11.18

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler! Zwar nicht der einzige Grund, aber ein we­sentlicher Grund für die Teuerungen sind die stark gestiegenen Energiepreise. Da braucht es natürlich Sofortmaßnahmen, es ist aber ratsam, auf die Ursachen zu schauen und Maßnahmen zu setzen, um sich vor derartigen Preisanstiegen – vor allem ja auch, wenn sie so schnell gehen – wirksam und dauerhaft zu schützen. Ich möchte den Blick ein wenig auf die Hintergründe werfen.

Rasant gestiegen ist ja vor allem der Gaspreis, jedenfalls der Großhandelspreis. Das ist technisch, aber wichtig zu unterscheiden. Für die Verbraucher haben sich die Preise ja inzwischen – unter Anführungszeichen – „erst“ teils erhöht, allerdings werden sie sich in diesem Jahr noch erhöhen, und zwar spürbar, allerdings bei Weitem nicht in dem Aus­maß, wie das die Großhandelspreise tun. Die schlechte Botschaft ist: Das wird nächstes Jahr anhalten.

Warum ist der Gaspreis so gestiegen? – Es gibt mehrere Faktoren. Nur kurz im Über­blick: Das hat mit einer riesigen Nachfrage vor allem in Asien zu tun. China hat Teile seiner Kohlekraftwerke zurückgefahren und hat auf Gas geswitcht. Das hat mit Konflik­ten mit Australien zu tun.

Das wiederum hat zur Folge, dass ein großer Teil des Angebotes an flüssigem Erdgas nach Asien abgesaugt wird. Das hat den Markt verengt. Da sich die Wirtschaft in Europa rascher erholt hat als gedacht, hat es einen schnelleren Verbrauchsanstieg gegeben, der sich immer noch weiter fortsetzt.

Außerdem gibt es noch einen ganz wichtigen Punkt, und das ist Russland: Wir beziehen 80 Prozent unseres Gasbedarfs aus Russland. Russland bedient zwar die Verträge, die abgeschlossen wurden, also mittel- und langfristige Verträge, aber es liefert keine Men­gen darüber hinaus, und das in einer Situation, in der wir mehr bräuchten. Das führt in Summe zu derartigen Preisanstiegen.

Das zeigt etwas Wichtiges auf, nämlich dass Energieimport, Importabhängigkeit und sol­che Preiswirkungen immer auch Geopolitik sind. Es geht immer um Abhängigkeit, das ist der wichtige Punkt. Energie ist fundamental für das Funktionieren einer Volkswirt­schaft. Darum eignet sich Energie als politisches Druckmittel, als Instrument, um Dinge durchzusetzen. Es geht dabei auch um sehr, sehr viel Geld.

Deswegen ist die Gaspreisteuerung auch nicht trennbar vom Ukraine-Konflikt, deswe­gen ist die Gaspreisteuerung nicht trennbar vom aggressiven Expansionsstreben Russ­lands, und so ist die Gaspreisdebatte – das hören manche in Österreich nicht gern – auch nicht trennbar von der Pipeline Nord Stream 2, die dabei wirklich eine große Rolle spielt.

Nord Stream 2 ist ein mehrfacher Unsinn. Sie hätte ja ohnehin nie gebaut werden dürfen und sie darf jedenfalls unter keinen Umständen in Betrieb genommen werden, vor allem in Hinblick auf die Ukraine. Es ist einfach unmöglich. Man würde die Ukraine ausliefern. Betreffend die Energieversorgung, kann ich Ihnen versichern, brauchen wir sie ohnehin nicht. Die bestehenden Pipelines haben Kapazität genug.

Die Strompreise folgen dem Gaspreis, da relevante Mengen der Stromerzeugung aus Gaskraftwerken kommen, übrigens auch die Fernwärme. Deswegen werden leider auch die Fernwärmepreise weiter steigen, weil vor allem in großen Städten ein Teil der Fern­wärme über Gaskraftwärmekopplung erzeugt wird. Diese Preisanstiege sind verzögert und gedämpft, aber natürlich auch spürbar, wenngleich nicht so wie beim Gas.

Wie das jetzt mit den Preisweitergaben genau weitergeht, hängt natürlich nicht nur von den Großhandelspreisen ab, sondern auch sehr stark vom Verhalten der Gas- und Stromgesellschaften, die ja zu relevanten Teilen Landesgesellschaften sind. Also natür­lich gibt es da Spielräume, entsprechend auch weitergegebene Preise zu steuern.

