenn man jedes Mal - - (Bundesrat Schreuder: Niemand hat euch so beschimpft! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) – Warum regt sich jetzt die SPÖ so auf? Habe ich euch angesprochen? Das ist ja unglaublich! (Bundesrätin Hahn: Das macht ja die ... nicht besser! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Rede ich mit euch oder rede ich mit der ÖVP? Ihr könnt euch gerne zu Wort melden, alle, die da so schreien – alle! –, aber jetzt darf ich. (Bundesrätin Hahn: Seit wann sagst du uns das?!) Habe ich mit euch geredet? – Nein, okay, gut.

Und wenn Sie dann immer mit der Würde des Hauses daherkommen (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer), Herr Bader, ich hoffe, Sie stimmen mir zu: Der Herr Präsident soll das Protokoll der Rede des Herrn Finanzministers Blümel anfordern und muss dann hoffentlich nachträglich für dessen Aussagen gegenüber den Parlamentariern hier herin­nen einen Ordnungsruf erteilen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.00

*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir setzen nun mit der Debatte fort.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


14.00.24

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Einsicht eines Fehlverhaltens ist definitiv nicht die Stärke (in Richtung FPÖ) Ihrer Fraktion und auch nicht die des Fraktionsobmannes. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Zu einem wichtigen Thema, zur AWG-Novelle, eine große Sache: Wer von uns kennt das nicht: achtlos oder auch bewusst weggeworfener Müll, vor allem Verpackungen, hauptsächlich Plastikflaschen und Dosen? Wer hat sich nicht schon darüber geärgert? – Überall, sogar auf abgelegenen Wanderwegen, entdeckt man es immer wieder: Müll liegt herum. Ich persönlich kann es definitiv nicht nachvollziehen, denn der Aufwand, ihn ein­fach mitzunehmen und irgendwo zu entsorgen, wäre ja nicht so groß.


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Es geht aber – das ist schon wichtig – nicht nur um eine ästhetische Frage – bei Weitem nicht! –, es geht dabei zum Beispiel um langfristige Verunreinigungen und Umweltbelas­tungen. Es dauert Jahrzehnte, Jahrhunderte, wenn es überhaupt möglich ist, bis solche Materialien wieder abgebaut und unschädlich sind. Weil es ganz oft um Plastik geht, verschärft der Müll das Mikroplastikproblem, das immer größer wird. Die Produkte ver­schwinden ja nicht, wenn man sie liegen lässt, sie werden auch nicht abgebaut, sondern sie zerfallen in immer kleinere Teile, bis zum Mikrometerbereich, und diese gelangen dann zunehmend in die gesamte Nahrungskette und sogar in den Blutkreislauf.

Es geht zum Beispiel auch um Gefahren für Tiere: Aludosen werden in die Wiesen geworfen – alle haben das schon gesehen –, der Landwirt sieht sie im hohen Gras nicht mehr, fährt mit seiner Maschine darüber, zerstückelt sie, und das gerät ins Futter. Immer wieder verenden Rinder qualvoll an diesen Aluschnitzeln.

Es geht dabei um die Vergeudung wertvoller Materialien, denn Plastikflaschen und Do­sen sind keine Wegwerfprodukte, auch wenn sie als Einweg deklariert sind. Sie sind Rohstoffe – wichtige Rohstoffe sogar! – für weitere Nutzungen, was aber eben nur möglich ist, wenn man die Wiederverwertung steigert und die Sammelquoten erhöht.

Nicht zuletzt geht es um vermeidbare Kosten. Nur ein Beispiel: Die Gemeinden haben sehr viel Arbeit damit, all die Abfälle, die weggeworfen werden, das ganze Littering­prob­lem zu behandeln. Sie sammeln sie ein, entsorgen sie, und das kostet alle Gemeinden über Österreich hinweg viele, viele Millionen Euro. Das ist Geld, das wir über Steuern aufbringen müssen, das ist Geld, das den Gemeinden woanders wieder fehlt. Das ver­meiden wir mit dieser Novelle in Zukunft – von wegen Belastung für die KonsumentIn­nen.

Ziel des AWGs muss es natürlich sein – und ist es auch –, diese Flut an Plastikmüll und Dosenmüll einzudämmen. 2,5 Milliarden Dosen und Flaschen werden jährlich in Öster­reich verkauft, und viele, allzu viele landen dort, wo sie nicht hingehören. Ziel muss es also sein, systematisch eine Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, um überhaupt von Ab­fällen wegzukommen, auf eine abfallfreie Wirtschaft hinzuarbeiten. Das ist eine wunder­bare Vision, die übrigens auch im europäischen Strategiepapier so abgelegt ist. Die EU definiert auch mit umzusetzenden Richtlinien wichtige Rahmenbedingungen genau in diese Richtung.

Die AWG-Novelle setzt aber nicht nur viele Akzente, sondern wirklich Meilensteine. Bis 2029 müssen 90 Prozent der Kunststoffverpackungen getrennt gesammelt werden; wir liegen bei 70 Prozent, das haben wir gehört. Die Einführung eines Einwegpfands erhöht die Recyclingquote, und Österreich muss damit auch weniger Plastiksteuer zahlen. Auch das spart Steuergelder, und Steuergelder werden von uns allen aufgebracht. Das Budget fällt ja auch nicht vom Himmel.

Ab 2025 muss ein Viertel Recyclatanteil an PET-Flaschen enthalten sein. Das heißt, das geht nur, wenn sortenrein sortiert, gesammelt und wiederverarbeitet wird. Aus einer Flasche soll nämlich wieder eine Flasche werden können, und ausnahmsweise kann man da einmal sagen: einmal Flasche, immer Flasche.

Bis 2035 soll das Recycling von Siedlungsabfällen auf mindestens 65 Prozent erhöht werden.

Jedenfalls ist der größte und meistdiskutierte Meilenstein des AWGs – die zitierten Ziele dienen ja dazu – natürlich die Regelung von verbindlichen Mehrwegquoten und die Ein­führung eines Einwegpfands. Sie wissen, dass es politisch keine einfache Übung war, das einzuführen. Die Widerstände waren teils enorm und auch prominent, aber es ist gelungen – und es ist nicht nur gelungen, sondern es ist gelungen, das Gesetz vor­zulegen, ohne irgendwo wesentlich an Substanz zu verlieren.


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Konkret soll die Mehrwegquote von Getränkeverpackungen von derzeit 20 auf 25 Pro­zent beziehungsweise auf 30 Prozent bis 2030 angehoben werden. Die Händler, die da betroffen sind, können sich ihr System, wie sie das machen, aussuchen. Variante eins ist: Sie garantieren bei jedem Angebot eine Mindestquote an Mehrweg; diese Quote liegt dann zwischen 10 und 15 Prozent. Variante zwei ist: Ein Händler entscheidet sich, insge­samt eine bestimmte Menge an Mehrweggetränken bereitzustellen, aus einer Kategorie heraus – das sind dann 25 Prozent. Sie können sich also entscheiden, wie sie das hand­haben wollen.

Damit wird wieder etwas Wichtiges hergestellt, nämlich Wahlfreiheit für die Konsu­mentInnen. Ich kann jetzt, wenn ich das möchte, wieder ein Mehrweggebinde kaufen – und natürlich auch wieder zurückbringen –, und zwar überall. Damit auch hochwertig sortiert wird – da ist in Österreich übrigens noch einiges zu tun –, stellt das Ministerium für die Nachrüstung von Sortieranlagen 60 Millionen Euro zur Verfügung.

Pfand ist ja nichts Neues, im Mehrwegbereich kennen wir das – das bekannteste Bei­spiel dafür sind Bierflaschen –, und das brauchen wir jetzt eben auch für Einweggebinde. Das ist ab 2025 – die Übergangsfrist ist also auch lang genug – flächendeckend einzu­führen und einzuheben, sodass möglichst keine Plastikflasche und keine Dose mehr in der Landschaft landet. Die Pfandhöhen werden selbstverständlich entsprechend zu bemessen sein: Das muss ein Anreiz sein, das ist gar keine Frage!

Eines möchte ich schon anmerken: Herr Bernard, Ihr Rechenbeispiel kann ich nicht nachvollziehen. Das kostet den Konsumenten nichts! Er erhält das Geld selbstver­ständlich zurück, er muss das Leergut halt zurückbringen, aber das ist eben der Beitrag, den der Einzelne und die Einzelne leisten muss, um dafür zu sorgen, dass Ziele einge­halten werden und die Umwelt sauberer bleibt. Der Pfandschlupf verschwindet übrigens nicht im Budget, sondern geht ins System hinein, um das Mehrwegquoten- und Rück­nahmesystem zu finanzieren.

Noch etwas: Die HändlerInnen, vor allem kleine, müssen beispielsweise keine Auto­ma­ten anschaffen, sie können es aber – und dazu gibt es Förderungen. Beispielsweise werden kleine Händler auf dem Land mit bis zu 100 Prozent der Kosten unterstützt, wenn sie das tun. Dass auch da jedenfalls keine Belastungen für die Regionalversorgung stattfinden, dafür ist gesorgt.

Ich möchte noch etwas Weiteres hervorheben – kurz ein paar Eckpunkte –: Es wird ein Verbot für eine Reihe von Einwegplastikprodukten wie Plastikbesteck, -geschirr, -trink­halme und so weiter geben. Auch das ist übrigens eine Maßnahme, die die regionalen Wirte und die regionalen kleinen Händler unterstützt – mit denen zusammenzuarbeiten für Mehrwegbesteck, -teller und so weiter.

In Zukunft wird Abfall vor allem auf der Schiene transportiert, in einem viel größeren Ausmaß als jetzt. Den Stufenplan haben wir gehört, den wiederhole ich nicht. Das ist wirklich eine wichtige und kluge Maßnahme, weil gerade Abfall gut geeignet ist, auf der Schiene transportiert zu werden: Meistens sind es große Mengen und zeitlich auch in aller Regel planbar – nichts ist naheliegender, als genau das zu tun. An anderer Stelle beklagen wir uns – auch die FPÖ beklagt sich darüber – über zu geringe Anteile des Güterverkehrs auf der Schiene. – Ja, das ist jetzt eine wichtige Maßnahme in einem extrem sinnvollen Produktsegment. Es gibt übrigens auch umfängliche Ausnahmen, das haben wir gehört.

Was ich sehr spannend finde – das klingt sehr sperrig, aber dahinter versteckt sich etwas sehr Interessantes –, ist die sogenannte Ausweitung der Herstellerverantwortung. Da geht es darum, dass die Hersteller jetzt in erweitertem Ausmaß mitverantwortlich für Sammlung und Behandlung von Verpackungen gemacht werden. Da wird ja ganz viel weggeworfen – es gibt ja auch Listen dazu, von welchen Herstellern welches Littering


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mitverursacht wird –, und die müssen jetzt vorneweg auch dafür mitaufkommen, dass das behandelt und gesammelt werden kann. Das ist wiederum eine wichtige Maßnahme für Gemeinden, weil sie durch solche Herstellerbeiträge in Zukunft dabei unterstützt werden können, ihre Kosten für die Bekämpfung von Littering abzudecken.

Da gibt es noch einen wichtigen Punkt – das klingt technisch, ist aber auch ganz wich­tig –: 5 Prozent der zu zahlenden Entgelte für Elektrogeräte werden zukünftig zur Unter­stützung von Reparaturbetrieben bereitgestellt. Auch das ist eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Regionalwirtschaft, übrigens auch sozialpolitisch, weil gerade diese Betriebe beispielsweise oft im Zweiten Arbeitsmarkt sind. Ob - -


Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat, ich darf Sie bitten, dass Sie die freiwillige Redezeitbeschränkung einhalten.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Ja, ich bin gleich fertig. – Die Kon­sumentInnen werden dabei unterstützt. 140 Millionen Euro stehen zur Verfügung, um Geräte reparieren zu lassen.

Es gäbe noch mehr aus den komplexen Welten des AWGs zu erzählen. Wir sind jedenfalls überzeugt davon und sagen das mit Stolz: Diese Novelle ist wirklich ein großer Schritt, und da ist viel gelungen. Sie ist ein essenzieller Beitrag dazu, die Vermüllung der Landschaft zu beenden und einen Schritt hin zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft zu machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.11


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.


14.12.02

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! In dieser herausfordernden Zeit fängt jetzt für viele Menschen, für viele Betriebe, für viele Branchen die stressigste Zeit im Jahr an.

Ich selber bin in einem Betrieb groß geworden, für den die stressigste Zeit im Jahr dann begonnen hat, wenn es für die anderen ein bisschen ruhiger geworden ist: am 24. De­zember. Der war in unserem Entsorgungsunternehmen immer ein Arbeitstag. Da ist es darum gegangen, die großen Müllmengen, die über die Weihnachtsfeiertage anfallen, abzutransportieren, die Müllabfuhr zu organisieren. Es sind in etwa 20 Prozent mehr an Verpackungsmüll, die rein über die Weihnachtsfeiertage anfallen, 30 Prozent mehr an Glasflaschen. Es ist insgesamt – denn Müll fällt ja nicht nur zu Weihnachten, sondern das ganze Jahr über an – über eine halbe Tonne Müll, die jede Österreicherin und jeder Österreicher über das Jahr gesehen produziert: 588 Kilogramm. Das ist übrigens auch über dem EU-Durchschnitt, der bei 502 Kilogramm liegt.

Im Abfallbereich hat sich seit vielen Jahren das 3R-Prinzip etabliert: reduce, reuse, recycle – also Reduzieren, Wiederverwenden, Rezyklieren. Erlauben Sie mir, dass ich mit diesem 3R-Prinzip jetzt auch auf die vorliegende AWG-Novelle schaue!

Erstens das Reduzieren: Das Reduzieren ist jener Bereich, in dem man den größten Beitrag leisten kann. Ich kann mich gut daran erinnern, als wir hier vor einiger Zeit das Plastiksackerlverbot beschlossen haben. Da haben wir immer davon gesprochen, dass das nur der erste Schritt sein kann. Ich freue mich sehr, dass wir heute den nächsten Schritt gehen, indem wir auch das Inverkehrbringen von Einwegkunststoffprodukten endgültig verbieten. Darunter fallen Wattestäbchen, Kosmetikprodukte, Einwegbesteck, Verpackungen von Lebensmitteln – all diese Dinge.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 100

Das Zweite ist reuse, also das Wiederverwerten: Auch da gehen wir heute einen Schritt weiter und führen eine verpflichtende Mehrwegquote ein. Die wird in Zukunft im gesam­ten Lebensmittelhandel gelten, nicht nur im stationären, sondern auch im Fernabsatz. Explizit eingeschlossen sind zukünftig auch die Discounter. Ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig ist, dass wir die Anteile, zu denen Pfand auf Bier und Biermischgetränke, auf Mineralwasser, auf Fruchtsäfte, auf Limonaden, aber auch auf Milch und Milch­erzeugnisse eingehoben wird, erhöhen. Das Ziel ist, dass bis 2025 zumindest ein Viertel aller Getränke, die in Österreich verkauft werden, Mehrweggebinde sind, dass wir das sukzessive steigern und 2030 dann schon das Gebinde jedes dritten Getränks, das sozusagen über die Ladentheke geht, mehrfach verwendet wird.

Der dritte Bereich ist recycle, also das Wiederverwerten und Aufbereiten von Rohstoffen. Um das zu forcieren und nachhaltig noch mehr recyceln zu können, führen wir ab 2025 ein Pfand auf Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff und Metall ein. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Schritt. Wir haben in Österreich schon eine sehr, sehr hohe Rückführquote, die wir weiter steigern können. Wir können damit die EU-weit vorge­schriebene Sammelquote von 90 Prozent erreichen, und wir können – der Kollege hat es angesprochen – auch das Littering massiv reduzieren. Sie alle kennen das von Flur­reinigungsaktionen, von Müllsammelaktionen, Sie alle wissen das: Man findet auf der Straße Plastikflaschen, man findet Getränkedosen, und ich glaube, wir können einen ganz wesentlichen Beitrag dazu leisten, dies nachhaltig zu reduzieren und damit auch die langfristige Verunreinigung zu reduzieren.

Für viele Händler und vor allem die kleinen Greißler bedeutet dieses Einwegpfand natür­lich Aufwand und Vorbereitungsarbeiten. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns dafür entsprechend Zeit nehmen, und auch gut, dass wir sie mit Geldern, unter anderem auch aus dem EU-Recoveryfund, unterstützen werden.

Im Begutachtungsprozess zur AWG-Novelle sind über 3 000 Stellungnahmen eingegan­gen, viele Leute haben mitgearbeitet. Ein Thema, das immer wieder angesprochen wurde, ist die Verlagerung des Abfalltransports auf die Schiene. Da steckt ohne Zweifel eine sehr, sehr gute Intention dahinter. Gerade wir in Niederösterreich haben damit gute Erfahrungen gemacht: Bei uns wird seit 25 Jahren sehr erfolgreich Müll von dezentralen Verladehöfen nach Dürnrohr gebracht. Circa 300 000 Tonnen Müll sind es, die da verbracht werden, und damit 800 000 Tonnen an CO2-Emissionen, die eingespart wer­den können. Da ist in der Begutachtung schon einiges entschärft und, so glaube ich, auch praxistauglicher gemacht worden. Meine große Bitte ist, dass wir das auch in Zukunft sehr, sehr genau beobachten: dass wir uns anschauen, wo Kapazitäten aufge­stockt werden müssen, dass wir uns anschauen, wo Infrastruktur ausgebaut werden muss, aber auch, wie sich die preisliche Gestaltung entwickelt.

Zusammengefasst: Mit der heutigen Novelle setzen wir die Vorgaben des EU-Kreislauf­wirtschaftspakets um. Wir ebnen damit wirklich den Weg von einer linearen Ökonomie zu einer echten Kreislaufwirtschaft.

Lassen Sie mich da vielleicht noch eines sagen: Am Beginn des 3R-Prinzips sollte immer noch etwas stehen, nämlich das Vermeiden. Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht. Wenn Sie sich in Richtung Weihnachtsfeiertage vorbereiten: Denken Sie vielleicht daran, setzen Sie auf nachhaltige Geschenke und Geschenkverpackungen! Trennen Sie auch zu Weihnachten Ihren Müll – bei uns zu Hause ist das am Heiligen Abend ein fixes Ritual – und versuchen Sie doch, das eine oder andere Paket gänzlich zu vermeiden, indem Sie nicht online einkaufen, online bestellen, sondern den statio­nären Handel vor Ort auch entsprechend unterstützen! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Geht aber nicht anders, wenn wir von euch ein­gesperrt werden! Wie sollen wir das machen?)

14.18



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 101

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Nicole Riepl. Ich erteile ihr dieses.


14.18.18

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Österreich ist eines der lebenswertesten Länder der Welt. Wir werden überall um unsere schöne Landschaft beneidet. Vor allem die saubere Luft, saubere Gewässer in Trinkwasserqualität und Naturgegebenheiten werden geschätzt. Auf diese Schätze gilt es aufzupassen.

Wir alle kennen die Situation der Verschmutzung in den Wäldern, in den Flüssen und in der Landschaft generell, egal, ob im ländlichen Raum oder im städtischen Bereich. Daher ist es zu begrüßen, dass diese Gesetzesnovelle beschlossen wird. Damit trifft die Regierung zum Teil längst überfällige Maßnahmen für mehr Abfallvermeidung, Mülltren­nung und Recycling. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung – der Kampf gegen die Plastikflut, gegen die Wegwerfgesellschaft und gegen die Verschmutzung im öffent­lichen Bereich.

Die Umwelt ist unser kostbares Gut. Es braucht daher auch Gesetze, um die Umwelt für unsere späteren Generationen zu erhalten. Schonung von Ressourcen und Nachhal­tigkeit müssen unser oberstes Ziel sein, um für die nächsten Jahrzehnte und noch länger möglichst wenig Schaden anzurichten. Die Novelle beinhaltet viele positive Punkte, zum Beispiel Abfallvermeidung, abfallvermeidende Verpackung, Kunststoff generell zu ver­meiden und zu recyceln, Pfand für Einwegverpackungen wie Plastikflaschen und Dosen, verbindliche Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen und so weiter.

Die SPÖ-Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen, wir möchten jedoch auf einige Kritik­punkte hinweisen. Aus meiner Sicht kommen wesentliche Regelungen bezüglich Pfand- und Mehrwegsystem zu spät. Es muss möglich sein, dies früher umzusetzen. Im September 2020 hat Bundesministerin Gewessler einen Dreipunkteplan gegen die Plastikflut vorgestellt. Laut diesem wollte sie bereits 2025 einen Mehrweganteil von 40 Prozent erreichen; jetzt sollen im Jahr 2025 lediglich 25 Prozent erreicht werden. Das Einwegpfand ist in zahlreichen europäischen Ländern längst erprobt. Auch wenn es eine gewisse Vorlaufzeit benötigt, gibt es eigentlich keinen vernünftigen Grund, wieso damit bis 2025 gewartet werden muss.

Teil des Dreipunkteplans von Gewessler war auch die Einführung einer Hersteller­abgabe für Plastikverpackungen; EU-Eigenmittel sollten aus der Plastikabgabe finanziert werden. Das findet sich in der nächsten AWG-Novelle. Der österreichische Beitrag wird weiterhin aus dem allgemeinen Budget bestritten, anstatt die Hersteller zur Kasse zu bitten.

Betreffend die Ausgestaltung des Einwegpfands werden viele Entscheidungen erst in einer Verordnung der Umweltministerin getroffen. Da wäre schon vorher mehr Klarheit notwendig. Beim Pfandsystem muss man im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten auf die Kosten schauen. Die Ausnahme von Getränkedosen und kleinen Flaschen bis 0,5 Liter von der Mehrwegquote ist jedenfalls zu kritisieren, denn gerade sie sind es ja, die wir laufend beim Spazierengehen in unseren Wäldern, Flüssen und später auch im Meer finden.

Trotz dieser Mängel stellt die AWG-Novelle einen deutlichen Fortschritt in der Bekämp­fung von vermeidbaren Abfällen dar und ist daher zu unterstützen. Wir werden diesem Gesetzesbeschluss zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer abschließenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Staatssekretär - -


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 102

Uh, Entschuldigung: Zu Wort gemeldet hat sich zusätzlich Bundesrat Günther Novak. Ich erteile dieses.


14.22.23

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolle­ginnen und Kollegen! Ich habe mir jetzt diese Reden angehört: Es ist ein umfassendes Gesetz, keine Frage, und man muss wirklich dazu gratulieren, dass es schlussendlich zustande gekommen ist, auch wenn die Wirtschaftskammer lange genug versucht hat, es zu verhindern (Bundesrätin Zwazl: Auf das hab’ ich schon gewartet!) und zu lob­byieren, und betreffend Großkonzerne dann anscheinend doch das erreicht hat, was sie selbst wollten.

Warum ich mich aber zu Wort gemeldet habe: Es geht eigentlich – und meine Kollegin Riepl hat es schon gesagt – um die Frage, warum wir so lange für die Umsetzung brauchen. Wenn ich mir das anschaue: Die Mehrwegquoten starten 2024 und das Ein­wegpfand überhaupt erst im Jahr 2025. Das ist ja unvorstellbar! Wir haben jetzt 2021 – wie auch immer, vielleicht wird mir der Herr Staatssekretär erklären, wie das ist. Eigent­lich habe ich mir gedacht, dass Frau Bundesministerin Gewessler da sein wird, ich habe nämlich noch eine andere Frage dazu.

Weil alles so wie eine heile Welt dargestellt wurde: Gegenüber dem Begutachtungs­entwurf sind die Mehrwegquoten noch einmal stark abgeschwächt und durch eine Ausnahme von Getränkeverpackungen – PET-Flaschen und Aludosen – bis inklusive 0,5 Liter nochmals aufgeweicht worden, sodass Lebensmittelketten wie Rewe und Spar fast keine Anstrengungen mehr unternehmen müssen, um die Mehrwegquote zu er­reichen. Also da ist hundertprozentig lobbyiert worden, wie auch immer das dann schluss­endlich zustande gekommen ist.

Betreffend die angekündigte Regelung für die Umsetzung der EU-Plastiksteuer – sie hätte eigentlich bei den Herstellern eingenommen werden sollen –: Das wird jetzt über den allgemeinen EU-Beitrag bezahlt. Was heißt das? – Das wird aus dem Budget be­zahlt. Wenn Kollege Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross hier steht und sagt: „Das Budget fällt [...] auch nicht vom Himmel“, dann frage ich mich jetzt, warum es wirklich notwendig ist, dass wir das aus dem Budget bezahlen. Das wird er mir vielleicht noch erklären können.

Das allein war aber nicht der Grund für meine Wortmeldung. Ich möchte noch einen Satz zum Budgetbegleitgesetz sagen: Kollegin Korinna Schumann hat vom Teuerungs­aus­gleich gesprochen. Da ist es im Grunde genommen in etwa das Gleiche. Wenn wir uns die Förderungen für Sanierung, Heizungsaustausch, Raus aus Öl anschauen: Das ist wirklich super, in den Gemeinden wird das forciert, und das wird auch gemacht; aber – und jetzt komme ich zur Unterstützung für Haushalte mit geringem Einkommen – da ist es das Gleiche. Wir reden immer darüber, wir haben für die Jahre 2021 und 2022 100 Millionen Euro dafür bereitgestellt, aber bis jetzt ist kein Euro an Förderungen an diese bedauernswerten Menschen ausbezahlt worden, von denen wir verlangen, dass sie die Heizung tauschen. Wir setzen das dann schlussendlich nicht um.

Das sind die zwei Punkte, die ich noch einmal kurz beleuchten wollte. Ich denke, dass ich darauf sicher eine Antwort bekommen werde, denn wir als SPÖ haben darauf ge­drängt, dass diese Haushalte, Leute, die wenig Geld haben, unterstützt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25


Präsident Dr. Peter Raggl: Jetzt endgültig zu einer abschließenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Staatssekretär Magnus Brunner. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 103

14.25.58

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck, du hast es genau auf den Punkt getroffen: Es geht eigentlich um genau dieses praktische Ver­halten, das wir täglich an den Tag legen können, die praktischen Tipps. Jeder kann einen Beitrag leisten, Müll zu vermeiden. Wir machen das zu Hause so: Meine Jungs hatten ein Lieblingsgetränk, das es nur in der 1,5-Liter-Plastikflasche gegeben hat. Sie haben dann von sich aus gesagt: Nein, jetzt gehen wir einmal in den Supermarkt und schauen, ob es nicht eine Alternative in einer anderen Verpackungsform gibt! Ich glaube, um ge­nau das geht es: dass wir – erstens einmal – ein Umdenken unterstützen. Dieses Um­denken findet in der nächsten Generation ja auch statt, das muss man ehrlicherweise sagen, vielleicht schon auch in unserer, aber in der nächsten Generation sowieso.

Wir haben uns im Regierungsprogramm darauf verständigt, dass wir ganz gezielt Maß­nahmen zur Reduktion von Plastikmüll, Plastikverpackungen, Müll insgesamt setzen möchten. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir etwas gegen diese Plastikflut tun müssen, dass wir Einwegplastik reduzieren müssen und die Recyclingquote entsprechend erhöhen müssen. Das wollen wir tun. Ich bin überzeugt, dass die Novelle des Abfallwirt­schaftsgesetzes da einen ganz entscheidenden Beitrag leisten wird.

Ziel – und das wurde schon angesprochen – ist es, die Mehrwegquote von derzeit rund 20 Prozent auf 25 Prozent bis zum Jahr 2025 und bis zum Jahr 2030 dann auf 30 Pro­zent zu erhöhen. Das ist das Ziel, das ist auch sehr ambitioniert, aber aus meiner Sicht durch­aus machbar. Wichtig dabei ist, glaube ich, auch eine gewisse Flexibilität zu bieten, eine Wahlfreiheit zu bieten. Das ist wichtig. Jedes Handelsunternehmen kann selbst wählen, ob es die Quoten auf der Angebotsseite oder nach dem verkauften Volu­men erfüllen möchte.

Wenn ich noch ein paar Sätze zum Einwegpfand sagen darf: Da sind aus meiner Sicht drei Dinge ganz entscheidend. Auf der einen Seite ist eine Übergangsfrist wichtig – Kollege Novak hat das angesprochen, jetzt komme ich zur Antwort –, damit die betroffe­nen Unternehmen eine Planungssicherheit haben. Das brauchen sie dringend, das ist wichtig, das ist praxisbezogen, und daher kommt das Pfand ab dem 1. Jänner 2025.

Kollege Novak, die Wirtschaftskammer hat das nicht verhindert oder blockiert, aber die Wirtschaftskammer hat darauf gedrängt, eine praxistaugliche Lösung zustande zu bringen, damit die Unternehmen nicht über Gebühr belastet werden – das ist eigentlich der Grund –, und hat sich sehr konstruktiv in die Verhandlungen eingebracht. Wir werden auf die Praxistauglichkeit achten, natürlich auch bei der Verordnung; die konkrete Aus­gestaltung ist ja noch offen und ist per Verordnung zu regeln. Natürlich werden da auch die Realitäten der Händler, die Anliegen der Händler, insbesondere der ganz kleinen Lebensmittelhändler, der Unternehmen entsprechend zu berücksichtigen sein, damit eben diese Regelungen in der Praxis dann auch funktionieren und nicht nur im stillen Kämmerchen auf dem Papier niedergeschrieben werden.

Wir werden darauf schauen, dass am Ende ein kluges System, ein innovatives System herauskommt, das die europäischen Ziele und unsere nationalen Kreislaufwirt­schafts­ziele entsprechend unterstützt. Natürlich muss man die Wirtschaft bei der Umsetzung unterstützen, auch finanziell unterstützen. Wir haben daher für den Handel, für die kleinen Händler insgesamt 110 Millionen Euro bis 2026 für Rücknahmeautomaten, für Waschanlagen, für Mehrwegabfüllanlagen vorgesehen.

Ich glaube, dass das jetzt ein sehr ausgewogenes Paket geworden ist – Gott sei Dank – und ein guter Schritt, ein richtiger Schritt in Richtung weniger Müll, vor allem weniger Plastikmüll. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.30

14.30.07



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 104

Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Pfandsystem ohne Teuerung und versteckte Steu­ern“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

14.30.5814. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Protokoll zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht betreffend die vorläufige Anwendung (1027 d.B. und 1150 d.B. sowie 10790/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


14.31.16

Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Protokoll zum Über­einkommen über ein Einheitliches Patentgericht betreffend die vorläufige Anwendung zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

14.31.59


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Ich eröffne die Debatte.

Mir liegen derzeit keine Wortmeldungen dazu vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie wiederum Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 105

14.32.3015. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Vereinsgesetz 2002, das Waffengesetz 1996 und das Spreng­mittelgesetz 2010 geändert werden (1101 d.B. und 1118 d.B. sowie 10791/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um den Be­richt.


14.32.53

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Vereinsgesetz 2002, das Waffengesetz 1996 und das Sprengmittel­gesetz 2010 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. No­vember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile es ihm.


14.33.38

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ich habe gerade vorhin die Zeitung gelesen. Die „Kleine Zeitung“ titelt ja heute schon „Der Hardliner als neuer ÖVP-Chef – und Kanz­ler?“ – Das möchte ich mir jetzt bei dieser Änderung des Waffengesetzes etwas näher anschauen.

Ich sage, mit dieser Gesetzesänderung hat sich der jetzt Nochinnenminister wieder einmal alle Mühe gegeben, aber nicht, um unser Land sicherer zu machen oder um unser Land vor dem Terror zu schützen – er hat sich alle Mühe gegeben, unsere öster­reichischen Legalwaffenbesitzer und unsere österreichischen Bürger weiter zu drang­salieren. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Nein! – Bundesrat Gfrerer: Na geh!)

Das alles geschieht unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung betreffend Straf­taten nach dem Strafgesetzbuch im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten, ter­roris­tischen Vereinigungen, betreffend Mitglieder von terroristischen Vereinigungen, Zu­sammen­schlüsse von terroristischen Vereinigungen und, und, und. – Na, Herr Bundesminister, das ist ja nicht der große Wurf, das kann man ja bitte heute schon!

Heute gibt es bereits den § 12 des Waffengesetzes, um gegen diese Menschen ein Waffenverbot auszusprechen. Dafür haben wir diese Gesetzesänderung nicht gebraucht. Ich sage, das ist eine Alibigesetzgebung, die Sie hier und heute vorlegen. Diese Alibi­gesetzgebung hat aber einen ganz anderen Hintergrund. Sie zielt auf etwas ganz anderes ab, nämlich darauf, den Legalwaffenbesitz in Österreich zu kriminalisieren.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, im zuständigen Ausschuss war ich schon etwas schockiert und etwas verwundert über eine Aussage einer ÖVP-Kollegin, die in diesem Ausschuss gesagt hat, die Österreicher sind Waffennarren. – Da sieht man ja


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 106

bitte, wo diese ÖVP hinwill. Und den Grünen als Koalitionspartner kommt das ja gerade recht. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.)

Diese ÖVP versucht alles, um unsere österreichischen Legalwaffenbesitzer zu krimi­nalisieren. Am liebsten wäre es Ihnen ja wahrscheinlich, die Österreicher zu entwaffnen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ja!)

Der Legalwaffenbesitz ist dieser türkis-grünen Bundesregierung anscheinend ein Dorn im Auge. Sie tun alles dafür, den Legalwaffenbesitz in Österreich nahezu zu verunmög­lichen.

Herr Bundesminister, ich sage Ihnen schon ganz klar und deutlich: Wenn Sie Ihre Ter­roristen suchen, dann werden Sie die bei den Legalwaffenbesitzern in Österreich nicht finden. Da müssen Sie schon woanders hinschauen. Da müssen Sie Ihre Polizisten näm­lich an die Grenzübergänge abkommandieren und nicht Ihre Coronadiktatur in Öster­reich bei unseren Österreichern vollziehen. (Zwischenrufe der Bundesräte Reisinger und Schennach.)

Dort an unseren Grenzen, im Burgenland und in der Steiermark, da wären die 800 Po­lizisten richtig angebracht. (Beifall bei der FPÖ.) Und genau dort werden Sie auch Ihre Terroristen finden, die Sie in diesem Land angeblich suchen und die Sie mit dieser Gesetzesänderung bekämpfen wollen.

Anstatt den Terror zu bekämpfen, terrorisieren Sie unsere Österreicher mit Waffen­ver­boten bei Bagatelldelikten, mit Waffenverboten bei Verwaltungsübertretungen. Men­schen, die sich in ihrem ganzen Leben nichts haben zuschulden kommen lassen, wollen Sie den Legalwaffenbesitz verbieten beziehungsweise die Verlässlichkeit absprechen. Das ist ein Wahnsinn, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber wie so oft: Man kann sich über diese Bundesregierung nur wundern. Anstatt sich um die Terrorismusbekämpfung zu kümmern, versucht diese ÖVP, den österreichischen Legalwaffenbesitzer zu entwaffnen. Und ich sage: Was kommt als Nächstes? Dürfen diese Menschen dann das Messer zum Schwammerlnsuchen auch nicht mehr ein­stecken? Herr Bundesminister, Terroranschläge verhindern Sie, indem Sie Terroristen an der Türe Österreichs abweisen. (Beifall bei der FPÖ.)

Terroranschläge verhindern Sie aber auch, indem Sie endlich Maßnahmen ergreifen, um diesen illegalen Waffenhandel in Österreich zu unterbinden. Und Terroranschläge wür­den Sie verhindern, wenn Sie endlich einmal auf Warnungen von Behörden über illegale Waffen- und Munitionsbeschaffungen hören würden. Da hätten Sie nämlich auch einen Anschlag am 2. November 2020 verhindern können (Beifall bei der FPÖ); aber genau da, wenn es wirklich um die Terrorbekämpfung geht, da versagt diese ÖVP auf der gesamten Linie.

Ich sage, Herr Bundesminister, Sie haben es bewiesen: Sie wollen es vielleicht, aber Sie können es nicht. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Da schau ...!)

14.39


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich darf den Bundesminister für Inneres recht herzlich im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile es ihm.


14.39.52

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Von der Polemik zur Sache: Die Definition des Begriffs Waffe hängt ja von kulturellen und auch von technischen


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 107

Ansichten ab und ist daher in verschiedenen Epochen und natürlich auch Ländern un­terschiedlich.

Im Allgemeinen sind ja Waffen Mittel, die ein Lebewesen in einer Konfliktsituation sowohl psychisch als auch physisch seiner Handlungsfähigkeit und Unversehrtheit berauben können. In den meisten Fällen assoziiert man ja mit dem Begriff Waffe eine Schusswaffe, also ein Gewehr, eine Pistole, einen Revolver, Kanonen und überhaupt Kriegsgeräte.

Auch die Begriffsdefinitionen, nämlich von Waffenbesitzkarte und Waffenpass, werden sehr häufig vermischt – beim Wein würde man sagen cuvetiert, also leicht vermischt – und natürlich entsprechend auch hier immer missverstanden. Die Waffenbesitzkarte dient ja nur zum Besitz, aber nicht zum allgemeinen Führen einer Waffe. Dazu braucht man eben einen Waffenpass. Berufsbedingt werden Polizistinnen und Polizisten, Justiz­beamte und -beamtinnen, aber auch die Militärpolizei – der mein Vorredner angehört – damit ausgestattet. (Bundesrat Spanring: ... -polizistinnen! Wenn, dann muss man des durchziehen, das Gendern!)

Dementsprechend ist es halt auch so – und daran sieht man, wie stark und intensiv dieses bisherige Waffengesetz schon eingesetzt wurde –, dass zum Beispiel von den 400 österreichischen Elitesoldaten beim österreichischen Bundesheer, dem Jagdkom­mando, nicht alle einen Waffenpass ausgestellt bekommen haben oder bekommen, weil sie in den verschiedenen Bundesländern leben und die dortigen Bezirkshaupt­mann­schaften entsprechend über eine Ausstellung oder Einschränkung entscheiden.

Der Begriff der Waffe ist aber nicht immer im materiellen Sinn zu definieren. Auch Com­puterprogramme können als Waffe dienen.

Ein kleiner Exkurs zu den Jägern: Die Jäger bezeichnen ja die Hauer des Wildschweines insgesamt als Waffe, wobei die Zähne im Unterkiefer Gewehre heißen, auch das Geweih und Gehörn eines Tieres kann als Waffe bezeichnet werden. Ich hoffe, das stimmt so aus den Übertragungen.

Jetzt komme ich aber zu einem sehr wesentlichen Punkt: Eine sehr häufig eingesetzte Waffe ist die dem Menschen gegebene verbale Sprachartikulierung, die Kommunikation. Kriege werden durch Streitgespräche verursacht und angezettelt und dann mit Waffen­gewalt ausgeführt. Die Sprache als Waffe wird sehr oft – und wir haben nicht nur heute wieder ein lebendiges Beispiel dafür hier im Hohen Haus gehört, sondern wir hören es immer wieder – sauber und wider besseres Wissen eingesetzt und für Verunglimp­fun­gen, Diffamierungen, persönliche Beleidigungen, auch Anschüttungen – immer unter dem Deck­mantel der Immunität – bewusst eingesetzt. Ein Ordnungsruf bleibt ohne Auswir­kungen, wird lächelnd registriert und als Sammeltrophäe wie auf einem Samtpolster vor sich hergetragen.

Hier sollte man im weiteren Sinne am verschärften Waffengesetz Anleitung nehmen. Hinsichtlich des Mottos: Für eine Waffe brauche ich dieses und jenes, aber reden kann ich, was ich will!, braucht es natürlich auch eine gewisse Anleitung zur Selbstdis­ziplinie­rung, vor allem auch des Anstandes und der Kinderstube.

Beim neuen Waffengesetz geht es ja nicht nur um Waffenverbote, sondern es geht vor allem auch darum, dass Verschärfungen bei der Verlässlichkeitsprüfung für eine Waffen­erlaubnis durchgeführt werden. So sollen künftig beispielsweise Waffenverbote auf Per­sonen mit bestimmten Verurteilungen nach dem Strafgesetzbuch ausgeweitet werden, und auch bei der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbotes soll auto­matisch ein vorläufiges Waffenverbot gelten. Damit wird gewährleistet und hoffentlich auch umgesetzt, dass nachhaltig ein Schutz von Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen sind, gegeben ist.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 108

Neu ist außerdem, dass im Falle einer Waffenabnahme die Behörde künftig prüfen muss, ob die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Waffenverbot gegeben sind. Liegen diese vor, werden Gewalttätern Schusswaffen dauerhaft entzogen. Nach dem verheerenden Terroranschlag im Vorjahr reagierten unsere Bundesregierung, unser Bundesminister und das Parlament professionell und prompt mit dem zweiten Antiterrorpaket.

Vorher wurden schon religiös motivierte extremistische Verbindungen nach dem Straf­recht entsprechend strafbar gemacht. Schon die Gründung von und die Beteiligung an solchen Vereinigungen sind strafbar.

Im Vereinsgesetz geht es vor allem darum, dass Vereinen nur der reine Vereinszweck zugelassen wird und dass die Vereine nicht für eine Kultusausübung – das obliegt ausschließlich den Religionsgemeinschaften und eben nicht den Vereinen – miss­braucht werden. – So viel zum Vereinsgesetz.

Beim Sprengmittelgesetz geht es darum, dass Plastiksprengstoffe in Zukunft eine Bei­mischung erhalten, durch die sie besser aufspürbar sind und somit terroristische Spreng­stoffattentate erschwert beziehungsweise verhindert werden.

Die Sicherheit geht uns so wie die Gesundheit alle etwas an. Tun wir unser Bestes dafür und tragen wir mit verschärften Gesetzen, die auch einzuhalten sind, dazu bei! Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.46


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile ihm dieses.


14.46.21

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Eines vorweg: Die SPÖ-Fraktion wird hier im Bundesrat diesem Bundesgesetz, mit dem das Vereinsgesetz, das Waffengesetz und das Sprengmittelgesetz abgeändert werden sollen, zustimmen.

Inhaltlich können wir demnach mitgehen, weil die Änderungen in diesen Bundesge­set­zen eines gemeinsam haben, nämlich für mehr Sicherheit zu sorgen. Es wurde vor mir schon einiges erwähnt, aber leider war nicht alles richtig.

Herr Kollege Leinfellner, es gibt eine Formel, die ganz einfach ist: Eine Schusswaffe oder eine Waffe ist gefährlich, viele Schusswaffen, viele Waffen sind ganz einfach gefähr­licher. (Bundesrat Spanring: ... schneller!)

Deshalb auch gleich zum Waffengesetz: Wir wissen, dass liberale Waffengesetze Prob­leme bereiten. Da braucht man nur in die USA zu schauen. Solche Verhältnisse wollen wir in Österreich sicher nicht haben. Strenge Maßstäbe sind für uns als SPÖ ein sicher­heitsförderndes Grundprinzip. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist es auch wichtig und richtig, dass wir beim Waffengesetz immer wieder nach­justieren. Mit der gegenständlichen Änderung soll der Zugang zu Schusswaffen für be­stimmte Personengruppen ganz einfach ausgeschlossen werden. Bei Verurteilungen nach bestimmten Terrordelikten zum Beispiel wird es zwingend Waffenverbote geben. Dagegen kann doch niemand etwas haben. Bei nationalsozialistischer Wiederbetä­ti­gung, bei Verwaltungsübertretungen gegen das Symbole-Gesetz, gegen das Abzeichen­gesetz wird es unter Umständen keinen Waffenpass oder keine Waffenbesitzkarte mehr geben. Personen, die nach diesen Gesetzen auffällig sind und schon solche Waffen­besitzdokumente haben, können diese Dokumente nachträglich entzogen werden. In diesem Fall sind die Waffen dann der Behörde zu übergeben. Es soll auch – und das ist


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 109

ganz wichtig – bei der Anordnung eines Annäherungs- und Betretungsverbotes zumin­dest zu einem vorübergehenden Waffenverbot kommen.

Allesamt sind das wichtige Schritte im Kampf gegen Gewalt im Allgemeinen, aber auch hinsichtlich der tragischen Vorfälle, bei denen es in der Vergangenheit zu sehr schreck­licher Gewalt an Frauen gekommen ist.

Wir dürfen aber auch den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel nicht aus den Augen verlieren. Da gebe ich meinem Vorredner recht. Waffenfunde bei Hausdurchsuchungen weisen immer wieder auf dieses latente Problem und auf diese Gefahr hin. Wir brauchen auch im Kampf gegen illegale Waffen Schwerpunkte.

Beim Sprengmittelgesetz – ganz kurz – geht es um die Ausweitung der Markierung von Plastiksprengstoff, damit man diesen auch leichter aufspüren kann, und beim Vereins­gesetz wird die Vereinsbehörde, das Magistrat oder die Bezirkshauptmannschaft nun verpflichtet, Vereine im Falle der Ausübung eines Kultus der Kultusgemeinde beim Bun­deskanzleramt zu melden. Dort erfolgt dann die Prüfung, ob solche kultusausübenden Vereine in die inneren Angelegenheiten einer anerkannten Kirche oder Religionsgemein­schaft eingreifen. Ist das der Fall, soll natürlich die Gründung eines solchen Vereins verhindert werden.

Summa summarum: Das alles sind wichtige Schritte. Das alles ist sinnvoll, und das alles werden wir als SPÖ-Fraktion natürlich mittragen und auch mitbeschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ebner.)

14.50


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


14.50.26

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Ein Drittel der Morde an Frauen wird mit Schusswaffen ausgeführt, nicht nur mit illegalen. Wir be­schließen heute, dass mit Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots – davon werden jährlich viele, viel zu viele, verhängt – automatisch ein vorläufiges Waffen­verbot als ausgesprochen gilt; wir haben es schon gehört.

Zusätzlich wird dem Gefährder – auch das haben wir heute schon gehört – die Absolvie­rung einer Gewaltpräventionsberatung vorgeschrieben. Das ist gut so. Das heißt: Ge­walttätern, die weggewiesen werden und legal eine Waffe – wohl meist Schusswaffe – besitzen, wird diese sofort von der Polizei abgenommen. Darüber hinaus muss geprüft werden – das ist das Wichtigste, und das möchte ich auch betonen –, ob die Voraus­setzungen für ein dauerhaftes Waffenverbot gegeben sind. Auch das ist gut so, denn die Tötung eines Menschen mit einer Schusswaffe ist leichter auszuführen als mit anderen zur Waffe gemachten Gegenständen. Amtsbekannte Gewalttäter dürfen also keine Schusswaffe mehr besitzen. Das ist wirklich ein Erfolg.

Und ja, illegaler Waffenbesitz ist ein Problem. Daher muss die Polizei bei Gewaltdelikten und Wegweisungen auch genau hinschauen und bei Verdacht auf Waffenbesitz auch andere Maßnahmen treffen können, wie zum Beispiel Hausdurchsuchungen bean­tra­gen.

Das bringt mich zum schon erwähnten Instrument der Hochrisikofallkonferenzen, die wir auch im Falle von Waffenverboten brauchen, denn genau mit den verschiedenen bei häuslicher Gewalt involvierten Einrichtungen, wie Interventionsstelle, Opferschutz­ein­richtungen, Männerberatungsstellen, Polizei und Justiz, kann der Verdacht des Waffen­besitzes geprüft und eventuell erhärtet werden, und es können Maßnahmen vom Waf­fenverbot bis zur Hausdurchsuchung oder Untersuchungshaft gesetzt werden.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 110

All diese Maßnahmen sind auch wichtig für Gewaltdeliktsverfahren, wenn es um die Beweisaufnahme geht. Ich wiederhole mich: Verfahren wegen häuslicher Gewalt werden überwiegend eingestellt oder enden mit einem Freispruch wegen Mangels an Beweisen. Ich bin aber zuversichtlich, denn das Netz an Maßnahmen zur Vorbeugung und Hintan­haltung von Gewalt an Frauen wird immer dichter geknüpft. Sie waren bei einem der vorigen TOPs nicht da, Herr Bundesminister, aber ich habe die gute Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der Justiz sehr betont. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Im Sinne dieses Maßnahmennetzes möchte ich auch noch auf die Initiative des Sozial­ministeriums hinweisen: „Mann“ – mit Doppel-N geschrieben – „spricht’s an“. Sie will einerseits die Zivilcourage, gegen Gewalt an Frauen aufzutreten, stärken, und anderer­seits Männer ansprechen, die aus der eigenen Aggressions- und Gewaltspirale aus­brechen möchten. Die Kampagne informiert über Unterstützungsangebote und verbreitet zum Beispiel die Nummer der Männerhotline: 0800 400 777. Wenn Sie die Initiative noch nicht kennen, schauen Sie sie an, teilen Sie sie in den sozialen Medien! Das hilft, Gewalt in der Familie und vielleicht auch Frauenmorde zu verhindern.

Mit einem Zitat von Alma Zadić möchte ich schließen: „Wer Hilfe sucht, zeigt Stärke.“ – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.54

14.54.24


Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.54.3916. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Frem­denpolizeigesetz 2005, das Grenzkontrollgesetz und das Staatsbürger­schafts­ge­setz 1985 geändert werden (Erstes EU-Informationssysteme-Anpassungsgesetz) (1103 d.B. und 1119 d.B. sowie 10769/BR d.B. und 10792/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um den Be­richt.


14.55.04

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremden­polizei­ge­setz 2005, das Grenzkontrollgesetz und das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 111

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses.


14.56.01

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Werter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Unter diesem Tagesordnungspunkt wird ein ganzes Paket – die Berichterstatterin hat es vorgelesen – an Gesetzen den heutigen Anforderungen angepasst, um die Sicherheit in Österreich und auch in Europa länderübergreifend zu verbessern und sicherzustellen. Zu diesem Tagesordnungspunkt muss eine Reihe von Gesetzen abgeändert werden. Es geht um Sicherheit in Österreich und Europa, und ich bin froh, dass von allen Fraktionen Zustim­mung bekundet wurde.

Worum geht es bei diesem umfassenden Begriff eines EU-weiten Einreise- und Aus­reisesystems? Wie und wo kann das in der Praxis angewendet werden? – Es stimmt, es ist eine etwas sperrige Materie für die Menschen in unserem Land, aber ich bin mir sicher: Es ist sehr, sehr notwendig.

Ein paar Beispiele: Von der Straftat Kindesentführung wird sehr oft berichtet. Es sind meist Väter, die ihre Kinder in das Land entführen, aus dem sie ursprünglich stammen, entweder weil eine Scheidung ansteht, oder zur Zwangsheirat oder auch zur Genital­verstümmelung. In solchen Fällen sollte, wenn es Hinweise gibt und ein Verdacht be­steht, diese Person in einer Datenbank eingetragen werden können. Da geht es um eine Präventivausschreibung. Dies soll die Möglichkeit geben, eine Ausreise zu verhindern. Ich denke, das sind wesentliche, wichtige Punkte, um die Sicherheit von mehr betrof­fenen Kindern, als wir vielleicht glauben, in ganz Österreich und Europa zu verbessern.

Ein weiteres Beispiel: Wenn Kriminelle immer wieder mit falschen Identitäten unterwegs sind, fällt dies nicht so leicht auf. Ist aber ein Fingerabdruck hinterlegt, dann kann die Identität rasch festgestellt werden, und so können Kriminelle schon bei der Einreise ausgeforscht oder, wenn sie sich schon im EU-Raum aufhalten, bei einer Polizeikontrolle sofort erkannt werden. Es geht hauptsächlich um die Kooperation der Länder unter­einander. In Europa gibt es das Europäische Polizeiamt, bei dem alle Informationen aus den Mitgliedstaaten zusammenlaufen. Wichtig erscheint mir auch, dass Europol Zugriff auf alle Daten hat, die im Schengener Informationssystem gespeichert sind.

Zusätzlich hat Europol die Möglichkeit, vorliegende Informationen in diese Datenbank einfließen zu lassen. Wird in einem Land nach einer Person gefahndet, der vorgeworfen wird, terroristische Straftaten begehen zu wollen, ist es wesentlich, das in die Datenbank einzutragen und gleichzeitig eine Meldung an das Europäische Zentrum zur Terroris­musbekämpfung bei Europol zu machen. Dies bietet die Möglichkeit, sofort nach­zusehen, welche Informationen betreffend Terrorismusbekämpfung vorhanden sind; man kann damit die Polizei warnen und möglicherweise einen terroristischen Anschlag verhindern.

Ich möchte zum Abschluss noch anhand einiger Zahlen verdeutlichen, wie wichtig die Vernetzung der Datenbanken sowie die enge Zusammenarbeit zwischen den Mitglied­staaten durch Europol sind. Das Schengener Informationssystem gibt es schon seit 25 Jahren, und es ist sehr erfolgreich: Im Jahr 2019 gab es rund 18 Millionen Abfragen pro Tag – das muss man sich einmal vorstellen. Pro Tag gibt es auch rund 770 Treffer.


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Das bedeutet: 770-mal wird eine Person, nach der gefahndet wird, gefunden oder eine Sache aufgeklärt.

Insgesamt gibt es in einem Jahr in Europa rund 6,6 Milliarden Abfragen. Das beweist die Wichtigkeit der Zusammenarbeit, die immer wieder zu verbessern und auch der heutigen Zeit anzupassen ist. Ein großer Dank gilt der europäischen Zusammenarbeit, unserem Bundesminister und unserer Regierung aufgrund ihrer Verantwortung für die Sicherheit, für Österreich und seine Menschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der Grünen.)

15.01


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. Ich erteile es ihm.


15.01.47

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Hohes Haus! Zu Beginn darf auch ich unser Stimmverhalten gleich vorwegnehmen: Die SPÖ wird auch diesem Gesetzesantrag die Zustimmung erteilen. Mein Vorredner hat schon einiges aus­geführt, deshalb beschränke ich mich auf das Wesentliche. (Vizepräsident Novak über­nimmt den Vorsitz.)

Ja, mit dieser Änderung werden Informationslücken beseitigt, indem man nämlich EU-Informationssysteme zur Kriminalitätsbekämpfung und zur Grenzkontrolle zusammen­führt beziehungsweise vernetzt. Es geht um ein gemeinsames elektronisches Einreise- und Ausreisesystem und um die Erweiterung des Schengener Informationssystems: erstens zur Unterstützung der Kontrollen an den EU-Außengrenzen und zweitens zur Unterstützung der Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Zusätzlich darf ich noch erwähnen, dass es neue Möglichkeiten für biometrische Recherchen und auch einen automatischen Fingerabdruckabgleich zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten gibt.

Das Ziel bei alldem ist klar: Wir wollen ein hohes Maß an Sicherheit, und wir wollen verbesserte Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer, vor allem internationaler und grenzüberschreitender Kriminalität. Grundsätzlich braucht man bei der Speicherung und vor allem bei der Verarbeitung solcher Unmengen an Daten ein sensibles Händchen. Ich möchte diesbezüglich auch ein bisschen sensibilisieren: Es ist natürlich Vorsicht geboten. Wir brauchen da einen sorgsamen Umgang, der stets ge­währleistet sein muss. Wir dürfen auch nicht glauben, dass allein die Datenmenge für mehr Sicherheit sorgen wird. So ist es sicher nicht. Die Datenmenge sorgt nämlich nicht für mehr Sicherheit. Der springende Punkt ist, wie wir mit diesen Daten umgehen, was wir damit machen und welche Schlüsse wir daraus ziehen.

