6929 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend einen Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundes­republik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Groß­herzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Öster­reich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mit­gliedstaaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Re­publik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union samt Schlussakte

1.)                Entstehungsgeschichte

 Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer stand fest, dass die neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa ihre Beziehungen zu den westeuropäischen Staaten intensivieren wollten. Noch im Laufe des Jahres 1989 war das PHARE-Programm (Poland and Hungary Action for the Reconstruction of the Economy) im Entstehen und wurde noch im selben Jahr, im Dezember 1989, ins Leben gerufen. Nur zwei Monate später, im Februar 1990, stellte die Kommission einen Entwurf für den Abschluss von Assoziationsabkommen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern, den sogenannten Europa-Abkommen, vor. Unter Berufung auf  diese Kommissionsvorschläge lud  der Europäische Rat von Dublin im April 1990 den Rat ein, Verhandlungen über den Abschluss von Assoziationsabkommen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern vorzubereiten. Das Verhandlungsmandat hierfür wurde am 18. Dezember 1990 vom Rat angenommen.

Im Gegensatz zu bis dahin üblichen Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten, welche auf Grundlage des Artikels 310 idgF abgeschlossen worden sind, hatten die Assoziierungsabkommen von ihrem Regelungsinhalt her einen weit intensiveren Charakter. Dieser Charakter wird bereits in den Präambeln der einzelnen Abkommen hervorgestrichen, in denen es heißt, dass das Ziel der jeweiligen Vertragspartei letztendlich die Mitgliedschaft darstellt und dass „diese Assoziation nach Auffassung der Vertragsparteien [... jeweiliger Vertragspartner] bei der Verwirklichung dieses Ziels helfen wird“. Aufgrund dieser spezifischen, in anderen Assoziierungsabkommen mit sonstigen Drittstaaten nicht erwähnten Begründungserwägung wurde Anfang der neunziger Jahre die Terminologie „Europaabkommen“  für diese Art von Assoziierung kreiert. Kern dieser Assoziierungsabkommen war die Schaffung einer Freihandelszone innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren ab Inkrafttreten dieser Abkommen. Im Wege einer asymmetrischen Öffnung wurden bis 1998 die Warenmärkte der derzeitigen und der neuen Mitgliedstaaten sukzessive geöffnet, sodass ab spätestens diesem Zeitpunkt der Hauptteil des Warenverkehrs in dieser Freihandelszone liberalisiert worden ist. Beginnend mit dem Jahr 1999 wurden die Verhandlungen über die gegenseitige Öffnung der Warenmärkte für landwirtschaftliche Produkte (Doppel-Null-Abkommen) aufgenommen.

Doch parallel zu dieser Entwicklung der Schaffung der Assoziierung stellte sich heraus, dass die  Länder Mittel- und Osteuropas der Union möglichst rasch beitreten wollten und die Union bald gewillt war, diesem Verlangen nachzukommen. So fanden sich in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon im Juni 1992 die Beziehungen der Union zu den mittel- und osteuropäischen Ländern zum ersten Mal unter der Überschrift „Erweiterung“.

Der Europäische Rat von Kopenhagen vom Juni 1993 einigte sich auf den 1. Jänner 1995 als Zieldatum für den Beitritt Österreichs, Finnlands, Schwedens und Norwegens.

Hinsichtlich der mittel- und osteuropäischen Ländern kam dieser Europäische Rat überein, dass „...die assoziierten Staaten aus Mittel- und Osteuropa, die dies wünschen, Mitglied der Union werden“.  Hinsichtlich der Beitrittsbedingungen der mittel- und osteuropäischen Ländern  formulierte er grundsätzliche Kriterien, die später als die sogenannten „Kopenhagener Kriterien“ zum Leitstern des Beitrittsprozesses werden sollten.

Der Beitritt würde stattfinden, sobald ein assoziiertes Land fähig wäre, die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft wahrzunehmen, indem es die erforderlichen wirtschaftlichen und politischen Kriterien erfüllt.

