12.46

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Mit dem Er­kenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2020 wurde die bisherige Regelung, mit der die Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos verboten war, für verfassungs­widrig erklärt. Somit standen wir als Bundesregierung vor einer immensen Herausforde­rung und mussten für dieses hochsensible Thema in einer zugegebenermaßen sehr knappen Frist von etwa einem Jahr eine Regelung treffen, und das war gar keine ein­fache Angelegenheit, weil es sich um ein sehr emotionales Thema handelt und wir eine sehr schwere Entscheidung treffen mussten.

Unser Ziel war es, eine umsichtige Lösung zu finden, wie wir schwer kranken Menschen, die in einer sehr schwierigen Phase ihres Lebens sind, eine Möglichkeit schaffen, ihr Leben in Würde zu beenden, und gleichzeitig aber auch Missbrauch verhindern.

Das Ihnen vorliegende Sterbeverfügungsgesetz ist das Ergebnis eines umfassenden Prozesses. Wir haben im Rahmen des Dialogforums im Justizministerium versucht, möglichst allen von der Regelung Betroffenen eine Stimme im Gesetzwerdungsprozess zu geben und eine breite Diskussion zu führen. Dieses Dialogforum war wichtig, es war von Wertschätzung, von gegenseitigem Zuhören geprägt, und ja, man war nicht immer einer Meinung, aber man hat versucht, die andere Seite zu verstehen. Teilgenommen haben Religionsvertreter und -vertreterinnen, EthikerInnen, JuristInnen und MedizinerIn­nen, VertreterInnen von Betroffenen. Wir haben aus unterschiedlichsten Erfahrungen eine Liste an Vorschlägen sammeln können, und es war ein sehr wichtiger und produk­tiver Austausch, und die Ergebnisse dieses Austausches sind in diese Regelung einge­flossen.

Unser oberstes Ziel war, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verantwortungs­voll umzusetzen, damit einerseits die verschiedensten Wünsche berücksichtigt werden und andererseits aber auch die Befürchtungen ernst genommen werden. Mit dieser Regierungsvorlage zeichnen wir einen klaren Weg, einen Weg, der Rechtssicherheit gibt, der den freien Willen schützt und den notwendigen Schutz vor Missbrauch darstellt. Wir haben eine ausgewogene und moderne Lösung für dieses hochsensible Thema gefunden, und ich erlaube mir, diese Lösung und diesen Lösungsvorschlag auch kurz zu skizzieren.

Das neue Sterbeverfügungsgesetz soll regeln, unter welchen Voraussetzungen der as­sistierte Suizid möglich sein soll, und zwar für schwer kranke oder unheilbar kranke Menschen, die volljährig und entscheidungsfähig sind. Nur jenen steht dieser Weg oder diese Möglichkeit zum assistierten Suizid offen. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die Person von zwei Ärzten oder Ärztinnen aufgeklärt wird, die einerseits die Krankheit feststellen – dass es sich tatsächlich um eine schwere oder unheilbare Krank­heit handelt – und andererseits aber auch die Entscheidungsfähigkeit der Person bestä­tigen.

Nach einer Frist von zwölf Wochen beziehungsweise zwei Wochen, wenn es sich um eine Person handelt, die sich in der terminalen Phase ihres Lebens befindet, kann bei einem Notar beziehungsweise einer Notarin oder einem Patientenanwalt beziehungs­weise einer Patientenanwältin eine sogenannte Sterbeverfügung errichtet werden, und diese Sterbeverfügung ermöglicht dann den Zugang zu einem letalen Präparat in der Apotheke.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sprechen über ein hochsensibles Thema, das uns alle berührt, auch deswegen, weil es um die grundlegende Frage des Menschseins geht. Wir möchten alle, dass unsere Lieben, unsere Familienangehörigen am Ende ihres Lebens ein gutes Ende haben, dass es ihnen gut geht, dass sie ihren Lebensabend, aber auch ihr Lebensende in Würde verbringen können, dass sie aber auch die notwen­dige Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Wir wollen ja auch das Leben schüt­zen, denn es soll niemand den Weg des Sterbens wählen, wenn es andere Möglichkei­ten gibt.

Es gibt daher parallel zu dieser Diskussion über das Sterbeverfügungsgesetz einen mas­siven Ausbau des Hospiz- und Palliativwesens, und das ist nicht nur ein Lippenbekennt­nis. Es gibt einen Gesetzentwurf im Gesundheitsministerium, der begutachtet wurde und der demnächst beschlossen wird. Und ja, da werden wir in den nächsten drei Jahren auch 108 Millionen Euro aufstellen. Wenn man das mit der heutigen Zahl vergleicht – da sind wir ungefähr bei 6 Millionen Euro –, ist das, glaube ich, schon ein sehr massiver Ausbau. Ja, es soll auch insbesondere dieses Stadt-Land-Gefälle aufgegriffen werden, denn mir ist sehr wohl bewusst, dass gerade im ländlichen Raum die Hospiz- und Pal­liativversorgung nicht gut ausgebaut ist.

Ebenso – und ich glaube, das ist auch sehr wichtig – wurde vor Kurzem im Ministerrat beschlossen, dass es zukünftig für Suizidprävention, aber auch psychosoziale Unter­stützung 2,5 Millionen Euro geben wird. Ich glaube, dass das insbesondere in diesen Zeiten besonders wichtig ist, und es ist uns daher als Bundesregierung wichtig, auch auf diese Weise das Leben zu unterstützen.

Bei der Erarbeitung des Sterbeverfügungsgesetzes waren wir von drei Kriterien geleitet, die mir besonders wichtig sind: Das sind die Achtung der Menschenwürde, der Respekt vor dem Leben sowie der Respekt vor einer selbstbestimmten und höchstpersönlichen Entscheidung schwer kranker Menschen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei all jenen zu bedanken, die an der Entwick­lung dieser Regelung mitgewirkt haben, die auch immer wieder an mich herangetreten sind und mit mir diskutiert haben, die sich auch die Zeit genommen haben, Vorschläge zu liefern. Allen voran möchte ich natürlich dem Koalitionspartner danken, denn ich weiß, wie schwierig diese Verhandlungen waren und wie emotional sie geführt wurden. Ich möchte mich aber auch bei den Oppositionsparteien bedanken, allen voran bei der SPÖ und den NEOS, die diese Regelung mit unterstützen, wodurch dieses sehr schwierige Thema breit getragen wird. Da bin ich sehr dankbar!

Ich hoffe, dass diese Regierungsvorlage auch hier eine möglichst breite Zustimmung findet und dass Sie keinen Einspruch erheben werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Grü­nen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.53

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile ihm dieses.