13.31

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich erinnere mich noch – es ist zehn Jahre her und ich bin hier im Bundesrat angelobt worden –, dass es eine Aktion und Protestbewegung gegen Acta gab – für den Fall, dass sich noch jemand daran erinnern kann, denn das ist wirklich schon ziemlich lange her. Herr Kollege Schennach, damals haben wir, glaube ich, mehr Mails bekommen, als wir jetzt kriegen; das war die größte Mailflut, die ich in meinem Politikerleben je erlebt habe.

Ich habe damals auch, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, mit einer sehr jungen Politikerin auf der TU Transparente gemalt – das war Beate Meinl-Reisinger. Das war damals eine Debatte über das Urheberrecht, bei der man nicht das Gefühl hatte, dass man da je wieder herauskommt. Es war eine derart verhärtete Front zwischen der Kunst- und Kulturszene und der Netzgemeinde, dass man gesagt hat: Da kommen wir nie wieder raus!

Ich erinnere mich auch noch an eine Debatte – noch mit dem damaligen Justizminister Brandstetter – hier im Bundesrat, als wir dann irgendwann gesagt haben: Es ist eh völlig wurscht, was man macht, man verliert immer! – Man könnte es Lose-lose-Thema nen­nen.

Es gab damals, wenn man sich zurückerinnert, ziemliche Rückzugsgefechte, nenne ich es einmal, einer Industrie, einer Content produzierenden Wirtschaft, die halt tatsächlich die Digitalisierung übersehen hatte, und gleichzeitig gab es eine Netzgemeinde, die woll­te, dass sie quasi im rechtsfreien Raum agieren kann und dass überhaupt nichts zu gelten hat. Es gab damals die Ansicht: Wir dürfen doch machen und teilen, was wir wol­len! Was interessiert uns eine Urheberin oder ein Urheber?

Ich bin jetzt schon jahrelang netzpolitisch und kulturpolitisch aktiv und habe mir damals auch gedacht, dass das eine absolut unlösbare Situation ist, und es kam ja auch, wenn wir uns zurückerinnern, zu sehr unangenehmen Dingen: Wenn zum Beispiel Kinderge­burtstag gefeiert worden ist, man hat diesen gefilmt und auf Youtube gestellt, und es war im Hintergrund Musik zu hören, dann wurde das Video gesperrt oder man hat sogar absichtlich, wenn man jemandem etwas Böses tun wollte, Musik darüber gespielt, damit dessen Video gar nicht hochgeladen werden konnte, und solche Sachen. Das sind Din­ge, die ja niemand wollen kann.

Mittlerweile, und das möchte ich schon sagen – vielleicht ist das auch ein gutes Signal, weil wir heute andere Bruchlinien in der politischen Diskussion haben als vor zehn Jah­ren, als ich in den Bundesrat kam –, hat sich die Diskussion schon geändert. Sie ist ein Stück weit weniger emotional geworden – emotional genug, keine Frage, aber ein Stück weit weniger emotional –, und ich habe schon das Gefühl, dass, wenn Interessengrup­pen lange genug miteinander sprechen, das Verständnis für den jeweils anderen steigt. Genau dieses Gefühl habe ich, dass uns das in diesem Fall, im Urheberrecht – und da bin ich anderer Meinung als Kollege Schennach –, wirklich in ausgezeichneter Art und Weise gelungen ist.

Allen recht machen kann man es nie mit dem Urheberrecht, es wird immer Kritik geben, es wird immer eine Interessenvertretung geben, die noch mehr will; das ist ja auch das Wesen von Interessengruppierungen.

Frau Ministerin, ich möchte Ihnen in diesem Fall wirklich ein Kompliment machen und natürlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Justizministerium, denn da ist ein Prozess in Gang gesetzt worden. Dazu, nämlich sowohl die netzpolitisch aktiven Men­schen als auch die Kunst- und Kulturszene  aber auch da muss man zwischen der produzierenden Wirtschaft und den Urhebern und Urheberinnen, also den Künstlerinnen und Künstlern, unterscheiden – gemeinsam an einen Tisch zu bringen und eine Lösung zustande zu bringen, sage ich nur: Chapeau!, denn das muss man zuerst einmal schaffen.