Diese Kriterien für den Beitritt in die Union wurden wie folgt formuliert:

·       das Erreichen einer Stabilität der Institutionen, welche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit,  Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten garantieren (politisches Beitrittskriterium),

 ·      das Vorhandensein einer funktionierenden Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten (wirtschaftliches Beitrittskriterium),

 ·      die Fähigkeit des Kandidaten, die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft zu übernehmen, einschließlich dem Festhalten an den Zielen der politischen, Wirtschafts- und Währungsunion (administrative Kapazität, Umsetzung des Acquis),

 ·      die Fähigkeit der Union, neue Mitglieder unter Beibehaltung der Geschwindigkeit der europäischen Integration aufzunehmen.

 Am 16. Juli 1997 präsentierte die Kommission in der AGENDA 2000 ihre Stellungnahmen („avis“) zu allen Beitrittsanträgen. Sie schlug die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit sechs der elf neuen Mitgliedstaaten, nämlich mit Estland, Polen, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn, sowie Zypern vor. Der Europäische Rat von Luxemburg vom Dezember 1997 schloss sich den Empfehlungen der Europäischen Kommission an und ersuchte den Rat, die Beitrittsverhandlungen mit diesen sechs Ländern innerhalb von sechs Monaten unter britischer Präsidentschaft zu eröffnen.  Die Beitrittsverhandlungen wurden hierauf am 31. März 1998 mit der Tschechischen Republik, Ungarn, Slowenien, Polen, Estland sowie Zypern bei den Beitrittskonferenzen auf Ministerebene eröffnet.

Ein weiterer, entscheidender Schritt in den Beitrittsverhandlungen konnte unter österreichischer Präsidentschaft erzielt werden. Vom März 1998 bis zum Frühherbst 1998 beschränkten sich die  Beitrittsverhandlungen darauf, dass die Europäische Kommission in bilateralen Sitzungen mit jedem Kandidatenland den Acquis communautaire präsentierte („Acquis screening“), den Rat über diese Gespräche informierte sowie erste Einschätzungen über mögliche Verhandlungsschwerpunkte lieferte. In dieser Phase erfolgte also kein Austausch von Verhandlungspositionen, geschweige denn Verhandlungen über Übergangsregelungen. Diese Verhandlungsphase, die sogenannten substantiellen Verhandlungen, wurde erst unter österreichischer Präsidentschaft initiiert.  Am 29. Oktober 1998 eröffnete also der Ständige Vertreter Österreichs bei der EU die erste substanzielle Verhandlungsrunde. Diese diente der Vorbereitung der Verhandlungsrunde auf Ministerebene am 10. November 1999.

Im Herbst 1999 präsentierte die Europäische Kommission zum zweiten Mal die Berichte über die Fortschritte jedes Bewerberlandes auf dem Weg zum Beitritt und schlug vor, auch mit der Slowakei, Litauen, Malta sowie Lettland Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Der Europäische Rat von Helsinki unterstützte im Dezember 1999 diesen Vorschlag der Europäischen Kommission und am 15. Februar 2000 wurden die Beitrittsverhandlungen mit diesen Ländern eröffnet. Malta hatte im Herbst 1998 seinen Antrag auf Mitgliedschaft reaktiviert.

Gegenstand der Beitrittsverhandlungen bildete der gesamte gemeinschaftliche Besitzstand, welcher bis zum 1. November 2002 angenommen worden ist. Aus praktischen Überlegungen heraus wurde der gesamte Acquis communautaire in 31 Verhandlungskapitel aufgeteilt, auf diese Weise konnte sichergestellt werden, dass sämtliche Rechtsakte in den Beitrittsverhandlungen berücksichtigt werden konnten.

Der gesamte Verhandlungsverlauf wurde nach folgenden zwei Grundsätzen geführt:

1.)    Äußerungen einer Verhandlungspartei zu einem Verhandlungskapitel präjudizieren in keiner Weise deren Standpunkt zu anderen Kapiteln.

2.)       Vereinbarungen und Teilvereinbarungen, die im Laufe der Verhandlungen über die nacheinander geprüften Kapitel erzielt werden, sind erst dann als endgültig zu betrachten, wenn eine Gesamteinigung erzielt worden ist („nothing is agreed until everything is agreed“).

