14.37

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Herren Bun­desminister! Einer ist noch da. (Bundesminister Polaschek: Zwei sind da!) Um kurz darauf einzugehen, Herr Kollege Steiner: Ihr könnt euch das ja zumindest in der Fraktion aufteilen, wer zu welchem Minister redet, ich muss jetzt tatsächlich alle auf einmal umfas­sen. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Aber du hast mehr als 10 Minuten Zeit!) – Ich weiß, ja.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich beginne mit etwas Persönlichem: Ich habe an­lässlich Ihres Amtsantritts Ihre Biographie ein bisschen näher angeschaut. Wir haben mehr Gemeinsamkeiten als unseren schönen Vornamen, uns trennt auch weniger als ein Monat im Alter. Wie waren beide an einem humanistischen Gymnasium, zwar nicht in demselben, aber Sie waren in jenem, in dem meine Tochter gewesen ist und wo ich dann auch im Elternverein war.

Zum Inhaltlichen: Sie haben in den ersten zwei Wochen Ihrer Amtszeit einen sehr positiven Eindruck erweckt – zumindest den Eindruck erweckt, inhaltlich kann man ja noch nicht viel rekapitulieren. Sie haben im Nationalrat und auch hier heute gesagt, dass Ihnen der Respekt vor dem Parlament sehr wichtig ist, dass Ihnen der Dialog wichtig ist. Das ist eine positive Zäsur vor allem zu Ihrem Vorvorgänger. Der Ton macht die Musik, und das ist einmal ein positiver Anfang. Wir NEOS und auch ich würden uns freuen, wenn das so bleibt.

Was sich in den letzten beiden Wochen an Inhaltlichem tatsächlich schon ereignet hat, waren zum Beispiel die Verhandlungen zum Impfpflichtgesetz. Dort hat es sich auch gezeigt, wie gut und wichtig es ist, dass man, wenn mehrere Parteien unterschiedliche Zugänge haben – denn wir haben nicht den gleichen Zugang wie die Regierungsparteien, aber es gibt gewisse Überschneidungen –, die Ideen einbringen kann und am Schluss auch zu einem guten Ergebnis kommen kann.

Die Baustellen und die großen Aufgaben, die in Ihrem neuen Ressort jetzt aber noch vor Ihnen liegen, sind zum Beispiel die Informationsfreiheit, die Parteienfinanzierung und die Inserate – da wäre es wichtig, dass Sie einen Erfolg haben und etwas weiterbringen. Das sind nämlich auch Punkte, mit denen wir dafür sorgen können, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederhergestellt wird. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Im Schnelldurchlauf: Herr Finanzminister, Sie haben bei Ihren Antrittsinterviews aus­geschildert, welche Leitlinien Sie sich geben. Sie wollen sich darum kümmern, haben Sie gesagt, dass es eine nachhaltige Fiskalpolitik und einen ausgeglichenen Budgetpfad gibt. Sie wollen dafür sorgen, dass der Schuldenrucksack für die Jungen nicht noch größer wird. All das sind Punkte, die wir NEOS nur voll unterstreichen können. Das Wich­tige ist aber: Es gehört auch getan. Ankündigungen haben wir in den letzten Wochen und Monaten, in den letzten zwei Jahren viele gehört, es wird Zeit, das jetzt umzusetzen.

Was kann man tun, um diese Ziele zu erreichen? – Es gibt drei große Bereiche, die von uns NEOS immer angeführt werden: Es braucht Reformen, die in den vergangenen zwei Jahren bei dieser Bundesregierung nicht ganz so beliebt waren. Die Reformbereitschaft muss den Effekt haben, dass die Dinge umgesetzt werden, denn andernfalls werden der Spielraum, den Sie als Finanzminister brauchen, oder auch nur ein ausgeglichenes Budget einfach nicht möglich sein. Da müssen alle Bundesminister in ihre Ressorts hineinschauen und sich darum kümmern, dass im Schulterschluss gemeinsam gear­beitet wird. Da geht es zum Beispiel um eine Pensionsreform, eine Systemänderung im Föderalismus – das System ist nämlich nicht nur teuer, sondern vor allem gibt es viele Doppelgleisigkeiten, wie wir in dieser Krise gesehen haben, die das Ganze sehr inef­fizient machen –, es braucht eine Reform des Bildungssystems, und es braucht viel mehr Treffsicherheit bei den Förderungen und bei den Hilfen, die ausgezahlt werden, auch jetzt in der Krise.

Der zweite Bereich betrifft den Wirtschaftsstandort. Es ist wahrscheinlich unstrittig, dass wir einen international attraktiven, wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort brauchen. Das kann aber nur erreicht werden, wenn insbesondere die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Das ist etwas, was die Bundesregierung bisher versäumt hat. Das wäre eine Riesenmöglichkeit, eine Riesenchance für Sie, sich darum zu kümmern. Im Gleichklang braucht es einen Kapitalmarkt, der den Namen auch verdient, denn dieser steckt in Österreich leider ebenfalls noch in den Kinderschuhen.

