10.15

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin, auch ich wün­sche alles Gute für die Amtsführung. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Landeshaupt­mann! Ja, in der Tat gibt es, wie die Präsidentin und auch der Herr Landeshauptmann ausgeführt haben, ziemlich viele Themen, die anzugehen sind und die, auch dem stimme ich vollinhaltlich zu, nur bewältigbar sind, wenn sie als gemeinsame Verantwortung – und an dieses Thema möchte ich mich ein bisschen halten – verstanden werden und auch als solche praktiziert werden.

Da geht es selbstverständlich auch, wie vom Herrn Landeshauptmann angesprochen, um das Verhältnis zwischen Bund und Ländern beziehungsweise deren Rollen – oder präziser: um deren Rollenverständnis. Das ist durchaus individuell unterschiedlich, wenn man in die politische Landschaft hineinschaut. Ein klares Rollenverständnis ist meiner Meinung nach jedenfalls eine entscheidende Basis für das Wahrnehmen gemeinsamer Verantwortung. Eine wichtige normative Basis für diese Zusammenarbeit ist ja in der Verfassung abgelegt, nämlich über die Definition der Kompetenzen von Bund und Län­dern und natürlich auch von Gemeinden.

Damit gemeinsame Verantwortung in der Praxis funktioniert, braucht es natürlich noch mehr: Da sind gemeinsame Ziele von Vorteil, da geht es um das Erkennen von Krisen und Akzeptieren des entsprechenden Handlungsbedarfs – in welcher Krise auch immer. Die gemeinsame politische Verantwortung für ein Land erfordert weiters – das finde ich sehr wichtig – eine Ausrichtung am Gemeinwohl und nicht an Einzelinteressen. Um die­ses Gemeinwohl muss aber gerungen werden, ständig gerungen werden, in einem politischen Diskurs, auch selbstkritisch; und das Gefäß dafür ist natürlich die Demokratie mit ihren Institutionen und Möglichkeiten, mit ihrem Pluralismus und natürlich auch mit den Medien, die als zentrale Informationsvermittler fungieren.

Die gemeinsame Verantwortung klappt nur dann gut, wenn auch alle tatsächlich zu ihrer Verantwortung stehen und das nicht vornehmlich von den anderen einfordern, gerade wenn Eigenverantwortung unangenehm ist. Doch das lässt sich leider immer wieder beobachten. Ein illustratives Beispiel dafür sind so manche Debatten über die Covid-19-Maßnahmen-Politik. Da hagelt es förmlich, und das muss man auch als Ländervertreter schon kritisch anmerken, immer wieder Zurufe, auch aus den Landeshauptstädten, auch von diversen Lobbys, wie den Kammern beispielsweise. Da ist es dann manchmal schon so – jedenfalls bekommt man den Eindruck –, dass die eigene Positionierung wichtiger wird als das Ringen um eine gemeinsame Lösung. Es sind dann oft gerade Institutionen und Leute, die eigentlich wüssten, wie man sich einbringen kann, weil sie ja direkte Ver­bindungen zu den Entscheidungsträgern haben.

Eigentlich haben wir gerade durch Corona gelernt, dass es in Krisenzeiten wirklich ent­scheidend ist, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, auch wenn das oft ganz und gar unlustig ist, so wie im Moment, auch wenn vieles von dem, was zu tun ist, sich nie­mand gewünscht hat.

Eine ganz besondere Verantwortung – das ist angesprochen worden, ich möchte es noch einmal betonen –, die wir jetzt haben, liegt jedenfalls darin, die negativen Folgen der Coronakrise aufzuarbeiten – diese sind leider umfänglich –, ihnen entgegenzuwirken und den gesellschaftlichen Diskurs wieder auf eine rationalere und versöhnlichere Ebe­ne zu bringen. Themen gibt es wie gesagt genug.

Ich habe mich entschieden, auf eine Krise zu fokussieren, die fundamental ist, die funda­mental unsere Zukunft und vor allem jene der jungen Leute definiert, und das ist die Klimakrise beziehungsweise daraus abgeleitet der Handlungsbedarf beim Klimaschutz. Die Zeit drängt leider wirklich sehr. Österreich und alle anderen Industriestaaten werden ohne wirksame Gegenmaßnahmen ihre Klimabudgets in wenigen Jahren aufgebraucht haben.

Diese wirklich ziemlich scharfe Kurve können wir nur gemeinsam kratzen. Dazu brau­chen wir zum Beispiel eine mutige Energiewende, die garantiert, dass wir schnellstens, also binnen nur 20 Jahren, komplett aus fossilen Energieträgern rauskommen. Wir brau­chen, auch das sei deutlich gesagt, ein Umdenken und grundlegend andere Prioritäten betreffend den Verkehr. Die Zeit von immer noch mehr – vor allem – Schnellstraßen ist vorbei, auch im Hinblick auf den Bodenverbrauch und die Biodiversitätsfrage, und des­halb ist es nur folgerichtig, alte Projekte zu überdenken und zeitgemäßere Lösungen zu finden.

Klimaschutz in der nötigen Intensität wird von Bund und Ländern systematische Konse­quenz erfordern, vor allem auch deswegen, weil es darum geht, Strukturen umzubauen. Es geht nicht nur darum, da und dort etwas besser zu machen, das krempelt um: Das krempelt Gewohnheiten um, das krempelt Selbstverständnisse um, das stellt Ansprüche infrage und das verschiebt Einflusssphären.

In manchen Dingen sind wir uns einig: Selbstverständlich ist Österreich gegen Atom­kraft – das muss ich nicht weiter ausführen. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wie­ser.) Weniger selbstverständlich ist – was genauso scharf abzulehnen ist –, dass die EU‑Kommission jetzt fossiles Gas in die Taxonomie aufnimmt, was völlig absurd ist – schon allein wegen der Tatsache, dass Gas ein fossiler Energieträger ist, den wir schnellstens loswerden müssen.

