17.14

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten, via Stream! Ich weiß, heute sind es bestimmt mehr als sonst. Bevor ich jetzt aber in meine Rede eintauche – weil immer die Gefahr besteht, dass ich es dann vergesse –, bringe ich einen Antrag ein, weil ja in den Ländern durch­aus ein Mehraufwand droht:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Karl Bader, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollzug des Impfpflichtgesetzes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Ländern und Gemeinden sowie den Ver­waltungsgerichten in jeder Phase der Umsetzung des COVID-19-Impfpflichtsgesetzes, insbesondere aber für die Phase der automationsunterstützten Ermittlung der Daten und ebensolcher Ausfolgung der Impfstrafverfügungen, ausreichend Ressourcen zur Verfü­gung zu stellen, um den zu erwartenden Verwaltungsaufwand bei der Umsetzung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes bewältigen und insbesondere die notwendigen Personal­ressourcen sicherstellen zu können.“

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(Bundesrat Spanring: Sehr gut, Datenschutz! Eine Schande!)

So, da ich diesen Antrag eingebracht habe, kann ich jetzt in meine eigentliche Rede eintauchen.

Ich weiß natürlich, das habe ich schon gesagt, dass heute sehr, sehr viele Menschen zuschauen, dass sehr viele Menschen heute Angst haben, in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt zu werden. Natürlich habe auch ich wie so viele andere diese Briefe und E-Mails bekommen. Es waren auch nicht alle gehässig – die gehässigen waren wirklich furchtbar, das muss man auch sagen –, sondern es waren viele Menschen, denen offen­sichtlich auch nur sehr eingeschränkt Informationskanäle zur Verfügung stehen, wirklich besorgt und das ist auch bedauerlich.

Andererseits weiß ich aber auch, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, die heute große Hoffnung in das setzen, was wir heute beschließen, dass es sehr, sehr viele Men­schen gibt – eigentlich sogar eine Mehrheit –, die sich über jede Maßnahme freuen, die uns ermöglicht, bald wieder ein normales Leben zu führen, die uns ermöglicht, aus die­sem Kreislauf der Lockdowns herauszukommen und in Richtung Freiheit zu gehen, die darauf vertrauen, dass der Staat funktioniert, die darauf vertrauen, dass die Wissen­schaft es genau und besser weiß, was sie tut, als diejenigen, die keine PharmazeutIn­nen, VirologInnen oder MathematikerInnen sind. Diese Mehrheit ist nicht in Telegram-Gruppen organisiert, aber es sind viele, es sind sehr viele, die heute große Hoffnung haben.

In Österreich wurden mehr als 17,5 Millionen Impfungen erfasst. Es wurden allein ges­tern rund 26 500 Boosterimpfungen verabreicht. 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben mindestens eine Dosis erhalten, mehr als die Hälfte erfreulicher­weise jetzt eine dritte und es werden tagtäglich mehr. Auch Realität und eine richtige Zahl ist, dass aktuell – Stichtag heute – von denen, die eine symptomatische Erkrankung haben – also mit Symptomen –, 77 Prozent nicht geschützt sind, weil sie keine Impfung haben.

Die stille Mehrheit, von der ich soeben gesprochen habe, sollte uns auch Mut machen. Das sind nämlich jene Menschen, die bereit sind, sich selbst vor einem schweren Covid-Verlauf zu schützen, die aber vor allem einen Beitrag leisten wollen, um unsere medizi­nische Infrastruktur zu schützen, damit alle notwendige medizinische Maßnahmen erhal­ten können, nämlich auch diejenigen, die sich nicht schützen lassen. Wir sind solidarisch!

Meine Damen und Herren, das ist keine Spaltung der Gesellschaft, das ist eigentlich genau das Gegenteil davon. Das zeigt, dass eine überwältigende Mehrheit in diesem Land bereit ist, Rücksicht auf andere zu nehmen. Das heißt, dass eine absolute Mehrheit in diesem Land das Wir vor das Ich stellt. Es ist nicht einfach in einer solch schwierigen Zeit. Diese Pandemie dauert schon furchtbar lange, und wir sind alle schon von ihr zer­mürbt – ich auch, wir alle sind es.

Wir brauchen diese Rücksicht aber vor allem dann, wenn wieder gefährliche Varianten auftauchen sollten. Ich hoffe ja auch, dass eine Endemie kommt, das hoffen wir alle, aber wir wissen es nicht. (Bundesrat Spanring: Aber ihr wisst, dass ihr eine Impfpflicht braucht!) Wenn aber eine gefährliche Variante kommt und wir dieses Rüstzeug nicht in der Hand haben, dann kommen wir aus diesem unerträglichen Kreislauf der Lockdowns nicht mehr heraus. Wir müssen uns jetzt wappnen, damit wir durch den Herbst und den Winter 2022 und 2023 kommen, und das machen wir jetzt mit diesem Beschluss. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Als die Covid-Krise Anfang 2020 begann und ich hier im Haus war, dachte ich ja eigent­lich, dass in einem solchen Extremfall, in so einem Ausnahmefall wie einer Pandemie, das grundsätzliche Zusammenhalten in der Politik zum Wohle aller Menschen in diesem Land eine Selbstverständlichkeit wäre; dass man natürlich Maßnahmen kritisiert, dass man andere Vorschläge bringt, ist ja in einer Demokratie sogar sehr wichtig. Leider ist allerdings – und das hat mich in dieser Wucht schon überrascht – in der politischen Dis­kussion der Ton sehr brutal verschärft worden, wahrscheinlich auch, weil man sich einen politischen Vorteil für sich selbst versprach und das Wohl Österreichs aus den Augen verloren hat und weil leider auch viele in Verschwörungserzählungen hineingekippt und nicht mehr herausgekommen sind.

