16.31

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Hohes Prä­sidium! Sehr geehrte Mitglieder der neuen Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe gelernt (die Schutzmaske einsteckend). Wir haben alle ein Mail bekommen, wir alle miteinander sollen hier nicht die Masken (auf das Rednerpult weisend) ablegen. (Ruf: Ich hab’s richtig gemacht!) – Ja genau, du bist lobend erwähnt worden. Ich habe jetzt auch gelernt, ich stecke sie ein.

Ich wünsche allen Regierungsmitgliedern, ich wünsche Ihnen allen in Ihrer verant­wor­tungsvollen Aufgabe einen klaren Blick für die Themen und die Bedürfnisse der Men­schen in unserem Land – nämlich aller Menschen in unserem Land: dass bitte niemand vergessen wird! –, und ich wünsche mir, dass Sie das mit etwas weniger Selbstge­fälligkeit und politischem Kalkül angehen als manche Ihrer Vorgänger. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bildungsminister – wenn ich mit Ihnen beginnen darf –, was ich Ihnen mitgeben möchte: Wir haben in der letzten Bundesratssitzung noch mit Ihrem Vorgänger sehr ausführlich das Thema Bildung debattiert. Wir haben zu einer Dringlichen Anfrage eingeladen, weil wir das Thema Bildung als Ganzes analysieren wollten und die aus unserer Sicht notwendigen Maßnahmen erläutern wollten. Ich habe kurz überlegt, ob ich Ihnen unsere Reden vom letzten Mal – die sind erst zwei Wochen alt, also eigentlich noch aktuell – gebunden mitbringen soll, aber ich habe mich dann doch für die mündliche Zusammenfassung entschieden.

Herr Minister, jetzt, in dieser laufenden Pandemie – und wir sind sozusagen mitten in der Pandemie – ist die Zeit – wir würden in der Elementarbildung sagen: die Zeit der Ein­gewöhnung – nicht gegeben. Das Bildungssystem ist von der Elementarbildung bis zur Erwachsenenbildung mehr als belastet, und es braucht jetzt sehr schnell sehr klare und sehr lösungsorientierte Handlungen.

Die Kinder, die SchülerInnen, die PädagogInnen, die Eltern brauchen Klarheit und sie brauchen Perspektiven. Das ist das, was man in Krisensituationen braucht. Was aus meiner Sicht noch dringend gebraucht würde, ist, dass man den Druck aus dem Bildungssystem nimmt. Ich glaube, es geht jetzt in erster Linie darum, dass alle Betei­ligten, alle AkteurIn­nen in ihrer psychischen Verfasstheit gestärkt werden und geschont werden, dass wir alle halbwegs gut und sicher gemeinsam durch diese Pandemie kommen und sie über­stehen, und es geht jetzt, a n der Stelle, weniger um schulische Leistungen. Diesen Fokus auf die psychische Gesundheit anstatt Leistungsorientierung würde ich mir in dieser Situation, in der wir stecken, wünschen.

Herr Minister, Sie haben es selber gesagt – das freut mich –: Die Bildung beginnt bei der Elementarbildung! – Alle meine KollegInnen hier kennen mich schon. Die Elementar­bildung ist mir ein besonderes Herzensanliegen, auch deshalb, weil ich das Gefühl habe, dass sie von der bisherigen Regierung weitestgehend vergessen wurde. (Beifall bei der SPÖ.) Eigentlich beginnt ganz genau genommen die Bildung noch früher: nämlich bei der Elternbildung, bevor die Kinder auf die Welt kommen.

Jedenfalls aber meine Bitte an Sie, Herr Bildungsminister: Schenken Sie der Elementar­bildung die Aufmerksamkeit, die sie braucht und verdient, denn ich kann Ihnen sagen, ich bin in der Elementarbildungsszene sehr gut vernetzt, und gerade mit Hinblick auf den 24. Jänner, den Tag der Elementarbildung, braut sich etwas zusammen. Die verschie­densten Plattformen, die verschiedensten Berufsgruppen ringen nach Möglichkeiten, in diesem Bereich jetzt spürbar etwas zu verbessern, die MitarbeiterInnen in diesem System zu entlasten und gleichzeitig die Qualität in den Einrichtungen zu verbessern.