Leider regt sich da weniger Widerstand, vielleicht auch deswegen, weil es uns betrifft, weil es nicht so einfach ist, denn das zwingt uns zu Änderungen in der eigenen Energie­landschaft, teils in den eigenen Landesenergiegesellschaften. Auch das gehört zu un­serer gemeinsamen Verantwortung: Dinge durchzuziehen, auch wenn sie – jedenfalls in der Übergangsphase – unangenehm sind und Widerstände erzeugen, Machtgefüge und Geldflüsse verschieben.

Wichtig ist mir aber, und das möchte ich herausheben: Es ist zwar die Klimakrise eine Bedrohung, nicht aber der Klimaschutz. (Bundesrat Steiner: Wenn ihn die Grünen ma­chen, dann ist er eine Bedrohung, ja! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Da werden die Straßen gestrichen ...!) Der Klimaschutz bringt riesige Chancen mit sich, Perspektiven (Zwischenrufe bei der FPÖ) – wir sind da zum Glück dran, und nicht Sie – einer öko­logischen, wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit – das ist besonders wichtig. Ich betone das, weil ein Wandel in der nötigen Dimension nur mit sozialer Gerechtigkeit und gerechter Verteilung der Güter möglich sein wird.

Ich möchte eines mit aller Klarheit sagen: An bestehenden Versorgungsstrukturen im Energiebereich festzuhalten ist jetzt mit Sicherheit das Falscheste, das wir tun können. Gerade für Länder und Gemeinden, und da wiederum vor allem im ländlichen Raum, öffnen sich riesige Chancen durch Klimaschutz. Nur ein paar Beispiele: Die Investitionen in erneuerbare Energieträger werden dort stattfinden, wo auch die Potenziale sind, und das ist im ländlichen Raum. Da geht es nicht um Peanuts, da geht es um viele, viele Milliarden Euro. Das eröffnet den Gemeinden Wertschöpfungsmöglichkeiten und Be­schäftigungsmöglichkeiten. Das stärkt den ländlichen Raum, das schafft wiederum Spielräume im ländlichen Raum, um ihn attraktiv zu halten, etwa durch Verbesserung des Bildungsangebotes, der Kinderbetreuung, der regionalen Wirtschaftsstrukturen und natürlich auch der Digitalisierung.

Der Klimawandel verändert vor allem die Rahmenbedingungen für den Wintertourismus gerade in den westlichen Bundesländern, und das bringt die Chance mit sich, Tourismus auf nachhaltigere und behutsamere Beine zu stellen, einen Tourismus zu entwickeln, der mit weniger technischen Eingriffen in Natur und Landschaft auskommt und mehr Rücksicht auf die äußeren Bedingungen nimmt. Die äußeren Bedingungen und unsere Landschaft sind ja gerade das entscheidende Kapital des Tourismus.

Um die Energiewende schnell genug voranzubringen, braucht es vor allem Beteiligungs­prozesse, Stichwort gemeinsame Verantwortung. Das sind auch sehr große Chancen gerade für kleine Gemeinden, weil das dort noch besser funktioniert. In gemeinsamer Verantwortung getroffene Entscheidungen schaffen Akzeptanz, sie stärken die Demo­kratie und sie schaffen Identifikation mit dem Lebensraum, was wichtig ist, wenn wir Ab­wanderung verhindern wollen.

Und da schließt zum Schluss noch ein Aspekt an, den wir im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung keinesfalls vernachlässigen dürfen: Dazu gehören die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Eigenverantwortung. Es ist aber vor allem auch wichtig – wie in der Politik –, Räume und Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen, damit sich BürgerInnen ak­tiv in die Entscheidungsfindung einbringen können – natürlich auch sollen. Was ja schwerlich zu übersehen ist – das sollten wir, glaube ich, wirklich ernst nehmen –, ist, dass die repräsentative Demokratie schon länger in einer Vertrauenskrise steckt, was die letzten schweren Jahre der Krise, die alle unmittelbar betroffen hat, leider noch ver­stärkt haben. Ein taugliches Instrument, das zu verbessern, sind BürgerInnenräte.

Gerade in Vorarlberg können wir da auf gute Erfahrungen hinweisen, BürgerInnenräte sind bei uns sogar in der Verfassung verankert. Ich habe selber mehrere miterlebt und auch organisiert. Stets zeigen die Ergebnisse der BürgerInnenräte, dass ein hohes Wis­sen um die Problemlagen da ist, dass hochwertige Vorschläge gemacht werden. (Bun­desrat Steiner: Das ist euch bei der Impfpflicht aber wurscht!) Und besonders schön ist, es stand und steht stets das Gemeinwohl im Vordergrund – immer –, nie Einzelinter­essen, und das schon alleine deswegen, weil sie gut und nicht asymmetrisch zusam­mengesetzt sind. (Bundesrat Spanring: ... Solidarität!) Auf Bundesebene wird das ge­rade beim Thema Klimaschutz gemacht. Das halte ich für ganz wichtig, weil es um tiefe Veränderungen geht, und da ist es wichtig, hinzuhören.

Aus meiner Sicht – ich bin ja kein Kulturpessimist – gibt es auf jeden Fall viele Gründe, zuversichtlich zu sein, nach vorne zu schauen und die anstehenden Herausforderungen als Chancen zu verstehen. Das kann, finde ich, eine gemeinsame Verantwortung um­reißen, die für die Räume und ihre Menschen schöne Perspektiven aufmacht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.26

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.