Auch ich darf auf das letzte sehr traurige Beispiel verweisen, bei dem man diese Schlüs­se nicht gezogen hat und das Ganze schiefgelaufen ist. Das war der Terror­anschlag vom 2. November des Vorjahres. Damals war der Täter nämlich sehr wohl bekannt und ein­schlägig vorgemerkt. Trotzdem wurden nicht die richtigen Schlüsse gezogen, und das Attentat konnte – wie wir leider wissen – auch nicht verhindert werden.

Deshalb brauchen wir vor allem auf internationaler Ebene einen intensiven Daten­aus­tausch. Wir brauchen aber auch innerstaatlich mehr Austausch zwischen den einzelnen Sicherheitsbehörden. Das Um und Auf dabei sind eine bessere Kommunikation, eine bessere Koordination und eine bessere Kooperation. Die haben uns damals leider gefehlt. In Zukunft müssen wir das einfach besser hinbekommen.

Abschließend darf ich noch auf einen Lösungsansatz meines Kollegen im Nationalrat Reinhold Einwallner eingehen, der schon mehrmals einen aus meiner Sicht sehr guten Lösungsansatz eingebracht hat. Er schlägt die Gründung eines Terrorismusabwehr­zen­trums vor. Das halte ich für sehr gescheit und sinnvoll, weil wir damit diese Informationen


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besser steuern können. Wir können die Informationen dadurch auch besser verarbeiten und Terroranschläge in Zukunft vielleicht schon in der Vorbereitungsphase verhindern. Ich kann diesem Vorschlag, wie ich erwähnt habe, nur meine vollste Unterstützung geben. Denken wir bitte gemeinsam darüber nach! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.05


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.


15.05.56

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vizepräsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Wir beschäftigen uns da mit einer Gesetzes­änderung, die wichtig und richtig ist. Ja, auch wir sind für eine kontrollierte oder für eine besser kontrollierte Einreise. Deswegen ist das natürlich eine absolut unterstützenswerte Anpassung. In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch ein paar Dinge anbringen, die mir schon lange unter den Nägeln brennen.

Das betrifft zum Beispiel unsere Polizisten im Frontex-Einsatz, die nicht abweisen, son­dern durchwinken. Ich sage: Dort fängt das Problem an. Das ist auch nicht, wie sich die Polizisten dort die Erfüllung ihrer Arbeit vorstellen, und das ist nicht meine Vorstellung von einer Festung Europa. Über die geschlossene Balkanroute des gefallenen Engels Kurz möchte ich mich da gar nicht weiter unterhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bundesrätin Zwazl: Wir sind auch nicht zur Unterhaltung hier!)

Warum aber wurden unsere Frontex-Kräfte von der ungarischen Grenze abgezogen, nämlich genau von jener Grenze, auf die es tagtäglich zu einem der größten Anstürme in Bezug auf diese Grenze kommt? Das kann ich nicht verstehen. Man hat im Februar 2021 die Frontex-Kräfte in Ungarn abgezogen und sie nach Rumänien ver­schifft, nämlich dorthin, wo sie in Wahrheit tagein, tagaus in die Luft schauen können, denn dort kommt die Masse nicht an. – Sie wissen das, Herr Innenminister. Vielleicht haben Sie auch dafür eine Erklärung.

Für mich gibt es auch keine Erklärung dafür, warum die Asylunterkünfte trotz unserer strengen Zuwanderungslinie bei uns tagein, tagaus herausschießen wie die Schwam­merl. Ich brauche nur nach Steinhaus am Semmering, nach Leoben oder nach Spielfeld zu schauen. Tagtäglich kommen Hunderte in unserem Land an – und das bei Ihrem harten Asylkurs. Das passt für mich irgendwie nicht zusammen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt auch jeden Tag Hunderte Aufgriffe beim Grenzeinsatz des österreichischen Bun­desheeres, wo jeden Tag diese propagierten Atomphysiker, Ärzte, Raketenwissen­schaftler und Kulturbereicherer eintreffen, die ich selbst im Jahr 2015 über viele Monate am Grenzübergang ankommen gesehen habe. Schlüsselarbeitskräfte – das kann ich Ihnen sagen – waren sehr wenige dabei. Stattdessen habe ich sehr viele Wirtschafts­flüchtlinge, sehr viele Analphabeten, sehr viele Experten für schnelle Eigentumsüber­tra­gungen und sehr viele Terrorexperten gesehen, nämlich die, die Sie mit Ihren Gesetzes­änderungen jagen wollen. Dort sind sie nämlich dabei. (Beifall bei der FPÖ.)

Das passt auch zum vorherigen Tagesordnungspunkt: Genau dort können Sie den Terror bekämpfen, indem Sie die Grenzen schließen und diese Menschen wieder abweisen. Dort können Sie ihre 800 Polizisten einsetzen, die Sie jetzt dafür verwenden, um unsere Österreicher zu terrorisieren. Dort sind sie auch gut aufgehoben.

Ich möchte Ihnen noch einige Zahlen hinsichtlich der Asylanträge in den letzten Wochen in Österreich in Erinnerung rufen: in der Kalenderwoche 42: 1 218; in der Kalen­der­woche 43: 1 222; in der Kalenderwoche 44: 1 282; in der Kalenderwoche 45: 1 503; und in der Kalenderwoche 46: 1 358. Ab der Kalenderwoche 47 soll es ja wieder zu einem


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Anstieg gekommen sein, aber ich glaube, das wissen Sie ganz genau. Sie kennen diese Zahlen, Herr Bundesminister.

Viele haben noch die Bilder von 2015 im Kopf, und ich frage mich schon: Was hat sich in diesem Bezug im Jahr 2021 geändert? – Das Einzige, das sich geändert hat, ist, dass diese türkis-grüne Bundesregierung ihre gekauften Systemmedien besser unter Kon­trolle hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Man hört und liest nichts davon, dass die Asylunterkünfte wie die Schwammerln heraus­schießen, aber, Herr Bundesminister, ich sage: Wenn ich die Augen zumache, dann sieht mich keiner!, ist das falsche Motto. An das sollte man sich in diesem Zusam­men­hang nicht halten, denn es sind Zigtausende Wirtschaftsflüchtlinge, die inzwischen wieder in unser Land hereingeströmt sind, und ich glaube, da sollte man vernünftiger agieren.

Ja, Herr Bundesminister, genau dort liegt auch das Problem – Ihr Terrorproblem, das Sie lösen wollen –, und deswegen sollten Sie auch genau dort genauer hinschauen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


15.11.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es wirklich nur sehr kurz, denn eigent­lich beschließen wir ja diesen Tagesordnungspunkt, wenn ich es richtig verstanden habe, einstimmig. Man kann natürlich dann so einen Tagesordnungspunkt nehmen, um über ganz andere Dinge zu sprechen, aber in Wahrheit geht es da um ein sehr trockenes und (Heiterkeit des Redners) eigentlich recht fades Paket – aber ein notwendiges, das möchte ich schon noch betonen, und es wurde eigentlich von den Vorrednern von ÖVP und SPÖ auch sehr gut erläutert.

Was geschieht? – Man erleichtert innerhalb der EU-Staaten den Datenaustausch zum Beispiel etwa in Sachen Bekämpfung von Terrorismus oder bei Fällen von schwerer Kriminalität, um nur diese zwei Beispiele zu nennen oder herauszugreifen. Wir sind ja selber sehr oft in die Situation gekommen, dass wir auch die Informationen von anderen europäischen Staaten brauchen sowie auch selbst liefern müssen.

Dass es sinnvoll ist, dass die Staaten der EU da einheitlich agieren, liegt auf der Hand. Auf welcher gesetzlichen Basis sie das wiederum tun, das entscheiden wir ja in anderen Gesetzen. Da kann man sehr wohl dann das eine oder andere Mal kritisieren, es anders sehen, und dazu gibt es genug parlamentarische Debatten. Dass aber die europäischen Standards, wie dieses Wissen ausgetauscht wird, einheitlich sein sollen – dass sie wissen, welche Daten wie verarbeitet werden oder wohin man einen Stempel drückt –, ist natürlich ganz klar.

Es gab Bedenken, die zu Beginn auch geäußert wurden, aber es freut mich schon, dass wir gemeinsam und einstimmig übereingekommen sind, dass wir diese Standards brauchen, dass sie für die Sicherheitsbehörden sinnvoll sind. Daher stimmen wir auch sehr gerne zu. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.13

15.13.26


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.14.0917. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1923/A und 1137 d.B. sowie 10771/BR d.B. und 10782/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung. Herr Bundesminister Mückstein befindet sich noch im Nationalratsausschuss und wird so schnell wie möglich zu uns kommen. Wir beginnen trotzdem.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


15.14.49

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallver­siche­rungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis  bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


15.15.37

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir schreiben Welle vier, Lockdown vier der Zeitrechnung seit Beginn der Pandemie. Gut eine Viertelmilliarde Menschen hat sich inzwischen mit dem Coronavirus angesteckt, und zuletzt, wie wir alle wissen, schossen die Infektionszahlen wieder in die Höhe.

Fast zwei Jahre kämpft die Welt nun schon gegen die größte Seuche seit der Spani­schen Grippe. Wie das „Profil“ vor zwei Wochen berichtet hat, hat die Welt inzwischen durch Corona fast 30 Millionen Lebensjahre eingebüßt, zugleich aber in Form von mehr als 120 000 Studien den größten wissenschaftlichen Kraftakt aller Zeiten geschafft, und wir in Österreich haben inzwischen schon mehr als 180 Tage im Lockdown verbracht.

Es wurde binnen kürzester Zeit eine Impfung zum Schutz gegen Corona entwickelt, und wir sind in der Lage, alle Menschen, die in Österreich leben, mit ausreichend Impfstoff zu versorgen. Nun geht es darum, dass wir genau diese Möglichkeit auch nutzen. Neben der sehr zentralen Grundimmunisierung gilt es nun, auch die Boosterimpfung wahrzunehmen.

Als zusätzlichen weiteren Schritt im Sinne der Aufklärung und Verdeutlichung der Wich­tigkeit der Impfung als Schutz für die eigene Gesundheit und die unserer Mitmenschen


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soll hier und heute die rechtliche Grundlage für ein Infoschreiben des Dachverbands der Sozialversicherungsträger an Ungeimpfte beschlossen werden. Ich halte dieses Anschreiben für sehr wichtig. Es wird auch inhaltlich durch ExpertInnen eine gute Formulierung gefunden werden und noch einmal neben allen schon vorhandenen Informationen in einem persönlichen Schreiben auf die Wichtigkeit der freiwilligen und baldigen Impfung hingewiesen.

Dieses Schreiben ergeht an alle Versicherten und deren Angehörige, die bis zum 1. De­zember noch nicht geimpft sind beziehungsweise geimpft waren. Es enthält die Infor­mation über das Risiko einer Covid-Erkrankung und die Möglichkeit der Gratisimpfung. Es gibt auch noch ein zusätzliches Erinnerungsschreiben für Geimpfte für den dritten Stich, aber dafür brauchen wir keine rechtlichen Änderungen.

Wir beschließen heute auch die Verlängerung für Covid-Impfungen im niedergelassenen Bereich bis 30.6.2022, weil diese jetzt mit 31.12. ausgelaufen wären. Wir brauchen die vollständige Durchimpfung der impfbaren Bevölkerung so dringend, weil es Menschen gibt, die sich eben nicht impfen lassen können, und wir nur so eine Herdenimmunität erreichen können, die die Ausbreitung des Virus eindämmt. (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... wieder Portugal ... Beispiel!)

Was das Virus mit der menschlichen Gesundheit macht, sollte uns inzwischen hinläng­lich bekannt sein, aber ich erwähne es trotzdem gerne noch einmal – und heute einmal rückwärts gesprochen. Nach einer überstandenen Coronainfektion ist es möglicherweise noch lange nicht zu Ende: Long-Covid-Folgen und davor möglicherweise eine akute Le­bensbedrohung und die deshalb notwendigen Behandlungen auf den Intensivstationen. (Bundesrat Spanring: Das sind keine Long-Covid-Folgen ...!)

Wenn Sie möchten, sehr geschätzte Damen und Herren, können Sie sich den „Thema“-Beitrag vom Montag in der TVthek noch anschauen, dort wurde nämlich der traurige Alltag auf unseren Intensivstationen beschrieben. Für mich war es noch einmal zusätz­lich eindringlich, weil ich diese Intensivstation des Krankenhauses Vöcklabruck sehr genau kenne, und in der Form, wie es dort gezeigt wurde, habe ich das wirklich noch nie in meinem Leben gesehen: viel zu viele Menschen, die um ihr Leben kämpfen, die an Corona erkrankt sind, und Pflege- und Ärztepersonal, das an den Grenzen seiner Belast­barkeit ist.

Die Zeit schreitet voran, und der jetzige Lockdown ist – das kann man sagen – abermals nur eine Notbremse. Die vollständige Impfung und die andauernde Immunisierung sind nach Ansicht der ExpertInnen der Weg aus der Pandemie. Mit der neuen Virusmutation wird das Ganze nicht wirklich einfacher, aber gegen eine Impfung aufzutreten macht es sicherlich nur noch schwerer. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nicht gegen die Impfung, sondern für die Freiwilligkeit!)

Sehr geschätzte Damen und Herren, motivieren Sie daher über Parteigrenzen hinweg Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Impfung! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen, organisieren Sie in Ihren Kommunen lokale Impfmöglichkeiten und helfen Sie dort aktiv mit! Wir in Seewalchen werden zum Beispiel in Zusammenwirkung tatsächlich aller Fraktionen – inklusive der FPÖ – am Sonntag von 14 bis 18 Uhr impfen. (Bundesrat Schreuder: Bravo!) Wir freuen uns, wenn sich dort möglichst viele Menschen schützen lassen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

15.20


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr das Wort.


15.21.14

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim! Alle Maßnahmen, die zur


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Impfmobilisierung und zur Steigerung der Impfmotivation beitragen, sind absolut zu begrüßen, denn jede Impfung hilft uns, endlich aus dieser blöden Krise zu kommen. (Ruf bei der FPÖ: Das sieht man eh!)

Deshalb begrüßen wir natürlich auch diesen Tagesordnungspunkt und das, was wir heute beschließen. Wir beschließen heute nämlich, dass der Dachverband der Sozial­versicherungsträger per Brief alle Personen informiert, die bis 22. November noch nicht geimpft waren und über zwölf Jahre alt sind. Wir informieren sie über das Risiko, schwer an Corona zu erkranken, und über die Möglichkeit der Impfung. Es ist natürlich der Optimalfall, wenn diese Gruppe dazu gleich auch einen konkreten Impftermin bekommt, und das ist auch das Ziel dieses Schreibens.

Da kommen auch die Länder ins Spiel. Es gibt einige Bundesländer, die bereits einen Brief mit einem fixen Impftermin an Ungeimpfte versandt haben. In Vorarlberg beispiels­weise haben gestern alle Ungeimpften einen Brief mit einem konkreten Impftermin in einer Impfstraße in ihrer Nähe bekommen, Wien hat das ja schon vor längerer Zeit ge­macht und ist damit vorausgegangen, Tirol verschickt den Brief in diesen Tagen. Ich glaube, dass mit dem heutigen Beschluss die Schreiben mit diesen Informationen nunmehr auch in den restlichen Bundesländern – die bisher genannten ausgenommen – an Ungeimpfte geschickt werden. Ich denke, diese Maßnahmen können uns wirklich einen Schritt weiter in Richtung Erhöhung der Impfrate führen.

Nicht nur diese Maßnahmen können uns zu einer höheren Impfquote verhelfen, sondern ich glaube auch, dass gerade jetzt Persönlichkeiten und Vorbilder wichtige Impfbot­schafter wären: Schauspieler, Sänger, Sportler, aber auch Frauen. Frauen, die sich haben impfen lassen und trotz Impfung schwanger geworden sind oder trotz Impfung ihr gesundes Kind zur Welt gebracht haben, könnten vielleicht die eine oder andere noch ungeimpfte Frau davon überzeugen, dass die Coronaschutzimpfung nicht unfruchtbar macht.

Auch Sportler könnten wichtige Botschafter sein. Diese Beispiele mag ich, wie Sie wis­sen, ganz besonders: Unser Nachbarland, die Schweiz, hat im Oktober eine Impfkam­pagne mit der Schweizer Nationalmannschaft – genannt: die Nati – gestartet. Unter vielen anderen hat der Schweizer Fußballer Shaqiri – die meisten werden ihn vermutlich ken­nen – in seiner Muttersprache Albanisch und auf Deutsch zur Impfung aufgerufen. Sebastian Vettel, der ja in der Schweiz wohnhaft ist, hat sich ebenfalls öffentlich zur Impfung bekannt und dazu aufgerufen. Seit dieser Kampagne hat sich die Impfquote um 7 Prozent erhöht. Wahrscheinlich hat sie sich nicht nur aufgrund dieser Kampagne derart erhöht, ich denke aber, dass schon sehr viel gewonnen ist, wenn wir mit so einer Impf­kampagne, mit Impfbotschaftern auch nur ein paar Prozent schaffen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch in Österreich haben wir sehr viele Aus­nahmesportler, wir haben tolle Vorbilder, wir haben viele bekannte Persönlichkeiten aus dem Sport, aus der Musikbranche, Schauspieler (Bundesrat Steiner: Der Sebastian hat jetzt viel Zeit für sowas!) – nutzen wir diese doch auch zur Impfmobilisierung!

Das Informationsschreiben an die Ungeimpften halten wir jedenfalls für absolut sinnvoll, denn es ist ein kleiner Mosaikstein, der zur Impfmobilisierung beiträgt. Weitere Mosaik­steine, die zur Impfmobilisierung und zur Impfmotivation beitragen, sind absolut willkom­men. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.25


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 118

15.25.26

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Wenn man glaubt, es geht nicht mehr, dann kommen die ÖVP und die Grünen daher. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Es ist unfassbar. Für die Möglichkeit, über den Dachverband Menschen anzuschreiben, habt ihr 21 Monate Zeit gehabt. 21 Monate sind ins Land gezogen, bis man auf etwas draufgekommen ist, was die Landeshauptmänner vom Burgenland und von Wien schon lange umgesetzt haben. Ich sage eines ganz klar: Hätten wir nicht die Superzahlen oder die guten Zahlen in Wien und im Burgenland, dann würde es in unserem Heimatland Österreich noch viel desaströser aussehen. Wenn Sie sich heute damit rühmen, dass dieses Gesetz geändert wird: Das ist ziemlich spät. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Schon beim letzten Mal haben wir gehört, was los ist, und mittlerweile sind bereits über 600 Menschen auf den Intensivstationen, über 12 000 Menschen sind verstorben und über 3 000 Menschen sind momentan, glaube ich, noch hospitalisiert. Es ist also wirklich ein Wahnsinn, was sich abspielt.

Ich als Bundesrat des Burgenlandes möchte, auch weil es heute einen Anlass gibt – Parteiobmann Kurz, der ehemalige Kanzler der Republik Österreich, ist ja heute zurückgetreten –, die Gelegenheit nützen und klar sagen: Österreich hat sich in den letzten Jahren sehr, sehr negativ verändert, Kurz hinterlässt Trümmer. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Republik Österreich ist so gut dagestanden, hatte weltweit einen guten Ruf. Ich sage auch das heute ganz klar: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen – ich darf meinen Landeshauptmann zitieren –, Tabula rasa zu machen und in Neuwahlen zu gehen. Wenn ihr, ÖVP und Grüne, noch ein bisschen Anstand habt und euch nach 80 Prozent der Bevölkerung richtet, die diese Regierung nicht mehr unterstützen, dann tretet bitte zurück! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.27


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Doch? – Herr Bundesrat Steiner, ich erteile Ihnen das Wort.


15.28.06

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Ich stelle zu diesem Gesetzentwurf nur eine kurze Frage in den Raum, speziell an Grüne und ÖVP: Glauben Sie wirklich, dass sich jemand, der sich aus egal welchen Gründen bisher gegen die Impfung entschieden hat (Rufe bei der ÖVP: Zur Tagesordnung!), aufgrund eines Zettels, den man ihm nach Hause schickt, was Millionen kostet, jetzt impfen lässt? Glauben Sie das wirklich? (Bundesrat Schreuder: Gib dir einen Ruck!  Zwischenruf des Bundesrates Köck.) – Nein, das glauben Sie ja selber nicht, da müssen Sie ja auch selber grinsen. Das kostet wieder Millionen für wahrscheinlich nichts.

Ich mache es einmal an meinem Beispiel fest: Sie schicken mir diesen Brief nach Hause. Ich habe, wie ihr alle wisst, die Infektion durchgemacht und habe jetzt ganz, ganz viele Antikörper. Zwischenzeitlich sind diese ein bisschen weniger geworden, ich habe wahr­scheinlich unwissend wieder einmal einen Kontakt gehabt, und jetzt ist die Zahl wieder wahnsinnig hoch. Jeder Arzt, mit dem ich spreche, sagt zu mir: Christoph, bei dieser hohen Antikörperzahl brauchst du dich nicht impfen zu lassen, das raten wir dir nicht.

Wissen Sie aber, was mein Problem ist? – Kein einziger Arzt traut sich, mir das zu bestätigen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisinger.) Und wissen Sie auch, warum? – Weil er Angst hat, dass er seine Praxis verliert, wenn er so etwas bestätigt. So weit sind wir mittlerweile in unserem Land, in Österreich, gekommen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Köck.)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 119

Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger stellt sich hierher und schwärmt, wie wunderbar es mit der Impfung geht, es geht nur mit der Impfung (Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger), und alles andere wird einfach vom Tisch gewischt. (Zwi­schen­ruf des Bundesrates Köck.) – Herrn Kollegen Abwerzger, meinen Parteiobmann in Tirol, ja, genau, richtig, den sprechen Sie jetzt an: zweimal geimpft, trotzdem an Corona erkrankt – und dem ging es nicht gut, nur damit Sie von der ÖVP das einmal wissen; ganz offen und ehrlich gesagt. Reden Sie keine Unwahrheiten, wenn Sie es nicht wissen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt sage ich noch etwas zu Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger, die hier heraußen steht und sagt: Nur die Impfung, nur die Impfung! – Jetzt macht sie ein Impfzelt in ihrer Gemeinde. Am liebsten würde sie wahrscheinlich den ganzen Tag selber mit zwei Spritzen impfen, so wie sich das angehört hat. Gott sei Dank haben Sie ja mit Gesundheit wenig am Hut, denn es wäre wahrscheinlich lebensgefährlich, wenn man Frau Hauschildt-Buschberger auf die Leute in ihrer Heimatgemeinde loslässt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Die Frau Kollegin von der ÖVP hat vorhin gesagt, man solle es mit prominenten Per­sönlichkeiten versuchen, man brauche Prominente, die Werbung für die Impfung machen. Ich habe da wirklich einen guten Vorschlag (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, bitte!): Ihr habt ja einen Prominenten in euren Reihen gehabt oder wahrscheinlich immer noch, der jetzt dann ganz, ganz viel Zeit hat: Herr Kurz, Nochparteiobmann, bald ehemaliger Parteiobmann. Der hat jetzt sehr viel Zeit, der kann sich also einen ÖVP-Impfbus organisieren. Ihr habt ja wahrscheinlich genug Parteigelder, wenn ihr das Minus am Konto wegrechnet. Dann soll er mit dem Impfbus Sebastian durch Österreich touren und einmal richtig durchimpfen. Das wäre einmal ein Vorschlag! Er hat jetzt viel Zeit, er hat uns diese Misere eingebrockt, der Godfather of Pandemiebeendigung. Jetzt hat er Zeit und kann diese Misere mit seinen Impfungen im Impfbus wieder ausbügeln.

Auf jeden Fall muss ich Herrn Kollegen Kovacs von der SPÖ recht geben – und es ist ja selten, dass ich der SPÖ recht gebe –: Ihr habt das so etwas von versemmelt! Ihr habt es zwei Jahre lang vergeigt! (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr habt auf den Intensivstationen nicht dafür gesorgt, dass wir mehr Personal haben. Zwei Jahre lang im Tiefschlaf, im Sommerschlaf – ihr habt es einfach vergeigt! Jetzt haben wir die sechste oder siebte Regierungsumbildung seit Schwarz-Grün, und ihr behauptet immer noch, dass ihr das im Griff habt und das eine gute Regierung ist. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, haben wir! Ja!) – Da müsst ihr selber lachen, gell? Also von Im-Griff-Haben und von gut sind wir ganz, ganz weit weg. Jetzt gehen euch die Leute aus, jetzt wird dann anscheinend Karl Nehammer Kanzler dieser Republik. (Ruf bei der SPÖ: Mit der Flex!) – Ja, genau, der kommt jetzt mit der Flex, der Flex-Kanzler. Uns steht wirklich noch Übles bevor. – Herr Kovacs, ich gebe Ihnen zu 100 Prozent recht. (Beifall bei der FPÖ.)

ÖVP und Grüne, traut euch in Neuwahlen! Dann wird Österreich bestimmen, wie es in Zukunft regiert werden will, denn von euch, von dieser Regierung, wollen sicher nicht mehr 50 Prozent in diesem Land regiert werden. Jetzt seid ihr schon bald bei 30 Prozent herunten. Wir werden derzeit von ÖVP und Grünen mit gemeinsam 30 Prozent regiert. Demokratiepolitisch ist das wirklich bedenklich. Ab in Neuwahlen – und dann lassen wir die Österreicher bewerten, denn ihr habt auf ganzer Linie versagt! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

15.34

15.34.08



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 120

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.34.4618. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird (1999/A und 1138 d.B. sowie 10783/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird (1139 d.B. sowie 10784/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 18 und 19, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 18 und 19 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.

15.35.44


Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 121

15.36.55

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um die Verlängerung der Förderung für die betrieblichen Testungen. Warum waren wir NEOS im Nationalrat und sind wir auch hier dagegen? – Als dieses Gesetz eingeführt wurde, lag der Schwerpunkt tatsächlich auf testen, testen, testen, in der Zwischenzeit ist der Schwerpunkt allerdings impfen, impfen, impfen.

Wir haben von Kollegin Eder vorhin gehört, dass man versuchen muss, jeden Mosaik­stein zur Impfmobilisierung zu finden und einzusetzen, um die Impfquote zu erhöhen. Die betrieblichen Testungen jetzt zu verlängern, um – wie es auch in der Begründung des Initiativantrages steht – einen Anreiz zu geben, sich oft testen zu lassen, ist hin­gegen leider ein negativer Anreiz, sich impfen zu lassen. (Ruf bei der ÖVP: Aber es geht nicht anders! – Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn und Schennach.)

Wir versuchen alles, um die Impfquote zu heben. Wir schicken Briefe mit Impfterminen aus, wir veranstalten Impflotterien. Es wird unserer Meinung nach allerdings immer noch zu bequem gemacht, sich statt der Impfung testen zu lassen. Es gäbe Möglichkeiten, das betriebliche Testen in dieser Form langsam auslaufen zu lassen, zum Beispiel indem nur noch PCR-Tests gefördert werden, oder – wie es auch der steirische Landeshaupt­mann Schützenhöfer schon vorgeschlagen hat – für Tests einen Selbstbehalt zahlen zu lassen, und zwar für Personen, die sich impfen lassen könnten, die das nicht aus gesundheitlichen oder aus Altersgründen nicht machen können. Deswegen stimmen wir dagegen: Aus einem Anreiz zum Testen soll ein Anreiz zum Impfen werden.

15.38


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.


15.39.04

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben es von Kollegen Arlamovsky schon gehört: Bei diesem Beschluss geht es um die Verlän­gerung des betrieblichen Testens; ich lege jetzt aber eines drauf und sage: als zusätz­liche Maßnahme zur Pandemiebekämpfung. Es geht darum, den Unternehmen den Aufwand für das Betreiben von Teststraßen zu ersetzen. Diese Verlängerung wird jetzt einmal mit 31.12. limitiert.

Mir ist es aber schon auch wichtig, an dieser Stelle ein bisschen das aufzugreifen, was der Herr Kollege gesagt hat: Tests ersetzen keine Impfung. Ich sehe die betrieblichen Teststraßen als zusätzlichen Schutz, den die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nutzen können, um quasi doppelt abgesichert zu sein.

Auch wenn Kollege Steiner jetzt wieder sagen wird, ich hätte mit Gesundheit nichts am Hut, sehe ich genau das ein bisschen anders als er. Impfen senkt das Risiko, sich zu infizieren, es senkt das Risiko, symptomhaft zu erkranken, es senkt das Risiko, ein Spitalsbett zu benötigen, und ganz besonders senkt die Impfung das Risiko, auf einer Intensivstation zu landen.

In Bezug auf die Antikörper möchte ich noch einmal auf gestern Abend verweisen, auf Prof. Dr. Wenisch, der darüber gesprochen hat, dass jemand mit 22 000 - - Ich meine, da kommt es dann wieder darauf an, wie die Antikörper genau aufgenommen werden. – Ich sehe Herrn Steiner gar nicht. Er mag gar nicht hören, was ich Gutes erzähle. (Bun­desrat Schennach: Weil er mit ...! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Genau!


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 122

(Bundesrat Spanring: Sie erzählen nichts Gutes! Nicht böse sein!) – Auch dieser Mensch mit diesem hohen Antikörperwert ist schlussendlich schwer erkrankt.

Ich lasse mich auch regelmäßig zusätzlich auf Antikörper testen, und egal wie hoch der Antikörperwert ist, hat mir das gestern Abend noch einmal ein deutliches Zeichen ge­setzt. Das Erste, was ich heute Morgen gemacht habe: Ich habe mir einen Impftermin ausgemacht.

Wie gesagt: Verlassen wir uns nicht auf Antikörper! Verlassen wir uns auf ExpertInnen­meinungen, nämlich auf richtige Experten! Machen wir bitte die Grundimmunisierung und den Boosterstich! Nutzen wir die Gelegenheit zum Impfen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

15.41


Vizepräsident Günther Novak: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Franz Ebner. Ich erteile ihm das Wort.


15.41.40

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich freue mich sehr und bin auch dankbar, dass Sie mir bei meiner heutigen Premierenrede im österreichischen Bundesrat Ihre geschätzte Auf­merk­samkeit schenken – ein herzliches Danke dafür! Ich empfinde das als hohe Form der Wertschätzung und des Respekts, von dem wir heute schon öfters gesprochen haben.

Ja, wir befinden uns nach wie vor in einer schweren Gesundheitskrise. Das Coronavirus ist ein hartnäckiger Gegner, vor allem aber ist es unser aller Feind. Lassen wir uns von ihm nicht auseinanderdividieren!

Viele Mosaiksteine müssen zusammengefügt werden, um eine derartige Pandemie erfolgreich bekämpfen zu können. Die Schutzimpfung ist der wichtigste Baustein. Daher ist es auch besonders wichtig und richtig, alle möglichen Formen der Information an die Bevölkerung weiterzugeben, so wie das jetzt auch passiert.

Ebenso ist es wichtig, die Förderung von betrieblichen Testmöglichkeiten auf Sicht weiter zu verlängern, jetzt einmal vorläufig bis Ende des Jahres, denn Pandemiebekämpfung bedeutet Fahren auf Sicht. Die Lage ist immer wieder neu zu bewerten.

An dieser Maßnahme, die seit 15. Februar 2021 läuft, haben sich etwa 6 000 Betriebe aller Größenordnungen beteiligt, und in Summe wurden in den Betrieben seither 7,2 Mil­lionen Tests durchgeführt. Auch das ist ein wichtiger Baustein in der aktuellen Phase der Pandemiebekämpfung.

Das Entscheidende aber ist, dass wir gegen unseren gemeinsamen Gegner, das Virus, eine Waffe haben, die wir der Wissenschaft verdanken, nämlich die Schutzimpfung. Ich persönlich hätte es kaum für möglich gehalten, dass eine hoch entwickelte Gesellschaft wie unsere offenbar nicht oder zu wenig in der Lage ist, diese Waffe, die vor unseren Augen parat liegt, gegen das Coronavirus in ausreichendem Maß einzusetzen. Ich bin aber hoffnungsvoll, dass wir mit viel Überzeugungsarbeit noch viele Menschen dazu bewegen können, durch die Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Mitmen­schen zu schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie bezüglich der Coronaschutzimpfung un­sicher oder verängstigt sind oder sich einfach zu wenig informiert fühlen, gehen Sie bitte zum Arzt Ihres Vertrauens und lassen Sie sich beraten! Unsere Ärztinnen und Ärzte können Sie am besten aufklären und auf individuelle Bedürfnisse eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 123

Die Einführung einer verpflichtenden Coronaschutzimpfung scheint dennoch in der aktuellen Situation leider alternativlos zu sein, weil es in Zukunft keine Alternative sein kann, in regelmäßigen Abständen Lockdowns zu verordnen oder dass noch weitaus mehr Menschen durch das Coronavirus sterben müssen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Dennoch, und das möchte ich betonen, muss es unser Anliegen sein, bis dahin noch möglichst viele Menschen auf die Reise mitzunehmen und von der Wirksamkeit der Schutzimpfung zu überzeugen.

Als Vertreter insbesondere von Senioreninteressen darf ich hier erwähnen, dass gerade die Gruppe der 65-plus-Jährigen die höchste Durchimpfungsrate hat. Die Weisheit des Alters trägt offenbar zu guten Entscheidungen bei. Ein herzliches Danke an die älteren Mitmenschen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ein ganz besonderes Danke sende ich von dieser Stelle aus heute aber an alle Menschen, die im Gesundheitsbereich und in der Pflege tätig sind. Sie leisten sehr, sehr viel. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Nein! Nicht! Nicht! Nicht! Nein! Nein! Gebt ihnen einen Bonus!)

Ein herzliches Danke richte ich abschließend besonders an jene Pensionistinnen und Pensionisten, die in dieser schwierigen Situation freiwillig vom Ruhestand in die Spitäler zurückgekehrt sind, um zu helfen. Das ist gelebte Zivilcourage, das ist uneigennütziger Einsatz. Sie sollten unsere Vorbilder in der Gesellschaft sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.47


Vizepräsident Günther Novak: Eingetroffen ist inzwischen Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein. Wir begrüßen ihn. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm das Wort.


15.47.34

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Zu dem, was Kollege Arlamovsky gesagt hat, nämlich man solle in Zukunft für die Tests bezahlen: Ich muss euch ganz ehrlich sagen, das können wir nur auf das Schärfste zurückweisen. Dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch noch für ihre Tests bezahlen, damit sie arbeiten gehen können, spielt sich in Österreich ganz sicher nicht ab. Darauf kann ich euch eine Garantie geben. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Bei der heutigen Verlängerung ist einfach die große Katastrophe, dass das fünf Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes jetzt noch einmal gemacht wird, und das nur bis zum 31.12. Warum man das nicht gleich bis 31.3. verlängert hat, ist für mich unver­ständlich. Ich habe auch im Gesundheitsausschuss nachgefragt. Ich kann euch nur sagen, das versteht draußen auch niemand.

Wir haben ja vor drei Wochen hier herinnen etwas beschlossen. Da haben wir gesagt: Dieses Betriebliche Testungs-Gesetz muss bis 31.3. oder so lange, solange es Testen im Betrieb beziehungsweise Testen, damit man arbeiten gehen kann, gibt, beschlossen werden. – Jetzt machen wir das nur bis 31.12. Das wird draußen kein Mensch verstehen.

Generell zu all dem Testen: Ich kann euch nur sagen, ich komme selber aus einem großen Betrieb, und wir haben das gut gemeistert, wir testen bei uns im Betrieb, das funktioniert hervorragend. Wir machen 24-Stunden-Antigentests und PCR-Tests. Viele, viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die tagtäglich in die Arbeit müssen, das sage ich euch ganz ehrlich, machen aber bei den Teststationen und den Apotheken etwas mit. Das funktioniert nicht überall so gut wie in Wien oder vielleicht in gewissen anderen


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Bundesländern. Bei uns hat es am Anfang überhaupt nicht funktioniert. Da haben sich die Leute drei, vier Stunden lang in ihrer Freizeit angestellt, damit sie Tests kriegen, mit denen sie dann arbeiten gehen können. Das geht einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Den Zickzackkurs der Bundesregierung will ich jetzt gar nicht mehr näher beschreiben. Dass sie vielleicht Drohungen gegen Ungeimpfte ausgestoßen haben, macht Türkis-Grün sicher nicht beliebter, trägt aber zur Spaltung in der Gesellschaft wirklich sehr bei. Der Lockdown für Ungeimpfte, das kann ich euch auch sagen, war auch eine Katastrophe. Da müsst ihr einmal mit Leuten reden, die tagtäglich arbeiten gehen, die das nicht verstehen.

Die Kostenfreiheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer habe ich jetzt schon angesprochen. Wir werden dem Gesetz natürlich zustimmen, obwohl wir das Gesetz brauchen, solange das Testen der Bevölkerung vorgeschrieben wird. Sparen Sie einfach nicht bei den Tests und erklären Sie diesen Wortbruch Ihren Wählerinnen und Wählern, dass Sie ein Gesetz bis zum 31.12.2021 beschließen, das bis zum 31.3.2022 Gültigkeit haben könnte! – Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

15.50


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor, wollte ich sagen, aber: Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Ofner. – Bitte.


15.51.03

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Wenn ich diese Ausführungen höre, muss ich sagen: Herr Kollege Steiner war zwar nicht hier, aber er hat zu 100 Prozent recht behalten, dass Sie von Gesundheit wahrscheinlich nichts ver­stehen, denn Sie propagieren eine Impfung (Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger) und bekennen sich dazu, sie sei alternativlos.

Frau Kollegin (in Richtung Bundesrätin Hauschildt-Buschberger), jetzt müssen Sie mir etwas erklären: Warum sollen sich die Menschen eine Impfung holen? Sie haben gesagt, Sie vertrauen nicht auf Antikörper, aber eigentlich gehen wir davon aus, dass man sich impfen (Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger) lassen soll, um Anti­körper aufzubauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da widersprechen Sie sich ein bisschen, aber wir wissen ohnehin, wie das bei Ihnen ist. Das letzte Mal haben Sie uns Portugal erklärt, und dann haben wir alle, glaube ich, auch das E-Mail gelesen, in dem ein wirklicher Kenner Portugals die Situation beschrieben und einmal ganz klar die Wahrheit ans Tageslicht befördert hat, was Sie hier eigentlich – jetzt möchte ich ein nettes Wort verwenden – für einen Unsinn gesagt haben. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

Jetzt muss ich schon auch zu einer Geschichte kommen, und da meine ich bei Gott nicht alle Parlamentarier hier, sondern da gibt es immer wieder vereinzelte, die sich moralisch wirklich in jeder Debatte erhöhen müssen, diesmal war es wieder einmal Frau Abgeord­nete Grossmann von der SPÖ. Bei uns in Kärnten lautet ein Sprichwort: Wenn man Butter am Kopf hat, sollte man nicht in die Sonne gehen! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen schon, Sie haben sich hier wirklich darüber empört, was die FPÖ macht, und hin und her, und ich werde Ihnen nun sagen, was Frau Prettner – wer sie nicht kennt oder wem dieser Name nichts sagt, sie ist die Gesundheitslandesrätin von Kärnten – in den letzten Tagen geschafft hat: Sie hat es zustande gebracht, dass sie eine Veranstaltung, bei der Herbert Kickl aufgetreten ist, in Verbindung mit einem ganzen Bezirk gebracht hat, der auf einmal hochinfektiös war, wofür diese Veranstaltung schein­bar ausschlaggebend war. Sie ist gemeinsam mit dem Kärntner Landeshaupt­mann nicht einmal davor zurückgeschreckt, dass man Verstorbene mit in dieses Boot geholt und


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gesagt hat, wahrscheinlich ist dieser Herr – ein bekannter Musiker – in Kärnten verstor­ben, weil er bei dieser Veranstaltung war.

Jetzt werde ich Ihnen sagen, was tatsächlich passiert ist: Tatsächlich war es so, dass bei allen Veranstaltungen Fakt war, dass diese entsprechend der geltenden Covid-Ver­ordnung erlaubt waren, dass sämtliche Besucher dort einen Test vorgewiesen haben, eine 3G-Bestimmung gegolten hat und sämtliche Besucher registriert worden sind. Sie hat aber mit keinem Wort erwähnt, dass zeitgleich Tausende Menschen bei zwei Eis­hockeyspielen waren und auch dort die Situation gegeben war, dass natürlich die Ver­anstaltung erlaubt war, es aber auch zu Infektionen hätte kommen können.

Das hat sie natürlich tunlichst ausgelassen, um dann noch in einem Interview in einem Printmedium kundzutun: Es gebe „Bilder in sozialen Netzwerken [...]. Aufgrund dieser Unterlagen habe man erkannt, dass einige Infizierte inzwischen in den Krankenhäusern liegen, ‚einige auf der Intensivstation um ihr Leben ringen.‘ Zahlen könne sie nicht nennen, aber das basiere nicht auf Hörensagen.“

Jetzt wird es wirklich interessant, und eigentlich ist das bedenklich für einen Rechtsstaat, denn wenn auf dem Rücken von Patientenrechten eine Gesundheitslandesrätin hergeht, um in DDR-Manier Patienten zu bespitzeln – das muss in dieser Form stattgefunden haben, anscheinend gibt es Fotos von den Veranstaltungen, mit denen man dann in die Krankenhäuser gegangen ist und diese mit den Gesichtern der Patienten verglichen hat, die dort auf den Normal- und auf den Intensivstationen liegen – und so etwas für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen, dann lässt in Kärnten der SPÖ-Silberstein wieder einmal grüßen. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Prinzip geht es bei dieser Manier um nichts anderes, als dass man vom eigenen Versagen im Coronamanagement ablenken will. Was aber dem Fass letztendlich den Boden ausgeschlagen hat, war die Feststellung der Bezirkshauptmannschaft in Wolfs­berg – eigentlich die zuständige Behörde –, in der der Bezirkshauptmann festgestellt hat, dass keine Infektionsfälle – und das sei auch einmal gesagt – aus dem Contacttracing bekannt sind, und auch betont hat, dass bei dieser Veranstaltung sämtliche Corona­regeln eingehalten wurden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das heißt, im Prinzip bringt man da einfach, um ein bisschen parteipolitisches Kleingeld zu verdienen, die übelsten Stasimethoden zur Anwendung. Da sieht man einmal, wes Geistes Kind hier bei uns auf landespolitischer Ebene sein Unwesen treibt – in Wien ist es halt auf Bundesebene. Da wird auch glasklar gelogen und betrogen, es wird keine Rücksicht auf die Wahrheit genommen, wenn es nur der eigenen Partei hilft.


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege Ofner, ich gebe Ihnen Gelegenheit, sich für „gelogen und betrogen“ zu entschuldigen.


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Nein, das ist leider die Wahrheit, deswegen muss ich das auch so stehen lassen.

15.56.58*****


Vizepräsident Günther Novak: Okay, dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

15.57.02


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Ich nehme ihn zur Kenntnis.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 126

Ich sage auch Kollegen Bader noch eines (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler) – Sie können es ihm dann ausrichten, Frau Kollegin Gitschthaler. (Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) – Ah, er steht auf der Seite. – Herr Kollege Bader, wenn du von der Würde dieses Hauses sprichst, dann bitte geh einmal in dich und denk auch einmal daran, dass die Würde dieses Hauses durch deine Partei, durch deine Leute, die seit heute Vormittag nicht mehr auf der Bildfläche sind – einige gibt es natürlich noch –, einen Totalschaden (Bundesrat Raggl: Das ist eine Frechheit!) genommen hat. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

15.57


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. – Doch, Frau Kollegin Grossmann, ich erteile Ihnen das Wort.


15.58.08

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident, ich brauche nicht lange! Herr Minister! Ganz kurz nur, aber ich weiß jetzt nicht, was das mit mir zu tun hat. Sie (in Richtung Bundesrat Ofner) haben mir vorgeworfen, ich hätte Butter am Kopf, und dann erzählen Sie etwas von Kärnten. Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin Bundesrätin aus der Steiermark, Elisabeth Grossmann ist mein Name, seit vier Jah­ren hier im Haus. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Aber zu dem tragischen Fall: Ich habe gerade nachgelesen, wovon Sie jetzt gesprochen haben, und habe da einen Zeitungsartikel gefunden. „Heute“ schreibt: „Volksmusik-Star stirbt kurz nach Kickl-Besuch an Corona“. – Ähnliche Meldungen gibt es im „Kurier“. Hier gibt es ein Bild – ich habe mir das jetzt gerade angeschaut, weil ich nicht genau gewusst habe, wovon Sie sprechen –, da kann ich Ihnen zeigen, wie eng umschlungen die Herren Kickl und Ladstätter zu sehen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Da wird es dann wahrscheinlich entsprechende Bezüge gegeben haben. Ich habe da aber eher von medialen Berichterstattungen wahrgenommen und weiß immer noch nicht, was das mit mir zu tun hat. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Vielleicht könnten Sie das auch aufklären, denn ich glaube, in dieses Haus gehört eine gewisse Correctness. Wenn Sie Menschen hier im Hause Vorwürfe machen (Bundesrat Ofner: Sie haben es so gemacht!), sollte wenigstens am Rande irgendein Zusammen­hang herstellbar sein.

Noch einmal: Darf ich mich vorstellen? – Danke für Ihre Aufmerksamkeit, und das ist sich noch vor 16 Uhr ausgegangen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

15.59


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. – Ich nehme Kollegen Appé auf die Rednerliste, unterbreche aber nunmehr die Verhand­lungen zur Tagesordnung für die Dringliche Anfrage.

16.00.21Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „Im Taumel zwischen Corona-Maßnahmen-Chaos, Lockdown-Partys der Bundesregierung und Impfpflicht“ (3960/J-BR/2021)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung der Dring­lichen Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bun­deskanzler.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 127

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich begrüße Herrn Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg bei uns im Plenum. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich erteile Herrn Bundesrat Christoph Steiner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.01.11

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang“ auf das Rednerpult.) Es ist jetzt gar nicht so einfach, Herr Schallenberg! Als wir die Anfrage gestern geschrieben haben, haben wir ja noch nicht gewusst, dass Sie bald schon nicht mehr Kanzler sind – aber trotzdem sind Sie ja noch zuständig für diese Regierung und auch jetzt zuständig, diese Fragen, die wir an Sie stellen, zu beantworten.

Es sind viele Fragen, und ich hoffe, Herr Schallenberg, Sie beantworten diese Fragen ordentlich und auch wahrheitsgemäß, denn wir stellen diese Anfrage hier herinnen nicht für uns als Partei, sondern wir stellen die Anfrage für die Bürger draußen, denn die haben sich endlich, nach Ihren unglaublichen Ankündigungen der letzten Wochen, einmal Antworten verdient, die ehrlich sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu all Ihren Aussagen und Auftritten hat sich vor Kurzem auch die Moderatorin Chris Lohner mit einem äußerst kritischen Facebook-Posting zu Wort gemeldet. Man kennt diese Frau von den Lautsprecheransagen am Bahnhof. Ich glaube, wir alle wissen: Ein Naheverhältnis zu den Freiheitlichen kann man Frau Chris Lohner wohl mit Sicherheit nicht nachsagen.

Ich darf sie zitieren: „‚Wow was für ein Abend an diesem 24. November und das im Lockdown! Dafür meine allergrößte Bewunderung für alle, die so mutig waren für eine gute Sache sogar ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen! Chapeau!‘, startet sie ironisch um dann auszuholen: ‚Ich mag mir gar nicht vorstellen, welche Ängste zu überwinden waren und wie jeder von diesen tapferen Mitbürgern und wagemutigen Politikern tage­lang mit sich gerungen haben musste, um dann doch schließlich zur Überzeugung zu kommen: ‚Nicht ich bin wichtig, diese Gala ist das Allerwichtigste!‘, schießt sie scharf gegen die Regierung in Feierlaune.“

„‚Und so haben sich diese Tapferen in Scharen, angeführt von vorbildlichen Politikern, in den Ballroom auf den Küniglberg begeben, um dort, dicht an dicht einer guten Sache zu dienen. Wie groß muss die Erleichterung gewesen sein, als sie alle dann aus sicherer Quelle beim Eintreten erfuhren, dass man geimpft und ohne Maske sich in der dünnen Bergluft niemals anstecken kann! Und das ist wunderbar, auch für mich als Zuschauer! Ein Platz im Himmel ist allen sicher! Congrats!‘, so Lohner. Auf den Kommentar ‚Wir werden total verarscht‘ antwortet Lohner dann auch mehr als eindeutig: ‚Ganz genau und das ‚unverblümt‘!‘“ – So zu lesen in der Tageszeitung „Heute“.

Ganz Österreich, Herr Schallenberg, ist zugesperrt, eingesperrt. Betriebe sind am Exis­tenzminimum. Bürger sind physisch und psychisch am Ende, am Rande der Ver­zweiflung. Am Küniglberg feiert die High Society unter ihresgleichen eine feuchtfröhliche Ballnacht mit dazugehörigen anstößigen Videoaufnahmen des Herrn Arbeitsministers, jenes Arbeitsministers, dem anscheinend ein Video eines Gesäßes wichtiger ist als Zigtausende arbeitslose Menschen in diesem Land.

Diese Regierung ist an Abgehobenheit und Dekadenz nicht zu überbieten! Was diese Regierung da abgezogen hat, ist eine bodenlose Frechheit, und zwar dem ganzen Land gegenüber, Herr Schallenberg. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 128

Glauben Sie, Herr Schallenberg, dass derartig freche Aktionen dazu beitragen, dass das Vertrauen in diese desaströse Regierung aus dem Keller noch einmal hochkommt? Oder kann es auch sein, dass ich eine Ihrer tollen Pressekonferenzen übersehen habe, bei der Sie angekündigt haben, Sie werden die Zügel wieder lockern? Das kann ja durchaus pas­­sieren. Hätten Sie aber nur einen Funken Anstand und Empathie, Herr Schallenberg, wür­den Sie alle – ausnahmslos alle – sofort zurücktreten, auf der Stelle. (Beifall bei der FPÖ.)

Um dann weiter in der ÖVP-Diktion zu bleiben: Während man den Pöbel einsperrt, feiert Graf Schallenberg eine feuchtfröhliche dekadente Party im ORF – in jenem ORF, der nächstes Jahr ganz ungeniert seine Gebühren erhöht, wahrscheinlich um den Champag­ner zu bezahlen, den man da im Ballroom konsumiert hat, oder wie soll das der geplagte Pöbel sonst verstehen?

Aber auch ein ÖVP-Politiker, seines Zeichens Anwalt und zu Recht angefressen über diese Abgehobenheit und Dekadenz dieser Regierung, hat nun die gesamte Regierung aufgrund eurer eigenen Erlässe angezeigt. Diesem ÖVPler kann man nur gratulieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Kommentar von Rosemarie Schwaiger im „Profil“ – ich darf zitieren –: „Der Ton in dieser Debatte lässt den Schluss zu, dass es nicht bloß um Seuchenbekämpfung geht. Nach fast zwei Jahren Ausnahmezustand hat sich eine Menge Wut aufgestaut, die sich irgendwo entladen will. Das Virus selbst taugt eher schlecht als Hassobjekt; da sind die verhuschte Nachbarin, die auf Bachblüten und Kräutertee schwört, und der FPÖ-Sympathisant [...] besser geeignet. Ein doppelt geimpfter Partytiger kann größeren Schaden anrichten als ein nicht geimpfter Stubenhocker.“

Dieses Zitat, Herr Schallenberg, bringt mich gleich zu Ihrer verzweifelten Sünden­bock­suche. Menschlich, Herr Schallenberg, ist es natürlich völlig verständlich, dass Sie nun in Ihrer Verzweiflung aufgrund des Versagens dieser Regierung allen anderen die Schuld zuschieben wollen. Es sind aber weder die ÖVP noch die SPÖ noch die NEOS schuld an dieser verkorksten Situation, es sind weder die Ungeimpften noch die Geimpften noch jene Menschen schuld, die unter Ihrer Politik leiden, sondern diese Schuld tragen einzig und allein Sie, Herr Schallenberg, mit Ihrer Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Draufgabe Ihrer verzweifelten Suche nach Schuldigen ist es Ihnen dann auch nicht zu blöd gewesen, im Ausland genau jenem Politiker, der mit viel Herzblut an vorderster Front für unsere Freiheit kämpft, Folgendes auszurichten: Kickl solle besser schwei­gen. – Erstens, Herr Schallenberg, sind Sie weder moralisch noch menschlich dafür geeignet, sich über jemand anderen zu erheben – auch weil Sie niemals vom Souverän gewählt worden sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Zweitens, Herr Schallenberg, wäre es besser, Sie würden manchmal schweigen, dann könnten wir uns in Österreich viel, viel Leid ersparen. Ein Kanzler sollte besser die Ängste der Bürger ernst nehmen, anstatt über jene zu schimpfen, die dies tun.

An dieser Stelle zitiere ich ein paar Nachrichten von den Tausenden (Rufe bei ÖVP und SPÖ: „Tausende“!), die mich seit Dienstag letzter Woche erreicht haben:

Guten Tag, Herr Steiner! Mein Partner wurde am 30.06.2021 das zweite Mal geimpft. Es ging ihm danach nicht gut. Wir haben es als Nebenwirkung abgetan, als normal. Am 3.7. lag er morgens tot im Bett. Obduktion gab es keine. Von der Sanitätsbehörde wurde mir lediglich das Beileid ausgedrückt und gesagt, dass es jetzt dann wieder Obduktionen geben werde, wenn so kurz nach Impfungen Leute sterben. Das bringt meinen Partner jetzt auch nicht mehr zurück. Jetzt soll ich mich zum dritten Mal impfen lassen – nach so einem Vorfall. Bitte helfen Sie uns allen, dass wir keine Impfpflicht in unserem Land bekommen und dass es nicht passiert, dass sogar Kinder zwangsgeimpft werden! – Zitatende.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 129

Herr Schallenberg, was sagen Sie nun dieser verzweifelten Frau? – Nach mir sind Sie am Wort. Sie haben heute die Chance, dieser Frau eine ordentliche Antwort zu geben, denn diese Frau schaut heute zu und hat sich eine Antwort von Ihnen verdient.

Ein weiteres verzweifeltes Schreiben an mich: Hallo lieber Christoph Steiner, ich möchte Ihnen gerne etwas mitteilen. Meine große Schwester hat drei gesunde Kinder, und sie konnte nicht mehr. Man versuchte immer wieder, ihr ihre Freiheitsrechte mit Druck über die Kinder wegzunehmen. Alle Coronamaßnahmen sind ihr zu viel geworden. Jetzt hat sie sich das Leben genommen. Bitte kämpfen Sie weiter für uns! – Zitatende.

Herr Schallenberg, was sagen Sie dieser Frau, die jetzt ihre Schwester verloren hat, und den drei Kindern, die ihre Mutter verloren haben?

Ein Apotheker schreibt mir Folgendes: Es ist schockierend zu sehen, wie sich die Ge­schichte wiederholt, aber offensichtlich müssen die Dinge latent in einem schlummern, sonst würden sie nicht an die Oberfläche kommen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Um schnell zur Sache zu kommen: Ich bin Apotheker und teste täglich zig Personen. Dabei komme ich oft auf die Nebenwirkungen der Impfung zu sprechen: Herzinfarkt, Lungen­infarkt, Hirnschlag, Erblindung, Lähmungserscheinungen – vollkommen, halbseitig, partiell –, Gehörverlust, Stoffwechselentgleisungen, allgemeine Schwäche, geschwäch­tes Immunsystem, um nur von einem Teil zu berichten.