Zuletzt noch betreffend jene Bürgerinnen und Bürger, die Steuern zahlen: Die Steuern auf Erwerbsarbeit in diesem Land sind viel zu hoch. Sepp Schellhorn hat immer gesagt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kosten zu viel, verdienen aber zu wenig. Die Steuern auf Erwerbsarbeit gehören deswegen spürbar gesenkt. Was Sie in diesem Zusammen­hang auch immer wieder von uns hören, ist: Die kalte Progression muss endlich abge­schafft werden! Von diesem Versprechen haben Sie in Ihrem letzten Interview bezie­hungsweise die Klubobleute der Regierungsparteien im Nationalrat leider schon einen Rückzieher gemacht.

Sie werden all diese Strukturreformen brauchen, um den Umbau des Steuersystems in Richtung einer CO2-Bepreisung bei einer gleichzeitigen Senkung der Erwerbsteuern weiter voranzutreiben, sonst werden nämlich die Klimaziele nicht erreicht werden, die Ihnen auch besonders wichtig sind, wie Sie gesagt haben – und die sind nicht nur wichtig für die Welt und für die nächsten Generationen, sondern es drohen vor allem ja auch Milliardenstrafen, die sich im Budget widerspiegeln werden, wenn wir diese Klimaziele nicht erreichen. Für diese Herausforderungen wünschen wir Ihnen viel Erfolg.

Herr Bildungsminister, Sie haben sich in Ihrer vorherigen Funktion im Gegensatz zu anderen Hochschulleitungen sehr stark dafür eingesetzt, dass es an Ihrer Universität Präsenzbetrieb gibt. Das haben wir NEOS sehr begrüßt. Wir würden uns freuen und sind zuversichtlich, dass Sie das in Ihrer neuen Rolle auch für die Schulen so handhaben werden. Es ist kein Geheimnis, dass wir NEOS mit Ihrem Vorgänger in Sachen Priorität offene Schulen beziehungsweise sichere offene Schulen sehr gut zusammengearbeitet und ihn unterstützt haben. Ihr Vorgänger hat sich dabei dem Gegenwind einiger Landes­hauptleute ausgesetzt, weil er davon überzeugt war, dass offene Schulen Priorität haben, was nicht bei allen Landeshauptleuten auf Zustimmung gestoßen ist. Umso wichtiger ist es, Herr Bundesminister, dass Sie sich da mutig hinstellen.

Offene Schulen sind aber nicht nur allein Sache des Bildungsministeriums, sondern sie sind Sache und Angelegenheit der gesamten Bundesregierung, die die Rahmenbe­din­gungen dafür schaffen muss, dass sichere Schulen offen bleiben können. Herr Bundes­minister Faßmann hat da immer vortreten müssen, hat nicht hundertprozentigen Rüc­khalt gehabt; es besteht die Hoffnung, dass Sie da nicht so ganz im Regen stehen gelassen werden wie Ihr Amtsvorgänger.

Es besteht eine große Gefahr in Ihrem Ressort, nämlich dass Sie als Bildungsminister nur mit der Pandemiebekämpfung an Schulen zu tun haben und die anderen Probleme und Herausforderungen, die es im Bildungsbereich gibt und die seit Beginn der Pan­demie noch größer geworden sind, nicht so im Auge haben können. Dass wir im Bil­dungssystem an sich nicht so weitermachen können wie bisher, ist den meisten wahrscheinlich bekannt. Es braucht Booster nicht nur beim Impfen, sondern auch bei den Investitionen und bei den Reformen im Bildungsbereich, auch im Elementarbil­dungsbereich, damit die Kleinsten bereits von Anfang an die beste Bildung erhalten und damit die Eltern Beruf und Familie endlich gut unter einen Hut bringen können.

Wir brauchen einen flächendeckenden Chancenindex, damit jedes Kind, egal aus welcher Familie es kommt, beste Chancen auf Bildung hat. Die angekündigten 15 Mil­lionen Euro für 100 Schulen reichen dafür leider nicht. Die neue deutsche Bundes­regierung ist da zum Beispiel ein gutes Vorbild, sie möchte in den nächsten Jahren mehrere Milliarden Euro in diesen Bereich investieren. Das wäre ein gutes Beispiel, um sich davon inspirie­ren zu lassen.

Herr Bundeskanzler, zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, nämlich dass Kinder und Jugendliche in der Pandemie und in den vergangenen zwei Jahren Unglaubliches geleistet haben: Mit dem Dank darf es natürlich nicht enden. Es wäre schön, wenn Sie der erste ÖVP-Bundeskanzler werden, der endlich verstanden hat, dass es in diesem Land eine große Bildungsreform braucht, dass nur die Bildung unser Land voranbringt und dass wir allen Kindern die beste Bildung geben müssen – dafür hätten auch Sie unsere Unterstützung.