Oft wird dafür plädiert, die Kindergärten vor allem qualitativ auszubauen, aber das geht sich aktuell mit dem vorhandenen Fachkräftemangel gar nicht aus. Das heißt, wir müssen viel früher ansetzen, wir müssen das Berufsbild attraktivieren, wir müssen Menschen dazu bringen, dass sie diesen Beruf ergreifen und dort bleiben. Das heißt, es geht um Rahmenbedingungen, damit sie eine gute, qualitativ hochwertige Arbeit machen können, und dafür braucht es eine große Offensive – nicht kleine Schräubchen, sondern eine große Offensive –, denn sonst steuern wir da in ein ziemliches Desaster.

Die Forderungen aller AkteurInnen – und da sind die Forderungen über alle Partei­grenzen hinweg sehr einheitlich, das ist ein Vorteil – kann man nehmen und an die Um­setzung gehen. Da wünsche ich mir sehr, Herr Bildungsminister, dass Sie da aktiv wer­den.

Was die Schulen betrifft: Herr Minister, bitte seien Sie mutig, trauen Sie sich Konzepte für eine kindgerechte Schule, die am Tisch liegen, aufzugreifen! Da braucht es ent­sprechende Ressourcen. Es braucht vor allem Köpfe und menschliche Ressourcen im Bildungssystem, um genau das zu tun, was es jetzt braucht, nämlich diese psychische Belastung abzufangen. Es braucht Unterstützungspersonal, Unterstützungssysteme, SozialarbeiterInnen, StützlehrerInnen, FreizeitbetreuerInnen, die die in der Bildung akti­ven Personen unterstützen und ganz speziell auf die Situation von Schülern und Schülerinnen jetzt in der Pandemie eingehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines ist uns als Sozialdemokratie so wichtig – und es ist jetzt wieder bei Ihnen (in Richtung Bundesminister Polaschek) und auch bei Ihnen, Frau Jugendstaatssekretärin, passiert –: Es werden immer die Lehrlinge vergessen. Die Lehrlinge und die Berufs­schulen sind so wichtig. Wir brauchen diese jungen Menschen, die eine gute Ausbildung bekommen, die Fachkräfte in den Betrieben sind. Alle ringen um diese guten Fachkräfte. Das heißt, wir müssen diese jungen Menschen auch an der Hand nehmen, durch die Lehre und durch die Berufsschule begleiten und sie verwöhnen, weil sie etwas Wichtiges machen. Dafür braucht es aber auch Ihren Fokus, und das würde ich Ihnen beiden gerne mitgeben: Bitte denken Sie an die Lehrlinge in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Güte, ich hätte noch so viel alleine an Sie, Herr Bildungsminister – inklusive Strukturen, damit alle Kinder mitgenommen werden –, mitzugeben! Ich hoffe, wir können das an anderer Stelle debattieren.

Ich würde aber gleich bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, gerne weitermachen. Auch bei Ihnen sind so viele Themen, die darauf warten, aufgegriffen zu werden. Ich denke nur an das Thema der Kinderrechte. Sträflich vernachlässigt finde ich in dieser Regierung bisher das Kinderrechte-Board im Ministerium. Es gibt kein Monitoring in diesem Be­reich. Da wäre so viel Know-how und so viel Bereitschaft, mitzutun, abzuholen. Bitte greifen Sie hin, packen Sie dieses Know-how und lassen Sie diese Szene mitarbeiten!