Was fast überall zu hören ist: dass Ärzte auf die Patienten nicht eingehen und abwiegeln, obwohl sie vom Gesetz her zum Gegenteil verpflichtet sind. Ich beruhige verzweifelte Menschen mit Tränen in den Augen, die auf ein positives Testergebnis hoffen, um zumindest einmal für ein halbes Jahr dem Wahnsinn zu entkommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Dass sich die Geschichte wiederholt, da gibt mir jeder recht. Viele resignieren und lassen sich gegen ihren Willen den Stich geben, weil sie einfach keine Kraft mehr haben. Ent­würdigt wie Leibeigene versuchen sie, die Situation zu verdrängen, um wieder ein bisschen Normalität zu leben. – Zitatende.

Ich sage all jenen, die jetzt reingeschrien haben, als ich die drei Nachrichten vorgelesen habe: Ich nehme mir gern Zeit für alle, die jetzt behauptet haben, ich hätte das erfunden. Kommt dann zu mir und lest euch das durch! (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schumann und Grimling.) Lest euch diese E-Mails durch, denn ich lasse mir hier nicht unterstellen, dass es das alles nicht gibt! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Wo sind wir denn überhaupt? (Beifall bei der FPÖ.)

Das waren jetzt nur drei der wirklich tragischen Nachrichten, die mir zugesandt wurden. Ich will mir aber gar nicht vorstellen, wie viele Zigtausend ähnliche Fälle sich in unserer Bevölkerung in den letzten Monaten zugetragen haben.

Warum lese ich Ihnen das nun vor? – Weil hinter den Maßnahmen, die Sie, Herr Schallenberg, mit Ihrer Regierung eiskalt beschließen, immer auch persönliche Schick­sale stehen. Eine Regierung muss doch immer abwägen und alle möglichen Auswir­kungen für unsere Gesellschaft bedenken. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Unsere Kinder leiden massivst unter den Maßnahmen dieser Regierung.

Auf orf.at, also eigentlich dem Regierungssender, hatten wir diese Woche folgende Headline – und dem werden Sie wohl glauben, weil das der Regierungssender ist –: „Suizidversuche von Jugendlichen verdoppelt. Die Pandemie macht besonders Jugend­lichen zu schaffen. Depressionen und Essstörungen sind gestiegen. Und Suizidversuche haben sich laut AKH Wien im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Im ersten halben Jahr sind dort 110 Fälle behandelt worden. ‚Wir haben generell [...] viele Jugendliche, die mit depressivem Verhalten kommen – und auch mit akuter Suizidalität. Das hat sich sehr zugespitzt die letzten Monate‘, so Paul Plener, Leiter der Klinik für Kinder- und


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Jugendpsychiatrie im Wiener AKH [...]. Die depressiven Entwicklungen hätten bei vielen [...] Patienten, so Plener, ‚[...] ihren Ursprung in der Pandemie genommen, mit dem Wegfallen sozialer Kontakte, aber auch mit dem Wegfallen aktueller Tagesstruktur.‘ [...] Akutfälle könne man nach wie vor behandeln. Jene allerdings, ‚die eine stationäre Behandlung bräuchten, aber weniger akut das eigene Leben gefährden, warten mitunter monatelang.‘ Eine Situation, die sich immer mehr zuspitzt“, so Paul Plener.

Was heißt das jetzt? Könnt ihr euch noch erinnern, als Herr Paul Plener letztes Jahr – es ist jetzt schon über ein Jahr her – den ersten Hilferuf an diese Regierung abgesetzt hat? – Wahrscheinlich nicht mehr, denn sonst hätten Sie etwas gemacht.

Was bedeutet das jetzt für die Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH? – Dass diese seit mehr als einem Jahr Triage haben, und nichts ist passiert. Wissen Sie, was Sie in Ihrer Regierungspolitik seit einem Jahr geändert haben? – Sie treiben es auf die Spitze mit Spaltung und Stigmatisierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Schallenberg, verschließen Sie nicht weiter die Augen vor all diesen tragischen Entwicklungen in unserem Land! Herr Schallenberg, öffnen Sie Ihr Herz! Hören Sie hin! Lesen Sie die Nachrichten, die Ihnen die Bürger ins Kanzleramt senden! Zeigen Sie ein wenig Empathie, zeigen Sie ein wenig menschliches Verständnis für Millionen von Bürgern in diesem Land!

Auch Minister Faßmann hat das mittlerweile eingesehen. An dieser Stelle – und da stehe ich gar nicht an – möchte ich mich beim Bildungsminister bedanken, der Ihnen, wie man hört, sogar mit Rücktritt gedroht hat. Ja, auch wenn an den Schulen nicht alles perfekt abläuft, natürlich nicht, haben unsere Kinder aber zumindest einen sozialen Ort unter Gleichaltrigen, Austausch und Rückhalt unter Freunden. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Schallenberg – aber auch an alle Medien sei das einmal gerichtet –, bitte gehen Sie ab, gehen Sie endlich von dieser enormen Angstpolitik ab! Ich darf nur an das geleakte Papier der Taskforce Corona erinnern. Liebe Bürger, erinnert ihr euch noch, was da dringestanden ist? – Die Österreicher haben noch zu wenig Angst.

Das müsst ihr euch immer wieder in Erinnerung rufen, wenn sich diese Regierung hin­stellt, mit Zwangsmaßnahmen droht und mit Schreckensszenarien daherkommt. Ruft euch dieses geleakte Papier in Erinnerung, die Österreicher hätten noch immer zu wenig Angst! Dann wissen Sie, wie immer noch Politik von dieser Regierung betrieben wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben mittlerweile enorme Schäden im Sozialen, in der Wirtschaft, bei Familien, Kindern, Lehrern, beim Medizinpersonal, auch bei älteren Mitbürgern und in vielen, vie­len anderen Bereichen mehr.

Hervorragende Mitarbeiter im Gesundheitsbereich, Herr Schallenberg, werden kündi­gen, wenn Sie stur auf Ihrer irrsinnigen Impfpflicht beharren. Das ist doch wirklich eine Politik, die nur noch fassungslos macht. Genau in jenem Bereich, in dem es seit Jahren Personalnot gibt, nehmen Sie jetzt ganz bewusst, Herr Schallenberg, in Kauf, dass versierte Profis ihren Job kündigen. Herr Schallenberg, das ist eine Politik, die niemand in unserem Land mehr versteht!

Auch immer mehr ÖVP-Politiker und -Parteimitglieder in diesem Land kehren euch zu Recht mittlerweile den Rücken. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Sehr geehrter Herr Steiner, ich bin Bürgermeister aus – den Ort sage ich jetzt natürlich nicht –, deine Reden sind sehr gut, bitte mach so weiter, liebe Grüße, schreibt mir ein ÖVP-Bürgermeister aus Tirol. Aber nicht nur Bürgermeister der ÖVP oder Regionalpolitiker Ihrer Partei, auch normale ehemalige ÖVP-Wähler, die nun Seite an Seite gemeinsam mit uns für Freiheit und Gerechtigkeit in diesem Land kämpfen, wenden sich immer mehr von dieser Art, Politik zu machen, ab.


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Diese Beispiele könnte man ja noch beiseitewischen, aber nein, liebe ÖVP, und jetzt hört gut zu: Zwei vermeintlich vertraute Parlamentarier haben mich – das ist noch gar nicht so lange her – getrennt voneinander auf den Gängen angesprochen, mir gratuliert und gesagt: Bitte, FPÖ, macht so weiter! – Das hat mich im ersten Moment ein bisschen geschockt, aber dann hat es mir doch ein bisschen Hoffnung gemacht, denn der ganze Parlamentsklub scheint nicht mehr hinter dieser türkisen Partie zu stehen. Sie haben mir noch ein bisschen mehr erzählt – und, Herr Schallenberg, glauben Sie mir: Es wird in den nächsten Tagen im ÖVP-Klub noch ordentlich krachen, aber lassen Sie sich überraschen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich die nicht gekauften Umfragen im Land anschaut, so kann man sagen: Diese türkise Partie hat bis gestern – da haben wir noch gar nicht gewusst, was Herr Kurz heute macht – verloren, minus 15 Prozent. Das ist mehr, als die Grünen jemals bei einer Wahl eingefahren haben. Und das Ende der türkisen Talfahrt ist, wie wir jetzt wissen, noch lange nicht in Sicht – aber zu Recht, Herr Schallenberg, denn diese Politik muss bei den nächsten Wahlen ordentlich abgestraft werden. (Beifall bei der FPÖ.) Die nächste Wahl, Herr Schallenberg, kommt wohl früher, als so manchen in der ÖVP und bei den Grünen lieb sein wird.

Ich habe meine letzten Reden immer mit einem Appell an Sie, Herr Schallenberg, mit einem Appell an die Regierungsmitglieder beendet, ich habe aber eingesehen: Das ist für die Fisch’, das nützt nichts. Jetzt beende ich meine Rede mit einem Appell an alle Bürger: Liebe Österreicher, ihr seid nicht allein. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ja, es ist schwer, es ist manchmal nicht mehr auszuhalten. (Rufe bei der SPÖ: Na geh!) Man weiß oft nicht mehr ein und aus, aber: Wir sind viele, wir sind Millionen, und alle gemeinsam kämpfen wir Seite an Seite gegen dieses Unrecht dieser Regierung – friedlich, geeint und mit enormer Kraft. Wir werden uns niemals spalten lassen (Bundesrat Schreuder: Tut ihr aber!), wir halten zusammen. Diese Regierung spürt unsere Kraft in allen Teilen Österreichs schon jetzt. (Rufe bei ÖVP und SPÖ: Ja, ja, ja!) Bauen wir den Druck weiter aus, bleiben wir gemeinsam hinter einem Ziel geeint! Ein Ziel haben wir schon erreicht (Bundesrat Schreuder: Das Virus bekämpfen!): Kurz ist weg! Und bleiben wir hinter dem weiteren Ziel geeint, liebe Österreicher: Diese Regierung muss weg! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Nein, das Virus muss weg! – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Aber nicht mit der Regierung, das ist das Problem! Diese Regierung schafft das aber nicht!)

16.23


Vizepräsident Günther Novak: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


16.23.23

Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Be­reits letzte Woche hatte ich die Möglichkeit, Ihnen von diesem Platz aus die aktuellen Maßnahmen zu erklären und um Unterstützung unter den vernünftigen Kräften in diesem Bundesrat zu werben. Heute, eine Woche später, muss ich leider feststellen, dass eine Fraktion in diesem Haus immer noch nicht den Ernst der Lage erkannt hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: ORF-Gala!) Wenn Mitglieder (die Bundes­rätInnen Steiner und Steiner-Wieser: Live is life!), ganz offen gesagt, Herr Bundesrat, wenn Mitglieder in diesem Hohen Haus ohne mit der Wimper zu zucken einen direkten Konnex zwischen der notwendigen und herausfordernden Bekämpfung der Pandemie und den Gräueln des Naziregimes herstellen, dann ist das schlicht widerwertig. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Ja, ja, ja!) Das ist nicht nur widerwertig, sondern es zeugt auch von einem Geschichtsbild und einer Gedankenwelt, die zutiefst


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verstörend und zutiefst erschreckend sind. (Bundesrat Hübner: Das ist scheinbar das einzige ..., was euch einfällt, wenn ...!)

Wenn Versammlungen und Demonstrationen stattfinden und die Teilnehmer von einem ganz wesentlichen Grundrecht in jeder pluralistischen Demokratie Gebrauch machen, nämlich von der Versammlungsfreiheit, dann ist das das eine. Wenn aber Demonstra­tionen stattfinden, die nicht mehr gegen die Politik oder gegen eine Maßnahme der Politik gerichtet sind (Bundesrat Hübner: Sondern?), sondern die vor Krankenhäusern stattfinden, die gegen das medizinische Personal gerichtet sind, bei denen das medizi­nische Personal, das seit 18 Monaten Außergewöhnliches leistet, beschimpft wird (Bun­desrat Hübner: Das stimmt ja nicht alles, das sind alles Erfindungen!), und wenn mitt­lerweile die Polizei unsere Krankenhäuser bewachen muss, dann ist für mich eine rote Linie überschritten, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich bin ja froh, dass zumindest einige namhafte Vertreter Ihrer Partei Sie ja in der Zwischenzeit selbst zur Vernunft aufrufen, und ich hoffe, dass Sie diesen namhaften Vertretern Ihrer eigenen Partei auch Gehör schenken, denn genauso wie wir in der Bundesregierung haben auch Sie eine Verantwortung. (Bundesrat Spanring: Die wissen wir aber eh selber!) Sie spüren sie vielleicht nur nicht, aber auch Sie haben eine Verantwortung für unser Land und für unsere Bevölkerung.

Ganz offen gestanden: Die einzigen Geisterfahrer in der Pandemie sind Sie. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Sie stehen hier, und Ihre Äußerungen werden, da Sie immer verzwei­felter werden, immer schriller. In der Zwischenzeit rufen Sie schon alle Medien auf, alle politischen Kräfte, alle Wissenschaftler. (Bundesrat Spanring: Alle Wissenschaftler, genau!) Merken Sie nicht, dass Sie sich immer mehr in ein Eck begeben – in ein Eck der Unvernunft, in ein Eck der Verunsicherung, in ein Eck der Verhetzung? Ganz offen: Ich lade Sie ein, ich bitte Sie, kommen Sie wieder zurück, werden Sie sich Ihrer demokratie­politischen Verantwortung bewusst und werden Sie sich bewusst, was Sie in dieser Pandemie, in der Bekämpfung dieser Pandemie für einen Schaden anrichten! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Die Rede hat mit der Realität nichts zu tun!)

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen.

Zu den Fragen 1 bis 6, 8 bis 10, 15, 19, 20, 22, 27 und 28:

Wie Ihnen hinlänglich bekannt ist, finden zurzeit intensive Gespräche mit Expertinnen und Experten sowie Vertretern aller konstruktiven politischen Kräfte in diesem Land statt. Die finale Erarbeitung eines Gesetzentwurfes für eine allgemeine Impfpflicht ist wesent­licher Bestandteil dieser Gespräche. Dieser soll nächste Woche in Begutachtung gehen.

Zur Frage 7:

Siehe dazu das Urteil Vavřicka und andere versus Tschechische Republik vom 8. April 2021.

Zur Frage 11:

Nein.

Zur Frage 12:

Im Unterschied zu Vertretern der FPÖ vertraue ich auf die Aussagen anerkannter Wis­senschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Zur Frage 13:

Die neue Virusvariante Omikron wird gerade weltweit sehr genau beobachtet. Die Welt­gesundheitsorganisation der UNO hat klargestellt, dass die derzeit verfügbaren Impfstoffe


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weiterhin das entscheidende und wirksame Mittel sind, um schwere Verläufe der Covid-Erkrankung zu verhindern. Zudem hat die Pharmaindustrie bereits bekannt gegeben, dass sie, sollte sich das überhaupt als notwendig erweisen, sehr rasch einen ange­passten Impfstoff zur Verfügung stellen kann.

Zur Frage 14:

Derzeit wird mit einer Zulassung in den nächsten Monaten gerechnet. Allerdings ap­pelliere ich dringend an alle, sich bereits jetzt mit den zugelassenen Impfstoffen impfen zu lassen.

Zur Frage 16:

Österreich hat über das Joint Procurement des Steeringboards der Europäischen Kommission Verträge mit Astra Zeneca, Biontech/Pfizer, Moderna, Johnson & Johnson, Sanofi, Novavax und Valneva abgeschlossen.

Zur Frage 17:

Der Inhalt der Verträge ist vertraulich und unterliegt der Verschwiegenheit.

Zur Frage 18:

Ja.

Zur Frage 21:

Die FPÖ hat bereits im Vorfeld durch zahlreiche Wortspenden dargelegt, dass sie keinen konstruktiven Beitrag zu diesem Vorhaben leisten will oder leisten kann.

Zur Frage 23:

Es ist mit keinen beziehungsweise nur mit sehr geringen Auswirkungen zu rechnen.

Zur Frage 24:

Ich verweise dazu auf meine Antwort von letzter Woche.

Zu den Fragen 25 und 26:

Es entspricht dem Stand der Wissenschaft, dass bei Geimpften und Genesenen zum einen die Übertragung des Virus verringert ist und zum anderen deutlich weniger schwere Verläufe zu verzeichnen sind. Diese Personen sind somit nicht gleichzusetzen mit Personen, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Deshalb ist eine Differen­zierung nach dem Gleichheitsgrundsatz zulässig.

Ich darf weiters darauf hinweisen, dass der Besuch von Bildungseinrichtungen durch Schüler und Personal sowie das Aufsuchen von Arztpraxen und Spitälern durch Patien­ten zu keinem Zeitpunkt für nicht geimpfte Personen untersagt war. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Doch, das gibt’s jetzt!)

Zur Frage 29:

Der Gesundheitsminister hat gemeinsam mit den für den Bereich der Krankenanstalten zuständigen Mitgliedern der Landesregierungen und mit der Sozialversicherung laufend daran gearbeitet, die Ressourcen im Gesundheitssystem derart zu planen und aufzu­set­zen, dass eine flexiblere Steuerung jederzeit möglich ist, um damit auch außer­gewöhn­liche Ereignisse, die einen höheren Kapazitätsbedarf erfordern, bewältigen zu können.

Zu den Fragen 30 bis 33:

„Licht ins Dunkel“ ist die größte humanitäre Hilfskampagne in Österreich. Ich habe in mei­ner Funktion als Bundeskanzler gemeinsam mit dem Bundespräsidenten, dem Vizekanzler


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und anderen Mitgliedern der Bundesregierung an der Licht-ins-Dunkel-Gala teilgenom­men, die vom ORF mit strengen Sicherheitsbestimmungen organisiert wurde.

Ich habe 3 Stunden lang am Telefon Spenden gesammelt und die Telefonate auch dazu genützt, um mit Menschen zu reden, die Fragen zur Pandemie, zur Impfung oder zu den Lockdowns hatten. Über 3 Millionen Euro an Spenden wurden an diesem Abend ge­sammelt. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Zur Frage 34:

Die Inzidenz sinkt kontinuierlich. Es gibt daher Grund zur Hoffnung. Gemeinsam mit den Expertinnen und Experten wird die Situation laufend evaluiert, um so möglichst rasche und vollständige Öffnungsschritte sicherstellen zu können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.30


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Ich begrüße auch noch die neu Hinzugekommenen, Frau Bundesministerin Raab und Herrn Staatssekretär Brunner. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.30.47*****


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Inzwischen ist, wie von Herrn Bun­desrat Steiner angefordert, das Protokoll zu dem, was Herr Finanzminister Gernot Blümel gesagt hat, eingelangt.

Ich erteile hier noch nachträglich einen Ordnungsruf für die Aussage: „Teile der Rede meines Vorredners“ – er hat sich auf Herrn Bundesrat Michael Bernard bezogen – „haben sich ein bissl angehört wie Symptome aufgrund von zu viel Entwurmungsmittel“. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.)

*****

16.31.19Fortsetzung der Dringlichen Anfrage


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Gut, dann gehen wir weiter in der Tagesordnung.

Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte.


16.31.27

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Frau Minister! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impf­zwang“ auf das Rednerpult.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Entschuldigung!

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte sehr.


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin – damit auch alles seine Ordnung hat. Geschätzte Kollegen! Vor allem werte Zuschauer vor den Bildschirmen! Sie haben im letzten Redebeitrag Antworten gehört, vor allem aber auch Reaktionen


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erleben müssen, die fassungslos machen. Wenn mein Kollege Christoph Steiner in seiner Begründung die Sorgen der Österreicher zum Ausdruck bringt (Zwischenruf bei der SPÖ), deren Stimme wir sind und die uns natürlich auch kontaktieren, weil vieles in diesem Land komplett falsch läuft, dann gehen Sie her und lachen und schreien: Uh! (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ja, das ist die Dekadenz, von der er gesprochen hat, und er hat vollkommen recht – und so sehen es viele Tausend Öster­reicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist beschämend, auch für Sie, Herr Bundeskanzler, und bei Ihnen wusste ich jetzt eigentlich wirklich nicht – wie vergangene Woche bei der Dringlichen, da hat man es auch nicht gewusst –: Kommen Sie oder kommen Sie nicht? – Zumindest hat es das Bundeskanzleramt nicht gewusst. Heute weiß man nicht: Sind Sie noch Bundeskanzler oder sind Sie es nicht mehr? – Also mit Ihnen ist es wirklich schwierig. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Was mich aber generell an den drei Herrschaften zu meiner Rechten brennend inter­essiert, ist, warum sie eigentlich alle noch hier sitzen. Warum sitzen Sie noch hier? – Sie haben es nicht nur versprochen, sondern schriftlich verbrieft: Wenn Herr Kurz weg ist, sind Sie alle weg! – Ja, und jetzt sitzen Sie hier, und wir bekommen von Ihnen die Fragen beantwortet. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, das ist es eben, was man davon halten kann, wenn die ÖVP etwas verspricht: Davon ist gar nichts zu halten, weil einfach nichts eingehalten wird! Das ist auch sehr auf­schlussreich für die Bevölkerung.

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler – ich bezeichne Sie jetzt natürlich so (Staatssekretär Brunner: Ist er ja!), weil Sie als solcher auch zu uns gekommen sind; was auch immer in den nächsten Tagen oder Stunden passieren wird –, sich hier herstellen und medizini­sches Personal gegen die friedlich demonstrierende österreichische Bevölkerung aus­spielen wollen (Bundesrat Steiner: Schäbig, schäbig!), die nur mit Ihren Maßnahmen und mit diesem Coronamissmanagement nicht einverstanden ist, dann darf ich Ihnen auch etwas mitteilen: Gerade Angehörige des medizinischen Personals sind es, die sich diesen friedlichen Demonstrationen anschließen, weil sie es nicht mehr aushalten, was im Gesundheitsbereich passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen auch etwas mitgeben, das aktuell gerade hereingekommen ist. Während Kollege Steiner seine Ausführungen vorgetragen hat, hat eine Dame geschrieben: Ich schaue gerade dem Christoph zu und kann gleich dazusagen – dann der Name einer Bekannten beziehungsweise Freundin von ihr, den ich natürlich nicht nennen werde –, sie hat mich gerade ganz fertig angerufen. Die Pflegestelle hat die zwei Nichtgeimpften bereits angerufen und gesagt, wenn sie sich jetzt nicht impfen, werden sie ab Jänner gekündigt. – Zitatende. So schaut es bei der Caritas aus. Das ist natürlich auch sehr christlich, die Caritas ist ja bekanntlich ein besserer Ableger der ÖVP. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das ist die Realität, vor der Sie sich ständig verschließen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist die Realität, mit der die Leute zurande kommen müssen. Sie sind als Kanzler jetzt knapp zwei Monate im Amt, aber nur deswegen, weil Ihr Vorgänger mit schwersten Vorwürfen der Korruption konfrontiert ist, wie auch viele andere in der ÖVP. Jetzt sind Sie wie gesagt vielleicht bald wieder außer Dienst, aber Sie haben es in diesen zwei Monaten wahrlich geschafft, sich einen Ruf zu erarbeiten, der so gar nichts mit Ihrer Profession der Diplomatie zu tun hat, nämlich als der Spalter der Nation. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Sie haben es auch heute wieder bewiesen und Ihrem Ruf in der Bevölkerung ganze Ehre gemacht, indem Sie wieder gegen Ungeimpfte vorgegangen sind, gegen Teile der


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Bevölkerung, die sich einfach für die Freiheit und auch bei der Impfung für eine Freiwilligkeit aussprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, Sie machen das aus politstrategischen Gründen, das mag schon sein, denn patschert kann es nicht sein, um es auf Kärntnerisch zu sagen, weil Sie sonst in Ihrem ursprünglichen Beruf wohl nicht so lange überlebt hätten – wobei bei der ÖVP auch das möglich ist, das wissen wir inzwischen auch. Ich denke aber, Sie wissen mit Worten ganz gezielt umzugehen. Sie wissen mit Worten umzugehen, und daher ist das kein Zufall und auch kein Anfall einer emotionalen Überreaktion, sondern diese Aussagen und Angriffe auf Teile der Bevölkerung sind bewusst gesetzt.

Glauben Sie mir, diese parteipolitische Taktik, die ausschließlich darauf abzielt, dass man Sie vielleicht – ich weiß es nicht – unsympathischer als Ihren Nachfolger finden soll, wird nicht aufgehen, also das wird schwer möglich sein. Man hat das ja auch bei den Grünen gesehen, auch dort ist es nicht passiert, dass Anschobers Nachfolger als Ge­sundheitsminister besser angekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Nein, das hat eher dazu beigetragen, dass die Bevölkerung noch mehr das Vertrauen in diese Regierung verloren hat. Das zeigt sich auch an tagtäglichen Parteiaustritten aus Ihrer Partei, vor allem auch der Jungen, der Zukunft unseres Landes, die mit Ihrer Vorgangsweise überhaupt nicht mehr einverstanden sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit kommen wir auch dazu, dass Sie natürlich auch in sich selbst etwas gespalten sind, und das haben Sie bei dieser ORF-Veranstaltung ganz deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie haben dort offenkundig dem ganzen Land gezeigt, was Sie von Ihren eigenen Coronamaßnahmen halten, nämlich nichts, niente, nada. Mit dabei waren die ganzen Konsorten, selbstverständlich auch von Grün und Rot, die immer die mora­lischen Instanzen geben, aber dann, inklusive dem Herrn Bundespräsidenten, auch ge­zeigt haben, was sie von der Bevölkerung halten – frei nach dem ÖVP-Motto: Wir sind doch nicht der Pöbel! (Bundesrat Steiner: Abgehoben und dekadent!)

Während man unsere Jüngsten, die Kinder, zwingt, im Unterricht Masken zu tragen, sie nicht mit Freunden spielen dürfen und vor allem von sozialen Kontakten ausgeschlossen sind, was zu massiven depressiven Belastungen bei 55 Prozent aller Schüler führt, und während den Österreichern Zusammenkünfte in den Vereinen, in Wirtshäusern oder bei Veranstaltungen versagt bleiben und die ältere Generation in Isolation und Einsamkeit leben muss, feiern Sie und Ihresgleichen „Live is life“ ohne Masken und Abstand, dafür mit reichlich Schampus. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann passiert auf dieser Veranstaltung genau das, was wir Freiheitliche seit Monaten zu bedenken geben. Es passiert genau das, was Ihr mantraartig kommuniziertes Corona­märchen wie ein Kartenhaus einstürzen lässt: Zwei Minister, denen ich selbstverständ­lich aufrichtig Genesung wünsche, sind nach dieser Veranstaltung auf einmal corona­positiv. Sie sind coronapositiv, und hinsichtlich der Infektion - - (Staatssekretär Brunner: Das stimmt ja nicht! – Bundesministerin Raab: Wer denn?) – Ach so, sie sind nicht po­sitiv? (Bundesrat Steiner: In Quarantäne!) Na ja, auch das ist natürlich anders kolportiert worden, aber was es zeigt – und das zeigt es in vielen anderen Bereichen ja auch –, ist, dass Ihre Aussagen einfach nicht in Ordnung sind und die Geschichte nicht glaubwürdig ist.

Gestern hat ja Gott sei Dank einmal ein Experte, den Sie hoffentlich anerkennen werden, weil dieser Experte nämlich Teil Ihres Expertenteams ist, und zwar Experte Christoph Wenisch als Leiter der Infektionsabteilung der Klinik Favoriten, eindrucksvoll bestätigt, was wir gelernt haben, nämlich dass es sich um eine relativ schwache Impfung handelt. Ja, wir hätten gerne eine gute Impfung, die lebenslangen Schutz bietet (Bundesrat Spanring: ... hätte gerne ein schönes Auto ...!), aber das ist keine Geschichte von ein paar Wochen, sondern wir werden alle paar Monate eine Impfung setzen müssen, und diese Impfung


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ist nicht mit einer Pockenimpfung zu vergleichen – dieser Vergleich wird ja von ÖVP-Abgeordneten gerne strapaziert –, denn diese hat im Gegensatz dazu eine höhere Wirksamkeit und ist vor allem nachhaltig. (Beifall bei der FPÖ.)

Was heißt das im Umkehrschluss? – Das heißt im Umkehrschluss, dass diese Impfung eben nicht ausreichend Schutz und Wirkung bietet. Ja, Überraschung! Das ist eine Fest­stellung, die wir auch schon über Monate kommunizieren.

Trotz allem beten Sie uns vor – heute wieder –: Diese Impfung ist der einzige Ausweg aus der Pandemie, sie ist alternativlos. – Sie halten an 2G fest, trennen und spalten die Leute wieder und wollen jetzt natürlich eine Impfpflicht einführen. Übrigens verbindet Sie die Einstellung hinsichtlich der Impfpflicht mit Staaten wie Tadschikistan und Turk­menis­tan. Leider müssen wir auch da recht behalten: Dieser ÖVP schwebt anscheinend ein autoritärer Staat vor.

Es ist immer wieder interessant, wenn Sie das Wort alternativlos bemühen, auch jetzt bei der Omikronvariante. Experten sagen, sie wissen, dass sie bislang zu wenig wissen, um klare Aussagen treffen zu können, aber Sie wissen bereits jetzt, dass dieser Impfstoff wieder alternativlos ist.

Wir sind nicht gegen die Impfung, überhaupt nicht. (Rufe bei der ÖVP: Aber nein! Über­haupt nicht!) – Nein, wir sind nicht gegen die Impfung. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, ja, ich weiß, Zuhören ist eine Gabe, die diese ÖVP nicht hat, aber die Bevöl­kerung wird Ihnen bei den nächsten Wahlen zeigen, dass Sie auch das wieder lernen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen: Wir sind für die Freiheit, wir sind für die Freiwilligkeit, denn jeder, der sich impfen lassen möchte, sollte das selbstverständlich tun – aber nach einem Ge­spräch mit seinem Vertrauensarzt und nicht in irgendeiner Impfstraße mit einer Massen­abfertigung, nicht in Flugzeugen, nicht in Bordellen und auch nicht an Supermarkt­kas­sen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, wir sind gegen diese Impfpflicht verbunden mit einem Impfzwang, wir sprechen uns gegen die Impfung von gesunden Kindern und Jugendlichen, die keinerlei Vorerkran­kungen haben, aus, und wir sind für die Freiheit und gegen die Diskriminierung von Ungeimpften am Arbeitsplatz, bei der Berufsausbildung, wie ich es vorhin bereits skiz­ziert habe, in Bildungseinrichtungen oder bei Freizeitaktivitäten, denn Freiheit und Ge­sundheit sind vereinbar. Daher erteilen wir auch Ihrer Politik der Spaltung der Gesell­schaft und der Angst- und Panikmache eine klare Absage. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf Ihnen vielleicht eine Alternative mitgeben, denn es gibt Alternativen, das zeigt wieder das Beispielland – ich weiß, das wollen Sie nicht hören – Schweden. Dort hat man als Alternative auf Freiwilligkeit und Freiheit ohne Pflicht und Zwang gesetzt – und das sogar noch erfolgreich. Es ist so, dass in Schweden die Impfquote ähnlich hoch ist wie in Österreich, nur hat Schweden derzeit eine Inzidenz von 119 und unsere liegt bei knapp 900. Schweden liegt in der EU bei den Neuinfektionen an letzter Stelle und wir an dritter Stelle, und in ganz Europa liegt Schweden bei den Neuinfektionen an 45. Stelle und wir an sechster Stelle. Und vielleicht zur Erläuterung: Da ist es nicht gut, weit vorne zu sein.

Man kann das auch hinsichtlich der Einwohnerzahl entsprechend vergleichen: Ja, leider gibt es Todesfälle im Zusammenhang mit Corona, aber wenn man diesen Ansatz her­nimmt, dann weiß man auch, dass es in Schweden nicht mehr Tote gibt, wie von vielen von Ihnen immer behauptet wird.

Jetzt stellt sich die Frage: Warum kommen genau diese Schweden besser aus dem Teufelskreis, wie Sie es genannt haben, heraus? Die Antwort lautet: Die dürften auch bei der Regierung eine Alternative haben, die werden einfach eine fähigere Regierung


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als wir in Österreich haben. (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben keine Regierung, die Ängste schürt und irgendwelche Geschichten verbreitet, sondern die offen kommuniziert und auf Eigenverantwortung und Freiwilligkeit setzt, ohne Lockdown, ohne Masken, ohne Ein­schränkung von sozialen Kontakten.

Der Sars-Forschungskoordinator der WHO hat das auch entsprechend bestätigt. Schwe­den hatte immer ein Ziel vor Augen, es wurde offen kommuniziert und gesagt, dass die Pandemie dann aufhört, wenn alle Antikörper haben, durch Infektion oder Durchseuchung. „Wir können nicht jede Infektion verhindern“. – Das sagt der Forschungskoordinator der WHO.

Da haben wir natürlich bei uns einen völlig konträren Zugang, denn offen kommuniziert wird einmal gar nichts, dann wird eine Partei, die eine flächendeckende Antikörper­tes­tung fordert, lächerlich gemacht – das haben wir ja heute wieder erlebt –, und man setzt auf Pflicht und Zwang anstatt auf Freiwilligkeit und Freiheit. (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant ist auch, was hier im Zusammenhang mit Lockdowns festgehalten wird. Der schwedische Chefepidemiologe Anders Tegnell hält zu Lockdowns fest: „Wir haben nie daran geglaubt, dass dieses ständige Öffnen und Schließen der Gesellschaft funktio­niert. Uns war klar, dass das zu viele negative Effekte mit sich bringt.“

Das ist Ihnen natürlich wiederholt nicht klar, denn bis heute fahren Sie das Land gesund­heitspolitisch, wirtschaftlich und finanziell an die Wand. Das hat aber natürlich mit dem Fahrverhalten dieser ÖVP zu tun. Sie haben ja auch gesagt, Sie können die Pandemie noch nicht im Rückspiegel erkennen. – Ja, das ist klar, denn wenn Sie in den ÖVP-Rückspiegel schauen, sehen Sie maximal die Sie verfolgende Staatsanwaltschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch ein Ex-Kanzler hat gemeint, er sehe Licht am Ende des Tunnels. Diese Aussage ist sehr gefährlich und düster, wenn nämlich eines passiert – und daher muss ich das jetzt umdrehen, was Sie vorhin gesagt haben –: wenn man als Geisterfahrer in der Pan­demie unterwegs ist, Herr Bundeskanzler, wie Sie es sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen abschließend noch eines: Sie sind ja bekennender und glühender Europäer, und Sie haben ja das Wiedersehen in Brüssel als emotionales Homecoming betitelt. Ich denke, das würde auch für Straßburg entsprechend gelten, und daher mein Appell an Sie: Sie kennen mit Sicherheit die Resolution des Europarates zum Thema Impfpflicht, die da lautet: Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger informiert werden, „dass die Impfung NICHT verpflichtend ist und niemand politisch, sozial oder“ auf andere Weise „unter Druck gesetzt wird, sich impfen zu lassen, wenn er [...] dies nicht möchte“.

Jetzt wissen wir schon, dass es sich dabei um keine europäische Richtlinie handelt und Sie sich eigentlich nicht daran halten müssten, aber ich denke mir, als treuer euro­pä­ischer Gefolgsmann ist es für Sie eine Selbstverständlichkeit, dieser Empfehlung Folge zu leisten und selbstverständlich gepaart mit dem gewohnten österreichischen Gold Plating auch umzusetzen und damit unserer Bevölkerung ihre Freiheit freiwillig zurückzu­geben, die zu ihren Grundrechten zählt – was diese ÖVP offenbar vergessen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Mir ist bewusst, dass es wenig zählen würde, wenn Sie uns das heute hier versprechen würden, weil die Versprechen von dieser Regierung eben nicht gehalten werden. Ich erinnere nur an einige Ihrer Versprechen: Es gibt keinen Testzwang! Es gibt keinen Lockdown für Geimpfte und Ungeimpfte! Es gibt keine Schulschließungen! Und natürlich auch: Es gibt keine Impfpflicht – die jetzt geplant ist!

Glauben Sie mir aber, es wäre eine gute Alternative für Sie, denn die Menschen in unserem Land lassen sich Ihr Spalten nicht mehr gefallen. Sie werden sich auch weder


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eine Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen noch eine Impfpflicht für alle gefallen lassen, und sie lassen es auch nicht zu, dass die Kinder und Jugendlichen von dieser Regierung in die Nadel getrieben werden. Dafür werden sie aufstehen – und sie tun es zu Tau­senden in allen Teilen Österreichs. Sie werden dieser Regierung zeigen, dass für diese Regierung Weihnachten ziemlich ungemütlich werden wird, wenn ihnen bewusst wird, dass es beispielsweise an Gesundheits- und Lehrpersonal fehlt, weil dieses vielleicht die Arbeit stilllegt, so wie es viele bereits bekundet haben, oder weil sie gekündigt haben, weil sie nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf entsprechend auszuüben. – Vielleicht dauert es aber eh nicht mehr bis Weihnachten, weil diese Regierung eh nicht so lange hält.

Die Menschen werden Ihnen aber auch zeigen, dass sie sich nicht spalten lassen, son­dern zusammenhalten – egal ob geimpft, ungeimpft oder genesen –, weil sie alle gleicher­maßen von dieser Regierung hinters Licht geführt wurden. Sie werden Ihnen mit dem friedlichen Protest Zigtausender jeden Tag aufzeigen, wie sehr sie bereit sind, für ihre Grund- und Freiheitsrechte auf- und einzustehen (Beifall bei der FPÖ), und vor allem werden sie Ihnen eines zeigen: dass diese Regierung des Totalversagens im Corona­management nicht alternativlos ist. (Beifall bei der FPÖ.)

16.51


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


16.51.33

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Lieber Kollege Ofner, Sie können mich immer fragen, wenn es um den Europarat geht. In diesem Fall unterliegen Sie einem Irrtum. Es ist tatsächlich so, dass das Plenum diese Passage so beschlossen hat, aber gestern – deshalb war ich nicht im EU-Ausschuss – gab es eine andere Beschlusslage: Der Europarat hat beschlossen, dass man über eine Pflichtimpfung in allen Mitgliedstaaten nachdenken muss. Insofern hat sich da etwas Wesentliches geändert.

16.52


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses.


16.52.20

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekre­tär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die uns vor den Bildschirmen zusehen und zuhören! Zunächst danke ich dem Herrn Bundeskanzler sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen und für das Engagement in der Bekämpfung der Pandemie gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung. Nach den theatralischen, teilweise polemisierenden und teilweise auch ungeheuerlichen Be­hauptungen der Vorredner der freiheitlichen Fraktion (Bundesrat Hübner: Was ist da ungeheuerlich?) möchte ich schon darauf antworten und auch einiges festhalten.

Zunächst beginne ich auch mit einer tatsächlichen Berichtigung: Der Herr Bundeskanzler hat nicht Personal gegen Demonstrationen bei Krankenhäusern ausgespielt, sondern er hat sein Unverständnis über Demokrat- -, ah, Demonstrationen vor Krankenhäusern – teilweise darin – zum Ausdruck gebracht. (Bundesrat Steiner: Sein Unverständnis über Demokratie, ja, genau! Jetzt hättest du bald die Wahrheit gesagt!)

Das Zweite: Behauptungen, dass zwei Minister positiv seien, sind ebenfalls die Unwahr­heit. Das ist etwas, das hier auch gesagt werden muss. Man stellt sich hier vorne her und behauptet einfach Dinge, die nicht stimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Zum Dritten: Was die Wirkung von Impfstoffen anbelangt, werde ich mich dazu nicht äußern. Dafür haben wir in unserer Fraktion eine kompetente Persönlichkeit, das ist unser Dr. Karlheinz Kornhäusl. (Bundesrat Steiner: Und die Frau Hauschildt-Buschberger ist auch sehr kompetent! – Heiterkeit des Bundesrates Spanring.)

Es ist klar geworden, dass es sich erstens ganz einfach um eine Themenverfehlung handelt – man sieht es an dem Taferl (auf die Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang“ deutend) hier vorne –, das muss ich natürlich gerade als Lehrer feststellen. Wir reden in diesem Land von keinem Impfzwang, sondern es ist die Diskussion, die Vorbereitung für eine Impfpflicht im Gange. – Das ist es. (Bundesrat Steiner: Ja was ist das?)

Eines sage ich Ihnen auch, wenn ich mir anhöre, was die freiheitlichen Vorredner hier von sich gegeben haben: Sie sind nicht an Lösungen für diese Pandemie, an der Be­endigung dieser Pandemie interessiert (Bundesrat Steiner: Ja was denn?), sondern Sie sind Teil des Problems (Beifall bei ÖVP und Grünen), und Ihr Verhalten ist rein partei­taktisch.

Sie suggerieren mit Ihrem Verhalten, dass die Maßnahmen, die notwendig sind, draußen nicht umgesetzt werden. (Bundesrat Ofner: Nein, die werden da nicht eingehalten!) Das beginnt schon im Kleinen mit dem Maskentragen. (Bundesrat Steiner: ORF-Gala! ORF-Gala!) Sie sitzen hier herinnen und regen sich über Dinge auf (Bundesrat Steiner: ORF-Gala! Überhöhen Sie sich nicht ständig über andere!), und nicht einmal das Einfachste, was Maskentragen betrifft, wollen Sie einhalten. (Bundesrat Steiner: Nicht immer die Moralkeule schwingen, wenn man selbst moralisch ganz unten ist! Ganz ruhig!) Das ist ganz einfach ein Faktum.

Sie haben auch noch immer nicht kapiert – und haben zwei Jahre Pandemie tatsächlich verschlafen –: Der Gegner ist nicht die Regierung, der Gegner sind nicht wir in der Regierung (Bundesrätin Schumann: Aber zusammengebracht habt ihr nichts! Ich meine, bei aller Liebe, nicht?) und auch nicht die Opposition, sondern der Gegner ist ein Virus, und dem gilt es gemeinsam entgegenzutreten. Das erwarten sich die Menschen. (Bundesrat Steiner: Typisch ÖVP: Falsch! Moralisch überheblich!)

Kollege Steiner steht oft hier heraußen und erwartet sich, dass ihm die Mitglieder des Bundesrates zuhören. Ich erwarte mir das auch, sehr geehrter Herr Kollege. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Ruf bei der FPÖ: Wir hören eh zu!)

Wir wollen den Blick aber nach vorne richten, und nach vorne heißt auch: Das Thema Impfpflicht ist etwas, das wir nicht gewollt haben. Es hat viele Initiativen gegeben (Bundesrätin Schumann: Zu wenige!), es ist trotz umfassenden Impfangebotes, umfangreicher Werbung (Bundesrätin Schumann: Geh, geh, geh!) ganz einfach nicht so, dass sich viele Menschen haben impfen lassen.

Weil Sie, Frau Kollegin Schumann (Bundesrätin Schumann: Ja, grüß Sie!), zwischen­rufen, sage ich Ihnen eines, liebe Frau Kollegin (Bundesrätin Schumann: Die Regierung hat die Pandemiebekämpfung verschlafen!): 6 Stunden lang haben Sie vorige Woche bei der Dringlichen Anfrage hier herinnen Schuldzuweisungen – elf KollegInnen von der Sozialdemokratie sind heraußen gestanden –, nur Schuldzuweisungen getätigt. (Bun­des­rätin Schumann: Zu Recht! – Weitere Rufe bei der SPÖ: Zu Recht! Das wird Gründe haben!) – Ja, das ist das Recht der Opposition, aber ich sage Ihnen auch klar: Beim Fingerzeig (Bundesrätin Schumann: Nein, nein, nein, nein, nein! Als Schuldirektor mit dem Fingerzeig hergehen und ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), den Sie vorige Woche hier herinnen gesetzt haben, haben immer drei Finger auf Sie zurück gezeigt. Und wenn ich die Logik Ihrer Vorwürfe, Ihrer Schuldzuweisungen von voriger


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Woche richtig deute, dann muss ich sagen (Bundesrätin Hahn: Wie wäre es mit Selbst­reflexion?), dass in Österreich jetzt die höchsten Infektionszahlen in Kärnten sind. (Bun­desrätin Schumann: Warum haben sie sich dann letztes Mal entschuldigt?, frage ich mich!) Wenn Sie Ihre Schuldzuweisung hier an die Regierung richten (Bundesrätin Schumann: Warum haben sich die Minister entschuldigt? Warum?) und immer die Wiener als Vorbild nehmen (Bundesrätin Schumann: Warum haben sie sich entschul­digt?), dann muss ich Ihnen sagen: Genauso, wie Sie vorige Woche nur Schuldzu­weisungen gegenüber der Regierung gemacht haben (Bundesrätin Hahn: Wir haben Vorschläge genug gebracht, aber angenommen habt ihr sie nicht!), müssen Sie jetzt auch dem Landeshauptmann in Kärnten sagen, er hat alles falsch gemacht, er hat alles zu spät gemacht, er hat alles verschlafen. (Bundesrätin Schumann: Und die ÖVP ist in Oberösterreich in einer Regierung mit der FPÖ! Gratulation! – Bundesrätin Grimling: Was ist mit Salzburg?) – Da kommen wir nicht weiter.

Ich stelle mich nicht hierher und richte die Schuldzuweisung an ein Bundesland (Bun­desrätin Grimling: Was ist mit Salzburg, wo der Landeshauptmann die Wissenschaftler angegriffen hat?), Sie aber spielen Bundesländer gegeneinander aus. Das ist nicht in Ordnung (Bundesrätin Grimling: Ja, in Salzburg auch nicht!), das hilft den Menschen nicht (Bundesrätin Schumann: Ja, danke, Frau Bundesministerin Köstinger, apropos Ausspielen von Bundesländern!), das hilft nicht in der Bekämpfung der Pandemie. Das muss ich Ihnen klar und deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Der Landeshauptmann Kaiser hat sich nicht gewehrt gegen den Lockdown!)

Wie wollen wir – das ist der Blick in die Zukunft, um wieder zurückzukommen (Bun­desrätin Grimling: Aber der Herr Landeshauptmann von Salzburg weiß auch nicht, was er ...!) – unsere Freiheit wiedergewinnen? (Bundesrätin Schumann: Für das haben sich die Minister entschuldigt! Danke, Herr Bader! Super!)

Aber bitte, Frau Kollegin, ihr stellt euch hierher, macht 6 Stunden lang nur Schuldzu­wei­sungen, und wenn man etwas sagt, das damit impliziert ist (Bundesrätin Schumann: Nimmermehr mit dem Finger auf mich zeigen! Bitte nimmer! – Bundesrätin Grimling: Bitte einen Handschuh anziehen!), seid ihr aufgeregt. Das ist doch bitte ein Wahnsinn. (Bundesrätin Schumann: Bitte nimmer mit dem Finger auf mich zeigen! Da bin ich ganz heikel!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer geimpft ist, steckt sich und andere seltener an. Das ist ein Faktum. Wer geimpft ist und sich dennoch infiziert, hat in der Regel einen milderen Verlauf und muss nicht wochenlang um sein Leben kämpfen. Wer geimpft ist, entlastet das Gesundheitssystem. Wir haben derzeit einen Teufelskreis: Lockdown in, Lockdown out.

Jeder kann bei uns denken, was er will. (Ruf bei der SPÖ: Aber!) Jeder kann auch sagen, was er will. Jeder kann eigensinnig sein, wie er will. Doch auch da gibt es Grenzen, wenn die eigene Meinung andere Menschen gefährdet, ihnen Schaden zufügt. Die persönliche Freiheit, von der immer gesprochen wird, endet dort, wo die Freiheit des anderen be­ginnt. (Bundesrat Spanring: Und das könnt ihr beurteilen!) Die persönliche Freiheit, auch in einer Demokratie, ist nicht unendlich. Eine Demokratie bietet Gott sei Dank extrem viele Freiheiten, auf die wir alle gemeinsam auch entsprechend achten, aber in einer Demokratie gibt es auch Pflichten. Daher ist die Impfpflicht kein Verstoß gegen Freiheitsrechte, vielmehr ist diese Impfpflicht eine Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen. Das wollen wir alle gemeinsam. (Bundesrat Steiner: Aber von wem muss ich mir die Freiheit zurückholen?)

Verzichten wir auf diese Impfpflicht, dann werden wir einen immer höheren Preis dafür bezahlen, dass ein kleiner Teil der Bevölkerung sich die Freiheit nimmt, das Impfangebot abzulehnen. Kinder leiden unter den Einschränkungen, die Firmen, die Betriebe, die


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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Künstlerinnen und Künstler – gestützt von Milliar­denhilfen, die immer tiefere Löcher in die Budgets reißen. All das wiegt schwerer als die Zumutung einer Impfpflicht, zumal über 7,6 Milliarden Impfungen gezeigt haben, dass die Impfung wirkt und dass sie auch wenige Nebenwirkungen hat.

Das sind die Fakten, und daher gibt es eben eine entsprechende Gesetzesvorlage dazu; der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen. Diese wird nächste Woche vorgelegt werden – das ist Demokratie. Diese wird in die Begutachtung gehen – das ist Demo­kratie. Diese wird auch dem parlamentarischen Prozess im Nationalrat und im Bundesrat zugeführt werden – das ist Demokratie in diesem Land. So wollen wir diese Pandemie entsprechend bewältigen und wieder zurück zur alten Normalität kommen. Gemeinsam werden wir das schaffen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Ja, gemeinsam! Immer gemeinsam! – Bundesrätin Grimling: Miteinander oder gemeinsam, gell?)

17.01


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.


17.01.51

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ja, anschei­nend haben wir heute Kärntenbashingtag. Ich kann damit leben und werde im Laufe meines Redebeitrages noch Stellung dazu nehmen. Anschließend an den Redebeitrag von Kollegen Ofner habe ich mich auch gemeldet.

Ich denke, der Herr Bundeskanzler wird ja bestätigen, dass der Kärntner Landeshaupt­mann Peter Kaiser am Achensee sicher alles falsch gemacht hat und keineswegs koope­rativ war. Ich kann eines sagen: Voriges Jahr um diese Zeit haben wir in Kärnten die niedrigsten Zahlen von ganz Österreich gehabt. Wir haben nicht gewusst, warum, und es hat sich auch niemand gebrüstet, dass wir in Kärnten so toll sind, dass wir ein so tolles Gesundheitssystem haben. Das ist nicht der Fall gewesen. Wenn man jetzt die Zahlen in Kärnten anschaut, kann man schon gewisse Rückschlüsse ziehen, denn die politischen Bezirke, in denen es aufpoppt, haben schon ein gewisses politisches Übergewicht, aber darauf komme ich eh noch zu reden.

Danke, FPÖ, danke für die Dringliche Anfrage an den Herrn Bundeskanzler! (Bundesrat Spanring: Bitte, gern!) So haben wir einmal mehr die Gelegenheit, die Menschen in Österreich auf die Notwendigkeit der Schutzimpfung gegen Covid hinzuweisen und vielleicht auf diese Art und Weise noch Verunsicherte dazu zu bewegen, sich die Imp­fung verabreichen zu lassen und dadurch sich und andere zu schützen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wenn man sich die Frage stellt, warum wir eigentlich in diese Situation gekommen sind, dass wir in Österreich über eine Impfpflicht nachdenken müssen, dann liegt das ganz klar auf der Hand – jetzt wird der Karl wahrscheinlich wieder keine Freude haben –: Diese türkise Regierung hat alle Fehler des Vorjahres wiederholt: den Sommer ver­schlafen und nicht für die Vorbereitung genützt, die Warnungen von Experten in den Wind geschlagen und die Vorschläge der Opposition ignoriert. Man hat die Impf­kam­pagne eingeschläfert und stattdessen plakatiert, dass die Pandemie gemeistert sei. Statt einen Sommer wie damals gab es einen verbockten und verschlafenen Sommer wie 2020 und auch einen Katastrophenherbst, und jetzt gibt es einen Katastrophenwinter wie voriges Jahr. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies ist das Resultat der türkis-grünen Coronapolitik. Österreich gehört zu den beschäm­enden Schlusslichtern in Europa mit den höchsten Infektionszahlen und der niedrigsten


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Impfrate. Dieses Versagen hat einen Namen und eine Adresse: diese Bundesregierung. Diese Bundesregierung steht am heutigen Tag, mitten am Höhepunkt der Krise, vor den Trümmern der türkisen Regentschaft, und die nächste Regierungsumbildung steht be­reits vor der Tür.

Wir haben jetzt eine sehr schwierige Zeit, wir sind mitten im vierten Lockdown mit allen seinen sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Jetzt müssen wir gemeinsam arbeiten, damit wir so schnell wie möglich aus dieser Krise herauskommen. Jetzt braucht Öster­reich Stabilität, Vertrauen und Hoffnung für die Zukunft. Wenn das diese Regierung nicht jetzt und sofort schafft, ist sie gescheitert.

Die SPÖ hat mit der ausgewiesenen Expertin Pamela Rendi-Wagner in den letzten 20 Monaten immer eine kritisch-konstruktive Rolle eingenommen. Wir haben Vorschläge gemacht und Maßnahmen gefordert. Wir haben gewarnt, wir haben aber auch viele unpopuläre Maßnahmen hier im Parlament mitgetragen, weil wir als SPÖ in einer Pandemie die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher über Parteitaktik stellen. Die Regierung hat Warnungen von Experten ebenso wie Vorschläge der Oppo­sition ignoriert und ist auf ihre eigene Propaganda von einer gemeisterten, beendeten Pandemie hereingefallen. Sie wollen Dialog und Schulterschluss immer erst dann, wenn Sie bereits gegen die Wand gefahren sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies bringt auch der Virologe Christoph Steininger im gestrigen Interview in der „Presse“ klar zum Ausdruck, indem er sagt: „,Ich wundere mich, dass es nach zwei Jahren Pan­demiebekämpfung immer noch nicht möglich war, wirkungsvolle Strategien zu entwickeln, um die Ausbreitung des Virus langfristig in den Griff zu bekommen und dabei weder die Gesundheit der Bevölkerung noch die Interessen der Wirtschaft außer Acht zu lassen.‘ [...] Verwundert zeigt sich Steininger auch über das Vorgehen der Regierung beim Impfen.“

Es wäre jetzt aber unfair, hier nur Türkis-Grün die Schuld zuzuschieben. Türkis-Grün alleine ist nicht der Grund für diese Situation, in der wir uns jetzt befinden. Es gibt noch eine politische Kraft in diesem Land, die maßgeblich dafür Verantwortung trägt, die Ge­sellschaft zu spalten, Menschen zu verunsichern, Menschen auf die Straße zu schicken. Die FPÖ stellt sich gegen die Impfpflicht, die nur deshalb notwendig ist, weil die Maßnahmen nicht ausgereicht haben – die Maßnahmen, die seit Beginn der Pandemie von der FPÖ immer blockiert wurden. Der Schutz durch die Impfung wird von der FPÖ entgegen ExpertInnenmeinung immer wieder negiert. (Bundesrat Spanring: Seit wann sind wir die Mehrheit?) Da wird bewusst der Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Wissenschaft, in die Experten als politisches Kalkül in Kauf genommen und politi­scher Unfrieden provoziert, und zwar aus einem einzigen Grund: um nach dem Ibiza­desaster auf Kosten der Gesundheit aller Österreicherinnen und Österreicher wieder an Boden zu gewinnen und von Impfskeptikern, Impfverweigerern und Menschen, die andere Gründe haben, sich nicht impfen zu lassen, zu profitieren.