Seit Eröffnung der Beitrittsverhandlungen wurden in zahlreichen Beitrittskonferenzen auf Ministerebene und auf Stellvertreterebene alle Verhandlungskapitel behandelt und, sofern die hierfür notwendigen Voraussetzungen vorlagen, vorläufig geschlossen.

Der formelle Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit den zehn neuen Mitgliedstaaten erfolgte im Rahmen des Europäischen Rates von Kopenhagen am 13. Dezember 2002.

Die Beitrittsverhandlungen fanden zwischen den derzeitigen und den neuen Mitgliedstaaten jeweils im Rahmen einer Konferenz über den Beitritt zur Europäischen Union statt, die entweder auf Ebene der Außenminister oder auf Ebene der Stellvertreter tagte. Insgesamt wurden im Schnitt pro Präsidentschaft eine Beitrittskonferenz auf Ministerebene und zwei bis drei Beitrittskonferenzen auf Stellvertreterebene abgehalten.

Die redaktionellen Arbeiten zum Aufsetzen des Beitrittsvertrages, der Beitrittsakte sowie der Schlussakte wurden am 5. Februar 2003 abgeschlossen. Am 19. Februar 2003 gab die Europäische Kommission eine befürwortende Stellungnahme zum Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union ab. Das Europäische Parlament gab am 9. April 2003 nach einer weitgehend unkontroversiellen Debatte seine Zustimmung zur Aufnahme aller zehn Beitrittskandidaten. Schließlich fasste der Rat am 14. April 2003 den Beschluss, den Aufnahmeanträgen der neuen Mitgliedstaaten stattzugeben.

Die Unterzeichnung des Beitrittsvertrags und der Schlussakte erfolgte am 16. April 2003 in Athen.

Die Koordination für die Erstellung der österreichischen Position zu einzelnen Verhandlungskapiteln wurde vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten vorgenommen. Das Einvernehmen hierzu wurde mit den für die einzelnen Dossiers federführenden Ressorts und Institutionen sowie in Schlüsselfragen mit dem Bundeskanzleramt hergestellt. Ebenso wurden die Bundesländer in die innerösterreichischen Abstimmungsprozesse eingebunden und ihre Anliegen, die insbesondere in der gemeinsamen einheitlichen Länderstellungnahme vom 9. Februar 2001 zum Ausdruck kommen, im Rahmen der Beitrittsverhandlungen vertreten. Im Rahmen der Erstellung der österreichischen Positionen wurde ebenso stets allen Sozialpartnern die Möglichkeit zur Einbringung und zur Berücksichtigung ihrer Positionen eröffnet.

Sämtliche Dokumente, die Gegenstand des Verhandlungsprozesses bildeten,  wurden im Wege der Österreichischen Vertretung  Brüssel in elektronischer Form an alle an dem Erweiterungsprozess beteiligten Institutionen übermittelt. Somit sind Nationalrat, Bundesrat, die Bundesländer, die Bundesministerien und ebenso alle Sozialpartner stets über den aktuellen Stand der Beitrittsverhandlungen in Kenntnis gesetzt worden.

2.)                Struktur des Vertragswerkes

Der Beitrittsvertrag, die Beitrittsakte sowie die Schlussakte umfassen in der deutschen Version insgesamt 4872 Seiten.

Einleitend ist festzuhalten, dass der Beitrittsvertrag Primärrecht bildet und daher den höchsten Rang im EU-Recht aufweist. Änderungen des Beitrittsvertrages können daher grundsätzlich nur im Rahmen der Vertragsrevision gemäß Art. 49 vorgenommen werden. Auch in die Beitrittsakte, deren rechtlicher Status sich vom Beitrittsvertrag herleitet (Art. 1 Abs. 2 des Beitrittsvertrages) darf grundsätzlich nur im Wege einer Vertragsrevision eingegriffen werden.

