12.27

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, dem Dank, den Frau Kollegin Eder-Gitschthaler an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizwesens, aber ge­nerell des gesamten Pflegewesens ausgesprochen hat, schließe ich mich selbstver­ständlich sehr gerne an, weil das die Menschen sind, die eben Menschen in der letzten Lebensphase, in der schwierigsten Lebensphase begleiten und die selbst auch höchsten Anforderungen ausgesetzt sind. Also vielen herzlichen Dank von dieser Stelle aus. (Bei­fall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Ar­lamovsky.) Wir haben nicht nur zu danken, die Arbeit gehört selbstverständlich auch aufgewertet.

Wir müssen uns heute mit einer hochsensiblen Materie beschäftigen, weil der Verfas­sungsgerichtshof – das wurde schon mehrfach angesprochen – § 78 StGB, Strafgesetz­buch, zum Teil aufgehoben hat. Ich lese die Bestimmung noch einmal zur Verdeutlichung vor: „Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“ Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“ wurde für verfassungswidrig erklärt, weil der Verfassungs­gerichtshof das Recht auf Selbstbestimmung am Ende des Lebens entsprechend höher eingestuft hat.

Das ist auch im Zusammenhang mit einer Rechtsentwicklung in anderen europäischen Staaten zu sehen. Österreich hatte da eine sehr strenge Gesetzgebung, und da sollte sozusagen eine andere Wertung vorgenommen werden. Das veranlasst uns, als Ge­setzgeber tätig zu werden, damit auch ein entsprechender Rahmen geschaffen werden kann.

Wir wissen, es gab auch einige dramatische Anlassfälle, in denen sich zum Beispiel je­mand strafbar gemacht hat, der einen Sterbewilligen, einen unheilbar Schwerkranken in die Schweiz gefahren hat, wo es liberalere Gesetze gibt. Selbst ein Taxilenker hätte sich zum Beispiel strafbar gemacht, wenn ihm ein Fahrgast auf der Fahrt – und die Fahrt zum Beispiel in die Schweiz ist ja recht lang – erzählt, was der Grund der Fahrt ist. Dieser Taxifahrer hätte sich schon strafbar gemacht, wenn er die Fahrt nicht sofort abgebrochen hätte. Das sind Fallkonstellationen, die natürlich Anlass geben, die Bestimmung zu hin­terfragen.

Der Gesetzgeber hätte gar nichts tun müssen, dann hätte in diesem Bereich ein rechts­freier Raum bestanden, und jede Hilfe zur Selbsttötung wäre straflos geblieben. Jetzt hat man eben dieses zweistufige Verfahren eingezogen, mit den Sicherheitsankern, durch die Missbrauch möglichst ausgeschlossen werden soll. Ausschließen kann man Miss­brauch nie, aber man muss eben die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass es zu Miss­brauch kommt. Es wurde schon erwähnt: Zwei ärztliche Personen, von denen eine über eine palliativmedizinische Ausbildung verfügen muss, müssen unabhängig voneinander Aufklärungsgespräche führen. Sie müssen auch den eigenen Willensentschluss der Person beurteilen, möglichst ausschließen, dass auf die Person Einfluss ausgeübt wor­den ist, auch bestätigen, dass die Person fähig ist, diesen Entschluss zu fassen, über die Einnahme des Präparats und darüber, wie es funktioniert, aufklären und bestätigen, dass eine unheilbare Krankheit vorliegt, die mit sehr viel Leid verbunden ist. Es ist auch eine Bedenkzeit vorgesehen, und danach kann diese Sterbeverfügung bei einem Notar, bei einer Notarin oder bei einer Patientenvertretung vorgenommen werden.

Es sind also einige Sicherheitsanker vorgesehen. Es wurden – das ist auch anzuerken­nen, Frau Ministerin – sehr viele Meinungen einbezogen, und eben auch die Parlaments­parteien. Ich war in Arbeitsgruppen dabei, wie auch meine Kollegin im Nationalrat Selma Yildirim. Es sind also sehr viele Meinungen – Fachmeinungen, Expertisen – eingeflos­sen, damit in Anbetracht der Ausgangssituation eine möglichst missbrauchsfeste Regelung getroffen werden kann. Es gibt auch die Bestimmung, dass kein wirtschaftlicher Nutzen daraus gezogen werden darf, auch ein Werbeverbot wird ausgesprochen.

Frau Kollegin Eder-Gitschthaler hat sehr viele Hoffnungen und Wünsche geäußert. Ich möchte es anders formulieren: Für mich sind es nicht Hoffnungen und Wünsche, son­dern ich gehe davon aus, dass diese Bestimmungen dann auch so umgesetzt werden, wie sie beschlossen werden (Beifall bei der SPÖ), denn sonst würden wir sie nicht be­schließen. Wenn ich nur Hoffnungen und Wünsche hätte, wäre mir das zu vage, da würde ich das nie beschließen. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas pas­sieren könnte, was wir nicht wollen – dass auf Menschen Druck ausgeübt wird –, zu hoch, dann könnte man es gar nicht mit gutem Gewissen beschließen. Da müssen wir sichergehen können.

Deshalb fordere ich Sie auch auf, Frau Ministerin, dieses Gesetz wirklich genauestens zu begleiten und zu evaluieren und beim leisesten Missbrauchsverdacht schon wieder tätig zu werden. Dann müssen wir uns sofort wieder zusammensetzen und eine miss­brauchsfestere Lösung erarbeiten. Es sieht danach aus, dass an wirklich vieles gedacht wurde. Ein Restrisiko besteht aber immer, wir können nie hundertprozentig vorhersehen, wie Gesetze in der Praxis angewandt werden. Das heißt, da müssen wir laufend genau hinschauen und, wie gesagt, beim ersten Verdachtsfall schon tätig werden, denn da geht es um Menschenleben, das höchste Gut überhaupt.

Natürlich müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Die palliativmedizinische Versorgung muss mit Sicherheit flächendeckend gewährleistet sein, und die Situation in der Pflege muss dringend verbessert werden, damit sich niemand veranlasst fühlt, aus dem Leben zu scheiden, nur weil er oder sie sich als Belastung empfindet. Das wäre menschlich eine Katastrophe, und das könnten wir nicht hinnehmen.

In diesem Sinne: Ja, diesem Gesetz ist zuzustimmen, weil wirklich an sehr vieles ge­dacht wurde, aber es ist laufend zu beobachten, und beim ersten Anlassfall müssen wir sofort wieder tätig werden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.35

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.