Es ist traurig, dass wider besseres Wissen Menschen aus parteipolitischen Gründen gegen­einander aufgehetzt und ausgespielt und missbraucht werden und man der Mei­nung ist, dass nur die eigene Meinung die richtige ist, keine Diskussion führt, aus Prinzip gegen alles ist und dann noch eine Diktatur herbeiredet.

Wenn es dann jemanden gibt, der nicht auf Parteilinie ist – auch solche gibt es Gott sei Dank noch in der FPÖ –, wird dieser als uns nicht zugehörig abgekanzelt, dann wird gesagt: Die haben keinen Platz mehr bei uns!, oder: Die haben nicht die DNA der Freiheitlichen! (Bundesrätin Steiner-Wieser: So ein Schwachsinn!) – Das heißt also, jeder FPÖler, der sich einer Impfung unterzieht und diese für gut befindet, darf nicht mehr in der FPÖ sein. Das wird auch interessant, wie man dann beim Oberösterreicher


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Haimbuchner vorgehen wird. Kommt es dann zum Parteiausschluss, wenn er sagt: Wir glauben, dass die Impfung wirkt, und finden es auch sinnvoll, sich impfen zu lassen!?

Susanne Riess-Passer geht mit ihrer ehemaligen Partei noch härter ins Gericht, sie sagt wörtlich: „Ich halte die Politik von Herbert Kickl für verantwortungslos und verstehe auch nicht, dass man dagegen“ nichts „unternehmen kann.“ – Sogar die ehemalige Gesund­heitsministerin der FPÖ hat nicht die DNA dieser Partei, wenn sie heute verlautbart, ein Entwurmungsmittel zu empfehlen sei „letztklassig“, und hinzufügt, dass es in der jetzigen Situation ohne Impfung keinen Ausweg aus dieser Krise gibt.

Aufgrund der parteiinternen Kritik rudert Kickl mit Aussagen wie jener, dass neben der Impfung das Wurmmittel das zweite Standbein sei, eh schon zurück, wenn man die letzten Presseaussendungen verfolgt, ein bisschen weicht das Ganze also schon auf.

So kann man eigentlich nur hoffen, dass Schlagzeilen wie gestern in der Zeitung „Heute“, „Party mit Kickl, nun ist Volksmusik-Star tot!“, wirklich nicht stimmen, wie ja vonseiten der FPÖ mit Aussagen des Bezirkshauptmannes aus Klagenfurt untermauert wird.

So ist wirklich zu hoffen, dass eine positiv getestete Kärntner Landtagsabgeordnete die SMS wirklich erst nach der Landtagssitzung erhalten, gelesen oder gelöscht hat – wie auch immer – und die nunmehr vier positiven Landtagesabgeordneten ein blöder Zufall sind.

So ist wirklich zu hoffen, dass es nicht stimmt, dass die FPÖ sich zu Bedrohungen von Politikern, Experten und Wissenschaftlern bekennt, wie es gestern eine Expertin öffent­lich in der „ZIB 1“ ausgesprochen hat. Wir sind leider schon so weit, dass Bürgermeister und Abgeordnete gesetzgebender Körperschaften aufgrund von Drohungen, Nötigun­gen und so weiter künftig die Hilfe der Polizei erhalten müssen. So weit sind wir gekom­men! (Bundesrat Spanring: So ein Schwachsinn! Geh bitte!)

Kollege Steiner, auch wir bekommen Hunderte Mails – aber nur Massenmails –, die mit Drohungen, Nötigungen oder Todeswünschen versehen sind. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, die kriegen wir auch! Genau! Alle, die ... Ungeimpfte ...!) Von diesen Mails, in denen menschliche Schicksale dargestellt werden, erhalten wir eigenartigerweise kein einziges. (Bundesrat Hübner: Weil’s ja sinnlos ist! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

So ist wirklich zu hoffen, dass die FPÖ, nachdem sie Teilnehmer der Licht-ins-Dunkel-Gala angezeigt hat, weil sie keine Masken getragen haben, jetzt auch zur Selbstanzeige gegen die FPÖ-Parlamentarier greift, da sich diese und auch ihre Mitarbeiter hier im Haus und im Plenum ebenfalls andauernd ohne Maske aufhalten. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Impfgegner hat es schon immer gegeben. Man kann auf eine über 200-jährige Ge­schichte zurückblicken. Vor über 250 Jahren ist in Österreich zum ersten Mal geimpft worden, und zwar gegen die Pocken. Das war nicht nur der Beginn einer medizinischen Erfolgsgeschichte, sondern auch die Geburtsstunde von Debatten rund um Impfpflicht und Impfskepsis. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ausgetragen wurden sie von Größen wie Kaiserin Maria Theresia und dem Philosophen Immanuel Kant, angefacht von tragischen Unfällen. Die Impfung war aber auch immer eines: ein massi­ver Befreiungsschlag. Seit es Impfungen gibt, gibt es Befürworter und deren GegnerIn­nen, und seit jeher ist dieses Thema Impfpflicht ein umstrittenes Thema.

Impfpflicht ist europäisch gesehen keine außergewöhnliche Erscheinung. Fest steht einerseits, dass die meisten Länder mit einer Impfpflicht eine vergleichsweise hohe Durchimpfungsrate haben. Andererseits gibt es Länder, die eine ebenso hohe Durch­impfungsrate aufweisen, ohne dass sie die Bevölkerung zur Schutzimpfung verpflichten. Interessant wäre daher, einen Blick auf die Impfstrategie in diesen Ländern zu werfen,


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denn Freiwilligkeit ist gewiss besser als Zwang, welcher eigentlich nur die Ultima Ratio sein sollte.

Eines muss uns klar sein: Corona ist kein Virus, der nur in Österreich wütet. Nein, Regierungen auf der ganzen Welt müssen sich den Problemen dieser weltweiten Pan­demie stellen. Nicht nur in Österreich wird über eine Impfpflicht diskutiert. In einigen europäischen Staaten gibt es schon eine Impfpflicht gegen verschiedene Krankheiten, jedoch noch nicht gegen Covid. Der Diskussionsprozess hat aber auch in anderen Ländern wie in Deutschland, Tschechien und der Slowakei bereits eingesetzt, und, wie Kollege Schennach erzählt hat, auch in der EU ist das Thema.

Aufgrund von Studien ist heute schon eines belegt: Wir befinden uns mit Corona nun in einer Pandemie der Ungeimpften. Nachweislich ist, dass derzeit an acht oder neun von zehn Infektionen mindestens ein Ungeimpfter beteiligt ist, und dies, obwohl die Men­schen ohne Impfschutz die deutlich kleinere Gruppe sind. (Bundesrat Spanring: Nach­weislich ist, dass das ein Blödsinn ist!)

Kollege Ofner, wenn ich dich am Vormittag richtig verstanden habe, hast du gesagt, du fühlst dich unter den Ungeimpften wohl. (Bundesrat Ofner: Nicht ich! Ich habe zitiert!) – Das ist ein fataler Irrtum. Und eines ist auch dringend angebracht: Ehrlichkeit walten zu lassen; ehrlich gegenüber den Menschen zu sein, dass die Impfung derzeit das einzig probate Mittel ist, diese Pandemie halbwegs in den Griff zu bekommen; ehrlich zu sagen, dass wir nach der ersten, zweiten oder Boosterimpfung nicht unverwundbar sind; ehrlich zu sagen, dass wir zukünftig sicher über Jahre Impfungen brauchen werden, so wie bei der Grippe halt immer an den jeweils mutierten Virus angepasst.

Die SPÖ war in Sachen Coronabekämpfung lange Zeit, und das aus gutem Grund, skeptisch gegenüber einer Impfpflicht. Wir waren davon überzeugt, dass die BürgerIn­nen auf Basis des Vertrauens in unser ausgezeichnetes Gesundheitssystem, in Medizin und Wissenschaft selbst die Wichtigkeit und die Chance zur Bekämpfung der Pandemie durch die Impfung erkennen. Durch die Fehlkommunikation der Bundesregierung sowie durch die verantwortungslose Agitation der FPÖ, die den Menschen wiederholt und ent­gegen allen Warnungen von MedizinerInnen eingeredet hat (Bundesrat Spanring: Wennst es noch dreimal sagst, wird es auch nicht wahrer! Blödsinn bleibt Blödsinn! – Zwi­schen­ruf des Bundesrates Leinfellner), das Virus sei mit einem überdosierten Pferde­entwur­mungsmittel oder Aspirin zu bekämpfen, konnte das Ziel einer Durchimpfungsrate von über 80 Prozent der Bevölkerung bis dato nicht erreicht werden, und das, obwohl genügend Impfstoff zur Verfügung stand und steht. Die SPÖ hat daher insbesondere im Lichte der Gesamtverantwortung für die BürgerInnen und vor allem aus Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Jugendlichen ihre Position der aktuellen dramatischen Situation angepasst: Primär die impfbare erwachsene Bevölkerung hat ihre Verantwor­tung wahrzunehmen, für sich, für das eigene Umfeld und für unsere Kinder.

Die SPÖ hat sich diese Entscheidung weder leicht gemacht, noch wird sie einen dies­bezüglichen Beschluss frank und frei mittragen, ohne den genauen Gesetzesvorschlag im Detail zu kennen und zu analysieren. Soll heißen: Wir werden uns die legistische Ausarbeitung der Impfpflicht penibel genau ansehen und prüfen, ob diese der Verhältnis­mäßigkeit entspricht, sowie prüfen, ob sie primär der Wahrnehmung der Verantwortung der BürgerInnen gegenüber unserer Solidargemeinschaft gerecht wird.

An dieser Stelle möchte ich nochmals den Virologen Steininger zitieren: „Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, muss klargemacht werden, welche Konsequenzen ihre Entscheidung für sie haben könnte. Umgekehrt muss ihnen erklärt werden, welche zusätzlichen Vorteile sie genießen würden – abgesehen vom wichtigsten, nämlich den individuellen Impfschutz.“


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Ob neue Impfstoffe, mehr Beratungsgespräche oder der Ausbau niederschwelliger Angebote – die Möglichkeiten, die Coronavirusimpfquote zu heben, sind noch nicht ausgeschöpft. Das meinen viele Fachleute. Geimpfte und Ungeimpfte gegeneinander auszuspielen sei hingegen wenig hilfreich, heißt es auch vonseiten der Experten.

Abschließend möchte ich noch zwei Beispiele bringen, die, so hoffe ich – da sind wir uns hier im Saal dann einig –, so schnell wie möglich in Österreich nicht mehr in Betracht gezogen werden müssen.

Das erste betrifft einen Fall aus Kärnten: „Corona – Kein Intensivbett: Vierjährige muss auf Herz-OP warten“, „Kind aus Kärnten sollte in Linz operiert werden [...] Die Herz­operation eines vierjährigen Mädchens aus Kärnten im Linzer Kepler Uniklinikum (KUK) ist auf Februar verschoben werden, weil keine Intensivbetten frei sind. [...] Das ist“ leider „kein Einzelfall. In Linz habe es seit Beginn der vierten Coronawelle bereits 20 Verschie­bungen gegeben, hatte der Vorstand der Klinik für Kinderkardiologie, Gerald Tulzer, bereits vor einer Woche im APA-Gespräch berichtet.

Das KUK ist ein wichtiges Zentrum für Kinder-Herzchirurgie. Solche Eingriffe werden in Österreich nur hier und im Wiener AKH durchgeführt. Zu den Verschiebungen komme es, weil immer mehr Pflegepersonal für die aufwendige Behandlung der Corona-Inten­sivpatienten abgezogen werde. ,Manche Eingriffe mussten um ein bis zwei Tage, andere um zwei bis drei Wochen oder Monate verschoben werden.‘ Seitens des Spitals wurde aber versichert, dass kein kritisch krankes Kind auf seine OP verzichten müsse.

Der aktuelle Fall betrifft ein Mädchen aus Kärnten. Das Kind sei mit einem schweren Herzfehler zur Welt gekommen, heißt es in dem Bericht. Zweimal sei die Kleine schon operiert worden, der dritte Eingriff wäre für nächste Woche in Linz geplant gewesen. Nun sei er aber auf Februar verschoben worden, weil keine Intensivbetten frei sind. ,Ich habe geglaubt, mir reißt es den Boden unter den Füßen weg‘, sagte die Mutter im Gespräch mit dem ORF.

,Sie wird schnell blau im Gesicht‘ und habe Schmerzen, schilderte die Mutter den Zu­stand ihrer Tochter. Und: ,Sie hat Angst.‘ Die Operation sollte eigentlich zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr gemacht werden, ihre Tochter werde aber bereits bald fünf, sieht sie Eile geboten.“

Ein weiterer tragischer Fall ist jener des vierjährigen Jungen aus Oberösterreich, welcher ja Vorerkrankungen hatte und leider an Corona verstorben ist. Dies soll nur versinn­bildlichen, dass auch Kinder im jungen Alter den Virus nicht so einfach wie eine Verküh­lung wegstecken.

Allein diese beiden Beispiele sollten uns anspornen, zum Wohle aller in Österreich lebenden Menschen die richtige Entscheidung zu treffen. In der jetzigen Situation ist es enorm wichtig, dass wir als Land alle zusammenstehen und mit vereinten Kräften ver­suchen, diese Pandemie abzuwenden; vielleicht auch mit der FPÖ. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

17.20


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte.


17.20.55

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Kollege Appé hat jetzt in seinen Ausführungen behauptet, ich hätte am Vormittag gesagt, dass ich mich unter Ungeimpften sicher fühle. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Diese Behauptung ist unwahr, und das lässt sich auch aus dem Protokoll nachvollziehen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 147

Ich berichtige tatsächlich, dass ich eine Studentin anlässlich der Übergabe der Resolu­tion an den Landtagspräsidenten in Kärnten hinsichtlich der Abschaffung der 2G-Regel an der Universität Klagenfurt zitiert habe. Sie hat gesagt, sie fühlt sich unter getesteten Ungeimpften sicherer als unter ungetesteten Geimpften, die glauben, vermeintlich sicher und geschützt zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

17.21


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


17.21.54

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, was die meisten Menschen in diesem Land jetzt gerade, während wir eine Pandemie zu bekämpfen haben, nicht mehr hören wollen, ist, dass wir in einem parteipolitischen Hickhack hin- und herargumentieren (Bundesrat Steiner: Ja, das glaub ich schon!) und uns nieder­argumentieren, während wir einen wirklich schweren Kampf führen, einen globalen Kampf, den wir hier in Europa führen müssen, den wir in Österreich führen müssen, den wir international führen müssen. Und der Gegner ist nicht eine andere Partei, sondern ein Virus, und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir uns das immer vergegenwärtigen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn ich das vielleicht auch ein bisschen in einer Sprache, die überhaupt nicht die meine ist, verpacken darf, die vielleicht eher so die Sprache der Freiheitlichen Partei wäre: Jetzt Vaterlandsliebe zu haben bedeutet, gegen das Virus zu agieren und nicht gegen andere Parteien, denn wir müssen gegen dieses Virus zusammenstehen. Das wäre Patriotismus aus meiner Perspektive. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das ist, weil ihr Patriotismus nicht versteht! Das ist das Problem!)

Das darf ich vielleicht jetzt auch sagen, als jemand, der schon zwei Pandemien erleben musste: Gestern, am 1. Dezember, war ja wie jedes Jahr der Welt-Aids-Tag. Nun komme ich aus einer Community, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren diese Pandemie in einer sehr dramatischen Art und Weise erleben musste. Ich komme aus einer Commu­nity, Herr Kollege Bernard, die Sie heute erniedrigt haben (Ruf bei der FPÖ: Ah geh!), die Sie mit homophoben Ausführungen, für die Sie sich noch immer nicht entschuldigt haben – ich warte noch immer darauf –, erniedrigt haben. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Jetzt lassen wir mal die Kirche im Dorf!) Ich komme aus dieser Community, habe in meiner Studentenzeit auch in einem Lokal gearbeitet (neuerlicher Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser), und es war ziemlich selbstverständlich und leider fast alltäg­lich, dass Menschen einfach verschwunden sind, einfach gestorben sind. Dieses Ster­ben – sie sind wirklich wie die Fliegen gestorben, Freunde von mir, oh, da könnte ich viele, viele Namen nennen, viele, viele Freunde von mir.

Plötzlich hörte dieses Sterben auf, und zwar 1996. 1996 haben Pharmaunternehmen – die, ja, auch Geld damit verdienen wollten, überhaupt keine Frage – ein Medikament entwickelt, eine Therapie, eine Kombinationstherapie. Diese Kombinationstherapie hat von einem Tag auf den anderen das Sterben beendet – mit ein paar Ausnahmen. Es gab auch damals Menschen, ich kann mich noch an diese Menschen erinnern, die durch die Community gegangen sind und behauptet haben, dieses Virus gebe es gar nicht, Viren seien eine Erfindung. Ich kann mich erinnern, dass es auch damals Menschen gab, die sich selbst als Wunderheiler oder anderes bezeichneten und sagten: Ich weiß, ihr seid eigentlich gesund!

Wir hatten auch das Problem, dass Menschen sich als gesund bezeichneten und sich weigerten, sich testen zu lassen. Das war wirklich ein Riesenproblem damals: Leute, die


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 148

sich weigerten, sich testen zu lassen. (Bundesrat Leinfellner: ... die Geimpften heutzu­tage besser!) Es gab Menschen, die sich geweigert haben, die lebensrettenden Medika­mente zu nehmen, weil sie diese Verschwörungserzählungen geglaubt haben. Sie haben sich geweigert, diese Medikamente zu nehmen, und sind einen völlig sinnlosen Tod ge­storben.

Ich sage es ganz ehrlich, ich empfinde mit jedem Menschen, der jetzt auf der Intensiv­station liegt, der um sein Leben röchelt und der leider auch vorher diese Erzählung, dass Impfen gefährlich sei, dass Impfungen nicht helfen würden, geglaubt hat und der jetzt um sein Leben ringen muss. Ich bedauere jede Person, die das jetzt erleben muss, und ich finde es unglaublich traurig, dass Angehörige das erleben müssen und dass wir trotzdem immer noch eine Partei und Kräfte haben, die so tun, als wäre die Impfung gefährlicher als das Virus. Das tut mir wirklich weh. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Hahn. – Bundesrat Steiner: Das hat niemand gesagt!)

Sie haben in vielen Punkten ja durchaus recht, wenn Sie sagen, dass die Jugend furcht­bar unter dieser Pandemie leidet. Da haben Sie vollkommen recht. Was wir der Jugend abverlangen, ist unglaublich. Es ist geradezu eine Zumutung, einen Lockdown zu machen, Menschen nicht zu ermöglichen, ihr Geld zu verdienen, nicht zu ermöglichen, auf Urlaub zu fahren, nicht zu ermöglichen, Essen zu gehen, in die Oper zu gehen, in Konzerte zu gehen. Es ist fürchterlich! Und niemand hier – niemand hier! – will das. (Bundesrat Ofner: Ja, für die, die ... heißt das nicht viel!) Niemand will das, aber es gibt nur einen Weg, da rauszukommen: Das ist die Impfung. Es hilft nichts, und ich würde Sie wirklich bitten: Hören Sie auch auf die kritischen Stimmen in Ihren Parteien, die mittlerweile Gott sei Dank mehr werden! Es ist unser Weg raus, und würden wir alle zusammenhalten, würden wir alle auffordern, den Menschen zu sagen: Bitte geht impfen!, dann wären wir schon einen Riesenschritt weiter.

Wenn Sie, Herr Kollege Steiner, diese E-Mails von Menschen, die Angst vor der Impfung haben, bekommen, dann würde ich Sie bitten, zu antworten: Ich bin nur ein Masseur, ich bin kein Arzt (Bundesrat Ofner: Ja, aber du wohl!), bitte wenden Sie sich an Virologen und an Ärzte und Ärztinnen! (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) Die können Ihnen einen besseren Rat geben als ich, der nur ein Politiker ist und kein Virologe. – Das wäre meine Bitte an Sie, so zu antworten! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Steiner: „Nur ein Masseur“ – sehr abwertend für meinen Berufsstand! Sehr abwertend für meinen Berufsstand! „Nur ein Masseur“!)

Ich kann nur alle Menschen, die jetzt zuschauen, bitten: Es gibt sehr viele Erzählungen über die Impfung, die derzeit im Umlauf sind. Ich weiß, dass das Zugeben eines eigenen Irrtums etwas sehr, sehr Schwieriges ist. Ich habe mich auch schon manchmal in meinem Leben geirrt, und ich habe lange, lange gebraucht, um das zuzugeben. In diesem Fall ist es aber lebensnotwendig, damit wir aus dieser Krise rauskommen. Ich würde Sie bitten: Prüfen Sie alle Informationen, die Sie bekommen! Reden Sie mit Ihren Ärzten und Ärztinnen! Gehen Sie wirklich zu ausgebildeten Fachkräften! Geben Sie sich einen Ruck!

Ich darf vielleicht meinen Ehemann loben: Er hat eine Arbeitskollegin, die nicht zur Imp­fung gehen wollte, weil sie einfach Angst vor Spritzen hat. Er hat zu ihr gesagt: Weißt du was? Ich gehe mit dir mit und halte dein Händchen. – Jetzt gehen sie gemeinsam zur Impfung. Wir alle müssen das mit unseren Leuten, die noch Angst haben, noch skeptisch sind, machen. Wir müssen das alle machen. Das kann nicht Aufgabe einer Regierung sein, einer Landesregierung, und da nutzt es auch nichts, zu sagen: Die Regierung ist schlecht, dieses Land ist gut, dieses Land ist schlecht! – Einmal gehen da die Zahlen hoch, einmal gehen da die Zahlen hoch; ich freue mich über jede Zahl, die runtergeht, egal in welchem Bundesland und egal wer dort regiert.


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Wenn wir alle es schaffen, das zu machen – Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, Menschen in ihren Berufen, Menschen in Lokalen, an Stammtischen, die derzeit leider nicht stattfinden, ich weiß es, aber man kann sie auch virtuell einberufen –, wenn wir das alle in unserem Freundeskreis machen, dann werden wir es schaffen, dass wir die Impfquote haben, die wir brauchen. Wir haben sie noch nicht, das ist unser Problem. Am liebsten wäre es mir, wir hätten die Impfquote, bevor wir noch irgendeine Verpflichtung einführen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.29


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


17.30.12

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich führt die Ankündigung einer neuen Pflicht bei uns als liberaler Partei zunächst zu Skepsis, dennoch sind wir NEOS bereits vor Monaten für eine Impfpflicht in manchen Berufsgruppen eingetreten. Es ist eine traurige Tatsache, dass die Impfquote in Österreich nach wie vor viel zu niedrig ist.

Genauso ist es für uns klar, dass eine Impfpflicht erst angedacht werden kann, wenn man vorher nichts anderes unversucht gelassen hat, denn als liberale Partei ist für uns die Freiheit das oberste Prinzip. Dabei gilt jedoch der Grundsatz – wir haben es heute schon gehört –, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. Mit Freiheit kommt Verantwortung – selten war dieser Grundsatz so gültig wie jetzt. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Frage der Impfpflicht muss man sich also die Frage stellen, wie die Freiheit, sich nicht impfen zu lassen, im Verhältnis zur Freiheit der besten Gesundheitsversorgung steht. Die Entscheidung von circa einer Million Ungeimpften muss also damit abgewogen werden, ob Menschen nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit oder Kinder mit einem Herzfehler im Krankenhaus auch die beste Behandlung bekommen können.

Insbesondere in diesen Wochen der Ausgangsbeschränkungen und Betretungsver­bote – vulgo Lockdown – ist auch die Freiheit jener Menschen, die sich nicht impfen las­sen wollen, gegen die Freiheit eines gewohnten Lebens von sechs Millionen Geimpften ins Verhältnis zu stellen.

Wir sehen es jetzt schon seit über einer Woche: Weil sich etwa eine Million Menschen in Österreich die Freiheit nimmt, auf die Impfung zu verzichten, sieht sich die Bundes­regierung veranlasst, die Freiheit aller Menschen in Österreich umfassend einzuschrän­ken. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Der Lockdown betrifft die Kinder und Jugend­lichen, die nicht wie gewohnt gemeinsam Sport betreiben können, genauso wie die Unternehmerinnen und Unternehmer, die wieder einmal vor Existenzängsten stehen, und alle Menschen, die ihr gewohntes Leben im Moment nicht leben können.

Genau dieses Verhältnis gilt es auch in der Frage der Impfpflicht abzuwägen. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.32


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster ist Herr Bundesrat Michael Bernard zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


17.32.38

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den


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Bildschirmen! Zur Auffrischung, zur An- und Erregung des Kurzzeit- beziehungsweise des Langzeitgedächtnisses haben wir uns die Arbeit gemacht, die Fakenews der Bundesregierung und ihrer Minister extra aufzulisten. (Bundesrat Steiner: Bravo!)

22. Jänner 2020: „Derzeit ist absolut kein Grund zur Aufregung“. – Rudi Anschober.

27. Jänner 2020: „Die echte Grippe ist aktuell bei uns viel näher und gefährlicher als das Coronavirus“. – Rudi Anschober.

26. Februar 2020: „Auch um Österreich wird Corona keinen Bogen machen.“ – Sebas­tian Kurz.

8. März 2020: Absolut falsch, jetzt „mit Schutzmasken durch die Gegend zu laufen“. – Sebastian Kurz.

13. März 2020: „Es wird natürlich keine Ausgangssperren geben“. – Karl Nehammer.

13. März 2020: „Ab Montag müssen wir unser soziales Leben auf ein Minimum redu­zieren“. – Sebastian Kurz.

18. März 2020: „Wir haben es zweifelsohne mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun“. – Werner Kogler.

18. März 2020: „Koste es, was es wolle“. – Sebastian Kurz.

30. März 2020: „Wir werden auf das Tragen von Masken setzen.“ – Sebastian Kurz.

30. März 2020: „Wir werden auch in Österreich bald die Situation haben, dass jeder irgendjemanden kennt, der an Corona verstorben ist.“ – Sebastian Kurz.

1. April 2020: „Das Öffnen der Bundesgärten wäre das völlig falsche Signal. Deshalb bleiben die Parks auch zu“. – Elisabeth Köstinger.

3. April 2020: „Österreich wird besser und schneller durch die Krise kommen als andere Länder“. – Sebastian Kurz.

16. April 2020: „Wir sind sozusagen die Flex, die Trennscheibe für die Gesundheits­behörden, um die Infektionskette rasch zu durchbrechen.“ – Der wahrscheinlich neue Bundeskanzler Karl Nehammer.

6. Juni 2020: Ich bin „sehr optimistisch, dass es in Österreich zu keiner zweiten Welle kommen wird.“ – Rudi Anschober.

13. Juni 2020: „[...] gesundheitlichen Folgen der Krise überstanden“. – Sebastian Kurz.

18. Juni 2020: Österreich ist „aus wirtschaftlicher Sicht viel besser durch die Krise gekommen als andere Staaten“. – Sebastian Kurz.

16. August 2020: „Das Virus kommt mit dem Auto nach Österreich“. – Sebastian Kurz.

28. August 2020: „[...] die gute Nachricht ist: Es gibt schön langsam Licht am Ende des Tunnels“. – Sebastian Kurz.

28. August 2020: Es wird „keine Impfpflicht geben“. – Sebastian Kurz.

3. Oktober 2020: Auf die Frage, ob ein zweiter Lockdown kommt, war die Antwort: „Das ist nicht nur eine Ente, das ist eine ganze Entenfarm. Da ist wirklich nichts dran.“ – Rudi Anschober.

24. Oktober 2020: Kurz lüften genügt. – Heinz Faßmann.

31. Oktober 2020: „Ab Dienstag, 3. November, 0.00 Uhr, bis Ende November wird es zu einem zweiten Lockdown in Österreich kommen“. – Sebastian Kurz.


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27. November 2020: „Das Virus verbreitet sich nicht auf den Skipisten“. – Elisabeth Köstinger.

2. März 2021: „Wir [...] sollten nicht mehr nur von der EU abhängig sein bei der Pro­duktion von Impfungen der zweiten Generation“. – Sebastian Kurz.

3. April 2021: In 100 Tagen sind alle geimpft. – Sebastian Kurz.

30. April 2021: Zu Verhandlungen über Sputnik V: „Wir sind de facto fertig“. – Sebastian Kurz.

28. Mai 2021: „Ein Sommer wie damals“. – Werner Kogler.

8. Juni 2021: „Dass die nächsten Öffnungsschritte bereits vor der Tür stehen [...], lässt mich äußerst optimistisch in die Zukunft blicken.“ – Sebastian Kurz.

8. Juni 2021: Es ist gut zu sehen, dass wir in Österreich vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sind und es den Menschen, die hier leben, immer noch gut geht.“ – Werner Kogler.

25. Juni 2021: „Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft“. – Daraus hat die ÖVP sogar ein eigenes Plakat gemacht.

30. Juni 2021: Pandemie ist für Geimpfte vorbei. – Sebastian Kurz.

10. Juli 2021: Die Krise wird von einer gesellschaftlichen Herausforderung zum individuellen Problem. – Sebastian Kurz.

12. Juli 2021: Die Pandemie ist nicht vorbei. – Sebastian Kurz.

19. September 2021: „Kräftiges Stoßlüften mehrmals pro Stunde reicht aus.“ – Heinz Faßmann.

12. Oktober 2021: Kurz „hat in einer hervorragenden Weise die Pandemie in Österreich bewältigt“. – August Wöginger.

5. November 2021: „Das oberste Ziel muss sein, dass eine Wintersaison stattfinden kann.“ – Elisabeth Köstinger.

5. November 2021: „Zügel für Ungeimpfte straffer ziehen“. – Herr Alexander Schallenberg.

14. November 2021: „Es wird auch für geimpfte Menschen nächtliche Ausgangsbeschrän­kungen geben.“ – Wolfgang Mückstein.

15. November 2021: „Ich halte nichts von den Wortmeldungen des Gesundheits­minis­ters.“ – Elisabeth Köstinger.

19. November 2021: „Daher wird es ab Montag für maximal 20 Tage einen bundesweiten Lockdown geben“. – Alexander Schallenberg.

19. November 2021: „Wir haben uns daher gestern zu dem sehr schwierigen Beschluss durchgerungen, sehr rasch eine bundesweite Impfpflicht in die Wege zu leiten.“ – Alexander Schallenberg.

21. November 2021: Wir sind jetzt die „Impfeuropameister“. – Wolfgang Mückstein.

Das beweist Folgendes: Tatsächlich haben die letzten Monate gezeigt, dass es gerade die Regierenden sind, die falsche Informationen verbreiten, obwohl an diese ein beson­ders strenger Maßstab anzulegen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Es zeigt sich, dass neue Informationen zu neuen Bewertungen der Umstände führen können. Wer Anfang 2020 behauptet hat, dass Mund-Nasen-Schutzmasken dazu beitra­gen können, die Covid-19-Krise besser zu bewältigen, wurde von Politikern der Regie­rungsparteien zunächst der Falschinformation bezichtigt, dann bestätigt und schließlich


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mit der FFP2-Masken-Pflicht sogar in der Argumentation überholt. Diese Ansichten von vornherein als unzulässige Fakenews abzustempeln kann sich jedoch verheerend aus­wirken.

In Ihrem Rechenschaftsbericht sollen daher die von der Bundesregierung verbreiteten Falschinformationen offengelegt und diese unter der Beiziehung von Experten einer Evaluation unterzogen werden. Dabei soll die Fehlinformation der Richtigstellung – sofern eine erfolgt ist – gegenübergestellt werden, und es sollen die aus der Fehlinformation folgenden Konsequenzen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Öffentlichkeit evaluiert werden. Es gilt, an die Bundesregierung im Zusammenhang mit Fakenews und Des­information einen besonders strengen Maßstab anzulegen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bundesräte Christoph Steiner, Michael Bernard und weitere unterfertigende Bundes­räte stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Fake-News-Rechenschaftsbericht der Bundesregierung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Bundesrat ehestmöglich einen Rechen­schaftsbericht über von ihr verbreitete ‚Fake News‘ im Zusammenhang mit Covid-19 und den diesbezüglichen Maßnahmen zuzuleiten.“

*****

Nun noch kurz zu Kollegen Bader – was für mich ungeheuerlich ist: Während die an­ständige österreichische Bevölkerung eingekerkert ist und Zigtausende Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze bangen, kümmert sich Arbeitsminister Kocher um das Hinterteil seiner Ministerkollegin Edtstadler, anstatt sich um diese Probleme zu kümmern.

Anstatt gemeinsam mit den Zigtausend Unternehmern, die ebenfalls um ihre Existenzen bangen, nach Wegen der Bewältigung dieser von dieser Bundesregierung mitverschul­deten Krise zu suchen, feiern die Mitangezeigten namens Kogler, Mückstein, und wie sie vom türkis-grünen Vernichtungskomitee unserer Verfassung und unseres wunder­schönen Heimatlands alle heißen mögen, ihre – hoffentlich – Abschiedsparty. Sie feiern ihre Party, während die anständige österreichische Bevölkerung eingekerkert ist. Und der schlechteste Innenminister aller Zeiten namens Nehammer missbraucht die anstän­digen Polizeibeamten zur Umsetzung eines Kontroll- und Spitzelstaates gegenüber dem finanzierenden, steuerzahlenden, von der ÖVP so genannten Pöbel.

Die vollste Unterstützung dem Stopp der Gewalt an Frauen! Kontraproduktiv ist aber, dass der Innenminister auf der ORF-Coronaparty feiert, während die anständige öster­reichische Bevölkerung eingekerkert ist und unsere Grenzen für Personengruppen, die unsere Sicherheit im Land gefährden, die die Sicherheit unserer Frauen, Kinder und Enkelkinder gefährden, sperrangelweit offen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Kollegen Schreuder: Für mich ist es egal, was jeder sexuell in seinen vier Wänden tut. Es liegt aber nicht in meinem Wirkungskreis, dass zwei gleichgeschlechtliche Partner auf normale Art und Weise keine Kinder bekommen können. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Oida! Das hätten wir nicht gewusst ohne dich! – Ruf bei der SPÖ: Na geh, nicht noch einmal nachlegen! Nicht noch einmal nachlegen! Also das ist ...! –


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Bundesrätin Schumann: Das ist ja unfassbar jetzt! Keine Entschuldigung, sondern ... hauts noch einmal nach!)

17.43

17.43.47*****


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Also ich erteile jetzt noch einmal einen Ordnungsruf für die Beleidigung von Menschen, die homosexuell sind. (Bundes­rat Bernard: ... Beleidigung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das hat hier in diesem Haus einfach nichts zu suchen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

*****

Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Fake-News-Rechenschaftsbericht der Bundesregie­rung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


17.44.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich möchte tatsächlich berichtigen, dass lesbische Frauen genau wissen, wie man schwanger wird, und sehr wohl Kinder kriegen können, dass es in diesem Land ein Adoptionsrecht (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) und auch die künstliche Insemination gibt, und das ist auch gut so. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.44


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses.


17.44.56

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die noch via Livestream zugeschaltet sind! (Ruf bei der ÖVP: Die das aushalten!) Ich muss sagen, Herr Kollege Bernard, das lässt mich wirklich sprachlos zurück – er schaut jetzt bewusst weg, ich verstehe ihn; ich würde mich an seiner Stelle auch genieren –: Am Vormittag schon so eine Entgleisung, die ich nur als widerlich bezeichnen kann, für die er sich nicht entschuldigt, und dann noch einmal nachzulegen und noch tiefer in die Schublade zu greifen, das lässt mich wirklich sprachlos zurück. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn die Lage nicht derart ernst wäre, müsste ich ja fast schmunzeln. Ein bisschen erinnern mich dieses Szenario und jenes von letzter Woche und die vielen Plenarsitzungen davor an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Da werden Regierungsmitglieder hereinzitiert, werden auf das Wüsteste beschimpft. Vertre­ter der Freiheitlichen Partei stellen sich heraus, behaupten mit Inbrunst irgendwelche Fakenews und werfen mit Falschmeldungen und Unwahrheiten um sich (Bundesrat Spanring: Dann widerlegen Sie sie! Dann widerlegen Sie sie, Herr Kollege!), werfen Zahlen in den Raum, die so nicht stimmen (Zwischenruf des Bundesrates Ofner) und die ich jetzt auf ein Neues zu widerlegen versuche.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bin selber schon müde geworden. Ich bin selber schon müde geworden, weil – auch das erinnert mich an „Und täglich grüßt das


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Murmeltier“ – ich jedes Mal herauskomme, versuche, Sie mit Fakten zu überzeugen (Bundesrat Steiner: Seit wann?), es hilft nur nichts. Da pralle ich tatsächlich auf taube Ohren. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Dass die freiheitlichen Mandatarinnen und Mandatare – und das ist das letzte Mal ja schon bewiesen worden – keine mathematischen Riesen sind, das ist mittlerweile, glaube ich, jedem hier in diesem Plenum klar (Ruf bei der FPÖ: Da bin ich froh, dass die ganzen Kapazunder bei euch sind!); das ist mittlerweile jedem klar. (Ruf bei der FPÖ: Mit Nullen könnt ihr besser umgehen, das habt ihr unter Beweis gestellt!) Mit absoluten Zahlen geht es noch einigermaßen, aber sobald es dann um Prozente und Verhältnismäßigkeiten geht, beginnen sie auszurutschen. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: ... klatschen! ... blöd!)

Ich habe vorhin gesagt, dass ich schon langsam müde werde, aber es gibt den Spruch: Wenn die Guten nicht fechten, gewinnen die Schlechten. – Ich werde versuchen, es Ihnen noch einmal zu erklären. Sie behaupten ein ums andere Mal, dass die Impfung nicht wirkt, und ich darf dem entgegenhalten: Die Impfung wirkt sehr gut, und sie schützt Geimpfte in dem Sinn (Bundesrat Steiner: Ah so! Sie schützt Geimpfte! – Bundesrat Ofner: ... Experten ...!), dass die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 schwer zu erkranken, um 90 Prozent geringer ist als bei Ungeimpften – um 90 Prozent!

Da Sie es mit Zahlen nicht so haben, versuche ich ein weiteres Mal, es anschaulich zu erklären: Vor einer Woche bin ich dagestanden, und wir haben uns das Beispiel einer Intensivstation angeschaut, das Herr Ofner gebracht hat, auf der zwei Geimpfte und zwei Ungeimpfte liegen – er hat behauptet, das bringt alles nichts. Heute nehmen wir eine fiktive Gegend her. Stellen Sie sich eine Gegend vor, in der 20 von 1 000 Menschen an Covid-19 erkranken! Dann geht man her und impft die Menschen dort in dieser Gegend. Was passiert dann? – Von den Ungeimpften werden weiterhin 20 von 1 000 erkranken, aber mit einer Wirksamkeit von 90 Prozent werden von den Geimpften nur zwei von 1 000 erkranken. (Bundesrat Spanring: ... 86 Prozent ... Pfizer! 86 Prozent ...! Du kennst deine eigenen Studien nicht, aber sich herausstellen ...!) Das ist die Realität, was die Impfung betrifft, und das ist nicht meine Rechnung, das sagt das Robert-Koch-Institut, das sagt die WHO – nur die Herren Professoren von der Freiheitlichen Partei akzeptieren das nicht.

Es geschehen aber auch noch Zeichen und Wunder, auch in der Freiheitlichen Partei melden sich jetzt die Vernünftigen und Intelligenten zu Wort. Ich darf hier einige anführen (Bundesrat Steiner: Mölzer! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner): Mölzer, so ist es! (Bundesrat Steiner: Geschichte!) Das blaue Urgestein Andreas Mölzer sagt selber im „Report“: „Ich bin [...] da nicht [...] auf Parteilinie.“ (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, horcht gut zu! Ich glaube euch, dass euch das unangenehm ist (Bundesrat Ofner: Überhaupt nicht ...!), das wäre mir auch unangenehm. Die werden jetzt wahrscheinlich alle aus der Partei ausgeschlossen. – Andreas Mölzer stellt sich hin und sagt: „Ich bin [...] da nicht [...] auf Parteilinie“ (Bundesrat Steiner: Ist ja sein gutes Recht!), aber wenn es hilft und wenn ein Gros der Wissenschaft sagt (Zwischenruf des Bundesrates Ofner), dass die Impfung unser einziges Mittel ist, rauszukommen, dann befürworte ich eine Impfpflicht. – Andreas Mölzer. (Beifall bei der ÖVP.)

Beate Hartinger-Klein, immerhin Gesundheitsministerin, freiheitliches Urgestein, hat ge­sagt: Den politischen Kurs von Herbert Kickl und seine Empfehlung, ein Wurmmittel ein­zunehmen, empfindet sie als „letztklassig und indiskutabel“. – Also da beginnt die Front schön langsam zu bröckeln. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundes­rätInnen der SPÖ. – Bundesrat Ofner: Wir dürfen frei denken! – Bundesrat Steiner: ...zurück­getre­tene Parteiobmann ...! Der Bundeskanzler hat bis vor 5 Minuten nicht gewusst ...!)


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Brigitte Povysil, eine von mir äußerst geschätzte Kollegin aus Oberösterreich – sie war Primaria in Oberösterreich –, sagt, wenn es der Freiheit aller dient, ist sie für die Impf­pflicht, weil Impfungen „eine der größten [...]Errungenschaften der Medizin“ sind. Das sagt Brigitte Povysil, jahrelang Gesundheitssprecherin der Freiheitlichen Partei hier im Parlament. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bun­desrat Ofner: Ihr seid unglaubwürdig!)

Der Reigen geht weiter: Reinhart Waneck, ehemaliger FPÖ-Gesundheitsstaatssekretär, sagt in einem Interview: Ich bin für die Impfflicht, weil sie das einzige Mittel ist, aus der Pandemie herauszukommen. – Zitatende. Das sagt Ihr ehemaliger FPÖ-Staatssekretär Reinhart Waneck. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Sie ist nicht das einzige Mittel!)

Das Gesicht von Herrn Steiner wird immer rötlicher. (Bundesrat Steiner: Wo?) Es würde mir auch so gehen, an Ihrer Stelle wäre ich auch aufgeregt. (Bundesrat Steiner – auf das Rednerpult zugehend –: Soll ich mich in die Kamera stellen, um zu beweisen, dass mein Gesicht nicht rot ist? – Ruf bei der SPÖ: Was soll das jetzt?! – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zurück zu seinem Sitzplatz –: Das ist eine Lüge!)

Es geht weiter: Susanne Riess, ehemalige Vizekanzlerin und Bundesparteichefin der Freiheitlichen Partei sagt, sie empfindet die Politik von Herbert Kickl und der jetzigen freiheitlichen Führung als „verantwortungslos“. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zusätzlich haben Sie in Ihren Reihen Gott sei Dank viele Funktionärinnen und Funktio­näre, Abgeordnete, die das ähnlich sehen wie die fünf Genannten, zum Beispiel die Abgeordneten der Freiheitlichen Partei im Wiener Landtag, die dem Vernehmen nach zu 100 Prozent geimpft sind – da kann man nur gratulieren. (Zwischenruf der Bundes­rätin Steiner-Wieser. – Bundesrat Ofner: Was versteht ihr denn unter freiwillig? Freiheit und Freiwilligkeit ...!)

Kommen wir jetzt zur Impfpflicht: Ich darf Ihnen hier noch einmal versichern, sehr geehrte Damen und Herren der Freiheitlichen Partei, niemand aus der Regierung, aus den Regierungsparteien hatte eine Impfflicht als Ziel, niemand. (Bundesrat Ofner: Nein! ...Mil­lionen mit Maske!) Niemand in der Bundesregierung hat sich diese Entscheidung leicht gemacht, absolut niemand. Die Situation ist aber im Augenblick so, dass wir fast dazu gezwungen sind, um aus dieser Pandemie herauszukommen. Warum? – Weil wir nicht länger hinnehmen können, dass unsere Intensivstationen am Anschlag sind – und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche –, weil wir nicht länger hinnehmen können, dass – Kollege Appé hat das wunderschön ausgeführt – Operationen weiter verschoben werden. Gegipfelt hat das Ganze jetzt im Beispiel des vierjährigen Mädchens, dessen lebensnotwendige Herzoperation verschoben werden musste. (Bundesrat Ofner: Weil ihr dort säumig seid seit Jahrzehnten! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diesem Mädchen nehmen Sie die Freiheit, und ich frage Sie eines: Schämen Sie sich nicht?!

Kollege Steiner ist heraußen gestanden und hat gefragt: Herr Schallenberg, was sagen Sie dieser Dame, was sagen Sie diesem Herrn? (Ruf bei der FPÖ: 35 Jahre, was habt ihr gemacht?) – Ich frage jetzt: Herr Steiner, was sagen Sie den Eltern des vierjährigen Mädchens, dessen OP verschoben werden musste (Bundesrat Spanring: Dass ihr das Gesundheitssystem ...!), weil unsere Intensivstationen überfüllt sind aufgrund der Tat­sache, dass Sie nach wie vor gegen die Impfung wettern? (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Ofner: Ihr habt es hingemacht!) Sie schlagen dieser Familie mitten ins Gesicht, Sie spucken dieser Familie vor die Füße, das ist die Realität!

Da Kollege Steiner beim letzten Mal und Kollege Ofner heute gemeint haben, wir reihen uns als Österreich mit der Impfflicht in eine Riege diktatorischer Länder ein, muss ich


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ganz ehrlich sagen: Da muss ich Sie enttäuschen. Da haben Ihre Redenschreiber nicht gut recherchiert. (Bundesrat Steiner: Weil? – Bundesrätin Steiner-Wieser: Wir haben keine Redenschreiber! – Allgemeine Heiterkeit.) Wenn Sie nämlich die ganze Wahrheit sagen würden, dann wären Sie auch auf das ECDC, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, gestoßen, das ganz klar sagt, dass in Europa ein gutes Dutzend Länder Impfpflichten haben. (Ruf bei der FPÖ: Aber nicht Corona, das hat ja mit dem nichts zu tun!) Kommen wir zu Ihren diktatorischen Ländern: Belgien – Impfpflicht gegen Polio –, Deutschland – Impfpflicht gegen Masern –, Lettland, Italien, Malta, Kroatien, Tschechien – das sind laut Ihnen diktatorischen Länder. Ich muss Sie enttäuschen, da haben Sie leider schlecht recherchiert. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrätinnen der SPÖ. – Bundesrat Ofner: ... Recherchieren wär’ schon gut!)

Damit aber Ihr Blutdruck, werte Kolleginnen und Kollegen, nicht in noch lichtere Höhen steigt, darf ich zum Ende kommen. Ich möchte mit Worten von Klaus Eckel schließen, der unlängst in einer Zeitungskolumne ganz hervorragend geschrieben hat: Ich habe „vor einiger Zeit eine Fähigkeit wieder entdeckt. Vertrauen. Ich vertraue den Dach­deckern, den Brückenbauern, den Flugkapitänen und jetzt den Virologen.“ (Bundesrat Steiner: Und der Regierung!)

Ich fordere Sie auf: Tun Sie das auch! Vertrauen Sie den Expertinnen und Experten, so wie viele Ihrer freiheitlichen Kollegen das tun, und helfen Sie uns, gemeinsam aus dieser Pandemie herauszukommen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrätinnen der SPÖ.)

17.56


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


17.56.39

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler!? – Das weiß ich jetzt gar nicht. Ich habe gerade dem Internet entnommen, dass Sie Ihre Funktion zur Verfügung gestellt haben, aber ich bleibe jetzt einmal bei Bundeskanzler, denn es war noch nicht offiziell; zur Verfügung gestellt heißt noch nicht zurückgetreten. – Frau Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Kornhäusl, dieser Aufforderung, zu den Zahlen zurückzukommen, komme ich gerne nach. Nur sind Ihrer Aufforderung keine Zahlen gefolgt, sondern wilde Polemik und die Vermischung nicht von Äpfeln und Birnen, sondern von Eiern und Hackfleisch, muss man fast sagen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Sie reden da von einer Impfpflicht, mit der wir in guter Gesellschaft sind – ja, das sind Staaten, die Impfpflichten haben, aber gegen gefährliche, unkurierbare, mit Dauerfolgen verbundene schwere Dinge wie Kinderlähmung. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bun­desrat Raggl: 13 Tote heute in Tirol!) – Jetzt warten Sie einmal! Das sind gefährliche Dinge, die in der Vergangenheit Geißel gewesen sind. Kollege Schreuder ist in guter Gesellschaft mit Ihnen, Kollege Kornhäusl, der vergleicht es sogar mit Aids. Das ist eine Krankheit, die in den ersten Jahrzehnten eine fast hundertprozentige Todesrate gehabt hat. Die hat man ja nicht durch eine Impfung besiegt, sondern indem man ein Heilserum entwickelt hat, eine Kombination von Heilstoffen, retrovirale Dinge, die das Ganze be­herrschen, aber keine Impfung.

Wir reden hier von einer Krankheit, die tragische Todesfälle zur Folge hat, keine Frage. Auch die Grippe hat tragische Todesfälle zur Folge, deren Todesrate ist aber verschwin­dend klein. Jetzt kann man natürlich versuchen, durch Einzelfälle, durch Herausnahme von zwei, drei, sieben oder zehn Leuten, die tragisch versterben, und durch Verschweigen,


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in welchem Prozentsatz diese Todesfälle zu den Infizierten stehen, den Eindruck zu erwecken, das ist wie die Pest oder wie HIV, durch die rundherum einer nach dem anderen verstirbt.

Da reiht sich natürlich auch der Herr Bundeskanzler – ich sage jetzt weiterhin Bundes­kanzler, bleiben wir einmal dabei – ein, der, anstatt die sachlich gestellten Fragen sach­lich zu beantworten, gleich einmal zu polemisieren beginnt, und offensichtlich ist es, um Sachargumente zu vermeiden, das Beste, die NS-Keule herauszuholen. Sein Haupt­argument war, dass hier Wiederbetätigung stattfindet und dass man die NS-Diktatur verharmlost. Was sprechen Sie an? – Vermutlich die Rede von Kollegen Spanring. Er hat ja nicht: Impf Heil!, gesagt und die Hand erhoben, sondern er hat einfach gesagt: Was wollen Sie mit der Impfpflicht, wie soll das durchgeführt werden? Wollen Sie da mit einer Impfpolizei mit Armbinden mit gekreuzten Impfzeichen hineingehen, und wollen Sie am Schluss noch Impf Heil rufen? – Das ist ja keine Verharmlosung, das ist doch nichts Nationalsozialistisches! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Raggl: Nein ...!)

Das ist höchstens eine Warnung, dass man sich nicht in dieses Fahrwasser begeben soll, oder eine kabarettistische Einlage, oder wie immer Sie das sehen wollen. Diesen Sager, der vor elf Tagen gefallen ist, heute zu verwenden, um eine Diskussion über die Impfpflicht, über diesen völlig unverhältnismäßigen und einzigartigen Eingriff in unsere Freiheit zu vermeiden und zu vertuschen, was bisher an Fehlentscheidungen getroffen wurde, an – jetzt schaue ich zu Ihnen, Frau Vizepräsidentin, falls Sie mir einen Ord­nungsruf geben wollen – Lügen verbreitet wurde, das muss ich klar sagen (erheitert), und an Unwahrheiten vielleicht - -

18.00.12*****


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich erteile Ihnen dafür einen Ord­nungsruf, Sie wissen es selber auch.

*****


18.00.19

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): In diesem Fall und in einigen anderen Fällen zumindest weiß ich ganz sicher, dass bewusst die Unwahrheit gesagt wurde, und im herkömmlichen deutschen Wortschatz gibt es dafür nur das schöne Wort Lüge.

Das ist auch nicht das Thema. Kollege Barnard, Bernard, Barnard, entschuldige, Kollege Barnard (Bundesrätin Grimling: Bernard!) hat uns ja ausführlich die diversen wech­selnden Wahrheiten - - (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Bernard, willst du es fran­zösisch haben, Bernard, oder darf ich es deutsch aussprechen? (Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Also gut, für die SPÖ bitte Bernard, französisch ausgesprochen. Er hat uns ausführlich die schillernden Facetten der Wahr­heiten, die immer absolut gewesen sind, dargestellt, und in diese schillernden Facetten fallen Sie. (Präsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Kornhäusl, auch Ihnen sind ja Zahlen zugänglich. Es ist nicht notwendig, nur zu polemisieren und von der Poliopflichtimpfung in Dänemark zu reden. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) Sie könnten ja einmal schauen, wie denn diese Impfung in Europa zum Beispiel wirkt! Ich habe mir nämlich die Mühe gemacht – das heißt, keine Mühe, das ist nur ein einfaches Recherchieren auf den Seiten der entsprechenden Länder –, das zu recherchieren. Schauen wir einmal, wer die Impfweltmeister in Europa sind! Da gibt es zum Beispiel Irland, Färöer, Belgien, Andorra und so weiter. Jetzt schauen wir einmal: Welche Länder haben aktuell die höchsten Covid-19-Inzidenzen? – An erster Stelle Andorra – Impfquote 71 Prozent –, dahinter folgen knapp Belgien, Impf­quote 75,3 Prozent, die Färöer-Inseln sind ganz oben, die haben 78 Prozent Impfquote


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und eine Inzidenz von 775, Irland hat 76 Prozent Impfquote, Inzidenz 615 - - (Bundesrat Kornhäusl: Wie viele sind in den Spitälern und auf den Intensivstationen?) – Ich habe Ihnen ein paar Zahlen serviert, Sie können ja selber recherchieren (Bundesrat Kornhäusl: Jaja, okay!), Sie müssen ja nicht mich fragen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich werde jetzt hier keine Vorlesung machen, Sie werden ja hoffentlich wissen, wie es dort aussieht. (Anhaltender Beifall und Heiterkeit bei der FPÖ.)

Man müsste, wenn man als seriöser Arzt, Parlamentarier, eventuell als Bundeskanzler auch – wäre auch keine schlechte Idee – von Zahlen redet, wenigstens versuchen, das den Leuten zu erklären. Man kann es eh nicht erklären, aber man könnte versuchen, zu erklären, warum das so ist, warum die Länder mit Riesenimpfquoten, die sich diesen traumhaften 80 Prozent annähern – bald werden es 100 Prozent sein –, solche Inziden­zen haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Ich habe nachgeschaut: Welches Land hat eigentlich derzeit die geringste Inzidenz? – Das ist natürlich Schweden, aber in der EU knapp dahinter – also knapp dahinter nicht, schon deutlich schlechter – liegt Bulgarien, mit einer sehr geringen Inzidenz von 216 und einer Impfquote von 24 Prozent, die in Europa absolutes Schlusslicht ist. Da kann man natürlich Erklärungsmodelle finden und versuchen, den Leuten ein X für ein U vorzu­machen, oder vielleicht kann man es auch schlüssig erklären, aber das Mindeste, was eine seriöse Politik machen sollte – da schaue ich alle an –, wäre, den Leuten dafür eine Erklärung zu geben und nicht zu sagen: Ihr glaubt uns nicht, ihr folgt uns nicht, ihr seid Rechtsextremisten oder – wie Kollege Schreuder gemeint hat, was weiß ich – Diskrimi­nierer oder unsolidarisch oder schuld an den Opfern – das würde ich mir vorstellen.