Es war nicht das erste Mal, dass an den Gashähnen gedreht wurde, und es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Die einzige Antwort darauf kann nur sein: raus aus der Abhängigkeit, raus aus Gas und Öl und hin zu erneuerbaren Energieträgern, und zwar vollständig, beim Strom und bei der Wärme. Bei der Wärme ist es besonders wichtig, weil dahinter ja vor allem auch in sozialpolitischer Hinsicht wichtige Dienstleis­tungen stecken, etwa das angemessene Heizen von Räumen.

Im Strombereich haben wir eine wichtige Maßnahme gesetzt, über die wir heute noch reden werden, nämlich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Dazu möchte ich schon noch etwas kritisch anmerken, weil ich finde, dass man diese massiven Vorwürfe, die in den letzten Tagen von der WKO und der IV gekommen sind, man hätte den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeuger versäumt, nicht so stehen lassen kann. Das muss man einmal zusammenkriegen. Also da ist es wirklich so, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird. Ich bin lange genug immer wieder auch in diesen Gremien gewesen, auch im Natio­nalen Energiebeirat beim Wirtschaftsminister. Da haben manche ziemlich schnell ver­gessen, wer den Ausbau viele, viele Jahre systematisch gebremst hat. Aber gut, wenn die Erkenntnis jetzt eine andere ist, dann soll uns das recht sein.

Ein Umstieg auf Erneuerbare beim Strom und beim Heizen wirkt mehrfach. Er stabilisiert die Preise – wir reden ja heute von Preisen – auf einem deutlich niedrigeren Niveau, und die Mittel fließen in die regionale Wirtschaft. Das darf man ja nicht vergessen. Das stärkt die Kaufkraft, das generiert Jobs. Da geht es wirklich um viel Geld: 10 Milliarden Euro gibt Österreich jährlich allein für Importe von fossiler Energie aus. 10 Milliarden Euro! Also das sind 10 Milliarden Euro, die in Österreich keinerlei Beschäftigungswirkung ha­ben. Wenn man diese 10 Milliarden Euro für den Umbau behält und sie anders investiert, schafft das Einkommen und damit natürlich auch eine sozusagen krisenfestere Gesell­schaft gegenüber steigenden Energiepreisen.

Natürlich braucht es Sofortmaßnahmen für finanzielle Hilfen für Menschen mit geringem Einkommen, das ist völlig unbestritten. Diese erhalten nun noch einmal 150 Euro an Teuerungsausgleich. Das sind in Summe 300 Euro. Das geht dann an alle BezieherIn­nen von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Ausgleichszulage und übrigens auch an StipendienbezieherInnen. Dazu kommt dann noch der Klimabonus – gerade recht – mit mindestens 100 Euro pro Person. Die Ökostrompauschale wurde gesetzlich auf null gesetzt, oder streng genommen machen wir das heute noch. Auch das ist ein relevanter Betrag. Viele Länder vergeben Heizkostenzuschüsse. Vorarlberg zum Bei­spiel vergibt mit 270 Euro die höchsten Zuschüsse in Österreich. Da kommt in Summe schon etwas zusammen, jedenfalls so viel, dass die Teuerungen, die durch Energie ent­standen sind, einmal abgefangen werden. Das ist für diese Gruppe auch gut so.

Wir müssen aber betonen: Essenziell, um aus dieser Preisdebatte endlich herauszukom­men – es ist ja nicht das erste Mal –, ist, dass wir umsteigen müssen. Wir müssen raus aus den fossilen Energien, weil das Hinausschieben es ganz bestimmt nicht billiger macht. Darum brauchen wir dringend die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür. Dazu werde ich bei einem anderen Tagesordnungspunkt noch etwas sagen. Es ist aber wich­tig, den Umstieg finanziell zu unterstützen – das ist gar keine Frage –, was seitens des BMK in einem großen Ausmaß geschieht, in einem Ausmaß, wie es mit Abstand noch nie da gewesen ist.

Erst Anfang Jänner ist eine gemeinsam mit den Bundesländern umgesetzte Förderung in Kraft getreten, die in der ersten Phase zunächst BewohnerInnen von Eigenheimen betrifft. Man hat gesehen, es gibt viele – Zehntausende – Haushalte, die einkommens­schwach sind, bei denen es sich aber dennoch um Haushalte in Eigenheimen handelt. Für diese werden jetzt die Umstiegskosten bis zu 100 Prozent abgefangen.

Es gilt also, jetzt denen zu helfen, die es brauchen, aber die Maßnahmen bitte nicht aufzuschieben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.26

Vizepräsident Günther Novak: Für eine erste Stellungnahme hat sich der Herr Bundes­kanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.