Beim Beitrittsvertrag handelt sich um einen einzigen Vertrag für alle zehn Länder. Aufgrund der Beschlüsse des Europäischen Rates von Brüssel vom 24./25. Oktober 2002 und des Europäischen Rates von Kopenhagen vom 12. und 13. Dezember 2002 wurde die gleichzeitige Aufnahme von zehn neuen Ländern angestrebt. Aufgrund dieser anvisierten gleichzeitigen Aufnahme muss der Beitrittsvertrag nicht nur zwischen den fünfzehn derzeitigen Mitgliedstaaten und dem jeweiligen neuen Mitgliedstaat, sondern auch unter den beitretenden Mitgliedstaaten eine rechtliche Beziehung herstellen. Dies wird durch den Abschluss eines einzigen Beitrittsvertrages zwischen allen derzeitigen und allen neuen Mitgliedstaaten erreicht.

Der Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union ist von der Struktur und vom Aufbau her nach dem Vertrag über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden konzipiert. Selbiges trifft auf die Beitrittsakte sowie auf die Schlussakte zu. Daher finden sich im Vertragswerk eine Reihe von Artikeln, die denselben Wortlaut aufweisen wie Artikel im Beitrittsvertrag mit Österreich..

Wie die bisherigen Beitrittsverträge sieht der vorliegende Beitrittsvertrag ein Zieldatum für das Inkrafttreten vor, nämlich den 1. Mai 2004. Ein späteres Inkrafttreten für den Fall, dass die erforderlichen Ratifikationsurkunden nicht rechtzeitig hinterlegt werden, ist im Vertrag nicht in Aussicht genommen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es für das Inkrafttreten des Beitrittsvertrages der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch alle derzeitigen Mitgliedstaaten sowie durch die neuen Mitgliedstaaten vor dem 1. Mai 2004 bedarf. Sollten einer oder mehrere der neuen Mitgliedstaaten die Ratifikationsurkunde nicht vor dem 1. Mai 2004 hinterlegen, hingegen die restlichen neuen Mitgliedstaaten diese Frist einhalten können, so tritt dennoch der Beitrittsvertrag mit 1. Mai 2004 in Kraft, da in Artikel 2 Absatz 2 des Beitrittsvertrages hierfür ein besonderes Verfahren vorgesehen ist.

Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen und der aufgrund der Annahme erforderlichen Anpassungen der die Union begründenden Verträge verweist der Beitrittsvertrag auf die Beitrittsakte, deren Bestimmungen Bestandteil des Beitrittsvertrages sind. Diese Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und die Anpassungen der Verträge auf denen die Union beruht, besteht aus 62 Artikeln sowie den Anhängen I bis XVIII und den Protokollen 1 bis 10.

Bei den Bestimmungen der Beitrittsakte, einschließlich ihrer Anhänge und Protokolle, kann man folgende grundlegende Kategorien unterscheiden:

·       Grundsätze des Beitritts

·       Aufgrund des Beitritts erforderliche Anpassungen des EU-Primärrechts

·       Auf Grund des Beitritts erforderliche Anpassungen des EU-Sekundärrechts (sogenannte technische Anpassungen)