Kollege Kornhäusl, man kann ja auch weiterschauen. Nehmen wir an, Europa ist eine irre Welt, und alle Daten, die wir haben, sind falsch, die Isländer geben falsche Zahlen an, die Färöer-Inseln, Andorra, alles falsch! Gehen wir einmal in die USA, da gibt es ja mehr als 50 Bundesstaaten mit eigenen Gesundheitsministerien, das ist dort eine föderale Sache in der Kompetenz der Bundesstaaten, und da gibt es zumindest seit Ostern dieses Jahres eine völlig andere Entwicklung: Manche Bundesstaaten sind brav auf ÖVP-Grün-SPÖ-Linie, das sind die Biden-Bundesstaaten, die machen Lockdowns, die machen Impfpflicht, die haben Maskenpflicht und so weiter. Und dann gibt es andere Bundesstaaten, die seit Ostern völlig ausgeschert sind, manche, wie Florida, haben sogar Gesetze verabschiedet – Florida ist nicht alleine –, die es verbieten, Masken zu tragen, Impfpässe zu verlangen und dergleichen.

Schauen wir uns einmal an, wie es dort aussieht! Schauen wir uns die Staaten mit einer guten Impfquote an: Zuerst New Hampshire im Norden, fest demokratisch, liberal, Maske, Lockdown, alles da, 65,8 Prozent Impfquote und eine Inzidenz von 482. Impfmeister der USA ist Massachusetts mit einer Impfquote von 71 Prozent und einer Inzidenz von 289; ähnlich ist es in New York, die beiden haben gleiche Zahlen.

Schauen wir einmal in die Staaten, die die schlechteste Impfquote haben, die keine Lockdowns haben, keine Maskenpflicht, teilweise sogar Gesetze gegen das Verlangen von Impfpässen oder das Anordnen des Tragens von Masken selbst im betrieblichen Bereich. Da gibt es die Staaten, die noch in der ersten und zweiten Welle ganz, ganz hohe Zahlen und viele Tote gehabt haben, die jetzt auf einmal fast keine mehr haben: Alabama hat eine Inzidenz von 44, Mississippi von 56, beide haben Impfquoten von 46 Prozent – die geringsten in den ganzen USA –, und auch das kann man vielleicht mit irgendwelchen waghalsigen Theorien erklären, auch dafür kann man vielleicht eine Erklärung finden. Die Gesundheitsministerien dieser Staaten finden auch eine Erklärung, und diese Erklärung ist jeweils gleichlautend: dass man mittlerweile mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Maskentragen keinen


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Einfluss auf die Verbreitung und die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus haben – Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Da kann man natürlich sagen: Das sind lauter Trotteln, wir haben unsere ausgesuchten Quellen, und nur denen folgen wir, und wer diesen Quellen nicht folgt, sondern sich andere Quellen anhört, der ist ein Verschwörungstheoretiker, unsolidarisch und so weiter, bis hin zum Nazi. – Das kann man machen, das ist aber keine seriöse Politik, und dann dürfen Sie sich nicht darüber wundern, dass tatsächlich krause Verschwörungs­theorien im Internet entstehen. Die entstehen aber nicht, weil die Leute kraus sind, sondern weil sie in einer grausamen krausen Weise an der Nase herumgeführt und nicht informiert werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin aber Optimist und gehe davon aus, dass Leute, die ja dazu berufen sind, wie der Facharzt Kollege Dr. Kornhäusl, sich diese Zahlen jetzt anschauen und den Leuten in den nächsten Tagen eine genaue Erklärung geben werden, warum das so ist – der Bun­deskanzler wird es nicht mehr tun, der hat schon sein Amt zur Verfügung gestellt (Bun­desrätin Grimling: Jetzt wissen wir es schon! Wir können auch lesen! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner), also an ihn appelliere ich daher auch nicht – aber es sind noch andere Staatssekretäre und Minister anwesend, die könnten sich vielleicht auch mit dieser Frage beschäftigen.

Für den Rest der Debatte mein Appell an alle: Bitte tun Sie das, was Kollege Kornhäusl verlangt hat, gehen wir zu den Fakten, gehen wir zu den Zahlen über, und informieren wir die Leute auf dieser Basis (Bundesrat Kornhäusl: Sie glauben es ja nicht!), statt herumzupolemisieren und die anderen der Polemik zu beschuldigen! (Ruf bei der SPÖ: So wie Sie das machen!) – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

18.07


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.


18.08.05

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Bundeskanzler a. D. in spe! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang“ auf das Rednerpult.) Vor einer Woche durfte ich ebenfalls hier bei einer Dringlichen Anfrage sprechen, der eine oder andere wird sich vielleicht noch an meine Rede erinnern. Ich habe von Tätern und Mittätern gesprochen, von der Regierung, den Medien, der SPÖ und von Alexander Van der Bellen.

Eine Woche später ist die Situation sogar noch schlimmer, und vieles, was ich in meiner Rede angesprochen habe, wurde binnen weniger Tage bestätigt. Die Medien spielen weiter ihr schmutziges Spiel: Gleich in der Früh nach dem Aufstehen, wenn man den Radio aufdreht: Coronagehirnwäsche; dann schlägt man die Zeitung auf: Coronagehirn­wäsche; und am Abend, wenn man den Fernseher aufdreht: Coronagehirnwäsche. Wie genau funktioniert diese Gehirnwäsche? – Ganz einfach: Es wird ausschließlich einseitig berichtet, nämlich genau das, was diese Regierung vorgibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Inzwischen bin ich ja schon davon überzeugt: Der beste Schutz vor Corona ist, die ganzen Mainstreammedien zu meiden. Wie tief und auch primitiv die Medien inzwischen geworden sind, sieht man an der Berichterstattung – das haben wir heute schon einmal gehört –, in der allen Ernstes behauptet wird, Herbert Kickl sei quasi persönlich für Ansteckungen in Kärnten verantwortlich, persönlich verantwortlich für schwere Verläufe. Er wird medial sogar für den Tod von Menschen verantwortlich gemacht.

Diese Zeitungen berufen sich dabei auf die Aussage der Gesundheitslandesrätin von Kärnten, einer Sozialistin, die ganz bewusst fälschlich behauptet hat, dass sich bei der


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Freiheitstour der FPÖ in Kärnten nachweislich viele Menschen infiziert hätten. Dumm gelaufen ist bei der Geschichte nur, dass der Verantwortliche für das Contacttracing, der Bezirkshauptmann vor Ort, nun erklärt hat, dass ihm keine Infektionsfälle rund um die Veranstaltung bekannt seien und dass außerdem bei der Veranstaltung die 3G-Regel eingehalten und von einer Securityfirma kontrolliert wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt, liebe SPÖ, haben wir eine rote Landesrätin, eine Mittäterin der Coronapandemie, die sich für solche schäbigen und parteipolitischen Behauptungen in Grund und Boden schämen kann. (Bundesrat Ofner: Die soll endlich zurücktreten, bitte schön!) Wir haben aber auch hier wieder einen Haupttäter, nämlich die Medien, die entweder dem journalis­tischen Ethos einer ordentlichen Recherche nicht nachkommen (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann) und solche Beschuldigungen und Behauptungen von Politikern ungeprüft übernommen oder – auch das halte ich in der Zwischenzeit leider für möglich – ganz bewusst Falschmeldungen, quasi Fakenews, in die Welt gesetzt haben. Wenn das so ist, dann darf man natürlich ganz offen von einer Auftragstat sprechen, und dann darf man diese Medien auch Lügenpresse nennen, und wenn nicht, dann sollen sich diese Medien künftig gefälligst besser der Recherche bedienen und dann auch objektiv berich­ten. (Beifall bei der FPÖ.)

Diesen Artikel habe ich auch mit einem Arzt besprochen. Dieser hat mir gesagt, dass es bei so einer Virusinfektion wie bei Corona völlig unmöglich ist, nachzuweisen, wer sich wann wo bei wem ansteckt. Genau deshalb ist so eine Berichterstattung ganz besonders niederträchtig. (Ruf bei der SPÖ: Genau, wir hauen das Contacttracing jetzt über Bord!)

Meine Damen und Herren, wer eine Zeitung liest, der weiß, was in der Welt passiert – falsch. Wer eine Zeitung liest, der weiß, was in der Zeitung steht. (Bundesrätin Mattersberger: ... Face­book!) Woran erkennt man noch, dass viele Medien in dieser Pandemie, aber auch sonst den Regierenden, quasi den Geldgebern, dienlich berichten? – Ich gebe Ihnen ein ganz aktuelles Beispiel. Heute ist es schon gefallen, der eine oder andere wird sich noch dunkel daran erinnern können: Da gab es einmal Ibiza, das Bild von Strache, das wochenlang auf und ab gebracht wurde. Selbst Politologe Peter Filzmaier hat im ORF gesagt: Sollten sich die Vorwürfe gegen die ÖVP bestätigen, „dann ist Ibiza im Vergleich“ zur ÖVP-Korruption lediglich eine ganz „kleine Insel im Mittelmeer“. – Wo ist die tägliche Berichterstattung zu Kurz, Schmid und Co? (Beifall bei der FPÖ.)

Alles wird schön brav totgeschwiegen, nur um der ÖVP, den Geldgebern, möglichst we­nig zu schaden. Wo sind die runden Tische, die sich täglich mit Kurz und Co beschäf­tigen, der nüchtern sogar noch viel Schlimmeres gemacht hat, als der andere in Ibiza betrunken dahinsinniert hat? (Beifall bei der FPÖ.)

Oder, meine Damen und Herren, gehen wir noch einen Schritt weiter: Kann es vielleicht sein, dass die Inseratenaffäre mit der Tageszeitung „Österreich“ nur die Spitze des Eis­bergs war und viele weitere Medien davon profitiert haben? Wo ist die Berichterstattung zum Bild von Rainer Nowak, Kurz und Ho in der Pratersauna samt Verzehnfachung der Presseförderung der größten Medien in Österreich? Wo ist sie? Aber klar: Eine Krähe pickt der anderen kein Auge aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt ist Kurz weg. Heute hat er seinen Rückzug aus der Politik bekannt gegeben – ganz sicher unfreiwillig, das kann ich Ihnen sagen, und erzwungen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass Herr Sebastian Kurz im Reich der ÖVP sehr weich landen und dort aufgefangen werden wird. Genauso wenig glaubwürdig wie viele Aussagen der ÖVP in letzter Zeit – aber wahrscheinlich auch davor – ist die Erklärung von Sebastian Kurz: „Die Geburt seines Sohnes hat letztendlich den Ausschlag gegeben“, wie Kurz der „Krone“ erklärte, „als er sein Kind sah, ‚hat es klick gemacht‘“. – Das ist jetzt natürlich eine Steilvorlage für mich, denn, ich meine, wenn Herr Sebastian Kurz tatsächlich schuldig sein sollte und wenn der österreichische Rechtsstaat funktioniert, dann wird es


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wirklich klick machen, und zwar dann, wenn die Exekutive ihn mit Handschellen abholt; dann wird es klick machen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Hübner.)

Zurück zu den Medien: Da gibt es jene Journalisten, die im Sinne dieser schwarz-grünen Regierung die Spaltung der Bevölkerung vorantreiben. Zufällig ist da auch ein ganz begeisterter und fanatischer Anhänger von Sebastian Kurz, wie Sie wissen, wenn Sie einige seiner Kolumnen gelesen haben. Ich rede hier von der „Post“ von Michael Jeannée aus der „Kronen Zeitung“. (Der Redner hält ein Blatt Papier mit einer Kopie der ge­nannten Kolumne in die Höhe. – Bundesrätin Schumann: Der Strache hat noch gesagt, er will sich die „Kronen Zeitung“ kaufen, jetzt passt ...!) Er schreibt: „Impfgegner, Kickl-Gläubige, Demo-Deppen vor Krankenhäusern, Wurmsalz-Konsumenten, Corona-Leug­ner, Covid-Chaoten, Verschwörungs-Idioten.“ – Dann folgt wieder eine Zeit lang sein übliches Gefasel, dem man eh nicht wirklich folgen kann, denn ich glaube, als er das geschrieben hat, war er in einem gewissen Zustand. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundes­rätin Schumann: Ihr wart ja so begeistert von ihm!) – Aber eben die zuvor mit Schimpf­wörtern Genannten würden dann „ungeimpft umher“ rennen, „dämlich“ und „gefährlich“. (Bundesrätin Schumann: Strache wollte die „Krone“ kaufen!) Zum Schluss steht dann Folgendes: Weiters fordert Jeannée „knallhartes Vorführen zur Impfung. So wie ein zu einer Gefängnisstrafe Verurteilter mit Gewalt zum Antreten seiner Strafe gezwungen wird, wenn er sie nicht freiwillig antritt.“ – Ganz zum Abschluss schreibt Herr Jeannée: „Ich weiß natürlich, dass das nicht geht. Aber gesagt wollte ich es haben. Weil meiner Meinung nach eine Impfpflicht ohne Zwang für den berüchtigten Corona-Hugo ist.“

Also dieser Michael Jeannée, der Sebastian Kurz immer wieder hat hochleben lassen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling: ... Strache hochleben lassen!), vergleicht als Auftragsschreiber dieser Regierung Menschen, die sich, warum auch immer, nicht impfen lassen wollen, mit verurteilten Verbrechern, die er mit Gewalt zur Impfung vorführen lassen will, weil eine Impfpflicht ohne Zwang für den Hugo ist. (Bundesrätin Schumann: Strache war so begeistert von der Kronen Zeitung!) Sie, die Obermoralisten hier herinnen, überheben sich und regen sich furchtbar auf, weil ich vorige Woche erzählt habe, wie es vielleicht sein könnte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da haben wir es schon in der „Kronen Zeitung“, vom Auftragstäter Jeannée vorbereitet. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich höre von der SPÖ besonders Ihr lautes Schweigen. Ich höre es, aber es ist leider sehr heuchlerisch. (Bundesrätin Schumann: Was?! Da haben wir jetzt den Zusammenhang nicht gut zusammengebracht, oder?!) Passend dazu habe ich auch ganz aktuell für Sie ein Foto von einer Auslagenscheibe in Gelsenkirchen. (Rufe bei der SPÖ: Aha! In Gelsenkirchen!) Auf dieser Auslage steht: „Ungeimpfte uner­wünscht!“. (Der Redner hält ein Bild der genannten Auslagenscheibe in die Höhe.) – Das können Sie auch googeln, das findet man, es ist zwei Tage alt. (Ruf bei der SPÖ: Ich fahre nicht einmal auf Urlaub nach Gelsenkirchen! – Bundesrat Schreuder: Du warst noch nie in Gelsenkirchen? Da hast du was versäumt! – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Ich kommentiere dieses Bild bewusst nicht, jeder kann sich jetzt selber seinen Reim darauf machen, in welche Richtung sich alles wieder entwickelt. (Beifall bei der FPÖ.)

In Vorarlberg, am Feldkircher Dom, sprüht ein Unbekannter mit einem Spray hinauf: Unge­impft ins Gas. – In Deutschland hat sich erst vor Kurzem ein ähnlicher Vorfall ereignet, da war es ein Unbekannter, der auf eine Mauer geschrieben hat: Ungeimpfte ins Gas. – Wissen Sie, was diese beiden Vorfälle gemeinsam haben? (Bundesrätin Schumann: Dass sie nicht aus Gelsenkirchen sind?) – Beide werden medial totgeschwiegen. Jetzt stellen Sie sich die mediale Berichterstattung vor, wenn das umgekehrt wäre, wenn das mit einem Geimpften stehen würde. (Beifall bei der FPÖ. – Die Bundesrätinnen Schumann und Grimling: In Gelsenkirchen! In Gelsenkirchen!)


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Sie wissen auch aus der Berichterstattung, was jetzt ganz aktuell mit Lehrern in Wien passiert ist, die allen Ernstes glauben, sie können Kinder fertigmachen. In Wien-Brigittenau fragt ein Lehrer ein Mädchen vor der gesamten Klasse: „War’s schön, neben den Neonazis zu marschieren?“, weil das Mädchen mit seiner Mutter bei der großen Coronademo dabei war. In der Leopoldstadt brüllt eine Lehrerin in der Klasse – ich zitiere das nur –: „Und die Arschlöcher, die da demonstrieren gehen, sollen sich anstecken und sollen sterben gehen.“ – Also reden Sie nicht von einer Spaltung der Gesellschaft! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da muss ich Herrn Minister Faßmann anschauen, Gott sei Dank ist er jetzt schon da: Während anderswo Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte und andere ihre Jobs verlieren, nur weil sie der Coronapolitik dieser Regierung kritisch gegenüberstehen, heißt es, man wird ein ernsthaftes Gespräch mit der Lehrerin führen. Weit haben wir es gebracht! Wenn nichts mehr geht – da schaue ich auf Kollegen Kornhäusl –, dann kommt immer das Totschlagargument der Regierung. Das ist derzeit: die Wissenschaft, nämlich jene Wissenschaft, die dieser Regierung in der Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Po­litik dienlich ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kornhäusl. – Bun­desrätin Schumann: Eure eigenen Parteifreunde in alle Richtungen! ...)

Es gibt laut den Regierenden und deren Beiwagerl – da schaue ich zur SPÖ – nur diese eine Wissenschaft. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Alle anderen sind doof, selbst die besten Virologen, Ärzte und sonstigen Experten, die vor Kurzem noch ange­sehen waren. Die sind jetzt auch doof, und sämtliches Fachwissen wird ihnen abge­sprochen. Die sind jetzt alle, so wie wir Freiheitliche, unwissenschaftlich. Diese Ärzte, Fachärzte, Virologen und Wissenschaftler sind plötzlich genauso dumm wie jener Pöbel, der sich jetzt auf der Straße zu den Demos formiert, quasi all jene, die nicht bei der Licht-ins-Dunkel-Gala im Lockdown feiern durften – denn nur jene, die dort gefeiert haben, wissen, was die Wissenschaft ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie ehrlich sind – da schaue ich jetzt auf Sie, Kollege Kornhäusl – und genau darüber nachdenken, dann müssten Sie erkennen, dass genau dieses Verhalten wissen­schaftsfeindlich ist. Genau diese Ausgrenzung ist wissenschaftsfeindlich, denn die Wissenschaft, meine Damen und Herren, ist immer der aktuelle Stand des Irrtums. Wenn es nicht so wäre, dann wäre Frauen niemals Contergan verschrieben worden. (Bundes­rätin Schumann: Na geh! – Bundesrat Schreuder: Diese Vergleiche! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Fast fünf Jahre lang wurde Schwangeren Contergan verschrie­ben. Auf der anderen Seite hat man Penicillin rein zufällig entdeckt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wer die Wissenschaft völlig unkritisch zur Rechtfertigung dieser politischen Entschei­dungen heranzieht, wie es jetzt passiert, der hat die Wissenschaft nicht verstanden (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Aber Sie haben sie verstanden!), denn wissen­schaftlicher Fortschritt bedeutet, dass man Erkenntnisse infrage stellen kann, sonst wird sich nie etwas ändern und sich auch nichts verbessern. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sehen es leider nicht, meine Damen und Herren. Während ich hier draußen rede, gähnen die von der SPÖ ganz offen und zeigen damit, was sie davon halten. Auch das ist sehr wissenschaftlich. – Wenn Sie müde sind, können Sie ja auch schlafen gehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was wir wissen, meine Damen und Herren, ist, dass es bei dieser Impfung weltweit inzwischen bereits mehr gemeldete Nebenwirkungsfälle gibt als jemals zuvor bei allen anderen Impfungen, nur darf man das offenbar nicht thematisieren. Gleichzeitig werden immer wieder Nebenwirkungen heruntergespielt: Schlaganfälle zwei Tage nach der Imp­fung? – Nein, das hat jetzt sicher nichts mit der Impfung zu tun. (Zwischenruf des Bun­desrates Schreuder.) Per Ferndiagnose im Fernsehen erklärt ein Regierungsvirologe


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einer Frau, dass sie sich bedenkenlos weiterimpfen lassen kann, ebenso ihr Sohn, der wie sie nach der Impfung einen Schlaganfall hatte. – Das ist Ihre Wissenschaft. Das ist Scharlatanerie, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihre Wissenschaft hat uns gesagt, dass Astra Zeneca ein guter und sicherer Impfstoff ist. Jetzt wird er nicht einmal mehr verwendet. War dieser Impfstoff vielleicht doch der aktuelle Stand des Irrtums?

Ihre Wissenschaft hat uns gesagt, dass Moderna der Porsche unter den Impfstoffen ist. Jetzt darf er bei unter 30-Jährigen nicht mehr verwendet werden. Es kommt zu einer erhöhten Anzahl von Herzmuskelentzündungen, die oftmals leider auch tödlich enden können. Also ist der Porsche unter den Impfstoffen vielleicht doch nicht mehr als nur der aktuelle Stand des Irrtums gewesen.

Wenn wir schon bei der Schuldfrage sind: Wer von Ihnen, meine Damen und Herren, übernimmt die Verantwortung, wenn irgendjemand, der sich nicht impfen lassen will, von Ihnen dazu gezwungen wird und dann eine Nebenwirkung erleidet, egal in welcher Schwere? Wer von Ihnen übernimmt die Verantwortung? Das wäre wirklich spannend. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Wie lange das noch geht!)

Ich zum Beispiel bin so jemand. Ich weiß, ich bin genesen. Laut Studien, die in Ihrer Wissenschaft wahrscheinlich wieder nicht zählen, ist man mit einer natürlichen Immunität 13-mal besser geschützt als mit der Impfung.

Nun frage ich Sie: Warum gibt es keine flächendeckenden Antikörpererhebungen, wie dies von uns schon lange und immer wieder eingefordert wurde? (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Dann würde man wissen, wer mit maximaler Wahrscheinlichkeit vor einer Infektion geschützt ist. Warum nicht? – Eine mögliche Antwort wäre: weil Sie vielleicht immer schon gewusst haben, dass die Impfungen nicht halten, was Sie uns von Anfang an versprochen haben. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) Vielleicht hätte dann der eine oder andere Österreicher erkennen müssen, dass die Impfung nur in geringem Ausmaß oder nur sehr kurz schützt, da er gar keine oder nur wenige Anti­körper aufgebaut hat. Das würde dann wieder dazu passen, dass Sie für 7,9 Millionen impfbare Österreicher 42 Millionen Impfdosen gekauft haben. (Beifall bei der FPÖ.) Ich muss nicht in Mathematik maturiert haben, damit ich mir ausrechnen kann: 8 Millionen mal zwei sind 16 und nicht 42 Millionen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, auch das haben wir immer gesagt: Jeder, der sich impfen lassen will, soll die Mög­lichkeit dazu bekommen, wirklich jeder. (Bundesrätin Schumann: Bravo!) Eine Impf­pflicht aber, wie Sie sie jetzt planen, meine Damen und Herren, ist ein Verbrechen. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Ich selbst war Anfang September Corona-positiv. (Bundesrätin Schumann: Wer? –Weiterer Ruf bei der SPÖ: Wer?) – Ich! Bei mir war es so: Ich wurde von der Hotline angerufen, und man hat mich gefragt: Wie geht es Ihnen? – Ich habe gesagt: Ich habe ein bisschen Fieber! – Es ist mir nicht so schlecht gegangen. – Okay, wenn es Ihnen schlechter geht, dann gehen Sie ins Krankenhaus oder melden Sie sich wieder! – Es gab aber keine Information darüber, wie schlecht. Wann muss ich ins Krankenhaus gehen? Worauf muss ich achten? Die Dame war sehr nett – das muss ich gleich dazu­sagen –, aber sie durfte mir keine Auskunft geben.

Jetzt frage ich Sie: Warum wird das so gemacht? Warum wird gewartet, bis es den Leuten schlechter geht? Wissen Sie, was ich gemacht habe? Ich habe den mit mir be­freundeten Arzt, den ich zuvor zitiert habe, angerufen. Er hat mir gesagt, was ich machen soll. Ich habe mir einige Medikamente geholt, die ich jetzt hier nicht nennen werde, da es sonst wieder eine Aufregung gibt. (Bundesrätin Schumann: Schade! Schade! Na


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geh! Welche Medikamente? – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Ivermectin! – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Bei mir hat es sehr gut funktioniert. Wissen Sie, was ich noch gemacht habe? – Ich habe versucht, die Virenlast im Mund- und Rachenraum relativ niedrig zu halten. Auch das hat sehr gut funktioniert.

Es gäbe so viel zu sagen, aber leider reichen die 20 Minuten wieder nicht aus. Bevor mir der Herr Präsident wieder das Mikrofon abdreht, fasse ich zusammen: Wer sich impfen lassen will, soll das tun. Es ist eine freie Entscheidung. Den Impfzwang aber zuerst ganz feig und verlogen – das muss man auch einmal so sagen – durch die Hintertür und jetzt doch ganz offiziell einzuführen, wie es seit Monaten passiert, lehnen wir ab.

Ich bin kein typischer Demonstrant. Das Demonstrieren liegt mir eigentlich nicht. Am Wochenende ist schlechtes Wetter angesagt, was mir auch nicht taugt. Dennoch sage ich Ihnen eines: Ich werde trotzdem jetzt am Samstag, den 4.11., und auch am 11.11. bei der Demo in Wien dabei sein, friedlich für die Freiheit. (Rufe: 4.11., das ist vorbei! 4.11. ...!) Auch dazwischen werde ich vielleicht bei der einen oder anderen Demo dabei sein. (Ruf: In Niederösterreich ...!)

Wissen Sie warum? – Weil es notwendig ist, denn wenn Recht zu Unrecht wird, dann wird Widerstand zur Pflicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Nein, in Ihrem Bundesland! Nicht bei uns in der Bundeshauptstadt! Nicht bei uns, in deinem Bun­desland ...!)

18.27

18.27.29*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Kollege Spanring, für Ihre Ausführung, Ihre „Impfpflicht [...] ist ein Verbrechen“, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Bundesrat Spanring: Ich bin schon froh ...!)

*****

Nächster Redner: Herr Kollege Himmer. – Bitte.


18.27.56

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen, die Sie trotz des Vorredners nicht abgedreht haben! (Bundesrat Hübner: Die Gefahr war nicht so groß! – Bundesrat Steiner: Das mit dem Abdrehen war jetzt gefährlich!) Ich möchte hier wirklich nur ganz kurz auf ein paar Punkte Bezug nehmen.

Die Medien sind angesprochen worden. Dazu will ich nur sagen: Man kann viel über die Medien sagen. Ich glaube, jeder von uns Politikern hat sich schon Unterschiedliches gedacht. Wenn Sie aber denken, dass die Medien in den letzten Tagen und Wochen von der ÖVP bezahlt gewesen wären und nur unsere Standpunkte oder die der Regierung dargebracht hätten, weiß ich wirklich nicht, welche Medien Sie da konsumieren.

Wüssten Sie, Herr Kollege Spanring, was man machen würde, würden Sie hier als Bei­spiel bringen, was Ihnen durch den Kopf geht, wenn Sie mit Ihrem Kind sprechen oder wenn Sie Ihr Kind sehen? – Was immer Sie sagen würden, man würde es Ihnen einfach glauben. Wenn jemand von seinem Kind spricht, glaubt man ihm, was er sich dazu denkt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich finde es eine Unverfrorenheit, sich darüber Gedanken zu machen, was sich ein Mensch denkt oder vielleicht gerade nicht gedacht haben könnte, wenn er seinem Sohn


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zum ersten Mal in die Augen schaut. Ich will gar nicht weiter darüber nachdenken. Das ist einfach furchtbar.

Nächster kurzer Punkt: Ich habe hier in diesem Raum oft das Wort Covidioten gehört. Ich würde dieses Wort aber nicht kennen, wenn es nicht Kollegen Spanring gäbe. (Bundesrat Spanring: Ach so?! Geh bitte!) Ich habe das noch nie von irgendeinem hier im Plenum gehört – weder von einem Kollegen im Bundesrat noch von einem Regie­rungsmitglied habe ich das Wort Covidioten gehört –, aber wenn Kollege Spanring spricht, höre ich immer das Wort Covidioten. (Bundesrat Ofner: Weil er immer noch Zeitung liest!) Da wünscht er sich also offensichtlich irgendetwas.

Ein Punkt, den ich auch unpassend finde, ist, wenn Redner der Freiheitlichen Partei im Laufe des Tages heute hier herausgehen und sagen, wie Kollege Spanring mit einem NS-Vergleich missverstanden worden ist. Dann höre ich aber, dass er eigentlich irgendwo in Medien oder in irgendwelchen Social Media, die ich nicht konsumiere, bekannt gibt, dass er an dem festhalten wird. Dann geht er hier ans Rednerpult heraus und versucht immer wieder, mit Bildern und mit Beispielen Vergleiche – von welcher Richtung auch immer und mit welchen Aussagen auch immer – mit der NS-Zeit herzustellen. Er kann es nicht lassen. (Bundesrat Spanring: Das sind ja nicht Bilder von mir! – Bundesrat Hübner: ... nicht einmal was Neues bringen? ... 2021 ...!)

Abschließend glaube ich, alle von uns wissen: In so einer Krisensituation – es ist hier schon oft gesagt worden – zählt nur das Gemeinsame. (Zwischenruf der Bundes­rätin Schumann: Ja genau, genau! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Das glaubt jetzt nicht einmal die SPÖ!) Deswegen ist eben auch eine 70-prozentige Impfrate noch nicht genug, und es reicht eben nicht, dass einige wenige mitmachen. Es reicht auch nicht, dass die Mehrheit mitmacht, es braucht halt eine Stra­tegie. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da sieht man, dass Sie, trotz aller regelmäßigen Beleidigungen von der Sozialdemo­kratie – auch jetzt wieder, während ich rede –, einiges, auch Wesentliches davon mit­tra­gen. Eine andere Partei, die Freiheitliche Partei, trägt es nicht mit. (Bundesrätin Schumann: Herr Bundesrat, wir brauchen keine ...! Wirklich nicht, das können wir uns sparen! – Bundesrat Ofner: Brauchst nur nach rechts schauen!) Alle Menschen, die sich in Öster­reich das anschauen und sich ungefähr ausrechnen können, warum wir in der Bekämp­fung dieser Pandemie nicht weiter sind als dort, wo wir sind, haben sich auch in dieser Debatte ein gutes Bild davon machen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rätInnen der Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

18.32


Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Kollege Leinfellner. – Bitte.


18.32.38

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang“ auf das Rednerpult. – Ah-Rufe bei der SPÖ.) Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Herr Bundesrat Himmer, es wundert Sie, dass die Leute bei der Rede des Kollegen Spanring nicht abgedreht haben. Das wundert mich eigentlich nicht, aber was mich in diesem Land schon wundert oder worüber ich eigentlich froh bin, ist, dass diese Bundesregierung noch nicht abgedreht hat, wenn die FPÖ am Rednerpult steht, denn diese Meinung will man ja nicht verbreiten lassen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und ja, Sie haben auch von den Bildern gesprochen, die Kollege Spanring gezeich­net hat. – Da muss ich Sie korrigieren: Gezeichnet hat diese Bilder schon diese


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Bundesregierung; Kollege Spanring hat diese Bilder nur beschrieben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Zum Ausdruck Covidioten: Vielleicht hat diese Bundesregierung diesen Ausdruck nicht verwendet und vielleicht haben Sie es auch nicht gehört, aber die steirische ÖVP-Lan­desrätin Bogner-Strauß hat zumindest den Begriff „Todesengel“ verwendet. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht viel besser, sondern das ist ja noch viel schlimmer. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber, Herr Bundeskanzler, wer hätte sich gedacht, dass Sie einen Ihrer letzten Tage noch hier bei uns im Bundesrat bei einer Dringlichen Anfrage verbringen? Sie haben sich aber diese Dringliche Anfrage auch wirklich verdient, und Sie haben es sich auch ver­dient, dass Sie noch einmal den Kopf für dieses Kollektivversagen an der Spitze dieser Bundesregierung hinhalten dürfen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Herr Bundeskanzler, ja, Sie haben diesen Coronawahnsinn auf eine neue Ebene getrieben, auf eine Ebene frei nach dem Motto: Teile und herrsche! Ich weiß noch nicht, in welcher Funktion man Sie in Zukunft sehen wird, aber in Wahrheit ist es ja auch völlig egal, weil ich sage, diese Bundesregierung ist ja untereinander austauschbar, diese Köpfe sind austauschbar. Es ist ja völlig egal, an welchem Platz Sie sitzen.

Sie spalten, Sie spielen mit der Angst der Bevölkerung, Sie teilen die Bevölkerung in Gruppen, Sie zwangsisolieren unsere Österreicher, Sie verfolgen unsere Österreicher, Sie halten gesunde Österreicher durch diesen 3G-Wahnsinn sogar von ihrer tagtäg­lichen Arbeit ab. Sie regieren und haben dabei nahezu den Parlamentarismus ausge­schaltet, und dann reitet auch noch Verfassungsrichter Mayer für diese Bundesregierung aus und sagt: Man muss Ungeimpfte zwangsisolieren!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, sagen Sie mir jetzt wirk­lich: Sind manche Vergleiche nicht vielleicht doch zulässig und erinnern sie uns, Herr Bundeskanzler, nicht an Zeiten, die niemand mehr haben will? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Der Bundeskanzler ist ja bald nicht mehr im Amt ...! Das ist vorbei!) Gerade jetzt sind diese Vergleiche angebracht, und es ist höchst an der Zeit, dass wir uns an Zeiten erinnern, die heute niemand mehr haben will. Wehret den Anfän­gen!, kann ich nur sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, für all diese Dinge, die ich jetzt hier abgerundet dargestellt habe, kann ich Ihnen nur sagen: Schämen Sie sich! Schämen Sie sich auch für diese kurze Regierungszeit, denn das, was da passiert ist, war nichts anderes als eine Spaltung oder eine weitere Spaltung der Gesellschaft! Schämen Sie sich, Herr Schallenberg! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt aber, Herr Noch-Bundeskanzler, zu Ihrer Anfragebeantwortung: Sie haben gesagt, Sie sehen vor sich Menschen, die diesem Land schaden, und ja, auch ich habe schon festgestellt, dass diese Plexiglasscheibe hier herinnen sehr, sehr stark spiegelt. Wenn ich hier nach vorne schauen und diese Bundesregierung in dieser Spiegelung sehen würde, müsste ich Ihnen recht geben: Diese Bundesregierung hat unserem Land wirklich geschadet. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau diese Schäden werden in unserem Land noch aufgehen wie der sprichwörtliche Germteig: die wirtschaftlichen Schäden, die psychischen Schäden und die gesellschaft­lichen Schäden. Diese Bundesregierung hat Chaos angerichtet, und diese Bundesregie­rung hat irreparable Schäden verursacht. Unsere Gesellschaft ist zerstritten. Freunde haben sich zerstritten, Familien haben sich zerstritten, und ich sage: Dieser Schaden, den


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diese Bundesregierung angerichtet hat, wird weiter bestehen, nämlich auch dann noch, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn diese schlechteste und sadistischste Bundesregierung aller Zeiten zurückgetreten ist. (Beifall bei der FPÖ. – He-Rufe bei der ÖVP.)

Herr Graf Schallenberg, Sie haben aber auch gesagt: Der Zugang für Ungeimpfte zu Spitälern war nie untersagt! – Da muss ich Ihnen leider widersprechen: Er war vielleicht nicht untersagt, aber er war definitiv unmöglich gemacht, und das Endergebnis ist das­selbe. Dieses Testchaos, das Sie angerichtet haben, dass Ungeimpfte nur mit Test ins Spital hineinkommen konnten – mir ist es selbst so gegangen, dass ich bei der Tür wieder umgedreht habe, weil das Testergebnis einfach nicht rechtzeitig da war –, dieses Ergebnis ist nämlich dasselbe. Und ja, Sie haben es vielleicht nicht untersagt, aber Sie haben es in diesem Land verunmöglicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Alles dasselbe! Alles dasselbe!)

Herr Schallenberg, Sie sperren gesunde Menschen vom öffentlichen Leben aus. Sie sperren diese Menschen aber nicht nur vom öffentlichen Leben aus, Sie sperren diese Menschen nahezu ein: Gesunde Österreicher dürfen nicht mehr zum Friseur. Gesunde Österreicher dürfen nicht mehr in ein Geschäft zum Einkaufen, um sich Schuhe oder Gewand zu kaufen. Gesunde Österreicher dürfen nicht mehr ins Gasthaus. Gesunde Österreicher dürfen nicht ins Hotel, und gesunde Österreicher dürfen nicht ihrem Sport nachgehen. (Bundesrätin Schumann: Die Rede ist falsch ...!)

Genau in diesem Bereich, vor allem im Bereich des Nachwuchses, hat diese Bundes­regierung auch schon viel Schaden angerichtet. Ich bin in einigen Vereinen selbst aktiv. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist nicht schön, wenn Kinder mit Tränen in den Augen vor einem stehen und nicht verstehen können, warum diese Bundesregierung unseren gesunden Kindern verbietet, an Wettkämpfen teilzunehmen, warum diese Bundesregie­rung unseren Kindern verbietet, an ihrem Training teilzunehmen. Stattdessen aber ist es dieser Bundesregierung völlig egal, wenn sie 5 Stunden und mehr am Tag vor dem Handy verbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, ich kann einige Dinge nicht verstehen. Die Bundesregierung hat die Pandemie auch schon einmal für beendet erklärt, und beim Bussi-Bussi-Parteitag, der stattgefunden hat, hatte man ja wirklich den Eindruck, dass es so ist.

Herr Bundeskanzler, anders ist es mir aber eigentlich auch nicht gegangen, als ich mir die Licht-ins-Dunkel-Gala angeschaut habe. Während der Pöbel, oder wie auch immer Sie das in Ihren Kreisen nennen, zu Hause vor dem Fernseher saß, hat die Bundes­regierung gemeinsam mit dem Bundespräsidenten und einigen anderen eine Party ge­feiert.

Es sind genau diese Österreichschädlinge, möchte ich fast sagen, die in den letzten 20 Monaten so viel Schaden angerichtet haben. (Rufe bei SPÖ und Grünen: Ordnungs­ruf!) Gegen diese gibt es aber ein Schädlingsbekämpfungsmittel, nämlich unser Volk. Und das Volk sind viele, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Volk steht auf und ist bereit, auf die Straße zu gehen. Die Menschen sind bereit, für ihre Grund- und Freiheitsrechte zu kämpfen und ihre Stimme zu erheben. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Und eines kann ich Ihnen sagen, Herr Bundeskanzler: Ich freue mich auf den Tag, an dem unsere Österreicher frei sind (Bundesrätin Zwazl: Jetzt reicht es aber!) und alle korrupten und verlogenen Politiker hinter Gittern sitzen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Selber Politiker!) Das ist dann jener Tag, an dem unsere Österreicher wieder gemeinsam feiern können und wir wirklich sagen können: Österreich


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ist frei. (Bundesrätin Schumann: Ein riesiger Korruptionsskandal bei der FPÖ in Graz! Das ist doch nicht wahr!)

18.41

18.41.39*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat, ich muss Sie wieder einmal unterbrechen, aber Sie sind ja eh fertig.

Ich erteile Ihnen für die Ausdrücke „sadistische Bundesregierung“ und österreichische Schädlingsbundesregierung einen Ordnungsruf. (Rufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Bundesrates Leinfellner –: Nimm dein Taferl mit! Das Taferl! – Bundesrat Leinfellner: Ja, das brauchen wir ja noch! – Beifall bei der FPÖ.)

*****

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl Bader. – Bitte.


18.42.06

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Ich bin am heutigen Tag tief erschüttert. Wir haben heute eine Sitzungsunter­brechung und eine Präsidiale gehabt, weil hier Worte verwendet werden, die an diesem Ort eigentlich nichts verloren haben. Die Unbelehrbarkeit, was Herabwürdigungen und Beleidigungen von Mitgliedern der Bundesregierung, beginnend beim Bundeskanzler, betrifft, ist inak­zeptabel. Leider muss ich feststellen, dass die Gespräche, von denen der Fraktions­ob­mann in der Präsidiale versprochen hat, sie in seiner Fraktion zu führen, nicht gefruchtet und eigentlich nichts verändert haben.

Ich denke auch, dass teilweise Realitätsverlust und Realitätsverweigerung herrschen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, sind ein Problem in der Pan­demiebekämpfung. Sie kommen immer hier heraus und beschreiben das Beispielland Schweden. Ich kenne die Situation dort auch. Dort gibt es auch eine Partei, die in der Parteienlandschaft sehr weit rechts außen steht. Was es dort aber nicht gibt, ist, dass das Thema der Pandemiebekämpfung politisch derart missbraucht wird wie bei uns in Österreich. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.  Bundesrätin Steiner-Wieser: Dort regieren aber auch die Roten!)

Es geht Ihnen nicht um Österreich, es geht Ihnen nicht um die Menschen, sondern nur um Spaltung. (Beifall bei der ÖVP.) Die Wortwahl insgesamt ist abscheulich, widerlich, und das wollen wir so nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Hübner: Kriegt er dafür gar keinen Ordnungsruf?! Darf man abscheulich und widerlich also sagen oder nicht?!)

18.43


Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht nochmals jemand das Wort? – Bundesrat Steiner, ich erteile Ihnen dieses. (Rufe bei der SPÖ: Na, geh bitte!)


18.44.04

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Schauen Sie, Herr Kollege Bader, Sie sind tief erschüttert, das nehme ich zur Kenntnis. Man versucht wieder, sich moralisch zu erheben. Mir ist bewusst, dass das für euch eine schwierige Situation ist, und ihr zündet


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ein Ablenkungsmanöver. Ich habe ja mitbekommen, wie der Herr Bundeskanzler die Nachricht gekriegt hat, dass er sein Amt zur Verfügung stellen muss. Das hat er selber wahrscheinlich gar nicht gewusst. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die ÖVP ist im Taumel und weiß nicht mehr, was sie machen soll, wie sie damit umgehen soll. So versuchen Sie halt, um sich zu schlagen und mit reinen Ablenkungsmanövern zu spielen. (Ruf bei der ÖVP: Du hast eine reine Fantasie!)

Das ist ein wirklich durchschaubares Spiel. Vielleicht kommt ihr dann wieder zurück, und wenn ihr eure Partei wieder in Ordnung gebracht habt, können wir auch wieder einmal miteinander reden. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Für dich ist die Wortwahl in Ordnung! – Bundesrätin Schumann: Koalieren, na bitte! Kollege Steiner bietet der ÖVP die Koalition an! Bravo!)

18.45

18.45.01


Präsident Dr. Peter Raggl: Gibt es noch weitere Wortmeldungen dazu? Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Fake-News-Rechenschaftsbericht der Bundes­regierung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

18.45.38Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Corona-Chaos in Kindergärten, an Schulen, Fachhochschulen und Universitäten  Herr Minister haben Sie aus zwei Jahren Krise nichts gelernt?“ (3961/J-BR/2021)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner als erster Anfragestellerin zur Be­gründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


18.46.16

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Guten Abend, sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie noch immer via Livestream dabei sind! Ich weiß nicht, wie es Ihnen zu Hause geht, wenn Sie unserer Debatte hier folgen, ich bin fassungslos. Mir fehlen ehrlicherweise gerade ein bisschen die Worte.

Während wir hier sitzen und verschiedene Dinge besprechen, überschlagen sich an­derswo auf der politischen Ebene die Ereignisse. Mitten in dieser Pandemie bröselt uns die Regierung weg. Bei den handelnden Personen wundert es mich ehrlicherweise nicht mehr, dass wir da stehen, wo wir jetzt sind, ich finde aber, dass die Menschen diese Situation nicht verdient haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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Jetzt, da es eigentlich Stabilität, Orientierung, Verantwortung bräuchte, erleben wir, dass ein System aufgrund von Selbstinszenierungen und unsauberen Machenschaften von Regierungsmitgliedern in sich zusammenbricht, und das in Zeiten so einer Krise. Ich bin wirklich fassungslos.

Herr Minister, nach so viel Aufregung hier im Saal – man spürt noch die Energie – möch­ten wir als SPÖ mit unserer Dringlichen Anfrage heute noch einmal das Thema Bildung in den Fokus rücken, weil uns als SozialdemokratInnen die Bildung schlicht und ergrei­fend enorm am Herzen liegt, wir aber in diesem Bereich so viele Baustellen sehen. Mit dieser Debatte über die Bildung wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass mehr weiter­geht, als es bisher der Fall war.

Wir haben uns ja schon heute Morgen gesehen, und ich habe schon am Beginn unserer Sitzung gesagt: Bildung ist nicht nur Schule. Sie ist natürlich auch Schule, aber sie ist nicht nur Schule. Bildung beginnt bei der Elementarbildung, also bei den Bildungs­ange­boten für die unter Sechsjährigen, unsere Jüngsten, Bildung findet aber auch in der schu­lischen Nachmittagsbetreuung und in den Horten statt. Bildung betrifft natürlich auch die vielen Lehrlinge in unserem Land, die wir so dringend brauchen, und findet in den Be­trieben und in den Berufsschulen statt. Nicht zu vergessen sind die Universitäten und die Fachhochschulen, die Situation unserer Studierenden. Zu guter Letzt soll auch die Erwachsenenbildung, generell die außerschulische Bildung, erwähnt werden, die aus meiner Sicht oft sträflich vernachlässigt wird. All diese Bereiche sind uns ein großes Anliegen, und wir wollen Sie, Herr Minister, mit dieser Dringlichen Anfrage damit konfron­tieren.

Der Druck bei den jungen Menschen, egal, in welchem Bildungsbereich sie aktuell sind, egal, welches Alter sie haben, ist enorm groß. Wir haben heute schon mehrfach darüber gesprochen: Beinahe zwei Jahre Pandemie haben Spuren hinterlassen und ebenso die ständig wechselnden Bedingungen im Alltag dieser jungen Menschen, die große Un­sicherheit, die damit immer einhergeht, das immer wieder In-den-Raum-Stellen von Per­spektiven, die dann nicht halten.

All das hinterlässt Spuren. Die psychische Belastung junger Menschen ist wirklich am Anschlag. Wir haben heute schon von den Psychiatrien gesprochen. Sie alle wissen, was ich meine und wovon ich rede.

Die Kinder und die jungen Menschen spüren auch den Druck und die Belastung ihrer Eltern, die wachsende Armut, von der wir wissen, bei der gleichzeitigen massiven Teue­rungswelle, die wir gerade haben. Und gerade jetzt, in dieser Situation erfahren wir, dass 400 000 Kinder weniger vom Familienbonus profitieren als noch im letzten Jahr. Gerade jetzt, bei der wachsenden Armut und bei dieser Teuerung treten solche Dinge zutage. Kinder sind sensibel und merken, wenn ihre Eltern Sorgen haben und wenn die Eltern leiden. Sie nehmen das in sich auf und tragen das mit, und dieser Druck und diese An­spannung wachsen.

Natürlich, Herr Minister, das ist nicht alles Ihre alleinige Verantwortung. Sie können nichts für dieses Virus, aber Sie sind trotzdem Teil dieser Regierung, die es nicht auf die Reihe bekommen hat, diese Pandemie vorausschauend zu bekämpfen, und jetzt offen­sichtlich daran zerbricht.

Noch einmal möchte ich als Wiener Bundesrätin – ich muss sagen, ich bin zurzeit stolz, Wiener Bundesrätin zu sein – die Stadt Wien und die dort agierenden Politiker loben. Die Entscheidungen, die in den letzten Monaten getroffen wurden, waren unpopulär, es gab viel Gegenwind. Ich muss sagen, auch ich habe mich manchmal, zum Beispiel im Sommer, gefragt: Ist es wirklich notwendig, so streng zu sein? Es hat sich aber gelohnt, diese Konsequenz, dieser konsequente Weg haben sich gelohnt. Beispielsweise ist das Wiener Testsystem mittlerweile beispielgebend für viele Bundesländer, und wir sind jetzt


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sogar in der Situation, dass wir anderen Bundesländern, in denen die Situation drama­tisch ist, Ressourcen anbieten können. Das macht mich stolz. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück zur Bildung: Ich hätte mir diese Konsequenz, dieses Vorausschauen, dieses strikte Handeln einfach von jedem einzelnen Regierungsmitglied erwartet. Ich habe es heute in der Früh schon gesagt: Dieses Jein für die Schulen hat alles andere als Ruhe in das System gebracht. Wir haben dieses Verabsäumen, Ergänzungsstrukturen aufzu­bauen und die Digitalisierung voranzutreiben, heute schon thematisiert, aber das sind einfach massive Versäumnisse, die wir anprangern müssen.

Ich möchte jetzt den Fokus aber noch einmal auf die Situation unserer Jüngsten lenken, auf unsere Kindergärten. Es muss auch gesagt werden, dass Türkis und Grün es gerade nicht für wert befinden, dass 1 Milliarde Euro in die Hand genommen wird, um in diesem Bereich wirklich spürbare Verbesserungen einzuleiten.

Zur Erklärung für die ZuseherInnen zu Hause: Die Regierungsparteien haben vorgestern einen entsprechenden Antrag von uns SozialdemokratInnen, einerseits zur Verbesse­rung der Arbeitssituation der KollegInnen, aber natürlich auch zum qualitativen und quantita­tiven Ausbau in diesem Bereich, vertagt, das heißt, es nicht für wert befunden, dass da etwas in die Gänge kommt und dass wir gemeinsam etwas Gutes auf den Weg brin­gen. – So viel zum Thema: gemeinsam die Krise bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die KindergärtnerInnen, die PädagogInnen, die AssistentInnen, die HelferInnen sind aber seit Beginn der Pandemie im Einsatz. Das heißt auch, dass schwangere KollegInnen, die logischerweise freigestellt werden müssen, dass RisikokollegInnen nicht im Dienst sind, dass natürlich auch Quarantänefälle vorkommen, Krankheitsfälle, es gibt Betreu­ungspflichten für ihre eigenen Angehörigen – und das bei einer Personalnot, die schon vor der Pandemie bestand.

Weil ich die Gelegenheit habe, Herr Minister, möchte ich Sie auch auf das Thema Zyto­megalie hinweisen, das spätestens dann, wenn die Pandemie und die Freistellung der Schwangeren wieder vorbei sind, wieder Thema sein wird. Die Zytomegalie ist ein Thema für Pädagoginnen, die mit kleinen Kindern arbeiten, das für die Mütter und das heranwachsende Baby wirklich bedrohlich ist. Ich bitte Sie, sich mit Ihrem Kollegen Kocher und auch der Familienministerin endlich darum zu kümmern, dass es dafür eine Lösung gibt. Das haben sich die schwangeren Frauen mehr als verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wundert mich ehrlicherweise nicht, dass diese KollegInnen in der Elementarbildung ihrem Ärger, ihrem Frust, der sich jetzt über Monate aufgestaut hat, auch auf der Straße Luft gemacht haben. Ich bin froh, dass sie es auf der Straße machen und nicht in den Gruppen bei den Kindern, diese KollegInnen – das weiß ich – lieben ihren Job, denn sonst würden sie ihn nicht machen und nicht dort stehen. Sie merken aber, dass sie die Qualität, die sie gerne anbieten würden, nicht anbieten können, weil die Rahmen­bedin­gungen nicht passen – und das muss dringend geändert werden!

Alle Studien, alle Sozialpartner, alle BildungsexpertInnen sind sich einig, dass sich ganz unabhängig von dieser Pandemie jede Investition in die elementare Bildung unserer Kinder mehrfach lohnt – um ein Achtfaches lohnt, laut aktueller Berechnung. Die Regie­rungs­fraktionen lehnen so etwas aber ab. Mir ist das unbegreiflich. (Bundesrätin Schumann: Mir auch!) Ich kann das nicht nachvollziehen.

Noch einmal kurz zu den Schulen: Die LehrerInnen befürworten mehrheitlich das Offen­halten der Schulen, und auch das zeugt von ihrem hohen Verantwortungsbewusstsein. Das ist lobenswert. Auch dort gibt es Personalmangel. Mir hat gerade noch eine Kollegin, eine liebe Freundin, die Pädagogin ist, geschrieben: Vergesst nicht, zu erwähnen, dass die schwangeren Pädagoginnen, die jetzt freigestellt werden, in den Schulen nicht ersetzt


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werden! Das bestehende Personal, das unter Druck ist, muss auch das Fehlen dieser schwangeren Pädagoginnen, die zum Glück freigestellt werden, ausgleichen. Der Druck wird also immer mehr und die Spirale beschleunigt sich.

Die SchülerInnen wiederum wünschen sich mehrheitlich eine klare Entscheidung. Ich habe es schon mehrfach erwähnt: Ich leite eine Kindergruppe. Jeden Mittwochnach­mittag treffe ich mich mit diesen Kindern, gestern natürlich online, wir können uns nicht real treffen. Ich habe ihnen erzählt: Morgen treffe ich Bildungsminister Faßmann. Was wäre eure Botschaft? Was soll ich ihm sagen? Sie haben ein bisschen diskutiert, aber sie haben im Wesentlichen gemeint: Wir wollen kein Entweder-oder. Wir wollen wissen, wie wir es am besten machen und wie wir es richtig machen. Das zeigt diese Unsicher­heit, dass sie Orientierung brauchen und dass man ihnen in dieser Krisensituation Klar­heit geben sollte.

Ich frage mich, Herr Minister – und das ist eine unserer vielen Fragen –, inwiefern und inwieweit diese Personengruppen, die SchülerInnen, die Lehrenden, die Eltern in diese weitreichenden Entscheidungen im Bildungsbereich eingebunden werden. Ich habe das Gefühl, das passiert auf der Ebene Ihres Ministeriums nicht wirklich, denn alle meine PädagogInnenkollegInnen haben mir gesagt, auch sie haben am Freitagnachmittag davon erfahren, dass am Montag sozusagen diese neue Situation eintreten wird. Das spricht nicht dafür, dass viele Stakeholder und die entsprechenden Gruppen eingebun­den waren.

Vielleicht erinnern Sie sich, Herr Minister, ich habe vor ungefähr einem Jahr hier auch darauf hingewiesen, dass einige SchülerInnen im Laufe dieser Pandemie quasi von der Bildfläche verschwunden sind. Das bedeutet, es gibt oft keinen Kontakt mehr zwischen den Schulen und den Kindern und Jugendlichen, und das macht uns enorme Sorgen. Was ist mit diesen jungen Menschen, von denen wir jetzt nichts mehr wissen, die keine professionellen Bezugspersonen mehr haben? Wie geht es ihnen? Schon damals hätte ich mir gewünscht – und ich warte immer noch darauf –, dass möglicherweise gemein­sam mit der Kinder- und Jugendhilfe auch aufsuchende Angebote entwickelt werden. Wer fragt bei diesen jungen Menschen nach? Wer fragt bei diesen Familien nach: Wie geht es euch? Was könnten die nächsten Schritte sein? (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur in der Schule fehlen diese jungen Menschen, ich weiß, dass auch in den Kindergärten die Zahl der Abmeldungen mittlerweile enorm zugenommen hat. Man kann jetzt den Kopf in den Sand stecken, aber irgendwann wird uns dieses Thema einholen, zum Beispiel wenn diese Kinder in die Schule eintreten und nicht in den elementaren Einrichtungen gebildet wurden. Es wird im Bildungssystem aufschlagen, und es wird junge Menschen geben, die keinen Schulabschluss haben.