Sehr geehrter Herr Innenminister! Heute wird im „Standard“ über eine parlamentarische Anfrage berichtet, die unser Nationalratsabgeordneter Helmut Brandstätter an den Außenminister gerichtet hat. Da geht es um die Hilfslieferungen für das Lager auf Lesbos, die vor ungefähr einem Jahr medienwirksam verschickt worden sind. Leider ist aber nicht das passiert, was versprochen wurde. Es wurde Betreuung beziehungsweise in Wirklichkeit Elementarbildung für 500 Kinder versprochen, tatsächlich sind es nur 120. Der ORF hat recherchiert, dass die gelieferten Heizstrahler nicht verwendbar sind, und der Verbleib des Rests der 55 Tonnen Hilfsgüter ist überhaupt unbekannt. Das ist etwas, das Sie von Ihrem Vorgänger, der jetzt Bundeskanzler ist, geerbt haben.

Es muss die Symbolpolitik aufhören und an nachhaltigen Lösungen gearbeitet werden, auch wenn das der schwierigere Weg ist. In der Migrationspolitik bedeutet das, nicht nur – meist eindimensional – von illegaler Migration zu reden, aber in teuren Shows um unser Steuergeld Zelte in ein EU-Land zu liefern, wo sie dann laut Lagerleitung vom Winde verweht werden, sondern sich auch für ein effizientes europäisches Asylsystem am Boden der Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Nur das bringt Sicherheit und Ordnung und lässt uns und die EU das Gesicht wahren.

Was hieße echtes Management, echtes Handeln in Österreich im Bereich Asyl? – Be­treffend die Grundversorgung der Asylwerberinnen und Asylwerber besteht keine Migrationskrise, sondern eine Managementkrise, die Sie als neuer Innenminister be­enden könnten. Bisher wurde es nämlich verabsäumt, die Grundversorgung so aufzu­stellen, dass sie funktioniert. Wahlen wie die in Oberösterreich, Wünsche von Bundes­ländern und sonstige unsachliche Argumente haben bisher dazu geführt, dass die Grundversorgung viel zu lange dauert, viel zu teuer ist und chaotisch abläuft.

Mehr als Symbolpolitik haben sich auch die Polizistinnen und Polizisten verdient. Dort gibt es weiterhin das Problem von zu vielen Überstunden und von Personalengpässen. Im Sinne der Arbeitsqualität der Beamtinnen und Beamten, die gerade heutzutage einen so wichtigen Dienst für uns tun, gehört da auch mehr angepackt. (Beifall bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, wir haben offenbar auch eine persönliche Gemein­samkeit, wir gehören/gehörten derselben ÖH-Fraktion an, wie auch andere hier in die­sem Haus.

Wir NEOS begrüßen, dass in dieser Bundesregierung jetzt tatsächlich ein Gesicht, eine Person mit der Aufgabe verbunden ist, sich für junge Menschen einzusetzen.

Wie wir auch heute schon gehört haben, wurde die Bekämpfung der Pandemie zum Großteil auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen ausgetragen. Ob das fahrlässig in Kauf genommen wurde oder als Kollateralschaden passiert ist, dazu gibt es wahr­scheinlich eine unterschiedliche Sichtweise von Regierung und Opposition. Tatsächlich waren aber leider die Jüngsten diejenigen, die als Erste von Einschränkungen betroffen waren und als Letzte berücksichtigt wurden, wenn es um deren Aufhebung ging.

Die Liste Ihrer Aufgaben ist lang. Es braucht Akutmaßnahmen zum Schutz der psychi­schen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Es braucht eine vollständige Veranke­rung der Kinderrechte in der Bundesverfassung. Es braucht die Beachtung der Kinder­rechte in jeglicher Verwaltungstätigkeit, Stichwort Griss-Kommission, Abschiebungen von Kindern. Es braucht die Absicherung der außerschulischen Jugendarbeit und ein Maßnahmenpaket für besonders vulnerable Gruppen. Man muss Bewegung und Sport in der Schule ausbauen und es braucht Reformen im Zivildienstsystem.

Wir NEOS hoffen, dass Sie Ihre Rolle in der Bundesregierung so anlegen, dass Sie nicht das Sprachrohr der Bundesregierung für das Publikum der Jugendlichen oder für die Wählerschicht der Jugendlichen sind, sondern dass Sie genau umgekehrt die Anwältin der Kinder und Jugendlichen gegenüber der Bundesregierung sind, dass Sie im Mini­sterrat, am Verhandlungstisch und in der Koalition aufstehen, wenn es um die Rechte von Kindern und Jugendlichen geht, frei von Parteitreue und Kanzlerloyalität, dass Sie Nein sagen, wenn vor Wahlen wieder Wahlzuckerl zulasten der kommenden Genera­tionen verteilt werden sollen, zum Beispiel bei der Erhöhung von Luxuspensionen, dass Sie Ihre Stimme erheben, wenn es um den Klimaschutz geht, von dem die junge Ge­neration besonders betroffen sein wird, und wenn wieder Schulden gemacht werden sollen und nicht an morgen gedacht wird. Das wäre unsere Erwartungshaltung an Sie, Frau Staatssekretärin.

Allen neuen Mitgliedern der Bundesregierung wünschen wir NEOS viel Erfolg für unser Land. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.52

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.