·       Bestimmungen mit begrenzter Geltungsdauer

·       Bestimmungen über die Durchführungen der Beitrittsakte

Der Erste Teil der Beitrittsakte enthält (Art. 1 bis 10) die Grundsätze des Beitritts, einschließlich der Begriffsbestimmungen. Das entscheidende, dem gesamten Vertragswerk zugrundeliegende Prinzip ist in Artikel 2 der Beitrittsakte beschrieben. Ab dem Beitritt sind die ursprünglichen Verträge sowie das Sekundärrecht für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich. Dies gilt jedoch nur nach Maßgabe der Beitrittsakte: Sohin kommt das bestehende EU Primär- und Sekundärrecht für die neuen Mitgliedstaaten in jenen Bereichen, in denen Übergangsmaßnahmen ausgehandelt wurden, inhaltlich entsprechend modifiziert und zeitlich abgestuft zur Anwendung. Das Verhältnis der neuen Mitgliedstaaten zu den übrigen Bestandteilen des rechtlichen Besitzstandes der Union (interne Abkommen, Protokoll zur Einbeziehung des Schengen -Besitzstandes in den Rahmen der Europäischen Union, Ausnahmeregelung für die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion, völkerrechtliche Beziehungen, nicht verbindliche Akte usw.) ist in den Artikeln 3 bis 6 geregelt. Artikel 7 legt entsprechend dem vom Beitrittsvertrag abgeleiteten primärrechtlichen Rang fest, dass die Beitrittsakte (einschließlich ihrer Anhänge und Protokolle) grundsätzlich nur durch Vertragsrevision geändert werden kann.  Die Art. 8 und 9 stellen hinsichtlich des von den Übergangsbestimmungen der Beitrittsakte berührten Sekundärrechts und hinsichtlich der technischen Anpassungen erleichterte Änderungsvorschriften dar. Artikel 10 stellt klar, dass Übergangsmaßnahmen zeitlich befristet sind.

Der zweite Teil hat die Anpassungen der die EU begründenden Verträge zum Inhalt. Inhaltlich sind es hauptsächlich institutionelle Anpassungen (Art. 11 bis 17), in denen vor allem die Vertretung der neuen Mitgliedstaaten in den Organen der Europäischen Union geregelt wird. Darüber hinaus geht es um Anpassungen des Anwendungsbereichs der die EU begründenden Verträge (Art. 18 und 19).

Der Dritte Teil der Beitrittsakte betrifft die auf Grund des Beitritts erforderlichen technischen Anpassungen des Sekundärrechts. Im Unterschied  zu dem im zweiten Teil der Beitrittsakte geregelten Anpassungen des Primärrechts handelt es sich hierbei um mechanische Anpassungen des Sekundärrechts, die jedoch angesichts des Umfangs des seit Gründung der Gemeinschaften geschaffenen Sekundärrechts viel Platz beanspruchen. Im Dritten Teil der Beitrittsakte wird auf drei Anhänge verwiesen, in denen die Anpassungen unmittelbar vorgenommen werden (Anhang II) bzw. Leitlinien hierfür enthalten sind (Anhänge III und IV).

Der aus zwei Titeln zusammengesetzte Vierte Teil der Beitrittsakte (Art. 24 bis 42) ist mit „Bestimmungen mit begrenzter Geltungsdauer“ umschrieben.

Titel I des Vierten Teiles der Beitrittsakte trägt die Überschrift „Übergangsmaßnahmen“. Unter diesem Titel finden sich alle Artikel, die Übergangsmaßnahmen zum Inhalt haben. Die Übergangsmaßnahmen lassen sich grundsätzlich in drei Gruppen gliedern. Die erste Gruppe haben jene Übergangsmaßnahmen zum Inhalt, die für einen oder mehrere der neuen Mitgliedstaaten vereinbart worden sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit hat sich im Rahmen der Redaktionsarbeiten die Auffassung durchgesetzt, alle Übergangsmaßnahmen, die für einen oder gegenüber einem neuen Mitgliedstaat zur Anwendung kommen sollen, in den Anhängen der Beitrittsakte gesondert aufzulisten. Dementsprechend verweist Artikel 24 auf zehn Anhänge der Beitrittsakte, nämlich die Anhänge V bis XIV. In jedem Anhang sind taxativ jene Übergangsmaßnahmen aufgelistet, die gegenüber einem neuen Mitgliedstaat zur Anwendung kommen sollen bzw. von einem neuen Mitgliedstaat in Anspruch genommen werden. Diese zehn Anhänge machen den umfangreichsten Teil des gesamten Vertragswerkes aus. Die zweite Gruppe der Übergangs­maßnahmen (Art. 25 bis 27) hat Übergangsmaßnahmen für bestimmte Organe der Europäischen Union zum Inhalt. Die dritte Gruppe (Art. 27 bis 36) normiert Übergangsmaßnahmen für das System der Eigenmittel und den Gesamthaushaltsplan. In diesem Bereich finden sich etwa die Bestimmungen über die pauschale cash-flow-Fazilität, die Schengen- sowie die Übergangsfazilität. Artikel 32 regelt die Anpassung der finanziellen Vorausschau für die Periode 2004 bis 2006 und verweist zugleich auf Anhang XV der Beitrittsakte, in dem die Tabelle über die Anpassung der finanziellen Vorausschau enthalten ist.

