17.26

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! Im Zuge der heutigen Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers sowie der neuen Regierungsmitglieder wurde hier schon sehr viel gesagt. Ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag fokussiert dem neuen Bundesminister für Finanzen widmen, ist doch das Finanzministerium ein Schlüsselressort in jeder Bundes­regierung.

Gerade in bewegten Zeiten wie jetzt bedarf es einer besonnenen und korrekten Amts­führung in diesem Ministerium. Dies war in der nahen Vergangenheit leider nicht der Fall, das bezeugen auch die Schlagzeilen der Zeitungen nicht nur der letzten Tage, etwa: „Fiasko im Fiskus“, „Brunner rechnet ab mit Türkis“, Causa Beinschab: Abrechnung mit türkiser Finanz und so weiter.

Ich denke, es war schon eine einmalige Situation in der letzten Sitzung des Bundesrates, dass ein zu diesem Zeitpunkt noch amtierender Minister seinen letzten parlamenta­rischen Auftritt mit einem Ordnungsruf in diesem Hause beendet hat; vielleicht auch symbolisch ein beispielloser Abgang. (Beifall der Bundesrätin Schumann.)

Bezug nehmend auf die letzten aufgebrochenen Missstände im Finanzressort haben Sie, Herr Bundesminister, festgestellt: „Die Vorgänge entsprechen nicht meinen Vorstel­lungen, wie man mit Steuergeld umgeht“. – Sie haben außergewöhnlich deutliche Worte zur Vergabepraxis Ihres Amtsvorgängers gefunden. Ich denke, man kann Ihnen diese Worte auch glauben.

Ich kenne Sie nun schon länger und erinnere mich gerne an meine Präsidentschaft zurück, in der Sie ja die Funktion des Vizepräsidenten innehatten. Ich denke, es ist nicht alltäglich, wenn ein Mitglied des Bundesrates über die Stufe eines Staatssekretärs Bundesminister für Finanzen wird. Dies ist sicher neben der persönlichen Qualifikation auch eine Art Auszeichnung der Länderkammer. Ich möchte aber schon festhalten, dass es in der Sache selbst keine Kindesweglegung geben kann. Die derzeitige Situation im Ressort liegt ganz klar in der Verantwortung des türkisen Systems Kurz und der nun­mehrigen ÖVP. Herr Bundesminister, überdenken Sie mit Ihren Kompetenzen die soge­nannte ökosoziale Steuerreform, Sie hätten jetzt die Chance dazu!

Nur kurz eine Beschlagwortung mit ein paar Denkanstößen:

Zur Arbeitswelt: Die Reichen werden reicher; wenn versprochen wird, dass es eine Entlastung für ArbeitnehmerInnen geben wird, reicht es aber in Wirklichkeit gerade einmal zum Ausgleich der kalten Progression.

Zu Familien und Frauen: Dort verfestigt sich die Situation und es kommt zum Anstieg der Armut.

Es gibt keine Fairness beim Wohnen und bei der Mobilität.

Ich muss auch die Auswirkungen der Steuerreform auf die Gemeindefinanzen an­sprechen: Wer trägt die Reform? – Der Bund mit rund 64 Prozent, die Länder mit 19 Prozent und die Gemeinden mit 13 Prozent, und diese 13 Prozent machen immerhin 2,4 Milliarden Euro aus. Das bedeutet für die Städte und Gemeinden, dass bereits bisher prognos­tizierte steigende Finanzierungslücken noch weiter vergrößert werden.

Leistungskürzungen sind wahrscheinlich, sofern nicht Reformen im Gemeindebudget gestärkt werden – ein Fiasko! Gemeindepakete, KIP und Genesis, werden in einer Höhe von 2,5 Milliarden Euro kompensiert. Das heißt, die Städte und Gemeinden sind nun doppelt belastet: Rückzahlungspflicht von 1 Milliarde Euro aus dem Coronahilfspaket und eine weitere Milliarde per annum aus der Steuerreform.

Obwohl es in den Ausschüssen, hier in diesem Gremium und von Experten Ihres Hauses andauernd in Abrede gestellt wird, ist das, was ich jetzt aufgezählt habe, keine Fest­stellung von jemandem, der durch die politische Brille blickt, sondern eine Analyse des KDZ aus dem Oktober 2021.

Weil Sie die CO2-Steuer angesprochen haben: Auch da wurde eine große Chance vertan, da es keine Zweckbindung der aus dieser CO2-Steuer erzielten Einnahmen für klimafreundliche Investitionen in den Kommunen gegeben hat. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Von den laufenden aktuellen und auf die Gemeinden noch zukommenden Belastungen spreche ich jetzt gar nicht. Nur ein Beispiel: Es stehen neue Stromlieferverträge für die Gemeinden an. Stand der letzten Woche: Der Preis für 2021 beträgt 10 Cent. Heutiger, aktueller Preis an der Strombörse, der für 2022 schlagend wird: 23 Cent. Dies bedeutet für meine Gemeinde zum Beispiel eine Mehrbelastung von 200 000 Euro. Über die Erhöhungen von Leitungskosten und anderen Kosten am Energiesektor rede ich jetzt gar nicht.

