19.47

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister in Abwesenheit! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die dankbare Aufgabe, nach dieser durchaus lebendigen Debatte jetzt über das Arzneimit­telgesetz und das Gentechnikgesetz zu sprechen. Ich hoffe, dass ich Sie bei den Dingen, die ich dazu sagen will, dennoch ein wenig mitnehmen kann.

Es wäre mir ganz recht, wenn der Minister dabei wäre, weil ich dem Minister Folgendes sagen will: Es gibt in der Demokratie schon auch die Aufgabe der Opposition, Fehler und Fehlentwicklungen aufzuzeigen, und in diesem Fall, glaube ich, gibt es tatsächlich welche.

Wichtig ist – und es ist mir wichtig, das auch in Richtung der FPÖ zu sagen –, dass man schon überlegen sollte, wie man Kritik artikuliert. Den Minister kann man für Handlungen kritisieren, die er setzt, man kann ihn für die Politik, die er macht, kritisieren, und man kann die ganze Bundesregierung kritisieren, wenn man das will. Ihm seine Ausbildung abzusprechen ist jedoch ein bisschen seicht. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Also das würde ich nicht machen, das ist kein guter Stil. Inhaltlich bietet nämlich die Politik der Bundesregierung durchaus Potenzial für Kritik, und das kann man dann auch sagen. Was ist es bei diesem Gesetz ganz konkret?

Ich habe mir den Ministerialentwurf angeschaut, das, was aus dem Haus des Bundes­ministers gekommen ist, bevor noch wirklich jemand drübergeschaut hat, außer die Leute intern. Da ist Folgendes dringestanden, was durchaus interessant ist – wobei ich nicht einmal sicher bin, ob er weiß, dass das dringestanden ist –: Da ist dringestanden, dass klinische Tests von Wissenschaftlern nicht publiziert werden dürfen, bevor eine öffentliche Behörde drübergeschaut hat und einen Stempel draufgegeben hat. Jetzt stumpft man in der politischen Debatte natürlich ein wenig ab, aber man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: WissenschaftlerInnen, die lege artis arbeiten, die nach wissenschaftlichen Standards arbeiten, dürfen nicht publizieren, so lange, bis ein Stem­pel von einer öffentlichen Stelle draufkommt. – Das Bundeskanzleramt, ganz konkret der Verfassungsdienst, hat dafür ein Wort gehabt: Zensur.

Im 21. Jahrhundert kommt aus einem Ministerium ein Gesetzesvorschlag, in dem eine Bestimmung drinnen war, die Zensur ist! Das ist tatsächlich die Meinung des Verfas­sungsdienstes gewesen. Diese Bestimmung ist dann auch herausgenommen worden. Ich glaube nur, so etwas darf gar nicht passieren, da muss man das Haus entsprechend im Griff haben. Das ist ein Missstand, der beseitigt gehört und in Zukunft nicht mehr sein darf.

Das Zweite, was nicht passieren darf – Kollege Appé hat es schon gesagt, und das, finde ich, ist die größte Geschichte, die bei vielen, glaube ich, unterm Radar gelaufen ist –, betrifft die Frage, wer die Medizin am Markt kontrolliert. Eine Sache, die man normaler­weise jetzt nicht machen würde, ist, dafür jemanden zu nehmen, der für die Pharmain­dustrie lobbyiert hat. Und da muss man tatsächlich sagen: 18 Jahre hat diese Person für die Pharmaindustrie lobbyiert – und genau diese Person soll jetzt die Behörde leiten, die schaut, ob die Pharmaindustrie alles in Ordnung hält?!Das ist eine Sache, die darf nicht passieren. Ich glaube, Herr Minister – jetzt sind Sie da und ich kann Sie auch direkt ansprechen –, die Motivation und die Intention dahinter waren durchaus aufrichtig. Sie wollten sich im Gegensatz zur ÖVP und im Gegensatz zu dem, was man in den letzten Monaten gesehen hat, nicht in Stellenbeschreibungen einmischen. Das kann ich nach­vollziehen, das kann ich Ihnen auch anrechnen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass eine Pharmalobbyistin die Medizin und die Medikamente der Österreicherinnen und Österreicher prüft. Das ist ein Widerspruch, das müssen Sie aufhalten. Da schafft sich die politische Verantwortlichkeit ab, wenn Sie da nicht einschreiten, das will ich Ihnen wirklich mitgeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das haben Sie vorher nicht gehört: Mir geht es wirklich auch darum, konstruktive Kritik zu üben, und nicht darum, so wie andere Parteien einfach nur draufzuhauen, weil das, glaube ich, tatsächlich eine Sache ist, die keine gute Optik hat und die für das gesamte Land und auch für die politische Debatte schädlich ist.

Eine letzte Sache noch, das ist mehr ein allgemeiner Hinweis: Das Bundesministerium ist zuständig für Soziales, Konsumentenschutz, für Gesundheit und auch für die Pflege. Sie haben mehrfach angekündigt, dass Sie etwas in der Pflege voranbringen wollen. Ich weiß, mit der ÖVP ist das nicht einfach, aber Sie müssen ins Liefern kommen. Die Si­tuation wird nicht leichter, sie wird schwieriger. Long Covid ist ein Faktor. Eine Kollegin aus der grünen Bundesratsfraktion hat gemeint, es gebe schon so tolle Konzepte zu Long Covid und den betroffenen PatientInnen. Ich kenne diese nicht, auch die Gesund­heitsbehörden kennen sie nicht. Da muss man aktiv werden und das liegt in Ihrer Verant­wortung. Wenn das nicht passiert, werden Sie dieser Verantwortung nicht gerecht.

Daher mein konstruktiver Appell: Bitte tun Sie das! Österreich hat sich ein gutes, funktio­nierendes Pflegesystem verdient. Das ist nicht nur alleinig in Ihrer Verantwortung, aber Sie sind halt eben auch Pflegeminister, und da kann man Sie nicht aus der Verantwor­tung entlassen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

19.51

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat An­dreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.