Titel II des Vierten Teiles der Beitrittsakte (Art. 37 bis 42) trägt die Überschrift „Sonstige Maßnahmen“  und enthält die Bestimmungen über die drei Schutzklauseln, über Grenzkontrollen sowie besondere Verfahrensbestimmungen für die Gemeinsame Agrarpolitik und für die Anwendung veterinär- und pflanzschutzrechtlicher Bestimmungen.

Der Fünfte Teil der Beitrittsakte (Art. 43 bis 62) trägt die Überschrift „Bestimmungen über die Durchführung dieser Akte“ und besteht aus drei Titeln. Titel I (Art. 43 bis 52) regelt die Einsetzung der Organe und Gremien, das heißt die auf Grund der Erweiterung der EU erforderliche Änderung der Zusammensetzung und Anpassung der Geschäftsordnung der Organe sowie einer Reihe von Gremien, darunter auch solcher, die nicht in den die EU begründenden Verträgen, sondern im Sekundärrecht ihre Grundlage haben. Titel II hat einige Bestimmungen betreffend die Anwendbarkeit des Sekundärrechts zum Gegenstand. Hierbei ist insbesondere auf Artikel 53 zu verweisen, der vorsieht, dass alle umsetzungspflichtige Rechtsakte ab Beitritt auch an die neuen Mitgliedstaaten gerichtet sind, sofern diese Rechtsakte auch an alle derzeitigen Mitgliedstaaten gerichtet worden sind. Zugleich ermöglicht Artikel 54 Ausnahmen von diesem Prinzip, indem auf die Anhänge V bis XIV verwiesen wird, der für bestimmte Rechtsakte einen Umsetzungsaufschub vorsieht. Titel III (Art. 60 bis 62) enthält Schlussbestimmungen, darunter auch jene Vorschrift, die sämtliche der Beitrittsakte beigefügten Anhänge, Anlagen und Protokolle zum Bestandteil der Beitrittsakte erklärt.

Die 18 Anhänge der Beitrittsakte beinhalten zum Teil sehr umfangreiche Listen oder Bestimmungen zu jenen Artikeln der Beitrittsakte, die auf den jeweiligen Anhang verweisen. Anhang I teilt den Schengen Besitzstand in zwei Gruppen auf. Die Anhänge II bis IV haben technische Anpassungen zum Inhalt. Die Anhänge V bis XIV listen - gesondert für jeden neuen Mitgliedstaat - die einzelnen Über­gangs­maßnahmen auf. Anhang XV hat die Anpassung der Finanziellen Vorausschau für die Periode 2004 bis 2006 zum Inhalt, die Anhänge XVI bis XVIII listen jene durch EU Primär- oder Sekundärrecht errichteten Ausschüsse auf und enthalten Bestimmungen über die Amtzeit der Mitglieder dieser Ausschüsse. Die inhaltlich umfangreichsten Anhänge bilden die Übergangsmaßnahmen für die neuen Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Listen jener Medikamente und landwirtschaftlicher Betriebe,  die unter die Übergangsregelungen für die Medikamentzulassung bzw. für die Einhaltung bestimmter veterinär- und phytosanitärrechtlicher Vorschriften fallen, insgesamt 1732 Seiten umfassen. Weiters finden sich beispielsweise in den Anhängen V bis XIV die Übergangsarrangements für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, für die Erbringung bestimmter grenzüberschreitender Dienstleistungen sowie für die Kabotage.

Darüber hinaus sind die zehn Protokolle ebenfalls Bestandteil der Beitrittsakte. Inhaltlich jedoch hängen die Protokolle – anders als die Anhänge –nicht von Verweisen in einzelnen Artikeln der Beitrittsakte ab, sondern stellen in den von ihnen erfassten Bereichen eigenständige Regelungen dar.