Ich habe das Gefühl, niemand in dieser Regierung zerbricht sich den Kopf so, wie wir ihn uns zerbrechen. Vielleicht irre ich mich, vielleicht haben Sie auch dazu heute Ant­worten für mich.

Auch unsere Lehrlinge haben es sich verdient, dass wir auf sie schauen und dass wir hinschauen. In den Regierungsstatements finden sie kaum Erwähnung, kaum habe ich das Wort Lehrlinge gehört. Es gibt in den Berufsschulen einen speziellen Jahreskreis, einen speziellen Rhythmus, der sich jetzt durch die Lockdowns auch mehrfach verän­dern musste und nicht eingehalten werden konnte. Darunter leiden natürlich die Lehr­linge, aber auch ihr berufliches Fortkommen und schlussendlich auch die Betriebe.

Gerade angesichts unseres Fachkräftemangels müsste man doch genau diese Gruppe hegen und pflegen und sie an der Hand nehmen und sicher durch diese Krise begleiten. Wir fragen uns: Wo sind die zusätzlichen Förderangebote für diese Lehrlinge und in den Berufsschulen? Wie werden diese Defizite je wieder ausgeglichen werden können? Auch dazu haben wir Fragen gestellt.


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Jetzt noch zu den Studierenden: Sie tun mir echt leid. Wenn ich an meine Studienzeit zurückdenken darf: Ich hatte das Gefühl, die Welt steht mir offen, endlich bin ich in der großen Stadt. Das war eine schöne Zeit. Ja, ich musste auch arbeiten, um mir das Studium leisten zu können, aber ich war nicht so massiv unter Druck wie die jetzige Studierendengeneration, für die Mindeststudienzeiten gelten, die wirklich knackig sind.

Für viele dieser Studierenden fällt seit Monaten jeglicher Sozialkontakt weg, das Lernen in der Gruppe, das Lernen mit anderen. Das führt natürlich auch zu Einsamkeit und dazu, dass die Motivation zu lernen sinkt. Auch die finanzielle Situation dieser Studierenden ist oftmals wirklich fatal. Die vielen Hilfsjobs in der Gastronomie et cetera sind bei­spielsweise weggefallen. Dieser Druck, gepaart mit der finanziellen Situation, ist ein Nährboden für psychische Belastungen und wird wahrscheinlich auch zu einer massiven Zahl an Studienabbrüchen führen. Auch das können wir nicht sehenden Auges in Kauf nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erwähne jetzt noch die Erwachsenenbildung und die Elternbildung, die auch mir so wichtig wären. Viele dieser Angebote mussten jetzt entweder abgesagt oder auf online umgestellt werden. Ich würde mir wünschen, dass es spätestens nach der Pandemie wirklich großzügige Anreizsysteme gibt, große Gutscheinaktionen, Bonuspakete, dass Menschen sich wieder bilden können, sich fortbilden können, die Angebote der Erwach­senenbildung in Anspruch nehmen können. Es braucht das. Wir wissen: Weiterbildun­gen sind relevant, sich selber weiterzuentwickeln ist relevant. Da könnte man schon vor­sorglich Systeme entwickeln und den Menschen Angebote machen, damit diese Dinge wieder in Gang kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Überhaupt stellt sich für mich und wahrscheinlich auch für unsere Zuseherinnen und Zuseher die Frage, Herr Minister: Was wird im Jänner sein? Was wird nach den Weih­nachtsferien sein, die hoffentlich ein bisschen Durchschnaufen bringen? Womit haben die Kindergärten, die Schulen, die Lehrlinge, die Studierenden nach den Weihnachts­ferien zu rechnen?

Wir wünschen uns klare Ansagen aufgrund klarer Entscheidungskriterien, damit man sich darauf einstellen kann, damit man planen kann, damit man eine Orientierung hat. Herr Minister, wir sind jetzt neugierig auf Ihre Antworten. – Herzlichen Dank für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04


Präsident Dr. Peter Raggl: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


19.04.18

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Frau Kollegin Gruber! Die Dringliche An­frage, die seitens der SPÖ heute an mich gerichtet wurde, umfasst etwa 61 Fragen, die ich sofort beantworten werde.

Der Titel der Dringlichen Anfrage lautet: „Corona-Chaos in Kindergärten, an Schulen, Fachhochschulen und Universitäten – Herr Minister haben Sie aus zwei Jahren Krise nichts gelernt?“ – Dazu habe ich eine sprachliche Anmerkung: Ich spreche schon seit Langem nicht mehr von Kindergärten, sondern von elementarpädagogischen Einrichtun­gen, es müsste eigentlich in Schulen heißen, und nach der Anrede „Herr Minister“ gehört ein Beistrich. Das sind aber Kleinigkeiten. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Mein Gott na! – Bundesrätin Schumann: Jössas na! Da redet der Herr Lehrer! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Im Einleitungstext finden sich Behauptungen ohne empirischen Beleg oder Überprü­fung. Ich zitiere Ihren Text: „Bildungseinrichtungen an einem Tag zu schließen und am


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nächsten wieder zu öffnen, ist wenig professionell.“ (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn. – Bundesrätin Schumann: Die Schriftführerin ist auch erheitert! Da freuen wir uns neutral! Genau!) – Wann wurden Bildungseinrichtungen an einem Tag geschlossen und am nächsten Tag wieder geöffnet? Ich hätte mir ein Datum gewünscht, damit ich das nach­vollziehen kann.

Sie schreiben: „Hinzu kommt eine massiv veraltete Infrastruktur der Schulen“. – Leider bleibt auch das ohne empirischen Beleg. Wahr ist vielmehr, dass die Schulen gerade im IT-Bereich sehr gut ausgestattet sind, wie uns die OECD versichert. (Bundesrätin Schumann: Aha? Ja? – Bundesrätin Hahn: Also ich habe bis heute kein Gerät!) Internetzugang besteht für SchülerInnen in über 70 Prozent der Volksschulen, in 80 Pro­zent der Mittelschulen, 90 Prozent sind es im Bereich der AHS und BHS, und im Jahr 2023 werden alle Bundesschulen an hochleistungsfähige Breitbandnetze angeschlossen sein. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Sie schreiben weiters: „Das österreichische Bildungssystem zeichnet sich traurigerweise im internationalen Vergleich dadurch aus, dass Bildung stark vererbt wird.“ – Ja, der Bildungshintergrund der Eltern hat einen Einfluss auf Schulbildungsentscheidungen, Frau Mag. Gruber. Das ist gar keine Frage. (Bundesrätin Hahn: Das ist evident!) Das gilt aber nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern auch in vielen anderen. Sie müssen auch sehen, dass 62 Prozent der Graduierten von Universitäten und Fachhochschulen First-Generation-Academics sind, also Akademiker, bei deren Eltern der Bildungshinter­grund kein solcher war. Ich glaube, wir müssen darüber differenzierter diskutieren. Das ist etwas, das den Bundesrat eigentlich auch immer ausgezeichnet hat.

Sie schreiben auf Seite 3: „Bis heute sind die Sicherheitsmaßnahmen mangelhaft, es fehlt eine verlässliche, flächendeckende PCR-Test-Infrastruktur.“ – Abermals frage ich mich: Wo ist der empirische Beleg für diese Aussage, oder ist das einfach eine Behaup­tung? Es muss doch ganz offensichtlich geworden sein, Frau Mag. Gruber, dass wir seit dem Sommersemester 2021 in Österreich mit Antigentests flächig testen, und seit Beginn des Wintersemesters testen wir mit PCR-Tests flächig (Zwischenrufe der Bun­desrätinnen Hahn und Schumann) – ja, liebe Frau Hahn –, als einzige Institution, die es geschafft hat, ohne große Zeitverzögerung in den Bundesländern eine Testinfra­struktur auf die Beine zu stellen. Sie behaupten aber, es gebe keine „verlässliche, flächen­deckende PCR-Test-Infrastruktur“. – Diese Behauptung – nicht böse sein, dass ich das sage! – hängt vollständig in der Luft. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Die Schü­lerInnen ...!)

Schließlich – und der guten Ordnung halber muss ich es zum x-ten Mal festhalten –: Mein Ministerium hat gemäß Bundesverfassung keine Regelungskompetenz für die elementarpädagogischen Einrichtungen. Diese fallen in die Kompetenz der Länder und Gemeinden. Ich denke, das wissen die Mitglieder dieser Länderkammer sicherlich. (Bun­desrätin Schumann: Das sind alles Bundesdienststellen geworden!)

Nochmals zu Ihrem Titel mit der pauschalen Behauptung des Schulchaos: Ich stelle sachlich fest, dass es gelungen ist, einen kontinuierlichen Präsenzunterricht seit Beginn dieses Wintersemesters zu gewährleisten. (Ruf bei der SPÖ: Ein Hoch auf die Pädago­ginnen und Pädagogen!)

Ich stelle auch vollkommen sachlich fest, dass wir in einer gemeinsamen Kraftanstren­gung trotz der hohen Infektionszahlen in den Schulen und rundherum und auch gegen die Widerstände aus allen möglichen politischen Lagern diese Schulen offen halten konnten. Ich bin den Lehrenden, den Schulleitungen und den Bildungsdirektionen für das großartige Krisenmanagement in dieser vierten Welle an jedem einzelnen der 6 000 Schul­standorte dankbar.

Sie, liebe Anfragestellerin, machen aber mit der undifferenzierten Äußerung des postu­lierten Schulchaos in Bausch und Bogen die Arbeit all jener schlecht, die täglich dafür


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sorgen, dass es in der Schule funktioniert. Dass es ein Schulchaos gibt, ist eine Unter­stellung, und die weise ich mit wirklich großer Sicherheit zurück. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte nun, Frau Mag. Gruber, im Einzelnen auf Ihre Fragen eingehen.

Zu den Fragen 1 bis 3:

Mit Beginn dieses Schuljahres haben wir flächendeckende PCR-Tests in den österreichi­schen Schulen eingeführt. Bis dahin wurden in ganz Österreich pro Woche rund 300 000 PCR-Tests durchgeführt. Mit der Einführung unserer PCR-Tests in den Schulen wurde dieser Wert verfünffacht.

Wir sind mit einer Sicherheitsphase in das neue Schuljahr gestartet, in der auch bereits Geimpfte getestet wurden, und wir haben Luftreinigungsgeräte überall dort bereitgestellt, wo ein Stoß- oder Querlüften nicht möglich ist.

Die Grundlage für all diese Maßnahmen bildet das Präventionskonzept samt Risiko­matrix, das bereits im August veröffentlicht wurde und mit dem Gesundheitsministerium abgesprochen ist. Das alles ist auch auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht worden und in vielen Informationsschreiben an die Schulen nachlesbar.

Die erste Frage, die Sie hier an mich gerichtet haben, schließt zwar mit einem Frage­zeichen ab, ist aber abermals eine Unterstellung ohne Beleg. Ich kann dies aufgrund der eben genannten Maßnahmen eigentlich nicht nachvollziehen.

Zur Frage 4:

Nein.

Zur Frage 5:

In die Entscheidung betreffend Corona binde ich in meinem Haus den Generalsekretär, die Sektionsleitungen und jene Führungskräfte ein, die mit der Umsetzung der Maßnah­men befasst sind. Das reicht vom Leiter der Legistik bis hin zur Projektleiterin für die Abwicklung der Testlogistik, von der zuständigen Abteilung für Forschungsfragen in Sachen Covid-19 bis hin zur Budgetabteilung, denn die Finanzierung der entsprechen­den Maßnahmen muss auch ordnungsgemäß abgewickelt werden. Darüber hinaus binde ich selbstverständlich mein Kabinett ein, meine Pressesprecherin und die Abtei­lung Öffentlichkeitsarbeit.

Zur Frage 6:

Eine regelmäßige Einbindung der Schulvertretungen, Elternvertretungen und Lehrerver­tretungen sowie der ElementarpädagogInnen in meine Beratungen ist mir sehr wichtig und findet statt. Wir haben wöchentliche Treffen mit den Vertretungen der Lehrkräfte und wir haben Treffen mit den anderen Schulpartnern in einem anderen, manchmal auch etwas größeren Abstand – aber sie finden statt.

Mit der Elementarpädagogik, die auch unsere Hygienemaßnahmen übernommen hat, halten wir Kontakt über die politischen Büros in den Ländern.

Zur Frage 7:

Zur Beratung hat mein Haus eine Expertengruppe eingesetzt. Zu deren Aufgabe gehört die Bewertung der Situation in den Schulen vor dem Hintergrund der aktuellen Empfeh­lungen der Coronakommission, eine vertiefende Analyse regionaler Risikolagen und die Erarbeitung von Maßnahmen in den Schulen.

Zu den Mitgliedern zählen die Professoren und Professorinnen Apfalter, Kerbl, Spiel, Strenger und Weiss, weiters Schulpraktiker wie Hörndler, Mangl, Öttl, Reithuber und Zins


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und Experten, die weder an Universitäten lehren, noch Schulpraktiker sind, wie Foitik vom Österreichischen Roten Kreuz.

Zur Frage 8:

Wir diskutieren in der Bundesregierung regelmäßig über die Pandemie und auch über den Bereich Schulen und Hochschulen, keine Frage, dabei findet immer eine Güterab­wägung zwischen Gesundheitsaspekten auf der einen Seite und dem Recht auf Bildung auf der anderen Seite statt.

Zur Diskussion dieser Fragen wurden auch regelmäßig Experten und Expertinnen aus dem Bereich der Wissenschaft und Forschung beigezogen und die Meinung der Corona­kommission eingeholt.

Es ist klar, dass bei solchen Diskussionen zum Teil unterschiedliche Standpunkte vertre­ten und verschiedene unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert werden. Die Entschei­dungen in der Bundesregierung fielen aber dann einvernehmlich und wurden stets von der gesamten Bundesregierung mitgetragen.

Zur Frage 9:

Ich habe klar kommuniziert, die Schulen bleiben offen. Kinder erhalten Präsenzunterricht und können ihre Freundschaften und sozialen Kontakte im gewohnten Umfeld leben. Jenen Eltern, die ihre Kinder vorübergehend lieber zu Hause behalten möchten, aus welchen Gründen auch immer, habe ich die Möglichkeit dazu eingeräumt.

Die Umstellung auf Distancelearning hängt nicht von österreichweiten und undifferenzierten Indizes ab, sondern vom konkreten Auftreten von positiv Getesteten. Die Klasse stellt für fünf Tage auf Distancelearning um, wenn zwei oder mehr Infektionsfälle innerhalb von drei Tagen auftreten.

Damit verfügen die Schulen, aber auch die Eltern über eine Flexibilität, die sie auch brauchen.

Zu den Fragen 10 und 13:

Sie lesen eh mit, damit Sie immer wissen, worauf ich antworte? (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Ja, ja, Herr Professor, auf Punkt und Beistrich und Komma!) – Sehr schön!

Mein Haus ist stets den Empfehlungen der Coronakommission, den Empfehlungen des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und den Empfehlungen einer Beratungsgruppe gefolgt. Die Coronakommission prüft stets auch die Zweckmäßigkeit und Realisierbarkeit von Maßnahmen, die von verschiedenen Gruppierungen vorgeschlagen werden. Die Ergebnisse der entsprechenden fachlichen Beratungen bilden die Basis für die Maßnahmen im Bereich der Schulen und der Hoch­schulen.

Zusätzlich wurde ein sehr engmaschiges Sicherheitsnetz für Schulen geschaffen. Der Schulbereich war – ich habe es ausgeführt – der erste Sektor, der bereits im letzten Schuljahr flächendeckend getestet und mindestens eine PCR-Testung pro Woche durch­geführt hat.

Differenziertes Maskentragen in der Schule und schnelles Reagieren auf das Infektions­geschehen sind wesentlich.

Zur Frage 11:

Die Förderung von Schülerinnen und Schülern am Übergang vom außerordentlichen in den ordentlichen Status erfolgt anhand der Konzepte der Bildungsdirektionen, die auf


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Basis der Rahmenvorgaben des Ministeriums von den Bildungsdirektionen erstellt wur­den und umzusetzen sind.

Um die Schüler und Schülerinnen, die vom Status a. o. zum Status o. wechseln, zusätz­lich zu unterstützen, wurden im Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025 jährlich 4,5 Millio­nen Euro eingeplant.

Zur Frage 12:

An den Schulen werden umfassende Förderkonzepte und Förderstunden angeboten, um allfälligen Defiziten begegnen zu können. Auf Basis der Zahlen im Bundes­schulbe­reich kann ich sagen, wir geben in etwa rund 150 Millionen Euro aus dem Regelbudget für Förderstunden aus. Zusätzlich wurden bis inklusive Ende des Wintersemesters För­derstunden für rund 250 Millionen Euro bereitgestellt, für durchschnittlich zwei Stunden im Sommersemester für alle Klassen, zwei Stunden in der Volksschule und 1,5 Stunden für alle anderen Klassen im Wintersemester.

Bisher hat sich gezeigt, Frau Mag. Gruber, dass letztlich nur 60 Prozent – aus welchen Gründen auch immer – der bereitgestellten Ressourcen auch wirklich abgerufen wurden. 10 Prozent der Mittel wurden anhand der A.-o.-Schülerzahlen vergeben, um den Ländern auch bei den größten Herausforderungen helfen zu können.

Im Sommersemester des Schuljahres 2020/2021 wurden 117 Millionen Euro für För­der­maßnahmen ausgegeben.

Zu den Fragen 14, 15 und 43:

Die Fragen hängen inhaltlich zusammen, ich erlaube mir, sie daher auch zusammenfas­send zu beantworten: Mein Haus ist stets den Empfehlungen der Coronakommission, den Empfehlungen des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz und den Empfehlungen einer Beratungsgruppe gefolgt. Die Corona­kommission prüft auch immer die Zweckmäßigkeit und Realisierbarkeit von Maßnah­men, die von verschiedenen Gruppierungen vorgeschlagen werden. Das Ergebnis der fachlichen Beratungen bildet die Basis für alle Maßnahmen.

Zur Frage 15 darf ich im Besonderen auf das Dossier des ÖISS sowie auf das Dossier der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom August 2021 zur Raumluftqualität in Bil­dungseinrichtungen verweisen. Entsprechend den dort gemachten Empfehlungen wird ein Luftreinigungsgerät gezielt dort eingesetzt, wo ein Lüften von Unterrichtsräumen nicht oder nur sehr schwer möglich ist.

Von den Bildungsdirektionen wurden 1 572 Luftfiltergeräte angeschafft. Insgesamt steht auf Basis der potenziell errechneten Bedarfe ein Budget von 4,135 Millionen Euro zur Verfügung.

Zu den Fragen 16 bis 22:

Diese hängen inhaltlich abermals eng zusammen, sie befassen sich alle mit der Geräte­initiative beziehungsweise mit dem Portal Digitale Schule.

Alle Schüler und Schülerinnen der Sekundarstufe I, beginnend mit der 5. Schulstufe, er­halten ein Endgerät. Dieses Jahr wurde auch die 6. Schulstufe ausgestattet. 2023 wer­den dann alle Schüler und Schülerinnen der Sekundarstufe I über ein Endgerät ver­fügen.

Ein Selbstbehalt mit der sozial verträglichen Möglichkeit der Befreiung wurde gesetzlich festgelegt. Bis heute sind 6 981 Anträge auf Befreiung vom Selbstbehalt eingereicht wor­den. Davon sind 4 963 genehmigt worden, 2 018 befinden sich noch in Bearbeitung.

Insgesamt wurden 112 000 Schülergeräte bestellt. Davon wurden 102 000 Geräte an die Schulen zum sogenannten Roll-out weitergegeben.


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Eine zeitgerechte Sicherstellung der WLAN-Ausstattung am jeweiligen Schulstandort ist erfolgt.

Seit der Präsentation des Achtpunkteplans wurden deshalb 71 Bundesschulen zusätz­lich noch mit Glasfaser ausgestattet, die restlichen 38 Standorte folgen im Jahr 2022, sodass das, was ich vorhin gesagt habe – 2023 sind alle Bundesschulen an leistungs­fähige Netze angeschlossen –, realisiert sein wird.

Eine Softwarebeschaffung ist schon jetzt im Rahmen der Schulbuchaktion über die Kategorie Unterrichtsmittel eigener Wahl möglich.

Betreffend die Frage zum EU Recoveryfund und der Finanzierung digitaler Infrastruktur darf ich auf das Förderprogramm Austria Connect 2030 des zuständigen Ministeriums verweisen, dort sind die Mittel verfügbar.

Zu den Fragen 23 und 24 halte ich fest:

Die Schulpsychologie wurde ausgebaut, indem die Personalkapazität um rund 20 Pro­zent aufgestockt wurde. Es finden mehr Sprechtage an den Schulstandorten statt, es wurde eine bundesweite Telefonhotline eingerichtet und die aufsuchende psychologi­sche Arbeit findet ebenso statt.

Ein weiterer Ausbau der Schulpsychologie und der Schulsozialarbeit gemeinsam mit den Ländern ist geplant. Im vorliegenden Budget des Bundeshaushaltes wurden zusätzliche 7 Millionen Euro dafür eingestellt. Über das Gesundheitsressort erfolgt überdies eine Aufstockung des Budgets für die psychologische und psychotherapeutische Betreuung von Kindern und Jugendlichen in einer Größenordnung von 15 Millionen Euro.

Anführen möchte ich hier auch die personellen Kapazitäten der Psychologischen Studie­rendenberatung, die im Frühjahr 2021 um 40 Prozent ausgeweitet wurden. Dank der Chatberatung durch die Beratungsstellen ist eine Betreuung Studierender auch im digita­len Format möglich.

Die Fragen 25 bis 30 widmen sich dem Bereich der Berufsschulen:

Im Berufsschulbereich sind zusätzliche Förderstunden jederzeit möglich, allerdings wer­den bereits jetzt die bestehenden Mittel nicht voll ausgeschöpft, daher standen wir noch nicht vor der Notwendigkeit einer Zusatzfinanzierung. (Ruf bei der SPÖ: Um Gottes willen!)

Für die Vorbereitungs- und Nachhilfekurse insbesondere zur Vorbereitung der Lehrab­schlussprüfung erhöhte das Bundesministerium für Digitales und Wirtschaft die För­dertöpfe um knapp 15 Millionen Euro.

Für Berufsschulen gelten selbstverständlich auch die Hygiene- und Präventionsmaß­nah­men wie für alle anderen Schulen. (Ruf bei der SPÖ: Die haben die Berufsschulen zurückgelassen!) Somit erhalten auch die Berufsschulen alle für die Präventionsmaß­nahmen notwendigen Testkits für Antigen-, aber auch PCR-Tests – auch die lehrgangs­gemäß geführten Berufsschulen.

Für die Ausbildungsbetriebe wurden seitens des Bundesministeriums anlassbezogen – (in Richtung Bundesrätin Gruber-Pruner) weil Sie nach den Informationen gefragt haben – Informationsschreiben verfasst und über die Wirtschaftskammer verteilt. Schu­len und Bildungsdirektionen halten laufend Kontakt mit den Ausbildungsbetrieben, die eine besonders wichtige Rolle dabei spielen. Auch die Sozialpartner wurden anlass­bezo­gen in die Entwicklung der Maßnahmen eingebunden und darüber informiert.

Eine Erhebung von quarantänebedingtem Entfall von Unterrichtsstunden liegt nicht vor. Grundsätzlich möchte ich anmerken, dass durch eine fallweise Umstellung auf Dis­tancelearning der Unterricht weiterhin in ortsungebundener Form fortgesetzt wird und


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werden kann. Es kommt in diesem Fall somit zu keinem Entfall von Schulzeit und auch nicht zur Notwendigkeit, entfallene Schulzeiten später nachzuholen. (Ruf bei der SPÖ: „Liegt nicht vor“?)

Zu den Fragen 31, 41 und 42, die sich mit der Problematik von möglichen Lerndefiziten und entsprechenden Initiativen befassen, möchte ich ausführen:

Es werden im laufenden Schuljahr umfassende Förderangebote für die Schüler und Schülerinnen gemacht – ich habe schon davon gesprochen –, in der Volksschule wer­den 2 Stunden pro Klasse und Woche zusätzlich angeboten, in allen anderen Schulen 1,5 Stunden, die auch ganz flexibel einsetzbar sind. Die zusätzlichen Stunden können für Förderunterricht, für eine individuelle Förderung oder auch für Klassenteilungen ein­gesetzt werden, wenn dies aus Sicht der Schule sinnvoll ist.

Die Sommerschule dient letztlich auch der Förderung von möglicherweise versäumten Lehr- und Lerninhalten. Die Sommerschule ist gesetzlich verankert, für die entsprechen­den Angebote stehen jährlich rund 6 Millionen Euro zur Verfügung.

Darüber hinaus wurde, wie bereits erwähnt, die Schulpsychologie um 20 Prozent aufge­stockt und ebenso haben wir uns bemüht – und das ist, glaube ich, erfolgreich gelun­gen –, Onlineübungsmaterial im Portal Digitale Schule entsprechend zur Verfügung zu stellen.

Zur Frage 32:

Aktuell sind 15 Schulstandorte und 681 Klassen aufgrund von Covid-19-Fällen bezie­hungsweise positiven Tests geschlossen, inkludiert sind da die schulbehördlichen, aber auch die gesundheitsbehördlichen Schließungen.

Gemäß der aktuellsten Erhebung durch die Bildungsdirektionen sind zudem circa 14 Pro­zent der Schüler und Schülerinnen dem Präsenzbetrieb am Schulstandort auf Basis der Lockdownregelung ferngeblieben oder umgekehrt gesagt: 86 Prozent befinden sich im Präsenzunterricht.

Zur Frage 33:

Ja, wenn sie dafür in den Präsenzunterricht kommen – schriftliche Leistungsfest­stellun­gen sind online nicht möglich. Selbstverständlich werden auch im Distancelearning er­brachte Leistungen wie Hausübungen und Mitarbeit bewertet, sie dienen zur Beurteilung der Schüler und Schülerinnen, das erlaubt unsere Leistungsbeurteilungsverordnung sehr wohl.

Zur Frage 34:

Bei den Berufsschülern und Berufsschülerinnen ist im Vergleich zu den sonstigen Schul­typen die Abwesenheit deutlich niedriger, sie liegt bei etwa 1 Prozent. Das entspricht, wenn Sie so wollen, der regulären Abwesenheit während eines normalen Betriebes auch ganz ohne Lockdown, es gibt ja durchaus so etwas wie Krankheitsfälle.

Zur Frage 35:

Die pädagogischen Rahmenbedingungen des Distancelearning finden sich in den Erläs­sen zum Schulbetrieb und in der Leitlinie für den ortsungebundenen Unterricht. Um Distancelearning zu unterstützen, werden folgende Maßnahmen gesetzt: Wir haben die Kapazitäten der angebotenen Lernplattformen aufgestockt. Wir haben das Portal Digi­tale Schule geschaffen, das einen sehr niederschwelligen Einstieg offeriert und alle rele­vanten Verwaltungs-, Lehr- und Lernsoftwares zusammenfasst. Eine digitale Kommuni­kation zwischen Schule, Eltern und Schülern und Schülerinnen ist über das Portal Digitale Schule möglich.


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Wir haben die Contentplattform Eduthek inhaltlich erweitert und strukturiert. Diese Con­tentplattform liefert Aufgaben und Übungen für alle Bildungsstufen und für alle Fächer. Die Bildungsplattform enthält auch Edutube, eine Kooperation mit dem ORF, wo quali­tätsgesicherte Contentmaterialien zur Verfügung stehen.

Zur Frage 36:

Die Impfangebote für alle Bevölkerungsgruppen werden durch die Gesundheitsbehörden gemacht. Auch in diesem Bereich werden die Gesundheitsbehörden von meinem Res­sort unterstützt, indem ich den Gesundheitsbehörden der Länder angeboten habe, die Schulärzte in die Beratung von Eltern und Schülern sowie in Impfaktionen einzubinden, wenn dies notwendig ist.

Auf die Fragen 37 bis 39, die sich der Risiko- und Infektionslage und den daran anknüpfenden Maßnahmen widmen, antworte ich wie folgt: Grundsätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass es drei Möglichkeiten und Wege gibt, die zum Distancelearning führen: Das eine ist die Gesundheitsbehörde, die das auf Basis des Epidemiegesetzes feststellt und entsprechend handelt, zweitens die Bildungsbehörde in Abstimmung mit der Gesundheitsbehörde und im Einvernehmen mit meinem Haus, und drittens, wenn in einer Klasse innerhalb von drei Tagen mindestens zwei Infektionsfälle auftreten. Das wurde mit der Gesundheitsbehörde so vereinbart. Das führt zu einer gewissen Ver­einfachung der Prozedur, und wir entlasten damit die Gesundheitsbehörde, die mit dem Contacttracing nicht mehr nachgekommen ist.

Ausschlaggebend für alle drei Wege sind klarerweise immer die Zahlen vor Ort in der Region, als auch österreichweit. Diese Zahlen werden von der Gesundheit Österreich GmbH, der GÖG, und der Ages zur Verfügung gestellt.

Zur Frage 40:

Nein, Ergebnisse aus Analysen der Bildungsverläufe der Schüler und Schülerinnen der Schuljahre 2019/20 und 2020/21 liegen noch nicht vor. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Die Statistik Austria finalisiert zurzeit die sogenannten Schulerfolgsmeldungen des Jah­res 2019/20 und dann die Meldungen über die laufende Ausbildung des Schuljahres 2020/21. Erst dann haben wir eine Datengrundlage, um die von Ihnen gestellte Frage auch solide beantworten zu können.

Erste Ergebnisse auf Basis von Befragungsdaten zum frühzeitigen Schulabbruch, zu den sogenannten Early School Leavers, zeigen im Vergleich der Jahre 2019 und 2020 Gott sei Dank nur eine geringfügige Zunahme innerhalb der statistischen Schwankungs­breite von 7,8 Prozent auf 8,1 Prozent.

Zur Frage 43:

Mein Haus hat ein sehr engmaschiges Sicherheitsnetz für Schulen geschaffen. Ich muss mich wiederholen: Der Schulbereich war der erste Sektor, der bereits im letzten Schul­jahr flächendeckend getestet hat. Noch lange bevor das Gesundheitsressort oder die Gesundheitsämter der Länder das taten, begannen wir mit den Screeningtests. Als wei­tere Maßnahme haben wir auch Prävalenzstudien mit der Statistik Austria durchgeführt und ein System der Früherkennung von Hotspots der Infektion installiert. Ich erinnere Sie vielleicht an die Sentinel-Studie, aber auch an die Abwasseranalyse, die uns wert­volle Dienste leistet. Wir haben damit eine ausgesprochen fundierte Datenbasis, um reagieren zu können.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass 86 Prozent der Lehrer und Lehrerinnen teil- oder vollimmunisiert sind, wir haben Masken und Hygienematerial und Luftreinigungsgeräte


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angeschafft. Die Schulen sind nicht coronasicher, diesen Ausdruck würde ich nicht verwenden – sicher ist sehr viel –, aber sie sind coronaresilient.

Zu den Fragen 44 bis 46, die sich dem Bereich der Elementarpädagogik widmen:

Ich führe abermals aus, dass wir eine Verfassungsänderung bräuchten, wenn Sie das Kindergartenwesen, wie es dort noch heißt und klar in der Kompetenz der Länder liegt, dem Bund geben wollen. Ich kann mir nicht einfach ohne Kompetenzänderung etwas nehmen, das mir aufgrund der österreichischen Bundesverfassung nicht zusteht.

Wir werden im Rahmen der Verhandlungen zur neuen 15a-Vereinbarung das Thema Qualitätsstandards selbstverständlich aufgreifen. Einheitliche Qualitätsmindeststan­dards sollten das gemeinsame Ziel bei der nächsten Vereinbarung sein, um einen gemein­samen Rahmen für elementare Bildungseinrichtungen festlegen zu können.

Als Bildungsminister nehme ich auch meine koordinierende Rolle in diesem Bereich wahr. Im Rahmen des Beirats für Elementarpädagogik holen wir alle Mitglieder und wich­tigen Stakeholder an einen Tisch und diskutieren aktuelle Fragen und Themen der Ele­mentarpädagogik. Bei der letzten Sitzung – herzlichen Dank, Frau Schumann – wurden die Sozialpartner eingeladen und sie kamen auch – zukünftig auch –, um ihre wichtigen Punkte in diesem Bereich einzubringen, gar keine Frage.

Das Thema Ausbildung, für das das Bildungsministerium zuständig ist, nehmen wir ernst, und zwar umfassend ernst. Ich sehe die Problematik des Personalmangels, ich sehe noch mehr die Problematik, dass das Personal, das dafür ausgebildet ist, nicht in den Bildungseinrichtungen bleibt, sondern weggeht. Das ist ein Problem, das letztlich die Erhalter zu lösen haben. Wir haben Initiativen gestartet: 130 zusätzliche Kolleg­plätze, rund 60 QuereinsteigerInnen an den pädagogischen Hochschulen.

Um die Schaffung von flächendeckend zur Verfügung stehenden und ganztägigen Kin­dergartenplätzen zu unterstützen, stellt der Bund schon seit vielen Jahren und aktuell über die laufende Bund-Länder-Vereinbarung über die Elementarpädagogik zusätzliche Mittel zur Verfügung, nämlich jährlich 142,5 Millionen Euro. Weitere Maßnahmen werden Teil der Verhandlungen zur neuen 15a-Vereinbarung sein.

Zu den Fragen 47 und 48:

Die Lohn- und Gehaltsverhandlungen zwischen dem BMKÖS und der GÖD sind derzeit im Gange. Wir unterstützen einen Lohnabschluss, der mit anderen Branchen vergleich­bar ist, auch als Zeichen der besonderen Wertschätzung und Anerkennung.

Zu den Fragen 49 und 50, die sich dem Thema möglicher Schulschließungen vor Weih­nachten widmen, halte ich Folgendes fest:

Vonseiten des Bildungsministeriums werden sämtliche Maßnahmen ergriffen, um einen Präsenzunterricht auch bei steigenden – was derzeit nicht der Fall ist, aber mög­licherweise auch wieder sein kann – Infektionszahlen zu ermöglichen und sicherzu­stellen. Die letzten zehn Tage haben uns gezeigt, dass dieses Konzept, das ich kürzlich vorgestellt habe, funktioniert. Wir sehen auch anhand der sogenannten Positivitätsrate der PCR-Testungen an den Schulen, dass die Zahlen deutlich zurückgehen.

Einzelne Schulschließungen, Frau Mag. Gruber, kann es immer geben, nämlich dann, wenn die Gesundheitsbehörde dies auch so entscheidet. Das kann ich nie ganz aus­schließen.

Für eine Entscheidung, wie das Offenhalten von Skigebieten oder die Inszenierung der Pisten- und Hüttengaudi vonstattengehen, bin ich nicht zuständig.

Zu den Fragen 51 bis 53, die sich der schulischen Tagesbetreuung widmen, möchte ich gerne wie folgt antworten:


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Der Ausbau ganztägiger Schulformen ist bedarfsabhängig und auch von der tatsäch­lichen Inanspruchnahme seitens der Eltern abhängig. Der Zielwert für das Schuljahr 2024/25 an Schülern und Schülerinnen in einer Tagesbetreuung beträgt 230 000 Schüler und Schülerinnen an den allgemeinen Pflichtschulen und der AHS-Unterstufe. Derzeit ist der Stand wie folgt: An den APS befinden sich im Schuljahr 2021 rund 24 Prozent dieser Schüler und Schülerinnen in einer Betreuung; das sind 139 000. In außerschu­lischen Betreuungseinrichtungen sind es laut Kindertagesheimstatistik für das gleiche Schuljahr weitere 55 000 Kinder; dies entspricht einem Anteil von 10 Prozent. Beides zusammen ergibt also eine Summe von 34 Prozent, die sich derzeit in einer Betreuung befinden. Spätestens im Jahr 2033, so sagt das BIG, sollen 40 Prozent der Schüler und Schülerinnen allgemeinbildender Pflichtschulen eine Tagesbetreuung besuchen können beziehungsweise sollte an 85 Prozent der Standorte allgemeinbildender Pflichtschulen eine schulische oder außerschulische Tagesbetreuung angeboten werden. Ich bin ganz sicher, dass diese Zielwerte zu erreichen sind.

Zur Frage 53 ist festzuhalten, dass es unrichtig ist, dass Schulleitungen Abrechnungen machen müssen. Lehrpersonen können aufgrund der im Jahr 2021 beschlossenen Ände­rungen des Einkommensteuergesetzes im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung be­stimmte Aufwendungen für das Homeoffice als Werbungskosten steuermindernd geltend machen. Jeder Dienstgeber ist zur Erfassung der Homeofficetage seiner Dienst­nehmerInnen und zur Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltung verpflichtet. Mein Haus hat in Abstimmung mit den Bildungsdirektionen in den vergangenen Wochen ein Tool entwickelt, mit dem diese Aufgabe leicht und effizient erfüllt werden kann und die Schulleitungen in Sachen Meldung entlastet werden.

Zur Frage 54:

Die Wiederholung von bereits vermittelten Inhalten ist selbstverständlich unverzichtbarer Teil des Unterrichts. Dabei wird immer auch der Lehrplan nicht verlassen.

Zur Frage 55 – wir sind jetzt im Bereich der Universitäten und Fachhochschulen –:

Die Informationen an Studierende über den jeweils aktuellen Lehr-, Prüfungs- und Forschungsbetrieb erfolgen direkt über die Universität oder die Fachhochschule, die im Rahmen ihrer Autonomie für die Ausgestaltung der Betriebe verantwortlich sind. Univer­sitäten und FHs sind derzeit trotz der Infektionslage nicht zuletzt auch dank der hohen Impfquote der Studierenden geöffnet, und das soll – meine klare Ambition – auch weiterhin so bleiben. Aufgrund der unterschiedlichen Größen und Schwerpunktset­zun­gen der Universitäten und der Fachhochschulen kann es aber im Gegensatz zum Schul­bereich keinen einheitlichen Plan zur Präsenz- und Distanzlehre geben. Eine Lehrver­anstaltung in einer Buchwissenschaft findet normalerweise mit vielen Studierenden in einem großen Hörsaal statt, während Laborunterricht oder Lehre im Bereich von Kunst, Musik, aber auch Sport in Kleingruppen stattfindet. Jede Universität, jede Hochschule weiß daher am besten, wie ein adaptierter Lehrbetrieb auszusehen hat.

Zur Frage 56:

Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen waren die Universitäten seit Ausbruch der Pandemie nie geschlossen. Allerdings hatten sie, je nach Infektionslage, ihren Lehr- und Prüfungsbetrieb in einem unterschiedlichen Ausmaß auf Distancelearning umgestellt.

Zur Frage 57:

Das Bundesministerium hat in den vergangenen 21 Monaten Folgendes unternom­men, um Studierende finanziell bestmöglich zu unterstützen: Einführung des neutralen Semesters im Sommersemester 2020 – das ist in etwa ein Volumen von 80 Millionen Euro, das dafür aufzuwenden ist –; Einrichtung des gemeinsamen Härtefonds für Stu­dierende mit der Österreichischen HochschülerInnenschaft für 2021; Beteiligung des


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Bundesministeriums am ÖH-Sozialfonds und Ausbau der Studienförderung. Das Bun­desministerium stellt 2021 jährlich 30 Millionen Euro zusätzlich an Studienbeihilfe bereit, um pandemiebedingte Einkommenseinbußen der Eltern auszugleichen.

Zur Frage 59:

Für die Finanzierung der Infrastruktur im Fachhochschulbereich ist nicht das Bundes­ministerium verantwortlich, sondern das sind die jeweiligen FH-Erhalter. Das liegt im Wesen und in der Struktur der Fachhochschulen. Das Bundesministerium finanziert in dem Bereich nur die Studienplätze. Für öffentliche Universitäten ist das anders, für öffentliche Universitäten hat das Bundesministerium für allgemeine Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung einerseits 20 Millionen Euro verfügbar gemacht, dazu noch einmal 1 Million Euro für den Einsatz ganz spezifischer Teststrategien, also wenn Sie so wollen, 21 Millionen Euro insgesamt.

Zur Frage 60:

Es bedarf keiner Belohnung für die Universitäten, weil diese es als ihre eigene Aufgabe sehen, die Lehre kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das ist einer der wesentlichen Para­grafen im UG, nämlich § 3. Hybride Lehrangebote zählen unzweifelhaft zur kontinuier­lichen Weiterentwicklung der Lehre.

Zur Frage 61:

Die Umstellung auf Distancelearning hat erfolgreich funktioniert, das digitale Prüfen ebenso. Genaueres lässt sich der Studie „Distance Learning im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/21“ und auch der Empfehlung der Hochschulkonferenz betreffend digitales Lehren, Lernen und Prüfen entnehmen. Beides ist auf der Webseite des Ministeriums abrufbar, aber ich kann es Ihnen auch gerne zuschicken oder ausdrucken und Ihnen geben. Beides sind interessante Publikationen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Heiterkeit des Bundesrates Himmer.)

19.41


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Rede­zeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Frau Doris Hahn. Ich erteile ihr das Wort.


19.41.30

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! Was ich Ihnen, Herr Minister, sehr wohl zugutehalten muss, ist, dass Sie sehr ausführlich geantwortet haben und sich zum Glück nicht auf lapidare Kurzantworten wie Ja und Nein beschränkt haben. Da sind wir leider auch anderes gewohnt. – So viel zum Positiven vorweg.

Auf der anderen Seite sehen Sie mich auch ein bisschen überrascht ob einiger Ihrer Informationen, denn ich habe ein bisschen das Gefühl – ich weiß es nicht –, dass das Ministerium nicht mit den Bildungsdirektionen kommuniziert, oder umgekehrt, die Bil­dungsdirektionen nicht mit ihren Angestellten, sprich mit uns PädagogInnen. Zu uns kommen offensichtlich in vielen Fällen ganz andere Informationen. Insofern freue ich mich tatsächlich, dass wir heute noch einmal, auch zu dieser jetzt schon durchaus fort­geschrittenen Stunde, die Möglichkeit haben, die aktuelle Situation im Bildungsbereich mit Ihnen noch einmal genauer zu beleuchten.

Sie wissen das und ich glaube, Sie können das mittlerweile durchaus bestätigen, dass mir und meiner gesamten Fraktion die Bildung wirklich ein Herzensanliegen ist. Ich muss


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aber leider sagen – ich muss es ausdrücken, wie es ist –, es ist in Wahrheit fünf vor zwölf im gesamten Bildungsbereich in Österreich, denn, und dem müssen wir auch ins Auge sehen, das Krisenmanagement der Regierung hat in den letzten 21 Monaten der Pan­demie schlicht und einfach versagt – egal, ob das die Kindergärten, die Schulen oder die Universitäten betroffen hat. Man hat zumindest bei den Betroffenen selbst den Eindruck, man stolpert von einem Versuch in den nächsten, man probiert einmal etwas aus: Funk­tioniert es, ist es gut, funktioniert es nicht, dann probiert man irgendetwas anderes. – So kommt es einem zumindest vor.

Erinnern wir uns an den 16. März 2020 – das war vor über einem Jahr, also zu Beginn des ersten Lockdowns –: Da hat man die Schulen von jetzt auf gleich, von heute auf morgen geschlossen und SchülerInnen und Eltern ebenso von jetzt auf gleich ins Distancelearning geschickt – und das, ohne daran zu denken, dass viele gar nicht über die nötige technische Ausstattung, die Hard- und Software, das nötige Breitbandinternet und vieles mehr verfügen, unter Umständen auch nicht über die nötige Routine in der selbstständigen Arbeit mit diesen technischen Geräten. Damals hat man diese Von-jetzt-auf-gleich-Mentalität und -Entscheidung durchaus noch verstanden, nachvollziehen und auch mittragen können. Ich glaube, es hat damals noch niemand gewusst, was mit Sars-Cov-2 – damals war das noch ein eher ungewöhnlicher Begriff – tatsächlich auf uns zukommen wird.

Schon damals haben sich nach wenigen Monaten die ersten Problemfelder in unserem Bildungssystem – wollen wir es einmal so sagen – bemerkbar gemacht. Sie sind, wie durch eine Lupe hindurch, ganz, ganz deutlich sichtbar geworden. Es gibt im Bildungs­system viele Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, auch wenn man unterschiedliche Schultypen miteinander vergleicht oder die mangelnde technische Ausstattung der Schulen und Lehrkräfte bedenkt. Nicht in jeder Familie konnten die Eltern – bis heute nicht, muss man sagen – im erforderlichen Ausmaß als sozusagen Ersatzlehrkräfte fungieren – aus den unterschiedlichsten Gründen.

Dann kamen Lockdown zwei und drei, und bei denen hat man es dann mit den unter­schiedlichsten Varianten von Schichtbetrieb versucht: einmal wöchentlich, dann einmal täglich, dann ein paar Tage hintereinander so, ein paar so. Kaum hatten sich jedenfalls die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Eltern an eine Form des Lockdown­unter­richts gewöhnt, wurde wieder umgestellt. Einmal hieß es Maske am Gang, dann hieß es wieder Maske überall außer am Sitzplatz, dann gab es – vielleicht kann sich der eine oder andere noch daran erinnern – eine Coronaampel, die im Schulbereich, glaube ich, keine vier Wochen Gültigkeit hatte. Dann kam die Ampel wieder, aber mit einer zusätz­lichen Farbe – für die Schulen gilt ja überhaupt immer irgendwie etwas ganz anderes –, jetzt haben wir aktuell Risikostufen.

Jedes Mal – das muss ich wirklich betonen: jedes Mal! – erfuhren die Beteiligten, nämlich die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und die Schülerinnen und Schüler, das Wesent­liche aus Pressekonferenzen zumeist am Freitagnachmittag, wenn nicht sogar samstags oder sonntags.

Nun sind wir im vierten Lockdown, der sich, wenn man ehrlich ist – und wie wir es heute auch schon gehört haben –, bereits in den Sommerferien deutlichst angekündigt hat, zumindest wenn man auf die Expertinnen und Experten gehört hätte. Aber man hat ja die Pandemie, wie wir heute wissen, lieber für beendet erklärt, und das mehrfach.

Jetzt haben wir eine ganz neue Variante des Unterrichts, die, wie kann es anders sein, wieder einmal am Freitagmittag verkündet wurde. Man kann sich vorstellen, welch ge­schäftiges Treiben sich dann an den Schulen, an den pädagogischen Einrichtungen abgespielt hat. Man muss aber immerhin sagen: Zumindest darauf kann man sich mitt­lerweile wirklich verlassen. Die Schulen bleiben offen für alle, die kommen möchten, für


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alle, die kommen müssen, weil die Eltern berufstätig sind und keine Betreuungszeit mehr übrig haben, aber, und das hat der Herr Bundeskanzler auch gesagt, die Schüler sollten eigentlich zu Hause bleiben. Sie dürfen aber in die Schule, wenn sie das wollen. – Klingt wirklich toll, klingt wirklich super, aber die Frage ist: Wie sehen das die Betroffenen?

Das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung berichten: Die Lehrkräfte machen seit 22. No­vember – ich nenne es einmal so – Distance-Betreuungs-Präsenz-Lernen, also alles auf einmal, und können endlich, nach völlig entspannten 20 Monaten, wenn man das so sagen darf, zeigen, was sie organisatorisch und was sie multipädagogisch so drauf haben. Das klingt lustig, ist es aber ganz und gar nicht, denn die Lehrkräfte sind teilweise an ihrem Limit angelangt und stoßen tatsächlich an ihre Grenzen. Auch deshalb, weil sie zum Beispiel mit dem Führen von Listen, mit diversen Dokumentationen beschäftigt werden, und vor allen Dingen, und das ist in der derzeitigen Situation ganz besonders wichtig, weil sie mit der Aufarbeitung der wirklich herausfordernden Situation der Unter­stützung der Kinder mehr als beschäftigt sind.

Dann gibt es zahlreiche Fragen, die uns tagtäglich beschäftigen: Wie können wir uns wirklich vorbereiten, wenn wir eigentlich gar nicht wissen, wer wann die Schule besucht oder doch zu Hause bleibt? Die Schüler können sich ja in Wahrheit frei entscheiden, wie sie gerade Lust haben oder wie sie gerade möchten, dürfen oder müssen. Was darf dann wie beurteilt werden? – Auch das ist nicht wirklich klar kommuniziert worden. Wie schaut es aus, wenn dann doch Infektionen auftreten? Welche SchülerInnen müssen dann nach Hause, welche nicht? – Auch diesbezüglich hat es bis zuletzt immer wieder unklare Anweisungen gegeben und auch unklare Handlungen der Gesundheitsbehörden, muss man sagen.

Der Erlass, auf den wieder einmal das Wochenende lang gewartet werden musste, hat diese Klarheit noch reduziert. Er hat für die Praxis mehr Fragen aufgeworfen: was Schul­arbeiten betrifft, was die Beurteilung grundsätzlich betrifft, was beispielsweise auch das Mischen von verschiedenen Schülergruppen betrifft, in Deutschförderklassen, beim Gruppen­unterricht ganz allgemein. Was ist mit den Kindern, die in der Nachmittags­betreuung sind? Darf gemischt werden, darf nicht? Was ist mit dem gemeinsamen Mittagessen, wo sich dann unter Umständen SchülerInnen aus dem gesamten Schul­haus, aus allen Klassen treffen? Eigentlich ginge es ja darum, die Infektionsketten zu durchbrechen, aber vielleicht habe ich da irgendetwas missverstanden.

Manchmal kommt es mir persönlich so vor, als wüsste das Ministerium gar nicht, was es in den Schulen alles gibt, was da alles für Möglichkeiten vorkommen können.

Ja, und die Eltern haben nicht den Luxus, wie Sie es genannt haben, selbst entscheiden zu können, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken oder nicht, sondern in Wahrheit müssen sie – und das hat meine Vorrednerin schon genau ausgeführt – das geringere Übel wählen: Schicke ich mein Kind tatsächlich in die Schule und setze es dann auch der Gefahr aus, unter Umständen infiziert zu werden? – Wir dürfen nicht vergessen, auch Kinder haben Long Covid. – Lasse ich meine Kinder zu Hause oder nehme ich in Kauf, dass sie vielleicht Inhalte versäumen? Könnten ihnen dadurch in irgendeiner Form Nachteile erwachsen? – Schließlich dürfen wir nicht vergessen, es geht jetzt nicht nur um diese drei Wochen, wir haben ja inzwischen 21 Monate Pandemie hinter uns. – Kann ich mein Kind zu Hause überhaupt betreuen, oder habe ich unter Umständen das Kontin­gent an Sonderbetreuungszeit in Lockdown zwei und drei schon längst ausgeschöpft? Wie kann ich mir das mit dem Arbeitgeber ausmachen? – So schaut es tatsächlich aus.

Fast 21 Monate Pandemie haben wir jetzt hinter uns, und die Regierung hat es in Wahrheit bis heute nicht geschafft, auf Augenhöhe so mit den Schulpartnern – nämlich mit Eltern, Lehrern und Schülervertretern – und den ExpertInnen zu kommunizieren, sie so in Verhandlungen einzubinden, dass ganz klare und nachvollziehbare Maßnahmen


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und Handlungen gesetzt werden, die dann ganz selbstverständlich von allen mitgetragen werden können – und zwar Maßnahmen, die nicht noch mehr Fragen aufwerfen (Beifall bei der SPÖ), Maßnahmen, die nicht noch mehr Probleme verursachen, als sie in Wahr­heit lösen sollten. Aber nein, weiterhin wird über die Medien ausgerichtet, was am Mon­tag zu passieren hat.

Mir liegt vor allem eine Aussage am Herzen: Es ist nicht gelernt worden, weder aus Fehlern noch aus Best-Practice-Beispielen. An dieser Stelle möchte ich noch einmal die Stadt Traiskirchen als wirklich positives Beispiel hervorheben. Traiskirchen hat flächen­deckend für alle Schulklassen Luftfilter angeschafft, hat sich für die Zeit im Frühjahr und Sommer auch Methoden wie Freiluftklassen und vieles andere mehr überlegt, hat den Pädagoginnen und Pädagogen schon Masken zur Verfügung gestellt, da war im Minis­terium und auch in den Bildungsdirektionen in Wahrheit noch lange keine Rede davon.

Dann darf ich natürlich auch nicht vergessen, Wien lobend zu erwähnen: Da wurde recht­zeitig gehandelt, da wurde auch solidarisch gehandelt, zum Beispiel mit Alles gurgelt, das bis heute super funktioniert und bei dem auch die Ergebnisse rechtzeitig kommen, was in vielen anderen Bundesländern bis heute nicht der Fall ist. Ich glaube, so geht Krisenmanagement. So müsste es in ganz Österreich und in allen Schultypen, in allen Bildungseinrichtungen funktionieren, das tut es bis heute aber nicht, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Stattdessen hat man in Wahrheit die Schulautonomie vorgeschoben und Eltern wie Lehrkräfte mit der gesamten Problematik und vor allen Dingen mit ihrer Verantwortung völlig alleine gelassen. Fakt ist, das Virus konnte sich in den Schulen verbreiten – wir reden immerhin von einer Inzidenz von weit über 2 000 bei den unter 14-Jährigen –, und das Virus breitet sich weiter aus. Wie ist die Situation ganz aktuell? Ich kann Ihnen bestätigen und betonen, ich höre nicht nur davon, ich sehe es auch nicht nur, ich lese es nicht nur, sondern ich erlebe es auch tatsächlich tagtäglich.

Letzte Woche kam der von Ihnen angesprochene Beruhigungserlass oder wie auch im­mer. Zumindest kam eine Ankündigung, eine Erleichterung für die Schulen – Sie haben es angesprochen –, die zwei positiv getesteten Schüler, damit dann die Schule die gesamte Klasse relativ einfach in Quarantäne entlassen kann, ohne auf die Gesund­heitsbehörde warten zu müssen. (Bundesminister Faßmann: Nein!) Es ist aber in Wahrheit gar nicht möglich, zumindest sagt uns das die Bildungsdirektion in Niederöster­reich, da sind wir nämlich erst gestern ganz brandaktuell gemaßregelt worden, dass das mitnichten der Fall ist, sondern ganz normal, wie auch bis dato, auf die Ergebnisse der Gesundheitsbehörde gewartet werden muss – dementsprechend: auch hier Unklarhei­ten am laufenden Band.

Die digitalen Endgeräte, die Sie angesprochen haben, die dann auch einen etwaigen hybriden Unterricht ermöglichen würden: Auf die warten viele noch, auch meine Schule gehört da dazu. Wir haben bis heute noch kein einziges Gerät gesehen. Was mir in diesem Zusammenhang ebenso auffällt, ist eine absolut ungerechte Unterscheidung zwischen Berufsschulen und Pflichtschulen. Die Lehrkräfte an Berufsschulen kriegen flächendeckend Geräte zur Verfügung gestellt, in den Pflichtschulen ist das aber nicht der Fall, da kriegen nämlich nur drei Lehrer pro Klasse ein Gerät. Was ist mit den anderen? Sollen wir um die Geräte würfeln oder Roulette spielen? Wie auch immer, so viel zur Bildungsgerechtigkeit und Zurverfügungstellung der entsprechenden Infrastruk­tur.