Alle NGOs, viele Stakeholder und Stakeholderinnen waren dabei, damit bei der nationa­len Umsetzung dieser EU-Richtlinie etwas zuwege gebracht wird. Ja, es hat ein bisschen zu lange gedauert, dessen sind wir uns bewusst, aber besser lange und gut als schnell und nicht so gut.

Was wird also verändert? Wir haben jetzt eine Plattformverantwortlichkeit. Was be­deutet Plattformverantwortlichkeit? – Die großen Plattformen – Sie kennen sie –, auf die die Nutzerinnen und Nutzer Uploads machen, brauchen für diese Inhalte eine eigene Erlaubnis von den Inhaberinnen und Inhabern. Das ist ein ganz wesentlicher Fortschritt.

Die Herausforderung ist natürlich, eine gute Balance zwischen den Interessen der Rech­teinhaberInnen auf Schutz ihres geistigen Eigentums, wie es immer noch heißt, und den berechtigten Interessen der Nutzerinnen und Nutzer – Wahrung der Meinungsäuße­rungsfreiheit und Verhindern von Overblocking – herzustellen. Das ist in diesem Entwurf wirklich gelungen.

NutzerInnen soll es jetzt auch möglich sein, schon beim Upload zu sagen, dass die Nutzung für bestimmte Zwecke – wie entweder Karikatur oder Parodie und so weiter – erlaubt wird. Somit wird schon von vornherein abgefragt, was Sache ist.

Was ich auch wichtig finde, und das sage ich als Podcaster, ist, dass es eine Bagatell­grenze gibt. Man kann, um etwas zu untermauern, um etwas zu zeigen, 15 Sekunden eines Werks bringen, ohne dass man deswegen gleich gesperrt oder mit einer Millionen­klage bedroht wird, um es ein bisschen salopp zu formulieren.

Wir haben allerdings zwei Pakete, wir haben auch noch das Urhebervertragsrecht, dass wir nach vielen langen Diskussionen anpassen. Die Position, das finde ich schon wichtig, der Urheberinnen und Urheber gegenüber den Produktions- und Vertriebsgesellschaften wird mit diesem Entwurf massiv verbessert. Ich finde, Herr Kollege Schennach, das ist eine gute Nachricht für die Künstlerinnen und Künstler in diesem Land.

Grundsatz ist eine angemessene und verhältnismäßige Vergütung. Das bekannteste Beispiel, das mir dazu gerade einfällt, ist das Che-Guevara-Foto. Der Fotograf hat 100 Dollar, glaube ich, damit verdient und das war es dann, obwohl es bis heute weltweit auf T-Shirts, auf Postern und so weiter vermarktet wird. Heute kann man als Urheber und Urheberin zu der Gesellschaft, die das vertreibt, hingehen und sagen: Du hast viel mehr Geld verdient, als ursprünglich gedacht war, ich habe ein Anrecht auf eine ordent­liche Vergütung! – Das ermöglichen wir damit.

Sie sehen, es gibt viele gute Gründe, für dieses Paket zu sein. Ja, es gibt aus der Sicht vieler Interessengruppierungen natürlich auch Punkte, weswegen man dagegen sein kann. Dafür habe ich Verständnis, aber dann man muss halt auch einmal die Brille des anderen aufsetzen. In diesem Fall waren es viele, viele Brillen, die aufzusetzen waren, und das ist Ihnen wirklich gut gelungen.

Ich erinnere mich noch daran, als in den Neunzigerjahren Napster kam, und an die Dis­kussionen, die wir damals hatten wie weit wir jetzt schon sind und wie wir diese Grä­ben, das finde ich schon, überbrückt haben. Wenn ich Student der Politikwissenschaft wäre und ich müsste eine Arbeit darüber schreiben, wie man unüberwindbar geglaubte Gräben überwinden kann, würde dieses Urheberrecht und die Frage, wie es zu diesem Gesetz kam, ein ganz gutes Fallbeispiel sein. So gesehen, noch einmal: Chapeau! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

13.39

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.