Schlussakte:

Der Text der Schlussakte zum Beitrittsvertrag folgt weitgehend dem Schema der Schlussakte zu den bisherigen Beitrittsverträgen.

Eingangs findet sich die Feststellung der Bevollmächtigten, dass folgende Texte im Rahmen der Beitrittskonferenz erstellt und angenommen worden sind:

-       Beitrittsvertrag,

-       Beitrittsakte,

-       Anhänge und Protokolle der Beitrittsakte,

-       Wortlaute des bisherigen EU-Primärrechts mit Ausnahme des EGKS-Vertrags in den neuen Amtssprachen.

Danach folgen zunächst die Liste und dann die Wortlaute der gemeinsamen Erklärung aller derzeitigen und neuen Mitgliedstaaten. Diese Erklärungen haben die Bevollmächtigten angenommen beziehungsweise sind zur Kenntnis genommen worden.

Die Schlussakte ist formalrechtlich nicht Bestandteil des Beitrittsvertrags. Den in ihr aufgenommenen Erklärungen (siehe folgend) kommt politische, aber auch rechtliche Bedeutung zu, da sie von den Bevollmächtigten der 25 Vertragsparteien im Rahmen der Unterzeichnungszeremonie angenommen wurden und deshalb als Übereinkünfte für die Auslegung im Sinne des Art. 31 Abs. 2 lit. a) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge anzusehen sind.

Die Schlussakte enthält gemeinsame und einseitige Erklärungen, auf deren formelle Verankerung sich die Vertragsparteien in den Beitrittsverhandlungen erklärt haben. Bei den Erklärungen sind folgende Unterscheidungen vorzunehmen:

·       Gemeinsame Erklärung aller derzeitigen und neuen Mitgliedstaaten

·       Gemeinsame Erklärung aller derzeitigen und jeweils eines neuen Mitgliedstaates

·       Gemeinsame Erklärungen mehrerer derzeitiger Mitgliedstaaten und mehrerer neuen Mitgliedstaaten. Hier findet sich die Erklärung der Tschechischen Republik und der Republik Österreich zu ihrer bilateralen Vereinbarung über das Kernkraftwerk Temelin.

·       Gemeinsame Erklärungen der derzeitigen Mitgliedstaaten

·       Gemeinsame Erklärungen mehrerer derzeitiger Mitgliedstaaten

·       Allgemeine gemeinsame Erklärung der derzeitigen Mitgliedstaaten

·       Gemeinsame Erklärungen mehrerer neuer Mitgliedstaaten

·       Erklärungen jeweils eines neuen Mitgliedstaates sowie

·       Erklärungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften

3.)                Finanzielle Auswirkungen

Die verfügbaren Budgetdaten der EU, welche eine Ableitung von finanziellen Auswirkungen des EU-Beitritts erlauben, sind in betraglicher und zeitlicher Hinsicht von unterschiedlicher Präzision und Aussagekraft. Änderungen könnten sich insbesondere noch aus folgenden Gründen ergeben:

a.)    Aus der genauen Festlegung der Einnahmen und Ausgabenbeträge des EU-Haushaltes, wie sie im Rahmen der Revision der mehrjährigen finanziellen Vorausschau (2000 bis 2006) für den EU-Haushalt sowie der Haushaltsbeschlüsse erfolgen wird.

b.)    Aus der Präzisierung der Eigenmittelberechnungen für die Jahre 2004 – 2006.

c.)    Aus den anspruchsbegründenden Voraussetzungen (zB Förderungsprogramme im Rahmen der Strukturfonds, Agrarproduktion, Forschungsprojekte).

4.)                Rechtliche Gesichtspunkte

Genehmigungsverfahren des Beitrittsvertrages

Bereits der Abschluss des Staatsvertrages über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erfolgte auf Grund einer besonderen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung, des Art. I des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl. Nr. 744/1994. Auf Grund der Sonderbestimmung des Art. II dieses Bundesverfassungsgesetzes erübrigte sich eine ausdrückliche Bezeichnung des Beitrittsvertrages oder einzelner seiner Bestimmungen als „verfassungsändernd“. Analoge Regelungen enthalten das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I Nr. 76/1998, und das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I Nr. 120/2001.

