13.29

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundes­räte! Neu angelobte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Sie werden es erleben, ich werde mich heute ausnahmsweise ein bisschen kürzer halten, denn ich glaube, Ihr Interesse an den eben angesprochenen neuen Kolleginnen und Kollegen ist ein größeres. Ich habe hier ja schon öfter Beiträge in meiner Funktion als Vizekanzler leisten dürfen.

Trotzdem, ich bin gerne hier im Parlament, und das möchte ich wirklich betonen, sowohl in der ersten als auch in der zweiten Kammer, sprich hier im Bundesrat. Auch hier wird leidenschaftlich diskutiert. Ja, manchmal kracht’s, aber – ich werde noch kurz darauf eingehen – das hat schon seine Berechtigung und seinen Sinn, und in diesem Fall natürlich auch. Vielleicht werde ich mich auf ein paar föderale Punkte konzentrieren, auch eben vor diesem Hintergrund.

Jetzt möchte ich mich – obwohl ich gerne von Vertreterinnen und Vertretern anderer Parteien dafür kritisiert werde, auch das darf sein – bedanken, nämlich zuerst bei den handelnden Personen, vor allem beim ehemaligen Kollegen als Bundeskanzler, nämlich Schallenberg, der jetzt ja wieder in die Außenministerfunktion zurückgekehrt ist.

Das war in Wahrheit gar nicht leicht. Sie alle haben mitverfolgen können, wie es gekom­men ist. Ich möchte mich ausdrücklich bedanken, denn in so einer schwierigen Zeit, die sich dann als Übergangszeit herausgestellt hat, ist es auch nicht gerade nur einfach. Das ist das eine.

Dem anderen kann ich mich anschließen, was die Rolle des Bundespräsidenten betrifft, ein weiteres Mal. Auch an dieser Stelle, vor diesem Haus, ist es mir wichtig, zu betonen, dass es keine Minute gegeben hat, in der die Republik ungeführt oder gar ungesteuert gewesen wäre. (Heiterkeit der Bundesräte Ofner und Steiner.) Das ist nicht ganz unerheblich in solchen Situationen.

Ja, wir leben in einer Demokratie, in einer Parteiendemokratie. Wir leben in der Real­verfassung, und bei der hängt sehr viel von parlamentarischen Mehrheiten ab. Das ist nicht in allen Ländern gleich, was Regierungskonstellationen betrifft. Ich glaube, es ist wichtig, darauf hinzuweisen.

Der letzte Dank in diesem Zusammenhang – und das habe ich mit Sich-einer-Kritik-Aussetzen gemeint – geht jetzt an die ÖVP als Ganzes. Ja, ich weiß, jetzt kann man schon sagen – da war ich vielleicht unscharf –, das ist angesichts der Vorwurfslage nicht unbedingt eine Krise wie jede andere. Umso eher musste man es aber in weniger als 24 Stunden zusammenbringen, die Entscheidungen zu treffen, die getroffen wurden – natürlich auch im eigenen Interesse (Zwischenruf des Bundesrates Bernard – Bundes­rat Steiner: Ihr werdet ja immer besser! ... zu wechseln, werdet ihr immer besser!), denn es arbeitet ja keine Partei grundsätzlich gegen sich selbst. Auch das gehört ja zu einer Demokratie dazu, dass man halbwegs stabil ist und wieder einmal auf nächste Wahlen schauen kann. Auch wir haben da unsere Erfahrungen gemacht, wie Sie wissen.

So gesehen ist es ja vielleicht gar nicht so erwähnenswert, aber ich finde es deshalb erwähnenswert, weil es in dieser schwierigen Situation, in der wir uns nicht alleine in Europa befinden – der Bundeskanzler hat es angesprochen, ich will da gar nichts wiederholen –, umso wichtiger war, innerhalb von 24 Stunden diese Entscheidungen herbeizuführen, und auch das verdient Respekt. Das soll einfach ausgedrückt sein, und ich bin auch froh, wenn es in dieser Kammer dann protokollarisch vermerkt ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Jetzt sind wir eh beim Gemeinsamen; ich sage es nicht nur, weil Weihnachten ist: Ins­gesamt ist es unsere Herausforderung – und ich glaube, man hört schon die Tonalität des Bundeskanzlers; das ist ein gemeinsames Anliegen, deswegen kann ich mich ja heute wirklich kürzer fassen –, dieses Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen, und das muss man in manchen Situationen erst wieder suchen. Es ist zu finden, und dann kann man es voranstellen. Das ist, glaube ich, generell in solchen Zeiten wichtig.