Herr Bundesminister, auch wenn die Vorarlberger für ihre Sparsamkeit bekannt sind – Sie haben es ja selbst angesprochen –: Vergessen Sie bitte nicht auf die Gemeinden! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Gemeinden sind gerade jetzt ein Garant für Stabilität und auch die Umsetzung für das Leben in unserem Land, und diese Gemeinden haben nicht Belastungen, sondern Unterstützungen verdient. Damit Sie unsere Gemeinden nicht vergessen, habe ich Ihnen ein regionales Produkt aus meiner Gemeinde mitgebracht: einen auf fast 1 000 Metern Seehöhe an der Grenze zu Slowenien am Loiblpass vom Gasthof Deutscher Peter selbst gebrannten Schnaps namens Bürgermeister. Der Wirt ist mit einer Schweizerin ver­heiratet, und der Schnaps ist nach einem Schweizer Rezept zubereitet – womit ich es geschafft habe, wieder den Bogen zu Vorarlberg zu spannen. Es gibt Situationen, in denen gutes Wasser gut ist, aber ab und zu ein Stamperl bietet dem Magen auch etwas Erholung und ist nicht schlecht. In diesem Sinne viel Vergnügen beim Genießen dieses Grußes aus Kärnten!

Herr Bundesminister, Ihnen und den neuen Regierungsmitgliedern alles Gute für die zukünftige Arbeit! Wir werden diese in Zukunft so wie bisher kritisch, aber konstruktiv beobachten und begleiten.

Neben den neuen Regierungsmitgliedern auch der Frau Staatssekretärin alles Gute! Für Sie habe ich keinen Schnaps mitgebracht – bei Ihnen wird ja fast noch der Jugendschutz schlagend. (Allgemeine Heiterkeit.) Der Renner im Gasthof Deutscher Peter, was Damenschnäpse und Liköre anbelangt, ist der Kindermacher, und den wollte ich jetzt nicht mitbringen. Daher habe ich für Sie, da Sie mich ja während meiner Präsidentschaft beim Staatsbesuch in China begleitet haben, die versprochenen Bilder auf einem Stick mitgebracht, damit du das auch einmal in Ruhe anschauen kannst. Ich wünsche dir viel Spaß beim Ansehen!

Wenn es Sie nun gewundert hat, warum ich Herrn Magnus Brunner per Sie ange­sprochen habe, kann ich Ihnen sagen, dass das einen ganz einfachen Grund hat: nicht, dass wir aufeinander böse sind – ganz im Gegenteil –, sondern aus Respekt vor dem Amt. Der Respekt vor dem Amt und vor Funktionsträgern und deren Ansehen haben, so scheint es, in diesem Haus etwas gelitten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich denke, dass wir eine Vorbildfunktion nach außen hin haben und nicht Steigbügel­halter für jene Kräfte sein sollen, die E-Mails mit Drohungen schicken und Mandatare unter Druck setzen. Daher mein Appell: Bitte hört damit auf! Es ist zwar lustig, wenn man Videosequenzen auf Youtube teilt, über die sich gewisse Blasen amüsieren, aber der Respekt vor Mandataren, vor Bürgermeistern geht dadurch leider verloren – und ich glaube, das haben wir als Politiker nicht verdient. (Bundesrat Steiner: Wundert es dich? Ihr spielt alles mit mit der Regierung! Ihr hüpft alles mit!) – Hör mir ein bisschen zu! Vielleicht fängst du dann an, nachzudenken. (Bundesrat Steiner: Ihr hüpft alles mit mit der Regierung! Da wundert es mich nicht!)

Lieber Christoph, ich habe mir ganz genau überlegt, ob ich das sagen soll (Bundesrat Steiner: Ja, sag es! Lass es raus, sonst quält es dich tagelang!) – ja, ja, das ist auch eine gewisse Art von Respekt, den du mir entgegenbringst (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen) –: Ich habe am 14. Dezember eine Gemeinderatssitzung und eine Bürgerinfo­veranstaltung gehabt. Im Vorfeld stattete mir die Staatspolizei einen Besuch ab, bei dem ich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass es Drohungen gegen mich gibt (Bundesrat Steiner: Ja, gegen mich auch! Und jetzt?), dass ich darauf achten soll, Securitypersonal für diese beiden Veranstaltungen anzuschaffen, dass verdeckte Ermittler der Polizei bei den Sitzungen anwesend sind und dass es Drohungen gegen meine Familie gibt. (Bundesrat Steiner: Das gibt es bei uns am laufenden Band!) Ich glaube, wir haben das nicht verdient. Und der Respekt in diesem Haus sollte eigentlich ein Zeichen des Miteinanders sein und nicht jene Kräfte beflügeln, die die Demokratie in diesem Land gefährden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.36

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.