Es ist auch sehr wenig im Hinblick auf Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter passiert, die es gerade jetzt in dieser Situation so dringend bräuchte. Es sind einfach nicht ge­nügend da, und die, die da sind, leisten ganz großartige Arbeit, sind aber bis über beide Ohren mit Arbeit und Aufarbeitung eingedeckt.


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Die Liste an Vergessenen wird länger – Kollegin Gruber-Pruner hat es auch schon ange­sprochen –: die Berufsschulen und Lehrlinge, die in Wahrheit gänzlich vom Radar ver­schwunden sind. Sie haben selbst in der Beantwortung der Fragen bestätigt: Es gibt kaum Statistiken über irgendetwas, was Berufsschulen betrifft. Man hat sie auch bei den digitalen Endgeräten nicht berücksichtigt, muss man sagen. Ich darf daran erinnern: Wir haben erst vor einiger Zeit im Bundesrat einen Antrag eingebracht, der auch beschlos­sen wurde, dem mehrheitlich zugestimmt wurde. Was ist inzwischen mit diesem Antrag zur Unterstützung der Lehrlinge passiert? Ich weiß davon bis heute nichts. Vielleicht können Sie uns diesbezüglich noch erhellen?

Die Lage der Studierenden hat meine Kollegin ebenfalls schon erwähnt, das kann ich auch relativ kurz fassen: Wichtig zu wissen oder sich in Erinnerung zu rufen ist, dass nicht alle Studierenden finanzielle Unterstützung der Eltern haben können und viele auf Studentenjobs angewiesen sind, die in der Pandemie reihenweise weggefallen sind. Die Studierenden selbst verlangen ein viel bedarfsgerechteres Beihilfensystem, dass zumin­dest ein bisschen eine finanzielle Unterstützung da ist, weil ein Studium ganz schwer zu finanzieren ist, muss man sagen, und der Druck natürlich ein dementsprechender ist.

Die Liste ließe sich jetzt noch lange fortsetzen, aber meine Redezeit ist natürlich auch beschränkt. Zusammenfassend müssen wir feststellen: Leidtragende sind die Kinder, Leidtragende sind die Jugendlichen, auf die gänzlich vergessen wurde. Für mich stellt sich die Frage: Was ist in der Zukunft? Das Virus wird sich in den nächsten Jahren nicht in Luft auflösen und wir werden wohl lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Wie soll das aber ausschauen, wenn wir jetzt nach eineinhalb Jahren Pandemie immer noch von einem Versuch in den nächsten stolpern? Darauf, glaube ich, gilt es jetzt deutlich und vermehrt zu schauen.

Wir wissen aus den unterschiedlichsten Studien und Berichten, dass auch ganz junge Menschen ganz enorm unter der instabilen Situation aufgrund der Pandemie leiden. Es fehlt seit Langem an geregelten, stabilen Tagesstrukturen. Es fehlt an Möglichkeiten, sich körperlich auszupowern, wenn man so möchte. Der Sportunterricht war einge­schränkt. Die Sportvereine sind vielfach nicht geöffnet gewesen. Es fehlt der Austausch mit den Freundinnen und Freunden. Es fehlt die Möglichkeit, sich jemandem anzuvertrauen, wenn es Probleme gibt, und vieles mehr.

Was war dann die traurige Konsequenz daraus? – Es sind Angstzustände und Depres­sionen, wir haben es heute schon gehört. Jugendliche sind seit Beginn der Pandemie um fast 80 Prozent häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als die Gesamt­bevölkerung. Das muss man sich einmal vorstellen. Wir haben heute leider auch schon von den tragischen Suizidversuchen gehört, von denen das AKH berichtet. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, es müssen auch schon Triagen angedacht werden. Dazu kommen noch orthopädische Auffälligkeiten, Haltungsschäden, Kopfschmerzen, Adipositas und vieles andere mehr, und dabei müsste uns eigentlich klar sein, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler die wichtigsten Grundlagen sind, damit sie auch wirklich den schulischen Anforderungen entsprechen können und schulische Leistungen abgerufen werden können.

Es geht um geeignete Maßnahmen, um Lerndefizite auszugleichen, die unter Um­ständen entstanden sind und die sich manifestiert haben. Es geht darum, ganz insge­samt Schule positiver erlebbar zu machen. Es geht darum, wie Schule zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler beitragen kann, denn wir wissen, ein intaktes Immunsystem wird natürlich besser mit Krankheitserregern fertig. Logischer Schluss daraus ist, dass es wichtig ist, zu überlegen, was Schule zur Gesundheit von SchülerInnen beitragen kann.

Aus diesem Grund bringe ich heute folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ge­sundheit von Schüler*innen fördern!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, Schritte zu setzen, mit denen folgende Maßnahmen um­gehend umgesetzt werden:

- Mehr Bewegungseinheiten (Umsetzung der ,täglichen Turnstunde‘)

- Investitionsinitiative hinsichtlich der Schaffung von Bewegungsräumen und attraktiver Schulgartengestaltung

- Einführung einer kostenlosen zusätzlichen Schulveranstaltung ,Gesundheitswoche‘

- Bereitstellung von Fachpersonal vor allem mehr Schulpsycholog*innen.“

*****

Ich weiß nicht mehr, wer in der letzten Sitzung gesagt hat – ich glaube, es war Kollegin Zwazl –, wir brauchen jetzt einen gemeinsamen Schulterschluss. Ich glaube, jetzt ist genau die Gelegenheit und besteht auch wirklich die Notwendigkeit dazu, denn ganz genau so ist es. Gehen wir diese Sache gemeinsam an! Sorgen wir jetzt für sichere Schulen, die dann auch tatsächlich in allen Situationen, die da noch kommen mögen, offen bleiben können! Sorgen wir dafür, dass auch in Zukunft unsere Kinder und Jugend­lichen gern, aber vor allen Dingen auch sicher und gesund in Kindergarten, Schule, Universität und so weiter gehen können!

Und ich frage Sie jetzt, Herr Bundesminister: Quo vadis, Bildungssystem der Zukunft?

In diesem Sinne hoffe ich auf Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.01


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Gesundheit von Schüler*innen fördern!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr das Wort.


20.01.41

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Geschätzte Zuschauer zu Hause! Kollegin Hahn, die Situation in Niederösterreich ist tatsächlich so, dass zum Beispiel die Kremser Schulen ihre Endgeräte bereits erhalten haben. (Bundesrätin Hahn: Wir haben kein einziges Gerät erhalten bis jetzt!) Bei dieser Dringlichen Anfrage werden aber so viele unterschiedliche Themen vermischt, und ich will mich definitiv hier nicht wiederholen, weil wir ja am Vormittag auch schon umfassend und ausführlich über die Schulen diskutiert haben. Außerdem: Diese wertschätzende und ausführliche Behandlung und Beantwortung der Fragen durch unseren Bundes­minister würden es sogar notwendig machen, dass ich jetzt meine Rede zurückziehe. Ich möchte aber dennoch einen Schwerpunkt auf zwei Themen legen, die, denke ich, jetzt ein bisschen zu kurz gekommen sind, und zwar richte ich meinen Fokus auf die Elementarpädagogik und auf die Hochschulen.


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Sie sprechen ja in Ihrer Anfrage davon, dass in den Debatten die Bereiche der Elemen­tarpädagogik und der Hochschulen zumindest „ausgeblendet“ wurden, und Sie schrei­ben auch richtig, dass diese – genauso wie unsere Schulen – „integraler Bestandteil unserer Bildungslandschaft“ sind. Ja, da gebe ich Ihnen recht, aber was dabei an­scheinend vergessen wird – und wir haben es auch gehört –, ist die Autonomie unserer Hochschulen, was auch bedeutet, dass an den Hochschulen die Rektorate und Kolle­giumsleitungen autonom über die Regeln für den Studienbetrieb bestimmen können.

Zur Elementarpädagogik: Die Elementarbildung innerhalb des föderalen Systems in Österreich liegt in der Verantwortung der Länder. So unterschiedlich wie die österreichi­sche Bildungslandschaft ist, ist aber zum Beispiel auch unsere Hochschullandschaft und sind auch die Bedürfnisse unserer Studierenden an den jeweiligen Standorten. Auch die pandemische Situation in den einzelnen Bundesländern ist eine sehr unterschiedliche. Daher ist es so wichtig, dass die Entscheidungen über den Betrieb in Zeiten der Pan­demie lokal getroffen werden.

Und ja, die vergangenen 20 Monate haben uns alle gefordert, zweifelsohne auch das Kindergartenpersonal, und deshalb wurden in den Lockdownphasen beispielsweise in Niederösterreich die bereits mit einem sehr guten Betreuungsschlüssel ausgestatteten Gruppen noch weiter verkleinert, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Darüber hinaus war Niederösterreich bei Schleckertests Vorreiter, und Niederösterreich hat damit eine wichtige Maßnahme für mehr Sicherheit in der Elementarpädagogik gesetzt. 73 Pro­zent aller Kindergartenkinder in Niederösterreich machen dabei auch freiwillig mit Zu­stimmung der Eltern mit, zwei bis drei Mal wöchentlich, und leisten damit wirklich einen sehr wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung.

Diese Bedingungen dürften aber nicht in allen Bundesländern so optimal sein, sonst wäre es auch nicht der Fall, dass es in Wien – und ausschließlich in Wien – zu Streiks von Personal der Wiener Kindergärten kommt, das für bessere Arbeitsbedingungen demonstriert. Die Liste der dortigen Missstände ist anscheinend lang (Bundesrat Bader: Oh?), die Wertschätzung für die Elementarpädagogik anscheinend gering. (Bundesrat Bader: Oh?) Kollegin Gruber-Pruner, ich hoffe, Sie sind noch immer stolz, Wiener Bundesrätin zu sein. (Bundesrätin Grimling: Ja! Ja, sind wir!)

Zum zweiten Punkt, zu den Hochschulen: Auch da hat es natürlich radikale Verän­de­rungen gegeben, beispielsweise die Umstellung auf den hybriden Modus, neue Lehrfor­men, insbesondere auch Blended Learning, den Einsatz von Collaborationtools. De facto, und wir haben es schon gehört, ist der Präsenzunterricht aber nie zur Gänze eingestellt worden, weil das ja teilweise auch gar nicht geht. Das hängt natürlich auch von den Lehrveranstaltungen ab, Laborbetrieb funktioniert halt einfach nur physisch und vor Ort.

Somit wurde auch sichergestellt, dass es zu keinen Verzögerungen kommt, weder bei den Prüfungen noch bei den Lehrveranstaltungen, damit unsere Studierenden keine Studierendenzeit verlieren.

Wir haben an den Kremser Hochschulen auch eine Studie durchgeführt, und da zeigt sich ein ganz klares Ergebnis, nämlich dass die Studierenden einer Umstellung auf diesen hybriden Modus auch ganz offen gegenüberstehen. Und wenn sie klagen, dann sicherlich nicht über die Durchführung des Unterrichts, sondern vielleicht allenfalls über die Qualität. Ich bin selber seit 20 Jahren im Hochschulwesen tätig, und es liegt in meiner Verantwortung, den Studierenden die Qualität zu bieten, die sie auch verdient haben; dafür ist definitiv nicht die Politik zuständig.

Die Akzeptanz und das Verständnis der Studierenden für die Notwendigkeit dieser neuen Lehrformen im Zuge von Distancelearning ist hoch, und auch diese Mischform, eben Blended Learning, findet bei den Studierenden Anklang. Die Umfrage hat auch


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gezeigt, dass sie Blended Learning gerne auch in Zukunft beibehalten möchten. Den­noch freue ich mich, meine Studierenden wieder vermehrt im Hörsaal physisch anzu­treffen, weil ja auch die informellen Gespräche zwischendurch ganz, ganz wichtig sind.

Und weil das auch noch angesprochen wurde: Keine Sorge, wir brauchen keine Gut­scheine für Weiterbildungsangebote. Die Anmeldezahlen sind sehr, sehr hoch, zumin­dest bei uns an den Hochschulen in Krems.

Zum Abschluss ist es mir noch wichtig, eines zu sagen: Sie schreiben in Ihrer Anfrage von „Unsicherheit über die Zukunft“. Das passendere Wort wäre hier vermutlich Hoff­nung: Hoffnung, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, denn die Impfung ist die Exitstrategie aus der Pandemie. Und wenn Sie Sicherheit möchten, dann ist es genau das, was ich Ihnen mit Sicherheit sagen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.08


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.


20.08.27

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bildungs­minis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Auch als Vertreter einer Oppositionspartei darf ich einmal Danke für eine wirklich ordentliche Anfragebeantwortung sagen – so wie wir es aber von Ihnen, Herr Bundesminister, eigentlich ohnedies gewohnt sind, denn immer wenn Sie zur Beantwortung einer Dringlichen Anfrage hierhergekommen sind, war das vorbereitet, gut beantwortet – ganz im Unterschied zu den übrigen Regierungsmit­glie­dern, denn wir haben heute auch schon eine andere Anfragebeantwortung erlebt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, ich sage, es ist ein herausragender Unterschied, und ich glaube, das merken alle, das merken nicht nur wir. Man kann eine Anfrage eben so oder so beantworten. Deswegen darf ich auch wirklich ein ehrliches Danke für diese Beantwortung sagen.

Ich bin aber nicht nur hier, um zu loben, denn alles war jetzt nicht das Gelbe vom Ei, wie man so schön sagt. Es gibt einige Dinge, die trotzdem verbesserungswürdig sind. Die Schulen sind offen geblieben, wie Sie es gesagt haben, aber die Verantwortung auf die Eltern abzuschieben, das hat, glaube ich, zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft geführt.

Und wie Sie sagen, die Schulen sind sicher, wir haben so gut wie keine Übertragungen oder Ansteckungen, und von den Kindern, die positiv getestet worden sind, sind die meisten oder der Großteil davon asymptomatisch und nicht schwer erkrankt, zum Glück nicht.

Was wir in den Schulen auch haben, das ist ein Maskenchaos. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Keine Maskenpflicht im Unterricht“ auf das Rednerpult.) Sie haben das selbst mitbekommen, niemand hat sich mehr ausgekannt. Ich glaube, es gab auch eine Stellungnahme von Ihnen dazu, die nicht zu der zu diesem Zeitpunkt oder an diesem Tag geltenden Verordnung gepasst hat. Wer arbeitet, macht Fehler, und ich sage, auch dieser Maskenzwang im Unterricht ist unserer Meinung ein Fehler. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Masken im Unterricht, Masken bei Schularbeiten, Masken im Sportunterricht, das ist etwas, mit dem Kinder nicht mehr umgehen können, und das ist etwas, was wirklich völlig sinn­los ist. Im Budget für das neue Jahr haben wir wieder diese Masken drinnen. Heuer haben wir 104,9 Millionen Euro dafür vorgesehen, für das kommende Jahr werden 238 Millionen Euro dafür veranschlagt. Das bedeutet, dass dieses Maskenregime weitergeführt wird.


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Aus diesem Grund möchte ich hier an dieser Stelle folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Mas­kenzwang im Unterricht“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, die sofortige Aufhebung der Maskenpflicht im Unterricht anzuordnen.“

*****

Sie haben es vorhin selbst erwähnt, es wurden in einigen Schulen bereits Raum­luft­reiniger übergeben. Es gibt die Möglichkeit der Trennwände, und ich sage, es ist alles besser als diese Maskenpflicht. Mein eigener Sohn ist acht Jahre alt. Wir reden über dieses Thema zu Hause so gut wie nicht, weil wir versuchen, dieses Thema draußen zu lassen, es belastet die Gesellschaft eh schon zur Genüge, aber wenn er von der Schule nach Hause kommt und sagt: Papa, mein Hals ist so kratzig, meine Lippen sind offen, weil ich die ganze Zeit diese Maske tragen muss!, dann tut mir das Kind leid. Und das ist nicht nur meiner, das sind Tausende Kinder, die mir leidtun, weil sie mit dieser Maske gequält werden, wobei sie so gut wie nicht erkranken und es viele, viele andere Mög­lichkeiten zum Schutz gibt.

Ich darf Sie wirklich bitten und ersuchen, Herr Bundesminister, hier für eine Änderung, für eine Verbesserung für unsere Kinder zu sorgen, denn ich glaube, diese Verbes­se­rung haben sie sich nach rund zwei Jahren Coronapandemie wirklich verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Onlineunterricht wurde sehr schön dargestellt, in Wirklichkeit schaut es aber für die Kinder im Land bei diesem Onlineunterricht nicht ganz so schön aus. Es gibt keine einheitlichen Plattformen, wo sich das Kind etwas herunterladen kann. Es gibt unzählige verschiedene Webseiten, weil jede Lehrerin mit anderen Unterlagen arbeitet, wo sie sich da ein Zetterl herunterladen können, da ein Zetterl herunterladen können. In Wahrheit sind sie ohne die Hilfe der Eltern völlig überfordert, und auch die Eltern sind großteils überfordert, diesen World-Wide-Web-Dschungel im Bereich des Distancelearnings, des Onlinelernens zu durchblicken. Ich sage, auch da hätten wir Verbesserungsbedarf, dem nachzukommen ich mir wünschen würde.

Abschließend, Herr Bundesminister: Eine Sache ist mir wirklich ein Dorn im Auge, näm­lich diese Zettel (Zettel in die Höhe haltend), die in Ihren Schulen vom Sozialministerium verteilt werden, mit denen man Kinder mit fünf oder mit sechs Jahren bereits animiert, zur Impfung zu gehen, mit wunderschönen Bildgeschichten. Das ist etwas, was mir wirklich ein Dorn im Auge ist. Da gibt es ein ganzes Konvolut dazu. Diese zwei Zettel darf ich Ihnen jetzt im Anschluss übergeben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Leinfellner übergibt Bundesminister Faßmann die angesprochenen Zettel.)

20.14


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „kein Maskenzwang im Unterricht“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 192

20.14.45

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich beschränke mich in meinem knappen Beitrag auf das Thema Universitäten und Hochschulen.

An Universitäten als tertiärer Bildungsstätte haben wir es ja mit bereits erwachsenen und selbstverantwortlichen Studierenden zu tun. Insofern ist das ein großer Unterschied zu der Situation in Schulen und Kindergärten, aber trotzdem, es ist nicht einfach für viele Studierende. Der Studiendruck ist ohnehin sehr hoch. Natürlich sind die sozialen Kon­takte wichtig, der Austausch mit Mitstudierenden, die gegenseitige Hilfe im Studium, die gemeinsamen Debatten zu gesellschaftlichen Themen und nicht zuletzt das Engage­ment in der Hochschülerschaft. All das leidet natürlich, keine Frage.

Viele Studierende haben auch nur bedingt Möglichkeiten, zu Hause in Ruhe arbeiten zu können; leider betrifft das gerade Studierende, die aus finanziell nicht so wohlhabenden Verhältnissen kommen. Für sie ist das Studieren noch schwieriger geworden. Besonders problematisch ist es sicher für Studierende, die Strukturen brauchen, um erfolgreich sein zu können.

Es gilt also, und das geschieht ja auch – ich komme gleich darauf zu sprechen –, zu überlegen: Was kann man trotz der notwendigen Pandemiemaßnahmen tun, um die Studierenden bestmöglich zu unterstützen? Wir haben es schon gehört, prinzipiell ob­liegt es den Universitäten und Hochschulen, wie sie das Coronamanagement ansetzen, um jeweils auf die spezifische Situation zu reagieren.

Ich nehme ein Beispiel heraus, die Universität Innsbruck, das kann man auf der Home­page nachlesen: Da gilt die 3G-Regel für den Zugang. Es gibt Maskenpflicht im Hörsaal. Die Uni bietet wöchentlich einen Impftermin an und mehrfach in der Woche auch Test­möglichkeiten, die, das haben wir gehört, vom Bund unterstützt und finanziert werden. Alle Räume an der Universität sind zugänglich, vor allem auch die Universitätsbibliothek, was besonders wichtig ist. Die Lehrveranstaltungen werden gemischt angeboten, teils online, teils hybrid und natürlich auch in Präsenz.

Es gibt österreichweit einen Härtefonds für Studierende, der gemeinsam von der Hoch­schülerschaft – auch da große Anerkennung an die ÖH, denn so dick haben sie das Geld auch wieder nicht, aber sie machen das – und dem Wissenschaftsministerium finanziert wird. 800 Euro können sich da Studentinnen und Studenten holen, natürlich nach Stellen eines Antrages mit entsprechender Begründung.

Es gibt Erleichterungen in Bezug auf das Stipendium. Wenn ein Studienerfolg durch Covid-bedingte Einschränkungen behindert wird, wird der Anspruch auf Studienförde­rung verlängert; die Mittel dafür sind seitens des Ministeriums auch entsprechend erhöht worden.

Es gibt direkte Mittel des Bundes und der Länder für die Unis zur Bewältigung der Krise. Dazu gehören Unterstützungen für die Digitalisierung beispielsweise – ein besonders wichtiger Punkt –, um Onlinevorlesungen und Hybridvorlesungen auch abhalten zu kön­nen.

Gehört haben wir auch bereits von erweiterten psychologischen Unterstützungen an den Universitäten.

Klar, all das kann den Normalbetrieb nicht ersetzen, natürlich wären mehr Mittel willkom­men, aber immerhin, es wird der Betrieb aufrechterhalten. Das weiß ich auch aus eigener Erfahrung aus meinem Lehrauftrag an einer Fachhochschule. Da habe ich meine Vorlesungen in einem Hybridmodus abgehalten, ein Teil der Studierenden war online anwesend, also zu Hause, ein Teil im Hörsaal, mit entsprechenden Abständen. Das ist


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kein Wunschzustand, aber es ist gegangen, und man kann die gesamte Wissensver­mitt­lung aufrechterhalten und den Studienplan auch erfüllen.

Viele schätzen das sehr, mögen das auch sehr gerne. Meine Tochter zum Beispiel stu­diert an einer Fachhochschule, wo ein großer Teil der Vorlesungen online abgehalten wird, und sie schätzt das sehr. Da gibt es ganz unterschiedliche Zugänge, und ich glaube, dass es so sein wird, dass auch in Zukunft, wenn die Pandemie vorbei ist, ein Teil online abgehalten werden kann, weil das für viele eine Erleichterung ist, weil der Weg an die Universität erspart wird, und auch für zwischendurch, für Abstimmungen und so weiter ist das wirklich eine sehr praktische Sache.

Aber es ist klar, wir alle wünschen uns eine planbare Perspektive. Das beste Mittel, auch ich möchte das betonen, ist eine Durchimpfung. Übrigens haben die Studierenden eine besonders hohe Durchimpfungsrate, was für deren Verantwortung spricht.

Wir brauchen aber eine Durchimpfung der ganzen Bevölkerung, denn nur so können wir auch die Universitäten wieder komplett öffnen und zur Präsenzlehre übergehen. Das wiederum ist eine gemeinsame Verantwortung, und daher möchte auch ich aufrufen: Lassen Sie sich impfen, zum Beispiel aus Solidarität mit den vielen Studierenden in Österreich! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.20


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. Ich erteile ihm das Wort.


20.20.35

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zusehe­rinnen und Zuseher im Hauptabendprogramm, falls Sie noch via Livestream dabei sind! Zwei Dinge, Herr Minister, muss ich Ihnen vorweg mitgeben: Ich schließe mich Kollegen Leinfellner – er ist gerade nicht da – an, Sie haben sich wirklich die Mühe gemacht, diese Anfrage seriös zu beantworten, und dafür möchte ich Danke sagen. Und eines möchte ich auch noch einmal anbringen: Ich bin mir sicher, Sie sind kein Türkiser, und das ist am heutigen Tag wichtig. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bun­des­rates Arlamovsky.)

Ganz ehrlich, am heutigen, innenpolitisch turbulenten Tag muss ich den Österreicherin­nen und Österreichern und allen, die hier leben, schon eines sagen: Österreich hat sich mehr verdient als dieses Regierungschaos, diese politische Selbstbeschäftigung der Regierung, Österreich kann mehr und Österreich hat sich mehr verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Noch ein kleiner Exkurs, weil die Erfahrung aus dem Unterrichtsausschuss ja zum Bil­dungsminister und ein bisschen zur heutigen Aktuellen Stunde passt: Ich möchte schon den Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen draußen sowie allen Eltern erzählen, was vor zwei Tagen im Unterrichtsausschuss los war, und zwar zu unserem Antrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen und Pädagogen, zum Beispiel durch kleinere Gruppen und bessere Bezahlung, zu unter dem Strich einer qualitativ besseren Betreuung der Kinder in unserem Land. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister schreien schon nach Hilfe, die Gemeinden werben sich gegenseitig die Pädagoginnen und Pädagogen ab – das muss man sich einmal vorstellen!

Damit das jetzt auch alle draußen wissen, die, die demonstrieren gegangen sind, die Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen, die Eltern, die Kinder (Ruf: Die Wähler!) – absolut richtig –, die Wählerinnen und Wähler: Die ÖVP und die Grünen haben diesen konstruktiven Vorschlag der SPÖ abgelehnt! Die ÖVP ist gegen eine bessere Bezahlung, sie ist gegen eine bessere Betreuungsqualität, und das ist schade.


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Es ist schade, und es erinnert mich ein bisschen an die Chats, in denen es darum ging, dass 1,2 Milliarden Euro in den Sand gesetzt worden sind, dass sabotiert worden ist. Das wäre ein erfolgreiches Modell von Mitterlehner und Kern gewesen – schade. An dieser Stelle möchte ich aber natürlich dem Ex-ÖVP-Obmann und seiner Familie alles Gute für die Zukunft wünschen, aber, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte der ÖVP und der Grünen: Der Weg ist frei! Ich sage Ihnen, der Weg ist frei für eine anständige Familien- und Bildungspolitik, Sie müssen sich jetzt nicht mehr an das Kommando der türkisen Truppe halten, denn diese ist ja offenbar Geschichte, oder? – Das muss man einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich verstehe, dass die Leute in unserem Land der Politik nicht mehr wirklich vertrauen. Jetzt braucht es Menschen, die das Richtige tun, und jetzt kommen wir auch zum Thema der Aktuellen Stunde. Ich sage immer: Das bringt mich zu den Menschen, zu den wahren Krisenmanagern in den Bildungseinrichtungen, und das sind die Lehrerinnen und Lehrer, die Direktorinnen und Direktoren gemeinsam mit den Eltern und den Schülerinnen und Schülern. Sie haben diese Krise gemanagt, sie haben diesen sogenannten Hybridunter­richt möglich gemacht und sie haben sich an dieser Stelle einen Applaus verdient! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Steiner-Wieser und Arlamovsky.)

Ich habe mir heute vorgenommen, die konstruktiven Vorschläge extra hervorzuheben, damit es dann nicht wieder heißt: Die Opposition jammert nur! Ihr seid ja immer nur dagegen, im Nachhinein ist man gescheiter, ihr sucht ja nur irgendeinen Schuldigen! – Kollege Bader, am heutigen Tag war Sonderlandtag in Salzburg, und ich muss es dem Landeshauptmann hoch anrechnen, dass er eingesehen hat, dass es in Salzburg im Sommer Versäumnisse gegeben hat. Darin ist er Ihnen voraus, Kollege Bader! (Beifall bei der SPÖ.)

Karoline Edtstadler, Ihre Ministerin, hat wortwörtlich gesagt: „Kritik muss möglich sein“. – Ja, das ist richtig – um besser zu werden! (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Ja, man sollte aus Fehlern lernen und besser werden, um Schuld nicht die ganze Zeit bei den anderen politischen Parteien oder irgendjemandem draußen in der Bevölkerung zu suchen. Liebe ÖVP, zeigt nicht immer mit dem Finger auf andere, auch wenn ihr bera­tungsresistent seid! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Danke, David!) Aus Fehlern zu lernen ist der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung. – Das ist der Tipp Nummer eins. (Zwi­schenrufe der BundesrätInnen Bader und Zwazl.)

Schauen wir uns das einmal genau an: aus Fehlern lernen. Wir schreiben den 18.11.: Ankündigung Lockdown. Kommt er? Kommt er nicht? Er wird von Oberösterreich nach Salzburg angekündigt, es ist der Tag der eigentlichen Selbstaufgabe der Regierung. Schlimmer geht es in der Kommunikation eigentlich nicht, das muss man ehrlich sagen, das ist die Wahrheit. Innerhalb von 6 Stunden wird vom Landeshauptmann zum Bil­dungs­minister ausgerichtet: Schulen offen, zu, offen, zu – gefühlte zehn Mal –, und eigentlich hätte man es besser wissen müssen. Vierter Lockdown: Alle Expertinnen und Experten sagen, da kommt im Herbst und Winter etwas auf uns zu, wir sollten uns vorbereiten. Und dann ist man wirklich dazu in der Lage, dass man sich das entsprechend unprofes­sionell über die Öffentlichkeit ausrichtet. – Man muss, glaube ich, einsehen, dass das besser hätte gemacht werden können. (Bundesminister Faßmann nickt.)

Da muss ich ganz ehrlich sagen – das wäre der Tipp Nummer zwei –: Es ist ja nicht so, dass Corona vor drei Wochen um die Ecke gebogen ist – leider nein, diese Krankheit und die Pandemie halten uns leider schon länger in Schach. Tipp Nummer zwei wäre also eine ordentliche Kommunikation. Da werden Sie mir recht geben.

Was folgt dann? – Der 24. November, eine Salzburger Tageszeitung titelt: „Jede Schule muss ihr eigenes Süppchen kochen.“ Ihre Parteikollegin, Bildungslandesrätin Gutschi, will komplett auf Distancelearning umstellen, Sie wollen die Schulen Gott sei Dank offen


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halten – dafür möchte ich mich bedanken. Die Landesrätin möchte sie zumachen, die Verantwortung wird schlussendlich an die Eltern abgeschoben, und das hätte auch nicht passieren sollen – das muss man sich ehrlich eingestehen.

Management by Chaos: kein gutes Rezept in der Krise. Wir stehen da und haben wieder dasselbe wie im letzten Sommer  leider zum zweiten Mal verschlafen. Man hätte sich besser vorbereiten können.

Das bringt mich zu Punkt drei: Eine ordentliche, einheitliche Strategie braucht es in der Krise, um das dann Punkt für Punkt – unter Anführungszeichen – „militärisch“ abzuar­beiten, wie es in einer Krise sein soll. Und das bringt mich zu drei zentralen Fragen: Wie geht es den Schülerinnen und Schülern? Wie geht es den Studentinnen und Studenten? Wie geht es den Lehrlingen wirklich, jenen, die motiviert sind, etwas zu schaffen, etwas weiterzubringen, die sich nach einem – wir haben es heute schon oft gehört – normalen Leben sehnen, auch nach dem Lernen sehnen, nach dem ersten Freund, der ersten Freundin oder danach sehnen, einfach einmal fortzugehen?

An Kollegen Gross – er ist gerade nicht im Saal –: Ich habe vor diesem Plenartag mit einigen Studenten gesprochen, und die haben mir gesagt: Das Studienleben ist nicht so rosig. Das sind Studenten, die sich meistens in der Gastro etwas dazuverdienen muss­ten, um durch das Studium zu kommen, um sich etwas für das tägliche Leben dazuzu­verdienen. Das Hauptproblem ist aber immer noch, dass es keine einheitliche digitale Lehre gibt, dass es Vorlesungen gibt, die nicht darauf ausgelegt sind, und manche Kurse leider auch gar nicht stattfinden. Da muss man besser werden, da muss man in die Gänge kommen – da werden Sie mir recht geben!

Zu denen, die einen Lehrabschluss machen wollen und eine Lehrstelle finden müssen: Ja, da könnten Sie einmal mit Ihrem Kollegen Blümel reden (Bundesrätin Schumann: Den gibt’s nimmer mehr! ...!), um mehr Geld für die Gemeinden zur Verfügung zu stellen, zusätzliche Lehrstellen in den Gemeinden einzurichten und dann wirklich aktiv etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu unternehmen. Das wäre etwas, das sie tun können, wenn Ihnen die Jugend am Herzen liegt!

Zu den Schülerinnen und Schülern, die für die Matura lernen oder das unter diesen Umständen zumindest probieren, die sich nach der Matura zum ersten Mal auf eigene Füße stellen oder vielleicht studieren: Geben Sie – Tipp Nummer vier – diesen jungen motivierten Menschen, die unser Land weiterbringen wollen, endlich eine echte Per­spektive!

Wie kann man das Lehrpersonal – haben wir heute schon oft gehört – unterstützen? – Mehr Personal, besonders auch auf der Verwaltungsebene. Schuldirektorinnen und -direktoren, das werden Sie wahrscheinlich täglich hören, sind schon mit so viel Büro­kratie überlastet, müssen dann vielleicht noch supplieren. Bitte schieben Sie den Ball nicht wie so oft zwischen Gemeinden und Ländern hin und her, machen Sie da mehr Budgetmittel locker, um die Schulen auch wirklich zu unterstützen, natürlich auch mit besserer Ausstattung! Sie haben schon den ersten Schritt gemacht, aber ein Laptop für drei, seien wir uns ehrlich, das ist zu wenig, es sollten drei für drei sein. Es ist in jeder Firma so, wenn man in einem Bürojob anfängt, dass jeder seinen Laptop bekommt.

Ich sage Ihnen, Tipp Nummer fünf: investieren. Sie sind dabei, aber bitte weitermachen, investieren, investieren, investieren, in die Schulen, in mehr Personal, in mehr Ausstat­tung!

Wie geht es den Eltern? Wie schaut die Lebensrealität draußen aus? – Diese Fragen muss man sich stellen. Das Homeschooling, die Telearbeit, die Doppel- und Dreifach­belastung: Ich habe mit vielen Bekannten und Freunden in meinem Umfeld, die Eltern sind, gesprochen, das ist die Realität. Die rutschen ja quasi aus, im wahrsten Sinne des


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Wortes, am Vorzimmerboden zwischen Waschmaschine, Küchenarbeit, vielleicht noch etwas einkaufen gehen, Homeschooling und dem Videomeeting.

Vielleicht ist Ihnen jetzt bei diesen drei zentralen Fragen etwas aufgefallen. Die drei zentralen Fragen: Wie geht es den Lehrern? Wie geht es den Schülern, Studenten und Lehrlingen? Wie geht es den Eltern? Wir sind vor exakt zehn Monaten und fünf Tagen genau hier gestanden und haben versucht, gemeinsam diese Fragen zu beantworten. Leider: Es hat sich schon ein bisschen etwas getan, da gebe ich Ihnen recht, aber zu wenig – zu wenig! Es hat sich zu wenig getan, vor allem war es nicht sehr förderlich, im Sommer zu plakatieren: Die Pandemie ist gemeistert – ein Versprechen, das gebrochen worden ist, und so verlieren wir natürlich das Vertrauen der Menschen. Das ist nicht gut, sage ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte noch einmal zu den Krisenmanagern in den Schulen kommen, den Lehrern, den Direktoren, den Eltern und den Schülern, und möchte ihnen noch einmal ganz herzlich danken. Wir müssen diesen permanenten Krisenmodus, da sind wir uns alle einig, beenden, wir müssen aus dieser Krise kommen, und das geht nur, wenn ein Umdenken passiert. Das geht auch nur mit neuen Kräfteverhältnissen und einer starken Sozialdemokratie.

Es geht darum, dieses Land nachhaltig aufzustellen, damit wir nicht im nächsten Winter wieder so dastehen. Wir müssen das Land nachhaltig aufstellen, in die Schulen, in die Krankenhäuser investieren. Es braucht Gerechtigkeit für unser Land und für die Men­schen. Ich sage eines: Österreich kann mehr und hat sich mehr verdient. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

20.33


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.


20.33.17

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream, wenn sie uns noch zuschauen und zuhören! Ich möchte mich zuerst auch sehr für Ihre wertschätzende, umfassende und kompetente Anfragebeantwortung bedanken. Wie Kollegin Berger-Grabner schon gesagt hat, für mich war es klar und wir hätten an sich die Debatte jetzt gar nicht mehr gebraucht, aber es ist sehr interessant, welche Standpunkte sich hier noch darstellen.

Es war, bis Kollege Egger gekommen ist, auch eine sehr solide, konstruktive Debatte. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ja, Kollege Egger da gebe ich dir recht, Österreich kann mehr als gegenseitige Schuldzuweisung, die du jetzt wieder gemacht hast. (Bundesrätin Schumann: Bitte, ihr zerlegts euch gerade! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Du hast heute auch den Sonderlandtag in Salzburg erwähnt. Wie du dann natürlich von deinen Kolleginnen und Kollegen erfahren hast, hat unser Landeshauptmann gesagt: Ja, es war richtig, er hat nicht alles richtig gemacht, es sind Fehler passiert und manches wurde falsch eingeschätzt. Er hat dann aber auch gesagt: Reichen wir einander die Hände (die Bundesrätinnen Grimling und Schumann – erheitert –: Jo!), leben wir vor, dass die Überwindung der Pandemie nicht durch Streit und Spaltung erschwert werden muss, sondern durch gemeinsames, kraftvolles Agieren bewältigt werden kann. (Neuerliche Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Darum bitte ich Sie: das Gemeinsame gegen das Trennende zu setzen. Als ich vor einem Jahr die Ehre hatte, als Präsidentin hier zu sein, habe ich mich wirklich bemüht, diese Gemeinsamkeit auch zu leben. Es ist mir leider in vielen Bereichen nicht gelungen. Ich


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gebe aber nicht auf, ich bitte Sie jetzt alle um diese Gemeinsamkeit, um aus der Pan­demie herauszukommen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Ja, das kennen wir schon!)

Ja, Bildung ist der Schlüssel zu allem. Ich weiß es selber, ich bin selber ein Kind dieser Bildung, denn auch ich hatte die Möglichkeit, auf eine Universität zu gehen und eine fundierte Ausbildung zu erhalten, und habe auch dadurch bis jetzt ein für mich gutes Leben führen können. Bildung ist uns als ÖVP wichtig, daher vielen Dank nochmals für diese umfassende Beantwortung. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Wir haben heute alle gesagt, es war und ist uns das Wichtigste, dass wir die Schulen offen halten, denn wir leiden ja alle unter der Pandemie. Wir haben heute schon gehört, der eigentliche Feind ist nicht die Bundesregierung, ist nicht eine Expertin, ein Experte, sondern es ist das Virus. Das gilt es, gemeinsam mithilfe konstruktiver Vorschläge zu bekämpfen. Wer also ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein – auch das möchte ich heute wieder einmal einbringen.

Sie haben recht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, die Kinder und Jugend­lichen haben sehr darunter gelitten. Ihre psychische Gesundheit leidet, auch das haben wir schon länger erkannt. Wir haben auf die Expertinnen und Experten gehört. Wir wissen um die schwierige Situation in den Familien. Glauben Sie mir, auch uns und mich haben viele, viele Anrufe erreicht! Ich habe mit vielen Menschen gesprochen. Wir kennen die Situation dieses Homeschoolings, der beengten Räume zu Hause ohne Möglichkeit, wegzugehen, alleinerziehend zu sein. Daher war es ja so wichtig, die Schulen offen zu halten.

Vielen Dank, Herr Bundesminister, für das Einstehen für die offenen Schulen, denn wir wissen ja, gerade im Schulbereich war das Infektionsgeschehen schon sehr, sehr hoch, und es hat einiges an Überzeugungsarbeit bedurft, damit die Schulen offen geblieben sind. Dieses kontinuierliche Offenhalten hat funktioniert und auch das Präventionskon­zept hat funktioniert.

Mein Mann ist HTL-Lehrer und meine Tochter ist AHS-Lehrerin. Ich habe also doch ein bisschen Ahnung, was in den Schulen so abgeht. Meine jüngere Tochter geht auf die Uni, vor nicht allzu langer Zeit war sie auch noch im Schulbetrieb, ich war Elternver­tre­terin. Uns war es immer wichtig, gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern für die Kinder, für die Jugendlichen zu sorgen. Jetzt, in dieser Pandemie, rede ich auch mit vielen Lehrerinnen und Lehrern. Sie sagen, das Wichtigste ist, dass man eine Strategie hat, dass man in die gleiche Richtung arbeitet. (Zwischenruf des Bundesrates Egger.) Daran wird ja in den letzten Monaten vom Bund, von den Ländern intensivst gearbeitet, dass wir dieses gute Bildungssystem – da bin ich nicht Ihrer Meinung und stimme dem, was Sie gesagt haben, nicht zu, ich finde, wir haben ein funktionierendes, ein gutes Bildungssystem – aufrechterhalten.

Danke auch für die Beantwortung in Sachen PC und Internetanbindungen. Auch ich habe da sehr gute Erfahrungen gemacht. In Salzburg sind wir gut ausgestattet, es funk­tioniert auch der kontinuierliche Roll-out, und auch mit der Software geht es wirklich ständig bergan. Da war die Pandemie natürlich ein Booster, kann man sagen, für digitale Fitness für alle, für die Jugendlichen, für die Kinder, aber auch für die Lehrerinnen und Lehrer.

Ganz entscheidend, liebe Kolleginnen und Kollegen, war das Testsystem, das wir in Österreich auf den Weg gebracht haben. Der Herr Bundesminister hat es schon gesagt: In den Schulen hat es immer gut funktioniert. Es war von Anfang an ein gutes und kompaktes Testsystem, noch dazu jetzt begleitet von der Abwasseranalytik. Seit Februar haben wir die Antigentests in den Schulen flächendeckend eingeführt und seit Septem­ber die PCR-Tests. Das funktioniert, das weiß ich von meinem Mann, das weiß ich von


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meiner Tochter. Ich glaube, wir können wirklich stolz darauf sein, was hier vom Bildungs­ministerium auf den Weg gebracht wurde. Darum beneiden uns alle in Europa. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich wohne an der Grenze zu Bayern, und dort hat man das nicht. Die sagen: Was, ihr habt diese Möglichkeit?! – Also es ist doch immer so: Man sieht das Gute im eigenen Land viel zu wenig. Deswegen ein herzliches Dankeschön, dass dieses Testsystem so wunderbar funktioniert!

Noch ein Blick auf die Erwachsenenbildung – ich habe auch die Ehre, sehr lange im Vorstand des Salzburger Bildungswerks zu sein –: Kollegin Gruber-Pruner hat es schon erwähnt: Ja, das jetzt waren und sind sehr schwierige Zeiten für die Erwachsenen­bildung, aber wir im Bundesland Salzburg haben das Budget für die Erwachsenen­bil­dung erhöht – gerade wegen der Pandemie erhöht –, um die Ausstattung der Einrich­tungen der Erwachsenenbildung IT-mäßig auf den Weg zu bringen, um zu schauen, dass wir ja keine Kündigungen haben, indem wir schauen, dass wir die Menschen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Beschäftigung halten, und indem wir viele, viele Onlinekonzepte auf den Weg gebracht haben. Es geht also auch so, dass man die Erwachsenenbildung in einer Pandemie nicht verkümmern lässt.

Abschließend möchte ich mich noch bei unserer Salzburger Landesrätin Gutschi und natürlich bei unserem Landeshauptmann bedanken, denn, Kollege Egger, bereits am 23.11. wurde eine klare Information ausgegeben (Bundesrätin Grimling: Ja, spät!): eine klare Information, wie es weitergehen soll. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Kollegin Gutschi hat mit Kollegin Palfrader aus Tirol auch diese Lösung erarbeitet, dass bei zwei positiven Fällen in einer Klasse innerhalb von drei Tagen un­bürokratisch auf Distancelearning umgestellt wird, und das ist – Kollegin Hahn hat es gesagt – bei uns nicht mehr von der Landessanitätsdirektion zu genehmigen, sondern das funktioniert dann schulautonom. Da hat sich die Landesrätin also wirklich sehr ins Zeug gelegt – der Herr Bildungsminister weiß das –, sie hält auch regelmäßig Konferen­zen mit allen Direktorinnen und Direktoren ab und ist im ständigen Austausch mit den Personalvertretern. – Salzburg funktioniert also, das System funktioniert, wir sind gut aufgestellt, und dafür ein herzliches Dankeschön!

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Schützen wir uns jetzt, in dieser so schwierigen Zeit! Für mich stellt es auch eine gute Möglichkeit dar, jetzt die Kinderimp­fung anzugehen, auch die Kinder durchzuimpfen. Bei dieser Gelegenheit bitte ich Sie natürlich auch um eines – Kollegin Schumann hat das auch schon gesagt –: Bitte gehen Sie zur Impfung! Lassen Sie sich impfen, holen Sie sich jetzt die dritte Impfung! Es geht so unproblematisch, wir haben in allen Bundesländern so ein tolles System. Das schützt uns, es schützt unsere Lieben, und wir kommen dann hoffentlich nicht mehr in die Situ­ation, eine fünfte, sechste oder siebente Welle durchstehen zu müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

20.42


Vizepräsident Günther Novak: Weiters ist Frau Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


20.43.20

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Immer mit der Ruhe! – Sehr verehrtes Präsidium! Herr Minister! Ich glaube, ich bin ein Glückskind – ich hoffe, ich darf Sie noch als Herr Minister ansprechen, denn ein Kollege von Ihnen ist ja jetzt offenbar keiner mehr. – Ich weiß nicht, ob gerade viele Vorstandsposten bei Raiffeisen frei werden oder so. Ich habe keine Ahnung, aber irgendetwas muss da im Busch sein.


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(Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Du hast Animo, super! – Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

Ich war bei Raiffeisen und ich weiß, was der damalige Generalanwalt Christian Konrad zu Herrn Kurz gesagt hat: Bua, mach einmal dein Studium fertig! – Jetzt haben wir den Salat. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das heißt, ohne Studium ist man nichts wert!? – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause, so Sie noch bei uns sind! Ja, Frau Zwazl, wir beide kennen uns auch noch von Raiffeisen. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern – wahrscheinlich nicht (Ruf bei der ÖVP: Ohne Studium ist man in der SPÖ nichts wert! – Bundesrätin Zwazl: Na, noch bin ich nicht verkalkt!), denn da schaut man ja nicht auf die kleinen MitarbeiterInnen. Da schaut ihr, wohin ich es geschafft habe, gell? (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber, Herr Minister, danke schön für Ihre Aufklärung betreffend das Thema Komma­setzung. Ich bin überzeugt davon, dass uns da nur ein Flüchtigkeitsfehler passiert ist; die Fehler, die Ihnen passiert sind, sind hingegen nicht nur Flüchtigkeitsfehler – aber vielen Dank! Ich nehme an, Sie haben es so zerlegt, weil Sie ein bisschen angefressen sind, dass Sie heute hier sitzen müssen (Bundesrat Bader: Na, geh bitte! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder), aber auch von mir ein herzliches Dankeschön für Ihre wirklich umfassende Beantwortung unserer Anfrage, wenn auch nicht immer alles zufriedenstellend war.

Ich muss auch sagen, die ÖVP hat ein bemerkenswertes Traineeprogramm: Acht Wochen Bundeskanzler – mach auch du mit! Im Sinne der Gleichstellung wäre ich dafür, dass ihr jetzt bitte eine Frau aussucht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: ... Frau, die ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Vielleicht brauchen wir das aber eh bald nicht mehr, weil ich einmal davon ausgehe, dass wir im Frühjahr Neuwahlen haben werden. Die SPÖ ist auf alle Fälle bereit dafür.

Herr Minister, vielleicht sollten Sie eher Lehrer sein, statt Politik zu machen, denn ich bin mir nicht sicher, ob wirklich die Menschen im Blickpunkt Ihrer Politik stehen. Sie haben bei der Pressekonferenz, bevor wir in den vierten Lockdown gegangen sind, gesagt: Die Schulen bleiben offen, die Kinder sollen aber nicht hingehen – das waren zwei Ihrer Botschaften. Ich kann Ihnen sagen, ich selbst als Mutter zweier Kinder, die noch in die Schule gehen, war erstaunt. Meine Telefone sind heiß gelaufen, es gab Whatsapp-Nach­richten, Mails: Was tun wir jetzt, wie machen wir das jetzt?

Die Bildungsdirektion ist in engem Kontakt mit unserer Bildungslandesreferentin, und die haben sich sofort zusammengesetzt und getagt, um zu schauen, was sie machen. – Ich muss sagen: Ja, im Burgenland gibt es Krisenmanagerinnen und Krisenmanager – die im Übrigen nicht vom Himmel fallen, wie wir sehen. Ich glaube auch, dass es in der türkisen Ausbildung nicht vorgesehen ist, dass man Krisenmanagement lernt, sondern da geht es eher um Selbstdarstellung und diverse andere Dinge, beispielsweise wie man gut dasteht.

Auf alle Fälle haben wir im Burgenland gute Krisenmanagerinnen und Krisenmanager, und es wurde sofort das digitale Klassenzimmer Burgenland eingeführt. Man hat Pläne gemacht, Frau Winkler hat dazu aufgerufen, die Lerninhalte zu festigen und zu vertiefen, aber keine neuen Lerninhalte durchzunehmen, und die Lehrer und Lehrerinnen wurden mit Microsoft-Arbeitspaketen ausgestattet.

Ja, auch wir haben wieder bemerkt, dass leider Gottes das technische Equipment in den Schulen fehlt, deswegen haben wir von den Kinderfreunden im Vorjahr die Initiative


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gestartet, dass wir Kinder und Familien, die eben nicht die technischen Möglichkeiten haben, mit gebrauchten, aber gut erhaltenen Laptops ausstatten. Auch heuer haben wir wieder Anfragen bekommen. Hätten (in Richtung Bundesminister Faßmann) Sie also das bereits fertige Konzept der Ministerin Hammerschmid nicht ewig lange in der Lade liegen gelassen, wären wir da schon einen Schritt weiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auch sehr viel Kontakt mit jungen Menschen. Ein Maturant hat mir gesagt: Ich habe jetzt genau folgende Wahl: Entweder ich verhaue die Matura – er hat nicht gesagt, er verhaue die Matura, sondern er hat etwas anderes gesagt, aber in diesem Hohen Haus werde ich das Wort, das er benutzt hat, nicht verwenden –, oder ich stecke mich mit Corona an. – Das ist quasi eine Entscheidung zwischen Bildung und Gesundheit, und das kann es bitte nicht sein! Wir müssen in 21 Monaten Krise doch gelernt haben, wie wir damit umgehen – aber offenbar ist es nicht so.

Mein Kollege Kovacs hat es in der vorwöchigen Sondersitzung in (in Richtung Bundes­minister Faßmann) Ihre Richtung klar formuliert: Klar war, dass mit Ihrem Erlass, Herr Bundesminister, nichts klar ist. Sie haben die Verantwortung für ein funktionierendes Coronamanagement in Kindergärten, Schulen und im universitären Bereich, aber Sie nehmen Ihre Verantwortung leider nicht wahr. Die Situation ist für die Menschen im Land nicht mehr erträglich! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Es werden vor allem bei den Jugendlichen Lücken aufgerissen, die ein ganzes Leben lang nachwirken werden – wahrscheinlich nicht bei allen, aber sicher bei sehr vielen. Die Kinder und Jugendlichen versäumen persönlich und auch schulisch vieles, und all das wird sich früher oder später auch auf unsere Volkswirtschaft auswirken. Ich weiß nicht, ob Sie sich das als ausge­sprochene Wirtschafter überlegt haben.

Man kann davon ausgehen, dass durch die teils entstandenen aktuellen Bildungsver­luste bei vielen auch der Erfolg am Arbeitsmarkt geringer sein wird. Das wirkt sich dann auf die Produktivität und auf die Arbeitslosigkeit aus, und für die Betroffenen wird es in ihrem Erwerbsleben auch zu finanziellen Einbußen kommen.

Sie lassen aber nicht nur die Kinder und Jugendlichen in Unsicherheit zurück, sondern auch die Pädagoginnen und Pädagogen. Die Alarmrufe haben Sie nicht gehört, aber ich bin dafür, dass man alle Pädagoginnen und Pädagogen von der GIS-Gebühr befreit, weil sie immerhin dienstlich fernschauen müssen, damit sie am Freitag vielleicht erfahren, was dann am Montag in der Schule aktuell gilt und was sie zu tun haben. (Beifall bei der SPÖ.) Wir werden einen Antrag formulieren.

Was heute alles passiert ist, ist bitter für Sie, aber es ist auch bitter für die Menschen im Land. Sie haben den Sommer verschlafen, dabei wurde im Gegenteil groß plakatiert: „Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft“. – Dass Sie keine Krisenmeister sind, das sieht aber man an den heutigen Ereignissen.

Bis kurz vor Schulbeginn war eigentlich ziemlich unklar, wie die Schule starten würde, weil auch die Infektionszahlen im Herbst stiegen und das Infektionsgeschehen zuneh­mend Fahrt aufnahm. Sie, Herr Minister, und Ihre Regierungskolleginnen und -kollegen haben jedoch mehr oder weniger abgewartet, so nach dem Motto: Schauen wir einmal, dann sehen wir schon!

In der Situation, in der wir heute sind, sind wir, weil Sie und Ihre Regierungskolleginnen und -kollegen es auch verabsäumt haben, eine entsprechende Impfkampagne mit Aufklärung, Information und begleitenden Maßnahmen einzuführen. Damit – Mathematik der 1. Klasse Volksschule, eins und eins zusammenzählen – war der vierte Lockdown quasi unausweichlich.


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Ich stehe auch in regem Kontakt mit SchülerInnen, Eltern und Lehrern und mit der Bil­dungsreferentin, das habe ich Ihnen bereits gesagt. Wirklich positives Feedback kommt da von niemandem. Ich habe mit einer Lehrerin gesprochen, die mir gesagt hat: Wieso schickt man jetzt Frühwarnungen aus? Wie kann man jetzt, in Zeiten der Krise, eine Leistungsbeurteilung vornehmen? Das versteht niemand – und diese Lehrerin war nicht der Sozialdemokratie zuzurechnen, sondern das ist eine ausgewiesene Türkis-Schwarze; keine Ahnung, wie man es genau einordnen kann. (Heiterkeit des Bundesrates Himmer.)

Sie geben die Verantwortung, die Sie innehaben, lächelnd ab. Die Familie muss sich eben entscheiden: Bildung oder Gesundheit. Ein 16-Jähriger kann das vielleicht, ein Kind in der Volksschule kann das nicht. Meine sechsjährige Nichte war total fertig, weil es geheißen hat: Du gehst vielleicht am Montag nicht in die Schule! – Was macht das mit den Kindern? (Bundesminister Faßmann: In die Schule gehen!) Die freuen sich auf die Schule, aber man muss abwägen: Soll sie sich vielleicht anstecken oder geht sie in die Schule? (Bundesminister Faßmann: ... wird getestet!) – Ja, aber wenn man am Montag nicht in der Schule ist, dann ist es öha mit dem PCR-Test, ja, dann muss man warten. Das ist halt das Problem. Ja, das berichten mir meine Kinder aus der Oberstufe. (Bun­desminister Faßmann: Mir ganz anders!)

Für alle Lehrerinnen und Lehrer in der Oberstufe: Distancelearning gibt es nicht, die Kinder können zu Hause bleiben, das ist kein Problem, wir machen Präsenzunterricht und wir schauen, dass wir streamen! – Ja, wenn es die technischen Voraussetzungen gibt. Ich kenne ein Kind, das in eine Privatschule geht, da funktioniert das halbwegs. Dann kenne ich einen Schüler aus einer HTL, dort sind 1 500 Schülerinnen und Schüler, da gibt es diese technische Voraussetzung gar nicht. Wenn der Lehrer da nicht seinen Privatlaptop mitnimmt und versucht, zu streamen, dann haben die Kinder zu Hause wirklich Pech gehabt. – Also alles in allem sind wir nicht sehr zufrieden mit Ihrer Leistung.

Ich habe Ihnen heute auch ein Zeugnis mitgebracht – es sind auch zwei Sehr gut dabei –: funktionierende Konzepte entwickeln – Nicht genügend; umfallen – Sehr gut; Plan für Homeschooling und Matura – Nicht genügend; Zukunft von jungen Menschen verbauen – Sehr gut; politische Bildung – Nicht genügend. Ich darf es Ihnen (das genannte Schrift­stück auf die Regierungsbank legend) – schon vorbereitet in der Klarsichtfolie – hierher­legen. (Ruf: Ist aber streng!) – Mit euch muss man streng sein, es geht leider nicht anders. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wer hat denn das unter­schrieben?)

Zum Thema FHs und Hochschüler - - (Bundesrat Preineder: Ist das ein burgenlän­di­sches Zeugnis? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wie bitte? Wir können nachher in einem Privatissimum gern noch darüber reden. Zu den Fachhochschulen und Uni­versitäten: Da reden Sie sich auf die Autonomie aus. – So einfach ist das nicht. Schauen Sie einmal in die APA rein, da gibt es vom 18.11. eine Aussendung, vom 22.11. eine Aussendung, in denen die ÖH – durchgehend, jeder Couleur – mit der Performance, die Sie, Herr Minister, abliefern, nicht zufrieden ist.

Alles in allem: Die Menschen im Land haben sich etwas Besseres verdient. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Neuwahlen gehen werden, so wie es Landeshauptmann Hans Peter Doskozil heute gesagt hat. Wir sind bereit (Bundesrat Raggl: Jaja!), es ist Zeit, reinen Tisch zu machen. Die Menschen in diesem Land haben sich etwas Besseres verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Jawohl! – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

20.53

20.53.11



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 202

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Gesundheit von Schüler*innen fördern!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „kein Maskenzwang im Unterricht“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

20.54.35Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Günther Novak: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 18 und 19 fort.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm das Wort.


20.54.55

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister Faßmann! Herr Bundesminister Mückstein! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Jetzt ist ein bisschen Zeit vergangen – 5 Stunden, glaube ich –, es ist noch ein Redebeitrag zu diesen Tagesordnungspunkten offen, der sich eigentlich nicht direkt mit der Materie beschäftigt, sondern mit der Äußerung des Kollegen Ofner und seinem Vor­wurf, Gesundheitslandesrätin Beate Prettner würde lügen, betrügen und die SPÖ Kärn­ten mit Stasimethoden arbeiten.

Von Landsmann zu Landsmann, Sepp: Wir sind hier die Länderkammer und dass wir uns da als Kärntner gegenseitig etwas ausrichten, ist eigentlich eine traurige Geschichte. (Bundesrat Ofner: Nicht wir zwei!) Ich muss den Vorwurf, den du erhoben hast – Beate Prettner würde lügen und betrügen und die Kärntner SPÖ würde mit Stasimethoden arbeiten –, auf das Schärfste zurückweisen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Raggl: Gravierende Vorwürfe!)

Die Bilder, die du angesprochen hast, waren nicht von der Geheimpolizei, lieber Freund, sondern mit Begeisterung von den FPÖ-Politikern auf Facebook gepostete und zum Teil mit Namen versehene Bilder. Auch du hast sämtliche Veranstaltungen der Kärntner Freiheitstour mit Kickl mit zig Fotos belegt. Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie sich die Bilder in den sozialen Medien, in den Zeitungen an! Ich kann sagen: Bilder sagen mehr als tausend Worte. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei der betreffenden PK am Dienstagvormittag war die Meldung über das Ableben von Ludwig Ladstätter noch überhaupt kein Thema; darüber wurde die Landesrätin am Nachmittag von den Medien informiert.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 203

Kollege Ofner, du warst bei der letzten Landtagssitzung in engstem Kontakt mit Abge­ordneter Dieringer-Granza: Warum bist du nach Bekanntgabe, dass sie infiziert und positiv ist, weiter unter die Leute gegangen? Du warst am Sonntag bei der Demo in Klagenfurt in der ersten Reihe; auch da sind die Bilder von den Zeitungen und nicht von der Geheimpolizei oder sonst wem verbreitet worden. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ist das dein Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Bevölkerung?

Zur Relativierung der Verschwörungstheorien, der Bezirkshauptmann hätte euch reinge­waschen: Bezirkshauptmann Fejan hat im „Mittagsjournal“ – das könnt ihr auch nach­hören – gesagt: In den seltensten Fällen werden Veranstaltungen von den Betroffenen als Infektionsquelle genannt. Es ist dies aber wahrscheinlich immer wieder der Fall. – Da erhebt sich schon die Frage, wer hier Butter am Kopf hat; Kollegin Grossmann sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mit der Landesrätin Rücksprache gehalten, sie hat mir ihre Aussagen zukom­men lassen und auch die Freigabe erteilt, diese hier in diesem Gremium kundzutun.

Das Erste: Die Aussage und die Vorwürfe des FPÖ-Parlamentsklubs sind derart obskur, dass sich eigentlich jeder Kommentar erübrigt. Auf die Frage der Journalisten, warum man nicht schon früher eingeschritten ist, wenn schon vonseiten der FPÖ die ent­sprechenden Fotos und Videos stolz auf Social Media präsentiert werden, ist ihre Ant­wort: Es ist wirklich paradox: Eine Partei, die Veranstaltungen durchführt, um gegen die jeweils gültigen Regeln zu mobilisieren, will sich jetzt damit rechtfertigen, dass die Regeln zu kurz gegriffen hätten. Wie absurd und verantwortungslos ist das?

Auch mit Zustimmung der Landesrätin, zum Vorwurf, dass es nicht stimmt, dass bei dieser Veranstaltung Positive, Erkrankte waren: Es kann zweifelsfrei nachgewiesen wer­den, dass die TeilnehmerInnen an der Veranstaltung Freiheitstour an Corona erkrankt sind und stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen, auch auf der Intensiv­station. Wir wissen – und das wurde gebetsmühlenartig kommuniziert –, dass jede Zusam­menkunft auf engem Raum eine potenzielle Infektionsschleuder sein kann. Fakt ist nicht nur, dass TeilnehmerInnen der FPÖ-Veranstaltung an Corona erkrankt sind, Fakt ist auch, dass der Bezirk Wolfsberg die österreichweit höchste Inzidenzrate auf­weist. Fakt ist zudem, dass es mittlerweile Angehörigen untersagt werden musste, ihre kranken Familienmitglieder im Krankenhaus zu besuchen. – Die Freiheit der einen hat die Freiheit der anderen genommen.

Da vonseiten der FPÖ eh eine Anzeige gegen die Landesrätin Beate Prettner erfolgt ist, werden dies dann sowieso die Gerichte klären. Fakt ist aber, dass da ein Mensch an Corona gestorben ist, und jedes Menschenleben, das dem Virus zum Opfer fällt (Bun­desrat Hübner: Kann man der FPÖ in die Schuhe schieben!), ist eines zu viel.

Wie schon öfters festgestellt, sind wir alle nicht unverwundbar. Jetzt ist leider auch der MFG-Mandatar im Innviertel an Corona verstorben. Ich denke, da gilt unsere Anteil­nahme den Angehörigen der Opfer der Pandemie. Ich kann nur noch einmal absolut betonen: Impfen hilft! Diese Wahl steht jedem derzeit offen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

21.01


Vizepräsident Günther Novak: Begrüßen möchte ich den Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein hier im Plenum. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Ofner. Ich erteile es ihm.



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 204

21.01.34

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Kollege Appé, lieber Ingo! Du weißt, dass ich dich schätze, aber wenn solche Dinge vorkommen, wie sie die Frau Landeshauptmannstellvertreter hier zuwege gebracht und auch medial kommuniziert hat, dann kann man das nicht so stehen lassen und muss das auch ent­sprechend ansprechen. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Auch deine Behauptungen, wie sie gemacht wurden, sind so nicht ganz zutreffend. Ich möchte vielleicht gleich einmal damit beginnen, dass du heute die Mitarbeiter kritisiert hast, die hier ohne Masken sitzen. Dazu ist festzuhalten – und das sagt die Hausord­nung –: „MitarbeiterInnen der Ressorts, der Klubs und der Parlamentsdirektion sowie Sachverständige und Auskunftspersonen dürfen die Maske am Sitzplatz abnehmen“ – das haben sie getan –, „sofern das Infektionsrisiko durch geeignete technische Schutz­maßnahmen wie z. B. Plexiglaswände minimiert wird.“ Ich glaube, dass der Abstand zu euch, aber auch zu uns und den anderen groß genug ist, sodass hier kein Infektionsrisiko besteht. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass man da jetzt schon Mitarbeiter heranziehen muss! Das ist nicht dein Niveau, das weiß ich, aber ich weiß auch, dass die Nervosität in der Kärntner SPÖ recht groß ist (Bundesrätin Schumann: Nein!), und ich werde noch darauf eingehen.

Ich möchte auch darauf eingehen, dass wir immer wieder zu hören bekommen: Es gibt sogar in eurer Partei Leute, die sich impfen lassen würden! – Ja, das haben wir ja immer gesagt. Also ich weiß nicht, was Sie da nicht verstehen. Ich sehe ein, dass es vielleicht schwer verständlich ist für die SPÖ, aber auch für Grün und Schwarz – oder Türkis, jetzt weiß man ja noch nicht, was als Nächstes rauskommt –, dass es eine Partei gibt, in der es freie Entscheidungen gibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Ja, das ist mir schon klar. Wir haben keine Schauspieler und Märchenerzähler, so wie sie da (in Richtung ÖVP) sitzen, wir sind keine Verbotspartei, so wie sie zum Beispiel da (in Richtung Grüne) sitzt, und wir haben auch keine Abnicker und Umfaller, so wie sie da (in Richtung SPÖ) sitzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nein, bei uns gibt es freie Meinungen, bei uns werden Freiwilligkeit – und das ist der freiheitliche Gedanke – und damit unterschiedliche Meinungen zugelassen. Wer sich impfen lassen möchte, der wird und soll das tun, und wer sich nicht impfen lassen möchte, muss es auch nicht tun; und was für uns gilt, gilt selbstverständlich auch als unser politischer Zugang, nämlich dass wir keine Impfpflicht haben wollen.

Wenn dann eine Frau Riess zitiert wird, muss ich sagen: Ich glaube, die Frau Riess, ist da (in Richtung ÖVP) besser aufgehoben, und das schon seit mehreren Jahren. Es ist, glaube ich, allgemein bekannt, dass sie nicht unbedingt unserer Partei zuzuordnen ist, aber wir respektieren die freie Meinungsäußerung selbstverständlich auch von anderen Fraktionen und natürlich auch von einer Frau Riess. Ich weiß, das kommt in vielen Ihrer Welten nicht vor, dass andere Meinungen akzeptiert werden, und ruft große Irritationen hervor, aber wir haben da Gott sei Dank einen anderen Zugang. (Beifall bei der FPÖ.)

Da du mich persönlich angegriffen hast in Bezug auf die Demonstrationen oder eben auch auf die Kickl-Tour, darf ich dir Folgendes sagen: Du weißt vielleicht, es hat ein E-Mail vom Landtagsamt gegeben, nämlich vom Präsidenten Rohr, der darauf hinge­wie­sen hat, dass ein positiver Fall aufgetreten ist und dass man sich vielleicht testen lassen möge. Das habe ich auch gemacht, mittels PCR-Test. Und selbstverständlich, wenn der Test negativ ausfällt und ich keine Symptome habe – ich weiß, das versteht in eurer Welt auch nicht jeder –, dann fühle ich mich nicht krank, dann bin ich gesund und das ist sogar attestiert. Was daran verwerflich wäre, weiß ich nicht. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 205

Im Zusammenhang mit den Demos kommt immer wieder der Vorwurf – Ingo, du hast es leider auch gesagt –, das sind halt Impfskeptiker, Impfgegner, Unsolidarische. Oft wird noch Coronaleugner und was weiß ich was alles hinzugefügt. Das hast du nicht gesagt, aber das kommt oft dazu. Ich sage dir, da sind alle Menschen-, Berufs- und Alters­gruppen dabei. Da sind Geimpfte wie Ungeimpfte dabei. Da sind Menschen dabei, die einfach ihren Ärger angesichts dieser Chaospolitik der Regierung und auch angesichts des Umfallens der SPÖ zum Ausdruck bringen. Da werde ich euch vielleicht etwas Neues erzählen, aber es sind auch sehr viele SPÖler dabei, sehr viele Mandatare der SPÖ dabei, aber auch Grüne und ÖVP-Leute sind da dabei, weil sie eben nicht mehr einverstanden sind mit dieser Politik, wie Sie sie hier machen, weil Sie den Leuten die Freiheit nehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Die Menschen in Österreich, die sich hier zusammenfinden, sind vor allem gegen die Spaltung der Gesellschaft, wie sie von euch betrieben wird – denn ihr lasst ja keine andere Meinung zu. Wir haben einen freien Meinungszugang, aber ihr lasst ja keine andere Meinung zu. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) – Ja genau, das ist genau das, Frau Schumann: Abschätzigkeit, Selbsterhöhung und Selbstdarstellung als mora­lische Instanz, so wie sie Frau Grossmann zum Ausdruck gebracht hat. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Ja, das ist es ja – deswegen habe ich auch Frau Grossmann genannt –, und das gepaart mit einer Meinungsdiktatur, wie sie hier dann vorkommt, wo man sich aufspielt und gebärdet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Da sind alle drei Parteien gleich, und da sind auch die Medien gleich, wie es Kollege Spanring richtigerweise aufgegriffen hat. Da gelten alle, die bei diesen Demos mitmachen, nicht als Bürger unseres Staates, sondern generell als Covidioten, weil sie auf die Straße gehen und sich trauen, gegen diese Regierung und gegen diese Maßnahmen zu protes­tieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Sie können es noch so oft wieder­holen, es wird einfach nichts von dem, was Sie sagen, wahrer, weil Ihnen die Experten in vielen Teilen widersprechen.

Jetzt komme ich zu dieser Wolfsberg-Geschichte. Du weißt, da war nicht nur Frau Prettner dabei, sondern da war auch der Herr Landeshauptmann dabei, um auszurücken und zu sagen, es war unverantwortlich, und es ist dort mutmaßlich auch ein später an Corona Verstorbener dabei gewesen. Die Fotos beweisen es. Verwerflich an diesen Fotos ist nicht, dass sie gemacht und in sozialen Medien verbreitet worden sind, sondern verwerflich ist, dass man anscheinend in den Normal- und Intensivstationen geschaut hat, welche Leute dort drinnen liegen, und dann die Fotos in den sozialen Medien damit verglichen hat. Das ist verwerflich und komplett niederträchtig! (Beifall bei der FPÖ.)

Selbstverständlich haben wir deshalb, nämlich aufgrund dieser niederträchtigen Partei­politik, eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch erstattet. Ich kann auch sagen: Auch in unserem Bezirk Sankt Veit an der Glan hat eine Veranstaltung stattgefunden, wahr­scheinlich die größte vom Fassungsvolumen her. Auch dort sind alle Maßnahmen ent­sprechend eingehalten worden. Es mag ja sein, dass Wolfsberg vielleicht eine höhere Inzidenz hat, im Bezirk Sankt Veit ist es so, dass wir die drittniedrigste Inzidenz von allen Bezirken haben. Und da dann eine direkte Verbindung herzustellen, das ist einfach nicht in Ordnung, sondern dahinter steckt die Absicht, parteipolitisches Kleingeld zu verdie­nen, und das hat Frau Prettner gemacht. Dafür kennen wir sie ja, dass sie oft die primitivsten Aussagen der SPÖ zusammenbringt, und das kritisieren wir entsprechend. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf noch etwas vortragen, was noch nicht bekannt sein dürfte, und zwar gibt es eine Stellungnahme des Bruders von Lucky Ladstätter. Er hat im „Kurier“ heute gesagt – ich zitiere –: „,Mein Bruder begab sich Anfang November wegen eines Bandscheibenvor­falles in Behandlung in das Landeskrankenhaus Wolfsberg, wurde bei Eintritt getestet


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und war Corona-frei‘, weist Hans-Jörg Ladstätter Berichte zurück, wonach sich ,Lucky‘ beim FPÖ-Event angesteckt habe. Vielmehr dürfte sich ‚Lucky‘ erst im Krankenhaus infiziert haben, ,da plötzlich alle im Krankenzimmer befindlichen Patienten positiv getes­tet wurden‘.“ (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Köck und Kornhäusl.)

Das ist die heutige Stellungnahme des Bruders des Verstorbenen. (Bundesrat Himmer: DDr. Ladstätter!) – Machen Sie sich auch noch lustig, Herr Himmer, damit wir es gleich beim Namen nennen! Das ist genau wieder diese Selbstüberhöhung! (Bundesrat Himmer: Niemand macht sich lustig! Das sind Ihre Wunschvorstellungen! Sie interpretieren immer andere ...! Ich finde heute überhaupt nichts lustig, ich finde es traurig, tieftraurig, was Sie reden! Nicht lustig!) Das ist genau das, von dem ich gesprochen habe, und deswegen bin ich froh, dass die Menschen in unserem Land aufstehen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Ich bin froh, dass sie genau wegen solcher Leute, so wie Sie sich hier gebärden, aufstehen, dass sie für ihre Freiheit einstehen und dass sie diesen drei Parteien (Bundesrätin Schumann: Was ist los mit der FPÖ in Graz? Korruptionsvorwürfe ohne Ende!), ebenso wie den Medien, die willfährig bei dieser Geschichte mitgespielt haben, einmal ganz klar den Spiegel vorhalten und Ihnen sagen: Das Volk sind wir! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Tieftraurig!)

21.12


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein. – Bitte, Herr Minister.


21.12.21

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist jetzt zwar vielleicht nicht der richtige Tagesordnungspunkt, aber es wird über Corona geredet. Ich möchte damit beginnen, dass in Österreich bislang 12 625 Menschen an Corona verstorben sind (Bun­desrat Spanring: An oder mit?), gestern waren es 61 Tote. Wir haben beginnend mit 3G am Arbeitsplatz mit 1. November über die 2G-Regelung in der Freizeit bis zum Lock­down, der jetzt seit elf Tagen gilt, eine Reihe von Maßnahmen setzen müssen, um unsere Intensivkapazitäten zu schützen. Wir haben alle miteinander einen hohen Preis gezahlt, einen hohen wirtschaftlichen Preis, einen hohen psychosozialen Preis. Wir haben erreicht, dass die Zahlen jetzt langsam wieder sinken, dass der R-Wert effektiv als wichtiger mittelfristiger Parameter jetzt wieder unter eins ist, was dazu führen wird, dass wir in den nächsten ein, zwei Wochen doch mit einer Entspannung zu rechnen haben.

Was müssen wir jetzt tun? – Wir müssen eine Perspektive geben. Wir müssen schauen, dass wir auf eine Intensivauslastung von 10 Prozent oder darunter kommen, denn das verträgt das System. Wie schaffen wir das? – Indem wir zum einen den Lockdown für Ungeimpfte nach dem 11. Dezember weiterführen werden und indem wir zum anderen viel impfen; impfen, impfen, impfen. Wir haben gestern 109 000 Impfungen verzeich­net – 109 000 an einem Tag –, davon 84 000 Boosterimpfungen, ganz wesentlich, aber wenn wir die Zahl der Erst- und Zweitstiche nicht steigern können, dann laufen wir Gefahr, dass wir Ende Jänner oder im Februar wieder vor einer ähnlichen Situation stehen. Das heißt, es ist ganz wesentlich, dass wir impfen. Impfen ist der einzige Weg aus dieser Pandemie. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Hübner. – Bundesrat Spanring: Wahnsinn! Einziger Weg, alternativlos – ein Wahn­sinn!)

Wir haben aber auch Medikamente bestellt, wir haben Medikamente von Pfizer bestellt, wir haben Medikamente, über 400 000 Stück, von der Firma MSD bestellt. Auch das wird wichtig sein, aber die Medikamente sind keine Alternative zur Impfung. (Bundesrat Hübner: Sind die wirkungslos?!) Es ist ganz wichtig, das klarzustellen, weil das von der


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FPÖ immer wieder falsch dargestellt wird. (Bundesrat Steiner: Den Doktortitel wirk­lich ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Sie sind dazu da, dass man schwerkranke Menschen, die zum Beispiel nicht impfbar sind, mit diesen Medikamenten versorgt, wenn sie positiv getestet sind; dann kann man die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen schweren Verlauf haben, um circa die Hälfte reduzieren.

Das heißt, wir haben sehr große Mengen, an der oberen Grenze der Möglichkeiten, ein­gekauft. Die Medikamente werden in großer Menge aber erst im ersten Quartal 2022 kommen, und sie sind wie gesagt keine Alternative zur Impfung. (Bundesrat Steiner: Wie oft haben uns Medikamente schon geholfen?) Auch Antikörperbestellungen werden geprüft. (Bundesrat Steiner: Jetzt doch wieder? Antikörper werden doch wieder bestellt?) Da muss man schauen, ob die auch tatsächlich gegen die neue Variante, Omikron, gut wirksam sind. Das ist aus heutiger Sicht noch nicht klar. Was klar ist, ist, dass Ivermectin nicht wirkt.

Was ist Plan B? – Ich habe das selber googeln müssen, aber da steht, als Alternative zu den Maßnahmen der Bundesregierung fordert die FPÖ neben einem sofortigen Außer­krafttreten der Covid-Maßnahmen heute wieder die Umsetzung des Planes B, das heißt Antikörperbestimmungen. – Das ist aber nicht evidenzbasiert. (Zwischenruf der Bundes­rätin Steiner-Wieser.) Es gibt nicht den Cut-off-Wert bei den Antikörpern, ab dem man sagen kann, dass eine sichere Immunität besteht. Das heißt, die Forderung nach flächen­deckenden Antikörpertestungen und damit verbundenen Schlussfolgerungen ist nicht zulässig, weil kein Wissenschaftler Ihnen genau diesen Wert nennen kann und nennen wird. Das ist noch nicht klar. (Bundesrat Hübner: Aber bei der Impfung ist es egal, ob er Antikörper hat!)

Das Zweite ist: Positiv getestete Menschen werden frühzeitig ärztlich behandelt. Genau das ist der Fall, genau das passiert. Mit Stand von heute liegen noch immer 2 547 Men­schen auf den Normalstationen. Wir haben jetzt einigermaßen stabile Intensivzahlen, heute sind sie ein bisschen gesunken, aber das wird vielleicht in der nächsten Woche noch ein bisschen hinaufgehen.

Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Wir können impfen, oder die Leute können sich an­stecken, und wenn sich zu viele Leute zu schnell anstecken, dann sind die Intensiv­sta­tionen voll und dann können wir, wie das derzeit leider der Fall ist, zum Beispiel keine Krebsoperationen machen. Ich glaube, das wollen wir alle nicht. (Zwischenruf des Bun­desrates Spanring.) Wir alle wollen, dass wir, wenn wir einen Herzinfarkt oder einen Autounfall haben – geimpft oder ungeimpft, ich mache da keinen Unterschied; das Virus macht einen Unterschied –, ein Intensivbett haben. Wir wollen vielleicht auch ein Inten­sivbett haben, wenn wir zu viel Ivermectin genommen haben.

Ich glaube, die Maßnahmen, die wir setzen, sind die richtigen. Das zeigen auch andere europäische Länder, Deutschland zum Beispiel hat heute in weiten Bereichen 2G ein­geführt. Die Debatte über die Impfpflicht, die wir in Österreich begonnen haben, als eines der ersten Länder, wird jetzt auch in Deutschland geführt, wird auf EU-Ebene geführt, wird auf WHO-Ebene geführt. Das heißt, wir müssen die Möglichkeit, die wir in Öster­reich haben, nämlich die Impfung, nützen. Wir haben genug Impfstoff in Österreich, das ist doch ein großes Glück!

Ich würde für diese Maßnahmen um Unterstützung bitten, um Verständnis, auch für den Lockdown, den wir leider machen mussten, um die Intensivstationen zu entlasten und um den Menschen, die dort arbeiten, etwas Luft zu geben. Wir müssen, wie gesagt, impfen, impfen, impfen. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

21.18

21.18.49



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 208

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Testungs-Gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.20.1120. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geän­dert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2022 – PAG 2022) (1105 d.B. und 1127 d.B. sowie 10772/BR d.B. und 10785/BR d.B.)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Notarversorgungsgesetz geändert wird (1970/A und 1135 d.B. sowie 10786/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 20 und 21, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 20 und 21 ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. – Ich bitte um die Berichte.

21.20.51


Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Natio­nalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfür­sorge­gesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrenten­ge­setz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden, Pensionsanpassungsgesetz 2022.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 209

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversorgungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 30. November 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr dieses.


21.22.53

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Mein heutiger Redebeitrag als Bereichssprecherin für die Seniorinnen und Seni­oren dieses Landes bezieht sich natürlich auf das Pensionsanpassungs­ge­setz 2022.

Die Regierung hat sich auf eine Pensionsanpassung für das kommende Jahr geeinigt. Mit 1.1.2022 werden die Bruttopensionen bis 1 000 Euro um 3 Prozent erhöht. Der gesetzliche Anpassungswert liegt bei lediglich 1,8 Prozent, obwohl die Inflation deutlich anzieht. So waren im November die Preise um circa 4,3 Prozent höher als vor einem Jahr. Für die Pensionen von 1 000 bis 1 300 Euro kommt eine Einschleifregelung, für alle Pensionen ab 1 300 Euro gilt die Inflationsanpassung von 1,8 Prozent.

Die Regierung mag mit dieser Regelung zufrieden sein, die Pensionistinnen und Pen­sionisten sind es nicht. Der Präsident des Pensionistenverbandes Österreich, Peter Kostelka, bezeichnet diese 1,8 Prozent als völlig unzureichend. Die geplante Erhöhung hat seiner Meinung nach nichts mit Kaufkraftsicherung zu tun. Das ist ein Argument, das immer wieder vorgebracht wird und auch hier gefallen ist. Er fordert mindestens 2 Pro­zent. Auch 3 Prozent für die kleineren Pensionen sind ihm viel zu wenig. Um die Alters­armut zu verringern, muss es in Richtung 4 Prozent gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Immerhin beziehen fast eine Million Menschen eine derart kleine Pension, bis zu 1 000 Euro, und in etwa 850 000 bis 900 000 Pensionsbezieherinnen beziehungsweise -bezieher er­halten 1 000 bis 2 000 Euro. Die angedachte Einschleifregelung ist viel zu steil. Wir fordern die Einschleifung bis 2 000 Euro. Bei dieser Regelung würden zumindest die Leute, die eine Pension von 1 300 Euro bekommen, um 39 Euro mehr bekommen, sonst würde die Erhöhung nur 23,40 Euro betragen. Dass hingegen die Sonderpensionen unbegrenzt erhöht werden können, ist völlig unverständlich. Das ist nicht gerecht. Das ist unfair und spielt die Versicherungsgruppen gegeneinander aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Pensionssystem zeigt mehrere Problemfelder auf, zum einen bei den untersten Pensionen, also jenen, die unter der Armutsgrenze liegen. Es ist traurig, dass in einem Land wie Österreich Pensionen unter der Armutsgrenze ausgezahlt werden. Das betrifft in unserem Land 200 000 Personen, davon 134 000 Frauen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 210

Damit komme ich gleich zum nächsten Problemfeld, den Frauenpensionen. Die Benach­teiligung von Frauen zieht sich durch sämtliche Lebensbereiche und durch das ganze Arbeitsleben und endet leider auch nicht bei den Pensionen. Um die Pensionen der Frauen anzuheben, braucht es eine Reihe von Maßnahmen. Eine davon wäre ein flächendeckender und rascher Ausbau von ganztägigen Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulformen. (Beifall bei der SPÖ.) Eine verbesserte Anrechnung von Kindererzie­hungszeiten ist ebenso dringend erforderlich.

Mit Anfang 2022 werden Abschläge für Langzeitversicherte eingeführt, also für Men­schen, die 45 Jahre lang Beiträge einbezahlt haben. Alle neuen Pensionistinnen und Pensionisten, die 2021 in Pension gehen oder gegangen sind, bekommen nicht die volle Anpassung, sondern eine Aliquotierung ihrer ersten Pensionsanpassung. Zur Erinne­rung: Die abschlagsfreie Pension nach 45 Jahren wurde von Türkis-Grün abgeschafft. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Konkret heißt das: Es wird nicht nur für ein Jahr weniger Pension ausbezahlt, sondern für alle Jahre bis zum Ableben der betreffenden Person. Wer also beispielsweise im November 2021 den Pensionsstichtag hatte, bekommt erst im Jänner 2023 eine erste Pensionserhöhung, das heißt 14 Monate später. Im Vergleich dazu: Wer im Novem­ber 2020 in Pension gegangen ist, hat die Erhöhung bereits nach zwei Monaten bekom­men. Die Einführung des Frühstarterbonus als Argument für die Abschaffung der ab­schlagsfreien Pension ist mehr als unangemessen.

In einer Zeit der Pandemie, in der BezieherInnen von niedrigen Pensionen nicht wissen, wie sie die auf sie zurollende Teuerungswelle bezahlen sollen, Pensionen so minimal zu erhöhen, wie dies seitens der Regierung vorgeschlagen wurde, ist eindeutig der falsche Weg. Da bleibt nicht viel im Geldbörsl, wie meine Kollegin Korinna Schumann heute schon einmal gesagt hat. Man muss bedenken: Es sind gerade Leute, die Pensionen beziehen, die in der Wirtschaftskrise auch Geld ausgeben. Wenn sie aber nichts haben, können sie auch nichts ausgeben.

Die sozialdemokratische Fraktion wird immer dafür kämpfen, dass Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, eine Pension bekommen, von der sie auch leben können. Das Pensionssystem muss daher nicht nur sicher, sondern auch wesentlich gerechter werden. Wir stimmen aus den genannten Gründen dem Pensionsanpassungs­gesetz in der vorgelegten Version nicht zu, denn die Menschen, die unser Land zu dem gemacht haben, worauf wir stolz sein können, haben sich eine Pension verdient, von der sie leben und nicht nur überleben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern daher gemeinsam mit den Pensionistenverbänden ein Paket an Maßnah­men, das ich als Entschließungsantrag einbringe:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen­paket für Pensionen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dem Nationalrat und dem Bundesrat umgehend eine Vorlage zuzuleiten, mit der folgende Maßnahmen umgehend umgesetzt werden:

- 100 Euro zur Teuerungsabgeltung als Einmalzahlung sofort

- 300 Euro Winter- bzw. Heizkostenzuschuss für niedrige Pensionen


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 211

- bei der Pensionsanpassung eine Einschleifregelung von 3 Prozent ab 1.000 Euro auf 1,8 Prozent bei 2.000 Euro Pension

- eine schrittweise Anhebung der Ausgleichszulage von aktuell 1.000,48 Euro auf 1.138 Euro“ – das ist die Armutsgrenze –

„- Begrenzung der Sonderpensionenanpassung mit maximal 66 Euro.“

*****

Ich darf noch einmal betonen: Unsere Pensionistinnen und Pensionisten haben sich ein Leben verdient, bei dem sie nicht jeden Cent dreimal umdrehen müssen.

Sie haben sich Wertschätzung verdient und nicht so eine Minimalerhöhung. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.30


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maß­nahmenpaket für Pensionen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm dieses.


21.30.36

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erstmals leben in Österreich mehr über 65-Jährige als unter 20-Jährige. Derzeit beträgt der Anteil 19,2 Prozent. 2080 – ein schon überschaubarer Zeitraum – werden es sogar 29 Prozent der dann knapp zehn Millionen Österreicherinnen und Österreicher sein – eine erfreuliche Bot­schaft im Sinne des Älterwerdens. Das hängt natürlich auch mit dem Impfen zusammen, und Seniorinnen und Senioren sind ja auch in diesem Bereich – was die Impfungen betrifft – ein sehr positives Beispiel.

Die Sicherung der Pensionen ist ein zentraler Pfeiler in einem Wohlfahrtsstaat. Die Pen­sionen in Österreich waren und sind gerade in der Wirtschaftskrise der größte Wirt­schaftsfaktor. Pensionen sind kein Kostenfaktor, wie es in manchen Diskussionen dargestellt wird, sondern Pensionen sind das Einkommen für unsere ältere Generation, und diese hat sich diese Wertschätzung und diese Pensionen auch sehr redlich verdient. So hat es ja auch meine Vorrednerin angedeutet. Das werden Sie vonseiten der Sozialdemokratie und teilweise auch von der FPÖ, sofern Ihnen die ältere Generation wichtig ist, doch auch sehen – so hoffe ich es zumindest.

Was uns unterscheidet, ist das Bestreben, wie es sichere, auch wertgesicherte Pen­sionen gibt. Unser Zugang ist, dass wir immer auf das System schauen, an den ent­sprechenden Rädchen drehen und immer wieder auch die demografische Entwicklung abbilden und nicht einfach sagen: Das ist ja alles in Ordnung und das Pensionssystem ist gottgegeben! – Nein! Es ist abgesichert, weil in diesem Bereich immer wieder die richtigen Maßnahmen gesetzt wurden. Wir haben nicht umsonst eines der besten Pen­sionssysteme der Welt. Wir brauchen ja nur zu unserem größeren Nachbarn nach Deutschland zu schauen, wie sich dort die Pensionen entwickelt haben und wie sie sich entwickeln, nämlich im Nullbereich.

Unsere Bundesregierung hat sich auf eine Pensionserhöhung ab 2022 geeinigt und setzt damit den bisherigen Kurs der Stärkung und Entlastung kleiner Einkommen im kommen­den Jahr fort. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich weiß schon, dass es da Gelächter gibt, vor


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allem, wenn man größere Pensionseinkommen hat, aber wir reden ja von den kleineren. Die Pandemie hat leider auch starke Preisanstiege in verschiedenen Lebensbereichen zur Folge, das wissen wir, es ist daher wichtig, dass gerade die Pensionistinnen und Pensionisten mit niedrigen und mittleren Pensionen bei der anstehenden Pensions­erhöhung stärker berücksichtigt werden und die Erhöhung die Inflationsrate abdeckt.

So werden vor allem die kleinen Pensionen höher valorisiert und damit stärker ange­hoben, nämlich um die bereits angekündigten und erfreulicherweise auch schon von meiner Vorrednerin angesprochenen 3 Prozent bei Pensionen von 1 000 Euro bis 1 300 Euro. Das ist immerhin ein doch beträchtlicher Teil, wenn man Folgendes bedenkt: 30 Euro im Monat, 420 Euro im Jahr, das ist sehr viel Geld, und man weiß, wie schwer man sich als Pensionist und Pensionistin gerade auch im höheren Alter zusätzliches Geld verdient. Das ist vor allem eine gerechte Valorisierung. Wir setzen damit auch ein wesentliches Zeichen der Wertschätzung unserer älteren Generation gegenüber, der wir alle ja sehr viel zu verdanken haben.

Mit 2022 wird im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz der Frühstarterbonus einge­führt. Mit dieser Novellierung werden wir den Frühstarterbonus sinngemäß auch im öffentlichen Bereich umsetzen, was eine gerechtere Maßnahme darstellt. Für öffentlich Bedienstete werden die Änderungen zu Frühstarterbonus und Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung analog geregelt. Der Frühstarterbonus soll ab 2022 im ASVG die abschlagfreie Frühpension, die ehemalige sogenannte Hacklerregelung, die ja haupt­sächlich von Personen beansprucht wurde, die mit dem Begriff hackeln wenig zu tun hatten und anzufangen wussten, ersetzen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Dieser Bonus fehlt!)

Mit diesem Frühstarterbonus bekommen künftig auch öffentlich Bedienstete für jeden Monat, den sie vor dem 20. Lebensjahr gearbeitet haben, 1 Euro auf die Pension dazu. Das Höchstausmaß des Bonus wird mit 60 Euro pro Monatspension begrenzt. Mit dieser Pensionserhöhung werden insgesamt 1,1 Milliarden Euro aus dem Budget bereitgestellt. Da geht es um Wertschätzung unseren älteren Mitmenschen gegenüber, die ihr ganzes Leben den Sozialstaat Österreich, die Republik finanziert und auch aufrechterhalten haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

21.36


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses.


21.36.46

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben vorhin gemeint, es gab 12 625 Coronatote. Jeder einzelne Todesfall ist bitter, daher meine aufrichtige Anteil­nahme! Was mich aber interessiert, ist: Sind die Menschen tatsächlich an Corona ge­storben oder mit Corona gestorben? Wird diese Unterscheidung gemacht? Stimmt Ihre Zählweise der Toten? Ich kann nämlich nur aus eigener Erfahrung sagen: Sie stehen vor einer Wiederauferstandenen.

Ich darf die Geschichte kurz Revue passieren lassen. Ich hatte heuer im Sommer nicht wenige Anfragen und Beschwerden dahin gehend, dass das mit dem grünen Pass nicht hinhaut. Dann habe ich mir überlegt, wie ich den Menschen helfen kann, was ich mir einfallen lassen kann. Dann habe ich mir gedacht: Na ja, Marlies, du bist ja genesen, du musst ja einen grünen Pass kriegen!

Dann bin ich in die Apotheke gegangen, da hat es geheißen: Nein, geht nicht, funktioniert nicht!, ich muss zur Bezirkshauptmannschaft. Dann bin ich zur Bezirkshauptmannschaft gepilgert, da hat mir derjenige an der Information erklärt: Sie scheinen nicht auf! – Ich


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sage: Was heißt, ich scheine nicht auf? Ich habe ja von euch einen Absonderungs­be­scheid erhalten. – Ich wurde dann ins Gesundheitsamt geschickt, dort habe ich bis zum Chef des Gesundheitsamtes alle durch befragt. (Bundesrat Schreuder: Tagesordnungs­punkt ist Pensionen, gell?) Niemand hat sich das erklären können: Das gibt es nicht! Das gibt es nicht! – Dann sitzt er da, schüttelt den Kopf und sagt: Das gibt es nicht! – Ich frage: Wieso, was ist denn los, bin ich denn schon gestorben? – Er sagt: Ja, so schaut es aus! – Darauf habe ich gesagt: Bitte geben Sie mir das schriftlich! – Nein, das durfte er nicht.

Dann habe ich insgesamt 25 Telefonate geführt: Ich habe mit dem Ministerium telefo­niert, mit der Ages telefoniert, mit 1450 telefoniert, noch einmal mit der Bezirkshaupt­mannschaft – alle Instanzen durch. Ich habe wirklich wie Buchbinder Wanninger mit dem Gesundheitsministerium telefoniert. Einen einzigen Herren hat es in Ihrem Ministerium gegeben, der es wirklich gegneißt hat, was passiert ist: Als das Testergebnis bekannt gegeben wurde, wurde mein Name in die falsche Spalte – also nicht in infiziert oder irgend­etwas – eingetragen, auf alle Fälle bin ich halt unter den Todesfällen aufgeschienen.

Darum, wie gesagt: Jeder einzelne Todesfall ist bedauerlich, aber es gibt auch wieder­auferstandene Tote. Ich weiß schon, es würden sich manche wünschen, wenn ich nicht mehr hier wäre – eine Goscherte weniger (Bundesrätin Schumann: Nein, nein! – Bun­desrat Schreuder schüttelt den Kopf) –, aber Sie können mir glauben: Totgesagte leben länger. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben heute schon über Antikörper gesprochen: Das verstehe ich nicht, Herr Minister! Das verstehe ich nicht, das kann ich nicht verstehen. Was passiert bei einer Impfung? – Bei einer Impfung werden im menschlichen Körper Antikörper produziert – sollten produziert werden. Ein Genesener hat natürliche Antikörper. Jetzt sage ich Ihnen einmal: Wenn der Körper natürlich reagiert, ist das doch sicherlich etwas Gesünderes.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Entschuldigung, Frau Bundesrätin, könnten Sie bitte zur Sache kommen und zum Tagesordnungspunkt sprechen!


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! Im Par­lament gilt die freie Rede, und ich habe 10 Minuten Redezeit. (Bundesrat Steiner: Sie repliziert doch auf den Minister!) Ich werde schon noch zum Thema kommen. Bitte halten Sie den Parlamentarismus ein! Hier im Hohen Haus gilt die freie Rede. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Also bitte, das war eine Replik auf den Minister!)

Jedenfalls sind natürliche Antikörper sehr viel besser als künstliche. Darum gebe ich noch einmal die Anregung, sich auf Antikörper untersuchen zu lassen. Ich habe nämlich wirklich den Verdacht, dass Sie schön langsam draufgekommen sind, dass bei geimp­ften Personen, die auf Antikörper untersucht worden sind, eben keine Antikörper auf­scheinen.

Zum eigentlichen Thema dieses Tagesordnungspunktes: Wir sollen heute eine Pen­sions­anpassung für die Jahre 2021 und 2022 beschließen. Wir Freiheitliche können dieser sogenannten Pensionsanpassung unsere Zustimmung nicht erteilen. Es ist eigentlich eine reine Pflanzerei und Zynismus pur, wenn man von einer Anpassung oder vielleicht sogar von einer Erhöhung der Pensionen spricht. Das ist Pflanzerei und Zynismus.

Der generelle Anpassungsfaktor für 2022 ist mit 1,8 Prozent angegeben. Kleinere Pen­sionen sollten mit 3 Prozent valorisiert werden. Schauen wir uns aber dazu die Inflations­rate an: Laut Statistik Austria lag die Inflationsrate im Oktober bereits bei 3,7 Prozent und für November haben wir hochgerechnet gar 4,3 Prozent.


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Was hier vorgelegt wurde, nennt man nicht Anpassung, Herr Minister, man nennt es auch nicht Erhöhung, sondern man nennt das inflationären Pensionsverlust. (Beifall bei der FPÖ.)

Wieder trifft es Menschen, die ohnehin schon weniger Geld im Geldbörsl haben, und Sie erklären mir dann wirklich allen Ernstes, dass dies eine Pensionsanpassung und -erhöhung sein soll. Das ist es nicht, für mich ist es eine Farce.

Diesen Realpensionsverlust haben klarerweise die ÖVP und die Grünen – da sitzen sie und schauen mich groß an – zu verantworten. Mir geht es aber darum, dass man den Senioren, der älteren Generation ein Altern in Würde ermöglicht. Die ältere Generation hat es sich verdient, dass sie, wenn sie ein Leben lang gearbeitet hat, ein Einkommen zum Auskommen hat.

Immer wieder höre ich auch von Ihrer Seite, man müsse Altersarmut vermeiden und verhindern. – Ja, dann setzt doch bitte die Pensionserhöhungen über der Inflationsrate an und speist unsere ältere Generation nicht mit einem Stückerl Brot und Brotkrumen ab!

Die stark gestiegenen Preise bei Treibstoff, Lebensmitteln, Heizung und bei der Miete sind da noch gar nicht berücksichtigt. Die Preise werden sich noch weiter erhöhen, es gibt aber keine Erhöhungen beim Heizkostenzuschuss oder Sonstigem. Da nützt es gar nichts, wenn ich im Ausschuss frage und der Beamte mir erklärt: Ja, es gibt dann nächstes Jahr vielleicht eh rückwirkend eine kleine Pensionserhöhung. – Das nützt nichts, die Leute wollen jetzt im Winter zu Hause einheizen. (Beifall bei der FPÖ.)

An dieser Stelle möchte ich neuerlich betonen, wie eiskalt es von der ÖVP und den Grünen war, dass sie die Hacklerpension abgeschafft haben. Das waren Nettozahler, die 45 Jahre eingezahlt haben. Wahrscheinlich haben sie sogar mehr einbezahlt, als sie jemals an Pension herausbekommen könnten.

Minister Kocher hat sich da besonders stark eingesetzt, aber auch vom grünen Minister bin ich sehr enttäuscht, dass ihr diese Hacklerpension abgeschafft habt. Minister Kocher hat sich wie gesagt für die Abschaffung besonders starkgemacht. Schade, dass der Herr Minister heute nicht hier ist, denn ich hätte ihm gerne ein paar Dinge gesagt. Ich habe heute schon von Gewalt und Diskriminierung und von der Würde des Hauses und des Amtes gehört, und in diesem Zusammenhang hätte ich Minister Kocher gerne gefragt, ob es denn bei ihm üblich ist, dass er unbeobachtet den verlängerten Rücken, also das Hinterteil einer Frau fotografiert oder filmt, und ob wir hier vielleicht auch gefährdet sind.

Es gibt da ja Parallelen, denn bei Hausdurchsuchungen wurden doch auch Handys mit Fotos von anderen Körperteilen beschlagnahmt. Gibt es da etwa einen roten Faden, der sich bei der ÖVP durchzieht? Er kann hundertmal Minister sein, meinetwegen kann er der Kaiser von China sein, ich werde ihm trotzdem meine Sicht als Frau sagen und mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg halten. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass man den verlängerten Rücken, das Hinterteil einer Frau filmt, ohne dass die Frau vorher gefragt wurde, solch eine Handlung, solch ein Verhalten ist ungeheuerlich. Für mein Dafürhalten ist das absolut abstoßend, widerlich und eines Bundesministers der Republik Österreich unwürdig. – Danke schön. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

21.45


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort. Ich erteile ihm dieses.


21.45.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Steiner-Wieser, ich


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 215

darf Ihnen eines sagen: Ich habe heute schon viele Dinge gehört, die mich erschreckt haben, aber wenn Sie glauben, wir wollen, dass Sie nicht mehr leben, dann möchte ich sagen, dass das sicher nicht stimmt. (Bundesrat Steiner: Das hat sie ja nicht gesagt! Also jetzt bitte, Marco!) – Ich habe es so verstanden, vielleicht habe ich es auch falsch verstanden.

Ich kann jedenfalls versichern – und ich glaube, da kann ich im Namen aller sprechen –: Das will niemand von uns, auf gar keinen Fall. (Bundesrat Steiner: Das hat sie nicht gesagt!) – Vielleicht habe ich es auch falsch verstanden. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ich habe tatsächlich gesagt: Ich weiß schon, es würden sich viele wünschen, dass ich nicht mehr hier wäre, weil es dann eine Goscherte weniger wäre!) – Genau. Das wün­sche ich mir aber nicht, nein, das wünscht sich keiner von uns, und es war mir wichtig, das zu sagen, weil man das auch falsch verstehen kann. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ein Hohes Haus! – Bundesrätin Schumann: Sind wir hier im Simpl oder wo sind wir hier?!)

Anyway: Es ist erfreulich, dass wir heute im Bundesrat zwei wichtige Sachen beschließen dürfen. Einerseits – das ist schon erwähnt worden – haben wir eine Pensionserhöhung für das Jahr 2022 zu beschließen und andererseits die Ausweitung des FrühstarterInnen­bonus auf jene Berufsgruppen, die bislang nicht begünstigt waren, also auch die öffent­lich Bediensteten, zum Beispiel die Beschäftigten bei der Eisenbahn und bei der Post.

Wir erfüllen damit jetzt ein Versprechen, das wir bei der Einführung des Frühstarterbonus gegeben haben – das ist uns auch wichtig –, nämlich jenes, dass wir diesen Bonus wirklich für alle einführen wollen. Ich sage das auch, weil es so stark kritisiert worden ist, und ich sage es allen Unkenrufen zum Trotz, denn ich und wir von den Grünen sind auf diesen Frühstarterbonus wirklich stolz. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich darf daran erinnern, worum es bei dem Frühstarterbonus geht (Ruf der bei SPÖ: Wir wissen es!): Das ist eine Regelung, die jenen nützt, die ab dem 15. Lebensjahr zu arbeiten begonnen haben, die in die Pensionsversicherung eingezahlt haben und dann eben nicht das Glück hatten – das entspricht der Realität der heutigen Arbeitswelt –, einen durchgehenden Erwerbsverlauf zu haben.

Diese Menschen haben dann Arbeitslosigkeit erlebt, Pflegeaufgaben übernommen, Be­treuungspflichten gehabt. Das ist die heutige Realität in der Arbeitswelt. Das ist die Realität, die dieser Frühstarterbonus abbildet, und er ist damit viel besser als die soge­nannte abschlagsfreie Hacklerregelung. (Beifall bei den Grünen.)

Vor allem eine Maßnahme kommt tatsächlich der Mehrheit der Menschen, die zukünftig in Pension gehen werden, zugute: Die Regelung betrifft nämlich tatsächlich ungefähr zur Hälfte Frauen und zur Hälfte Männer und ist nicht mehr nur ein Männerprogramm. Darauf bin ich stolz. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Die Frauen wären doch jetzt drangekommen!)

Der zweite Punkt wurde bereits erwähnt: Im Rahmen der Pensionserhöhung führen wir auch dieses Jahr eine Pensionserhöhung von 1,8 Prozent für alle Pensionen durch. Das ist wichtig und vom Gesetz her auch so geboten. Wir hätten sonst ein Verfassungs­problem bekommen, da diese Anpassung mehrere Jahre lang nicht erfolgt ist und irgendwann die Wertsicherung aller Pensionen einfach nicht mehr gegeben gewesen wäre. Daher ist diese Pensionsanpassung für alle Pensionen im Ausmaß von 1,8 Pro­zent gesetzlich vorgegeben und war auch verfassungsrechtlich geboten. Wir reden da ja auch von einer Versicherung, in die man eingezahlt und aus der man sich Ansprüche erworben hat.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 216

Gleichzeitig haben wir damit die unteren Pensionen um 3 Prozent erhöht, insbesondere auch die Ausgleichszulage, das ist so etwas wie die – unter Anführungszeichen – „Min­destpension“, ebenfalls um 3 Prozent. Das ist wichtig zur Bekämpfung von Armut, insbesondere von Frauenarmut. Ich möchte daran erinnern, dass die mittlere Alters­pension bei Frauen im Jahr 2019 nach wie vor bei 1 019 Euro lag. Deswegen ist diese Anpassung so enorm wichtig, und wir stimmen ihr gerne zu. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Geh bitte! Da habts nix zusam­men­gebracht, tut mir leid!)

21.49


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


21.49.55

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss jetzt um 21.50 Uhr kurz darauf eingehen, was innenpolitisch passiert ist, seit ich das letzte Mal um 17.30 Uhr hier gestanden bin. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Während Kollege Spanring hier gestanden ist und der Herr Bundeskanzler dort geses­sen ist, hat sein Social-Media-Team seinen Rücktritt gepostet. Am nächsten Montag werden es genau acht Wochen sein, dass Herr Bundeskanzler Schallenberg im Amt gewesen ist – das ist immerhin doppelt so lange, wie Bundesministerin Köstinger Natio­nalratspräsidentin gewesen ist. (Heiterkeit und Zwischenruf bei der SPÖ.)

Es ist aber leider tragikomisch. Indem die ÖVP die höchsten Ämter der Republik quasi als Verschubmasse betrachtet (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ), belastet sie nicht nur die Ämter, sondern auch die Politik an sich und vor allem das Vertrauen in die Politik, das man in einer Phase der Pandemie eigentlich besonders nötig hätte. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Genau! Völlig richtig!)

Jetzt zum Pensionsanpassungsgesetz: Es handelt sich dabei um die fünfte außerordent­liche Pensionserhöhung in Folge. Diese Pensionsanpassungsgesetze belasten das Budget heuer zusätzlich mit 600 Millionen Euro, nächstes Jahr sind es sogar schon knapp 700 Millionen Euro. (Bundesrat Hübner: Und was ist die Alternative?) An diesen außerordentlichen Pensionserhöhungen haben nicht nur der Chef der PVA Winfried Pinggera, der Chef der Alterssicherungskommission Walter Pöltner, sondern auch die ÖVP-Seniorenbundchefin Ingrid Korosec Kritik geäußert. Es wird das Versicherungs­prinzip untergraben, indem Pensionen unterschiedlich erhöht werden.

Würde man bei den Pensionserhöhungen eine soziale Treffsicherheit beabsichtigen, dann müsste in Wirklichkeit die Ausgleichszulage erhöht werden, weil nämlich eine Pen­sionserhöhung, wie sie jetzt vorgenommen wird, zum Großteil Nichtbedürftigen etwas bringt. 80 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher von Pensionen unter 1 000 Euro sind nämlich, wie Walter Pöltner festgestellt hat, nicht arm oder armutsgefährdet, sondern sind Bezieher von ausländischen Teilpensionen und Personen, die nur wenige Arbeits­zeiten vorweisen können und die PVA-Bedürftigkeitskriterien für die Ausgleichszulage nicht erfüllen, wie zum Beispiel die berühmte Hofratsgattin.

Insgesamt ist dieses Pensionsausgleichsgesetz deswegen ungefähr fünfmal so teuer wie ein notwendiges, nämlich sozial treffsicheres Pensionsausgleichsgesetz wäre. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

21.52

21.52.56



BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 217

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2022.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Maßnahmenpaket für Pensionen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversorgungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.54.4622. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schus­ses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmitglieder vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Es liegen mir folgende Nominierungen der Fraktionen vor:

Als Mitglieder wurden von der ÖVP Bundesrat Mag. Franz Ebner (Oberösterreich) und von der SPÖ Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (Wien) vorgeschlagen.

Als Ersatzmitglieder wurden von der ÖVP Bundesrätin Barbara Tausch (Ober­öster­reich), von der SPÖ Bundesrat Dominik Reisinger (Oberösterreich) und von der FPÖ Bundesrat Markus Leinfellner (Steiermark) vorgeschlagen.

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diese Wahl­vor­schläge durch Handzeichen vornehmen lassen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 218

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit einhellig gewählt.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.56.21Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Es liegt mir ein schriftliches Ver­langen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 17 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls.

Ich verlese:

„Tagesordnungspunkt 17:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag,

keinen Einspruch zu erheben,

wird mit Stimmenmehrheit angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amt­lichen Protokolls? – Es ist dies nicht der Fall. Das Amtliche Protokoll gilt daher hin­sichtlich des Tagesordnungspunktes 17 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen, 3958/J-BR/2021 bis 3964/J-BR/2021, eingebracht wurden.

Eingelangt sind der Entschließungsantrag 316/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird, und

der Entschließungsantrag 317/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Fortführung des Corona-Familienhärteausgleichs“, der dem Ausschuss für Familie und Jugend zugewiesen wird.

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Die Einberufung der nächsten Sitzungen des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermine werden Dienstag, der 21. Dezember 2021, 13 Uhr, bezie­hungsweise Mittwoch, der 22. Dezember 2021, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


BundesratStenographisches Protokoll934. Sitzung, 934. Sitzung des Bundesrates am 2. Dezember 2021 / Seite 219

Für die Tagesordnung dieser Sitzungen kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 20. Dezember 2021, 14 Uhr, vor­gesehen.

Bevor ich die Sitzung schließe, ist es mir ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass der 3. Dezember der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung ist. An diesem Tag wird mit dem Purple-Light-Up-Day die ökonomische Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt gestellt. Von heute Abend seit 18 Uhr bis in die Morgenstunden des 3. Dezember wird daher die Fassade des österreichischen Parlaments, am Josefsplatz, als sichtbares Zeichen lila bestrahlt.

Ich wünsche allen einen schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

21.59.57Schluss der Sitzung: 21.59 Uhr

 

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