Durch die Beschlüsse des Parlaments über die Genehmigung des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union, des Vertrages von Amsterdam und des Vertrages von Nizza ist das den Gegenstand dieser Verträge bildende EU-Recht nicht rangmäßig in das österreichische Rechtsquellensystem eingeordnet worden. Da auch durch den vorliegenden Beitrittsvertrag EU-Recht geändert werden soll, ergeben sich die gleichen rechtstechnischen Probleme, wie sie sich bereits aus Anlass des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union und des Abschlusses der Verträge von Amsterdam und von Nizza ergeben haben. Es wird daher auch der Abschluss des vorliegenden Beitrittsvertrages auf Grund einer besonderen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung erfolgen, wonach sowohl die Genehmigung durch den Nationalrat als auch die Zustimmung durch den Bundesrat jeweils bei erhöhtem Präsenz- und Konsensquorum (Zweidrittelmehrheit) zu beschließen sind. Das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Beitrittsvertrages wurde nach einstimmiger Annahme sowohl durch den Nationalrat als auch durch den Bundesrat am 12. August 2003 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 53/2003) kundgemacht und trat am 13. August 2003 in Kraft. Somit ist die verfassungsrechtliche Grundlage für die Ratifikation des Beitrittsvertrags gegeben.

Eine ausdrückliche Bezeichnung als „verfassungsändernd“ des Vertrages oder einzelner seiner Bestimmungen, durch die Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, ist im Sinne des erwähnten Bundesverfassungsgesetzes nicht erforderlich. Auch eine Beschlussfassung über eine Erlassung von Erfüllungsgesetzen kommt nicht in Betracht.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass künftige Änderungen des Primärrechts (dies umfasst auch den vorliegenden Beitrittsvertrag) – sofern keine Sonderregelung für das parlamentarische Genehmigungsverfahren geschaffen wird – Art. 50 B‑VG unterliegen.

Anders als der Vertrag über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schwedens zur Europäischen Union bedarf der vorliegende Beitrittsvertrag keiner flankierenden Änderungen des B‑VG.

Fragen im Zusammenhang mit den Sprachfassungen sowie Kundmachungsfragen

Der Beitrittsvertrag ist in dänischer, deutscher, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer, spanischer, estnischer, lettischer, litauischer, maltesischer, polnischer, slowakischer, slowenischer, tschechischer und ungarischer Sprache gleichermaßen authentisch (vgl. Art. 61 der Beitrittsakte sowie Art. 3 des Beitrittsvertrages).

Gegenstand der Beschlussfassung des Nationalrates sowie des Bundesrates sind alle Sprachfassungen des Beitrittsvertrages. Der Beitrittsvertrag ist in den authentischen Sprachfassungen am 23. September 2003 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. Nr. L 236 vom 23.9.2003, S. 1) veröffentlicht worden.

Die Genehmigung des Beitrittsvertrags durch den Nationalrat ist im Verfahren gemäß Art. 1 des Bundes­verfassungs­gesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union erfolgt. Art. 50 B‑VG ist daher nur nach Maßgabe des erwähnten Bundesverfassungsgesetzes (Art. 1 Abs. 3) auf den Beitrittsvertrag anwendbar. Die Kundmachung der deutschen Fassung des Beitrittsvertrages ist auf Art. 49 Abs. 1 B‑VG iVm. § 2 Abs. 5 Z 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996, die Kundmachung der übrigen Sprachfassungen auf Art. 49 Abs. 2 B‑VG gestützt.

Der Nationalrat hat anlässlich der Genehmigung dieses Staatsvertrages beschlossen, dass gemäß § 49 Abs. 2 B-VG dessen Kundmachung in dänischer, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, lettischer, litauischer, maltesischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.


Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1.        gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2.        dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. 

Wien, 2003 12 16

Johann Höfinger     Herwig Hösele

       Berichterstatter           Vorsitzender