Die Kinder und Jugendlichen brauchen jetzt einen Fokus der gesamten Regierung. Ich möchte Ihnen auch den kürzlich erschienenen Bericht der Liga für Kinder- und Jugend­gesundheit ans Herz legen. Da sind ganz viele, ganz konkrete Maßnahmen, da ist ganz viel Expertise drinnen. Es gehört da schleunigst gegengesteuert: Auch – sozusagen – das psychische System kann all diesen Bedarf nicht mehr auffangen. Bitte greifen Sie dorthin! Weil wir beide aus der Kinder- und Jugendarbeit kommen – auch ich arbeite in so einer Organisation –: Da wird auch präventive Arbeit für Kinder- und Jugendliche geleistet, um ihr Wohlergehen zu sichern.

Sie haben später einen Termin mit Jugendorganisationen im Rahmen der BJV – ich spoilere jetzt ein bisschen –: Es wird auch um die Valorisierung der Förderungen in diesem Bereich gehen, denn jene für Kinder- und Jugendorganisationen sind seit 2001 nicht mehr valorisiert worden, das ist ein Wertverlust von fast 40 Prozent.

Wir brauchen eine gute Grundausstattung, um die Kinder und Jugendlichen weiterhin gut begleiten zu können und die Tausenden Ehrenamtlichen koordinieren zu können. Auch hier gibt es große Hoffnungen in Sie, Frau Staatssekretärin, dass Sie dabei auf unserer Seite sind, weil Sie die Situation kennen.

Die rote Lampe leuchtet schon. Nun möchte ich noch dem Herrn Innenminister einiges mitgeben. Herr Innenminister, vor allem der Kanzler hat vorhin gesagt, er ist ein ganz großer Fan von gemeinsamen Lösungen innerhalb der Europäischen Union. Das sind wir auch; ich glaube, dass viele Probleme nur gemeinsam gelöst werden können. Sie sagen dann allerdings gleichzeitig in der Regierungserklärung: Wir machen bei der fairen Verteilung von geflüchteten Menschen nicht mit, da nehmen wir uns zurück. – Ich glaube, gemeinsame Lösungen zu finden und sich dann nur die Rosinen heraus­zu­klauben, das wird sich nicht ausgehen, da werden wir uns keine Freunde in der EU machen.

Ich weise Sie nur darauf hin – das betrifft nun auch den Außenminister –, was an unse­ren Grenzen passiert: in Bosnien, an der Grenze zu Kroatien; in Griechenland, wo wir wissentlich zuschauen, wie gegenwärtig – während wir hier im warmen Saal sind, satt, kurz vor Weihnachten, und die Bilder sehen – Kinder und ihre Familien in Zelten hausen müssen, an den Grenzen mit Push-backs nackig zurückgeschickt werden. Diese Men­schen­rechtsverletzungen gehen auch auf unsere Kappe, denn wir wissen, dass das passiert, und niemand von Ihnen steuert gegen. (Beifall bei der SPÖ.)

In Traiskirchen warten minderjährige Flüchtlinge darauf, betreut zu werden, da gibt es keine gerechte Verteilung unter den Bundesländern, die Obsorge dieser jungen Men­schen ist nicht gewährleistet. Ich weiß, Sie mögen diese Themen nicht, aber sie sind auch da.

Herr Innenminister, Sie haben mit keinem Wort die Gewalt an Frauen erwähnt. Wir zählen mittlerweile den 33. Frauenmord in Österreich in einem Jahr; da brodelt es, da wären Sie als Innenminister gefordert. Sie haben darüber kein Wort verloren, das macht mir ein bisschen Angst. Ich würde Sie bitten, auch diese unangenehmen Themen anzugreifen und gegenzusteuern. Das ist dringend notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt unglaublich viel zu tun. Die rote Lampe leuchtet. Es ist keine Zeit für politisches Kalkül, eigentlich auch nicht für Regierungsumbildungen. Es muss für alle Menschen in Österreich gearbeitet werden – und zwar sofort. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm das Wort.