12.18

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Dieser Tagesordnungspunkt ist für mich ein sehr emotionaler, und ich sage es gleich vorweg: Ich bin nicht glücklich darüber, dass wir heute hier über dieses Sterbeverfügungsgesetz abstimmen werden.

Kollege Schennach hat es im Ausschuss gesagt: Es ist eine Gewissensfrage eines jeden und einer jeden von uns, natürlich auch für mich. Warum? – Für uns, und natürlich auch für mich, ist Leben ein absolutes Gut, daher müssen wir alles tun, um beim Leben zu helfen – aber nicht beim Töten oder beim Selbsttöten. Der Schutz des Lebens ist das höchste Gut, von Beginn bis zum Schluss. Es bleibt ja immer ein Restrisiko, auch das haben wir im Ausschuss gehört, wegen Missbrauch et cetera – ich werde das dann aber noch genauer ausführen.

Kollege Spanring – wo ist er?, ah, da oben –, ja, du hast recht: Auch wir hätten uns viel, viel mehr gewünscht, auch wir hätten viel, viel mehr gewollt. Wie gesagt, es ist ein sehr schwieriger Akt, heute dieses Gesetz hier auf den Weg zu bringen.

Warum braucht es dieses Sterbeverfügungsgesetz überhaupt? – Herr Kollege Spanring hat es schon ausgeführt: Der Verfassungsgerichtshof hat das bisherige Verbot der Hil­feleistung zum Suizid mit Wirkung ab 1. Jänner 2022 aufgehoben. Wenn wir nichts getan hätten, wäre alles ungeregelt gewesen, es hätte keinerlei gesetzliche Regelungen dazu gegeben.

Somit haben wir uns auf den Weg gemacht, um ein Gesetz zustande zu bringen, und es wurde sehr, sehr viel für diese Entscheidungsfindung getan. Da bin ich nicht deiner Mei­nung, Kollege Spanring, denn es gab wirklich sehr viele Gespräche im Vorfeld in den jeweiligen Klubs, es gab Expertenmeetings, wir haben uns auch in Salzburg im Se­niorenbeirat intensiv unterhalten, es gab in Salzburg schon Ende 2020 und jetzt wieder 2021 Bioethiktage des Salzburger Ärzteforums, da haben wir von den Expertinnen und Experten sehr viel zum Thema assistierter Suizid gehört.

Was wir da erfahren haben – Stichwort Niederlande, auch das haben wir im Ausschuss gehört –, macht schon betroffen, gerade mich als Seniorenvertreterin. Der Österreichi­sche Seniorenrat hat bereits im Dialogforum Sterbehilfe seine Wünsche und Forderun­gen ganz zu Beginn des Gesetzwerdungsprozesses – Sie werden es wahrscheinlich wissen, Frau Ministerin – eingebracht, von denen auch viele in diesen Entwurf eingear­beitet wurden und darin enthalten sind, daher kann man einmal grundsätzlich diesen Entwurf positiv bewerten.

Die Befürchtungen von unserer Seite waren und sind aber natürlich noch groß – das gebe ich schon zu –, dass mit dieser Entscheidung die bekannte Büchse der Pandora geöffnet wird, denn niemand will seinen Angehörigen eine Last sein. Ein Recht wird dann schnell einmal zur Pflicht, vielleicht wird auch Druck aufgebaut, und das wollen wir um jeden Preis verhindern.

Ja, wir von der ÖVP hätten einiges anders gemacht. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Sterbeverfügungsgesetz die einzige Ausnahme im StGB ist, dass wir den neuen Status quo in den Verfassungsrang heben und dass Töten auf Verlangen aus unserer Sicht nicht angetastet werden darf.

Bei der Erarbeitung waren uns drei Kriterien besonders wichtig: Die Achtung der Men­schenwürde, der Respekt vor dem Leben und der Respekt vor der selbstbestimmten und höchstpersönlichen Entscheidung sehr schwer kranker Menschen. Wir haben speziell als Seniorenorganisationen darauf gedrungen, dass die Willensentscheidung frei und selbstbestimmt getroffen wird und es zu keinem Missbrauch dieser neuen Regelung kommt. Daher war es unser Ziel, ein möglichst enges Korsett, einen möglichst engen Rahmen zu setzen, weil uns – ich habe das schon erwähnt – der Schutz des Lebens höchstes Gut ist.