Ja, es gibt Trennendes, aber auch das hatten wir, und ich bin sehr überzeugt von dieser Aussage: Behandeln wir das Trennende so, dass es uns nicht unversöhnlich zurück­lässt! – Das halte ich schon für relevant. Man muss und kann sich womöglich nicht überall einigen, aber dann tun wir doch so, dass es uns nicht unversöhnlich zurücklässt! Das gilt für hier herinnen, aber natürlich auch für viele Gruppen in der Gesellschaft.

Der Bundespräsident, den ich angesprochen habe, hat auch darauf hingewiesen, dass wir nicht zu viele falsche Erwartungen wecken sollen. Es wird ja die Zeit immer schwie­riger einzuordnen. Wir wissen, dass es nicht einfacher wird. Ich glaube, da darf man ja auch dazulernen. Man soll bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses nicht den Eindruck erwecken: Okay, der Hase ist gelaufen, der Kuchen ist gegessen, alles ist paletti.

Da hat es Versäumnisse gegeben, auch von uns in der Regierung, das stimmt. Ande­rerseits sagen Mitglieder von Beraterstäben, die es schon einmal gegeben hat – die jetzt Gott sei Dank in einem einheitlichen Größeren zusammengeführt sind, nämlich zu Gecko, das muss ich gar nicht weiter ausführen –, handelnde Ministerinnen und Minister, die Regierungsspitze in Österreich, aber auch Herr Drosten in Deutschland, wenn Sie die Interviews in der „Zeit“ – vom Oktober noch – nachlesen, dass sie sich da und dort ganz schön getäuscht haben.

In welchem Zusammenhang? – Das bezieht sich jetzt auf meine 95 Prozent: dass es zunächst schon klar war – ich bleibe noch bei meinem Beispiel, keine Sorge –, dass die Wirkung einer Schutzimpfung ab einem bestimmten Zeitpunkt, der nicht unbedingt vorhersehbar war (Bundesrätin Steiner-Wieser: Weil keine Erfahrung ...!), weil ja zu wenig Erfahrung da war, nachlässt.

Dann war noch die Frage, in welchem Ausmaß und in welcher Geschwindigkeit diese Wirkung nachlässt. So ist es doch ein Unterschied, ob die Impfung neun bis zwölf Monate schützt, wie man angenommen hat, oder ob die Schutzwirkung nach vier, fünf Monaten doch spürbar abnimmt, wie sich herausgestellt hat, und zwar relativ rasch abnimmt. Das hat natürlich auch eine Auswirkung auf die Fähigkeit der Menschen zur Weitergabe des Virus, nicht nur auf den Schutz der Person selber. In der Prognose trägt all dies natürlich zur pandemischen Ausbreitung des Virus bei.

Wir können sagen, wir handeln faktenbasiert, aber dann kann man sagen: Na ja, so genau sind die Fakten nicht immer vorhersehbar. Faktenbasiert und lösungsorientiert zu handeln, das ist uns schon wichtig, man muss jedoch auch prognoseorientiert sein, aber bei Prognosen hat man halt einen gewissen Unsicherheitskorridor.

Dann hat die Politik die Aufgabe, zu entscheiden, welche Ziele sie voranstellt. Ist es ausschließlich der Schutz der Spitäler? Das ist sicherlich eines der wichtigsten Ziele, es gibt aber auch ein paar andere Ziele, und diese Abwägung ist nicht immer einfach, das werden Sie in Ihren eigenen Debatten hier herinnen immer wieder wahrnehmen. Es ist dann, glaube ich, die Kunst der Politik, da die Entscheidungen herbeizuführen; denn natürlich geht es auch um soziale Fragen, psychosoziale Fragen, da geht es um Schuldbildung et cetera, und die Kunst wird es weiterhin sein, all dies unter einen Hut zu bringen, aber, wenn man so will, mit mehr Vorsichtsprinzip und prognosebasiert.