Man muss aber schon auch sagen: Es gibt eine politische Kraft, die wirklich jeden Schritt, jede noch so vernünftige Maßnahme abgelehnt hat: das Tragen von Masken – eigentlich eines der schönsten Symbole, dass man Rücksicht auf den anderen nimmt, weil es den anderen fast noch mehr beschützt als einen selbst –, die Lockdowns, die wirklich nie­mand von uns wollte, die aber notwendig waren, um Menschenleben zu retten (Bundes­rat Spanring: So ein Blödsinn!), um vor allem dem Pflegepersonal in den Spitälern in diesem Land das Arbeiten überhaupt zu ermöglichen, und da ging es – nochmal – auch um die Menschen, die sich aus mir nicht verständlichen Gründen nicht haben schützen lassen. Wir sind mit diesen Menschen solidarisch gewesen, wir sind auch noch im De­zember in einen Lockdown gegangen, damit sie, wenn sie medizinische Versorgung brauchen, diese auch erhalten. (Bundesrat Spanring: Deswegen haben wir das machen müssen? Das ist sinnlos!)

Klar, die Frage, ob man eine Pflicht einführt, ist keine einfache. Da gibt es kein Schwarz-Weiß, es gibt Argumente dafür und es gibt natürlich auch Argumente dagegen. Da muss man behutsam zwischen individueller Freiheit und einem solidarischen Gemeinwohl ab­wägen. Im Grunde ist es eine Frage, die wir uns ja eh bei jedem Gesetz stellen müssen. Ja, als dieses Gesetz vorgeschlagen wurde, dominierte noch die Deltavariante und wir steckten vor Weihnachten in einem Lockdown. Omikron hat vieles geändert. Natürlich müssen die Maßnahmen wie auch die Pflicht, die wir heute beschließen, immer wieder überprüft und nötigenfalls auch adaptiert werden – und das ermöglichen wir ja auch.

Es gab viele Stellungnahmen – es wurde schon erwähnt –, viele Stakeholder, viele Inter­essengruppen waren involviert, und genau deshalb haben sich auch alle vier Parteien geeinigt. Man liest in diesem Zusammenhang oft das Wort autokratisch oder Diktatur – demokratischer als das geht es gar nicht. Das ist Demokratie, das ist parlamentarische Demokratie.

Ich habe auch die Bedenken gelesen. Ja, den einen oder anderen Aspekt verstehe ich, manche Bedenken teile ich sogar. Ich habe aber auch über gute Gründe für eine Impf­pflicht gelesen, mich ausgetauscht und mich auch lieber auf Wissenschaftsseiten von Medien, die der journalistischen Sorgfalt verpflichtet sind, informiert. (Bundesrat Span­ring: Ja, die „Krone“!) Was wir alle lernen müssen und was uns sicher auch noch in der Zukunft beschäftigen wird: Wir haben aktuell nicht nur eine akute Klimakrise und eine akute Gesundheitskrise, sondern wir haben auch eine Informations- und Vertrauenskri­se, auch gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat und vor allem auch gegenüber der Wissenschaft. (Bundesrat Spanring: Auf das werde ich noch eingehen!)

Wenn ich allerdings sehe, welche Chancen die MRNA-basierten Impfstoffe auch in an­deren Bereichen bieten, muss ich sagen, dass es durchaus Anlass zur Hoffnung gibt, ohne dass ich es jetzt natürlich versprechen kann. Das kann – zum Beispiel betreffend Impfstoffe gegen HIV, eine andere Pandemie, die noch sehr, sehr viele Länder dieser Welt belastet, und auch hinsichtlich anderer Formen von Therapie – eine wirklich große Chance sein. Diese Technologie, die Menschenleben retten kann, jetzt schon zu ver­teufeln ist so gefährlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist die beste Methode, um sich vor einer todbringenden Krankheit – und sie bringt immer noch viele Menschen nahe an den Tod oder ihnen sogar den Tod, ich selbst habe das auch gerade wieder erlebt – zu schützen. Mir persönlich fehlt daher das Verständnis, weswegen man gegen die Impfung sein kann, wenn sie die beste Möglichkeit ist, um Menschenleben zu retten, und wenn sie eine Möglichkeit ist, dass wir für alle in unserem Land eine medizinische Versorgung und Behandlung auch bei all den anderen Krank­heiten und Unfällen, die uns treffen können, garantieren können.

Zustimmen ist für mich heute ein solidarischer Akt zum Verhindern von möglicherweise brandgefährlicheren Wellen. Ich hoffe, sie kommen nicht, aber sie könnten morgen, übermorgen oder später kommen. Wenn man beim Abwägen von Pros und Kontras das in die Waagschale legt, ist es für mich das ausschlaggebendste Argument, dass ich heute dafür stimme, und ich bitte Sie, das auch zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.25

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Karl Ba­der, Marco Schreuder, Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend „Vollzug des Impfpflichtgesetzes“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Unser nächster Redner ist Stefan Schennach. – Bitte schön.