Die Eckpunkte – Kollege Spanring hat es kurz erwähnt –: Straffreie Beihilfe zum Suizid können nur Personen erhalten, die unheilbar krank oder schwer krank und volljährig sind. Zwei unabhängige Ärzte und ein Notar oder Patientenanwalt müssen den freien Ster­bewillen und die Entscheidungsfähigkeit bestätigen, über Alternativen aufklären und die­se auch aktiv anzeigen. Vor dem Selbstmord ist eine Bedenkzeit einzuhalten, je nach Zustand zwischen zwei und zwölf Wochen.

Es darf vor allem niemand gezwungen werden, diesen Weg zu gehen oder jemanden auf diesem Weg zu begleiten. Auch ich bin der Meinung, Kollege Spanring, dass das sicherlich eine große psychische Belastung für jeden Menschen ist, jemanden auf die­sem Weg zu begleiten.

Wir haben auch ein Werbeverbot und ein Verbot wirtschaftlicher Vorteile in dieses Ge­setz hineingenommen. Ich hoffe sehr, dass es zu keinen organisierten Vereinen et cetera kommt, die sich jetzt auf den Weg machen, um doch in irgendeiner Art und Weise Ge­schäft mit diesem Gesetz zu machen.

Ich hoffe sehr, dass es mit diesem vorliegenden Beschluss gelungen ist, ein Verfahren zu schaffen, das wirklich Schutz vor Missbrauch bietet und einen Ausweg aus dem Sui­zidwunsch aufzeigt. Daher ist es uns ganz, ganz wichtig, die Hospiz- und Palliativversor­gung umfassend auszubauen, damit man den Betroffenen in dieser so schwierigen Zeit die notwendige Unterstützung bietet. Es gibt bereits einen Ministerratsbeschluss, dass in den nächsten drei Jahren 108 Millionen Euro für ein flächendeckendes Angebot im Be­reich der Hospiz- und Palliativversorgung zur Verfügung gestellt werden sollen; nächstes Jahr 21 Millionen Euro, 2023 36 Millionen Euro und 2024 dann 51 Millionen Euro.

Kollege Spanring, du kannst dir sicher sein, wir werden da ganz stark darauf drängen, dass dieses Palliativ- und Hospizgesetz ganz, ganz bald hier im Hohen Haus sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat beschlossen wird, denn für uns geht das eine nur mit dem anderen, das sind für uns kommunizierende Gefäße. Auch die Suizidberatung und -prävention soll jährlich mit 2,5 Millionen Euro dotiert werden. Wichtig ist: Hospiz- und Palliativbetreuung darf keine Frage der Kosten sein, sondern muss für alle möglich und leistbar sein.

Wir haben Frau Präsidentin Klasnic von der Hospizbewegung im Rahmen einer Aus­sprache hier gehabt – auch Kollegin Schumann war dabei –, und sie hat uns dieses Konzept nahegebracht, auch was die Palliativ- und Hospizbewegung in Österreich bie­tet. Es braucht daher auch einen breiten Ausbau.

Ich denke da zum Beispiel an Salzburg: Wir haben ein Tageshospiz in Leogang, das erste im ländlichen Bereich, es wurde gerade eröffnet und leistet großartige Arbeit. Ich wünsche mir, dass weitere Hospize im ländlichen Bereich kommen, nicht nur in den Ballungszentren. Das ist für mich gelebte Suizidprävention.

Eine Anregung noch zum Schluss, Frau Minister: Der Österreichische Seniorenrat schlägt vor, dass es jährlich vom Gesundheitsministerium eine Aufschlüsselung geben soll, wie viele Menschen einen assistierten Suizid in Anspruch genommen haben und bei welchen Erkrankungen das stattgefunden hat. Es soll auch angeführt werden, wie oft Präparate bezogen wurden und wie viele dadurch zu Tode gekommen sind. Wir haben das auch im Ausschuss angemerkt: Eine Evaluierung würden wir uns sehr, sehr wün­schen, eine solche könnte ja dann in einer Novelle dazu angedacht werden. Das wäre unser Wunsch auch aus dem Seniorenbereich.

Mein persönlicher Wunsch – es ist Weihnachten –: Ich wünsche mir, dass dieses Gesetz nicht gebraucht wird oder ganz, ganz selten zur Anwendung kommt, denn an der Hand eines Menschen, nicht durch die Hand eines Menschen zu sterben muss unsere Devise sein.

Ich bedanke mich bei allen Damen und Herren im Hospiz- und Palliativbereich – ich kenne einige sehr engagierte Menschen von der Hospizbewegung Salzburg –, die zum Teil ehrenamtlich Menschen in diesen schwierigen Situationen begleiten, dass sie diese so wichtige Aufgabe für uns übernehmen, und wünsche ihnen viel Kraft. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.27

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als nächste Rednerin zu Wort ge­meldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.