Diese Themen tauchen ja in ganz Europa auf, das ist ja kein Alleinstellungsmerkmal Österreichs. Es wäre, glaube ich, wichtig, sich auf diese Sichtweise einzulassen, damit man nicht immer so tut, als ob man diesbezüglich allein auf der Welt wäre. Ja, wir sind im Guten nicht allein auf der Welt, aber auch nicht mit den Problemen. Und wenn man den Expertenstäben zuhört, weiß man, dass es auch bei uns diverse Aufs und Abs gibt, die sich in den Ländern und in den Regionen nicht immer gleichzeitig zutragen, sondern öfter einmal zeitverzögert.

Bei Omikron haben wir ja jetzt die Möglichkeit, eine wirkliche Beobachtung in den ande­ren Ländern vorzunehmen, damit die Beratungslage dann eine Spur diesen Progno­se­korridor einschränkt, obwohl noch viele Fragezeichen da sind.

Wenn wir Europa sagen, möchte ich schon darauf hinweisen, dass wir auch zu der Zeit, als in Österreich erkennbar und öffentlich diskutiert – auch hier herinnen – gröbere Schwierigkeiten in der Perspektive im Anmarsch waren, als sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Landeshauptleuten – apropos föderales Gremium – dazu durchge­rungen hat, starke Einschränkungen vorzunehmen, oder wie immer man das nennt – es ist ja nicht so, dass gar nichts möglich war; in anderen Ländern bedeutet Lockdown etwas viel Schärferes als das, was bei uns der Lockdown ist, andere sagen Einschrän­kungen, wobei diese Einschränkungen einem Lockdown gleichkommen, wieder andere sagen Lockdown, aber es geht ganz locker zu, also man muss, glaube ich, wirklich hinschauen, was es denn ist und welche Maßnahme, so gut es geht, überhaupt welche Konsequenzen zeitigt; das ist gar nicht so einfach, wie man glaubt –, nicht mit den Problemen allein waren.

Als Salzburg und Oberösterreich – ich nehme diese beiden Bundesländer ganz bewusst heraus (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) – große Schwierigkeiten hatten, sage ich neutral, haben der angrenzende Freistaat Bayern, die ostdeutschen Bundes­länder und auch andere in Europa damals schon ähnliche Probleme gehabt.

Jetzt hat sich die Lage ein bisschen umgedreht. Wir sollten uns daher nicht dazu verlei­ten lassen, zu glauben, irgendetwas ist immer besonders viel besser als etwas anderes. Da gibt es eben Wellenbewegungen, und entsprechend versucht man, sich anzupassen.

Wie der Herr Gesundheitsminister sagt, haben wir uns durch diese Einschränkungen einen gewissen Vorsprung erarbeitet. Jetzt kann man einmal Weihnachten halbwegs Weihnachten sein lassen, so weit es halt geht. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir wissen aber, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit im Jänner und Februar die Situation noch einmal schwieriger wird.

Das muss man endlich einmal aussprechen und benennen dürfen, ohne dass sich gleich die Wichtigsten in der Republik deshalb in die Haare kriegen. Sie sollten das lieber gemeinsam kommunizieren, so weit es eben geht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Da gibt es ganz große Erwartungshaltungen und Hoffnungen, und ich finde, der Bundeskanzler löst das in einer Art und Weise ein, wie es nur wünschenswert ist, und ich möchte das ausdrücklich anerkennen.

Wenn wir uns dann einmal von der Pandemie wegbewegen – denn es muss auch etwas anderes geben, auch darüber sind wir uns einig –, dann gibt es schon andere Themen: nicht nur, weil wir jetzt regieren – da gibt es ein Regierungsprogramm –, sondern weil überhaupt Themen anstehen – ich brauche sie ja gar nicht zu wiederholen –, ob es die Ausweitung der Betreuungsplätze in den Kindergärten ist oder die Pflege – ganz, ganz wichtig, da gibt es erste Ansätze, und noch viel mehr müssen wir tun. Deshalb ist ja auch das Motto: Trotz der Pandemie nach vorne arbeiten! – Ja, zugegeben, wieder einmal heißt es – aber das muss man auch einmal durchhalten –: Ärmel rauf und nach vorne arbeiten! – Das nehmen wir uns vor, doch selbstverständlich ist das nicht, denn es könnte einem ja auch irgendwann einmal die Luft ausgehen. Nein, sie geht nicht aus – durch­schnaufen, nach vorne arbeiten! (Bundesrat Steiner: Eine Drohung ist das!)

Ja, ich weiß, dass wir da unterschiedliche Einschätzungen haben (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), aber ich kann positiv zur Kenntnis nehmen und feststellen – Stichwort neues Klima –, dass sich die Zwischenrufe sehr in Grenzen halten. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Da ich versprochen habe, dass ich gleich aufhöre (Bundesrat Steiner: Das ist ein dehnbarer ...!), habe ich vielleicht noch 3 Minuten, da hole ich mir noch 3 Minuten Replikzeit raus, weil man ja nie weiß, was genau kommt – und im Sinne einer lebhaften Debatte sage ich vielleicht später noch einmal etwas. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Zur Frage der Wirtschaft – wie sich das entwickelt –, auch der sozialen Absicherung, aus der Krise heraus: Selbstverständlich ist das nicht. Ja, ich meine, diese 42 Milliarden Euro sind, je nachdem, welche Inflation man ansetzt, überhaupt über 10 Prozent unserer jähr­lichen Wertschöpfung, der Wirtschaftsleistung, des Bruttoinlandsprodukts. Das ist mega, das stimmt, aber es ist immer noch die Frage, wo man es einsetzt. Ja, auch da, glaube ich, gibt es die Debatte, ob es dort oder da einmal eine kleine Überförderung gab, wir können das alles diskutieren – grosso modo sind wir richtig gelegen.

Ich sage Ihnen, die Konstruktion, dass der Umsatzersatz damals im November, im Dezember des Vorjahres noch ausbezahlt worden ist – dass er gleich ausbezahlt worden ist –, war mir lieber als der Umsatzersatz in Deutschland. De facto haben wir den gleichzeitig erfunden, aber in Deutschland, damals noch mit Kollegen Scholz als Finanz­minister, haben sie Monate gebraucht, bis sie es ausbezahlt haben, weil dort die föderale Struktur in der Finanzverwaltung – so viel Kritik am Föderalismus muss sein – eher ein Problem dargestellt hat, als dass sie eine Lösung war. Sie waren halt noch nicht so weit. In Österreich ist dieser Teil relativ zentral organisiert, das hat super funktioniert – Aner­kennung auch noch einmal dafür.

Die wichtigste Botschaft ist ja: Wofür wird das Geld eingesetzt? – Vieles war zur Erhaltung da – Kurzarbeit –, auf der anderen Seite gab es dort, wo neu investiert wurde, sehr viele Investitionen in Modernisierung. Was ist das? – Das ist nicht nur öko – weil ich als Grüner gerade dastehe –, sondern das ist auch Digitalisierung, und ja, etwas ursprünglich Altmodisches gewinnt gerade durch die Erkenntnisse aus der Pandemie wieder Bedeutung: Regionalisierung, sozusagen mehr so wie Resilienz – das auszu­führen ist mir jetzt vielleicht zu kompliziert, aber ich sehe das als so eine Art Trittsicher­heit aus der Kraft der Regionen heraus, was Nahrungsmittelbereitstellung, Medikamen­tenbereitstellung und, und, und betrifft. Da ist sehr viel umgedacht und umgelenkt worden. Dazu sind auch Investitionen da, nicht nur Steuerreformen. Die größten Hebel, die wir in die Hand genommen haben, waren – und das wurde ja gesagt – diese Inves­titionen und die Förderungen dazu. – Das ist mega. (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage noch eines – jetzt doch als Grüner –: So viel Klimaschutz gab es noch nie, aber gar nicht nur wegen der ökologisch-sozialen Steuerreform, sondern insbesondere durch diese Investitionen. Das muss man auch einmal machen, und das wird auch international gewürdigt, wie man jetzt wieder – auch bei kleineren Kritikpunkten – durch die Berichte der internationalen Wirtschaftsorganisationen sehen konnte. Gut so, weiter so, sage ich an dieser Stelle!

Wir laden Sie dazu ein, wir stellen uns auch der Debatte – das ist ja nicht der Punkt –, und in diesem Sinne kann ich ja einmal aufhören. Ich wünsche noch nicht frohe Weih­nachten, weil ich mich der Hoffnung hingebe, dass Sie uns noch einmal herausfordern. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.44

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses.