6931 der Beilagen zu den Stenographischen
Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus
über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein
Bundesgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird
Nach dem bisher geltenden Ratsakt
76/787/EGKS durfte bei Europawahlen in den einzelnen Mitgliedstaaten mit der
Stimmenauszählung erst begonnen werden, wenn im letzten Mitgliedstaat die
letzten Wahllokale geschlossen hatten. Dies war regelmäßig in Italien und
Spanien um 22.00 Uhr. Österreich hat dieser Norm (Art. 9 Abs. 2 des
Ratsakts) innerstaatlich mit § 66 Abs. 2 der Europawahlordnung
(EuWO) Rechnung getragen und sich exakt an diese Bestimmung gehalten. In der
Praxis hat dies bedeutet, dass bei der Europawahl 1999 die Wahllokale nach
Schließung entweder bis 22.00 Uhr versiegelt wurden (und erst dann mit der
Stimmauszählung begonnen wurde), oder dass die Wahllokale - abweichend von
Jahrzehnte alten Gepflogenheiten - nicht am Vormittag, sondern in den
Nachmittags- und Abendstunden geöffnet waren.
Im Beschluss des Rates der Europäischen
Union vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (2002/772/EG, Euratom) zur
Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS,
EWG, Euratom samt Erklärungen (209 d.B.) - es handelt sich bei dieser Norm um
eine Wiederverlautbarung und gleichzeitige Novellierung des oben angeführten
Ratsakts - wurde ua. - nicht zuletzt auf Drängen von Deutschland und Österreich
- das Auszählungsverbot fallengelassen und das Veröffentlichungsverbot auf
amtliche Bekanntgaben beschränkt. § 66 Abs. 2 EuWO kann somit nach
In-Kraft-Treten dieses oben bezeichneten Ratsbeschlusses ersatzlos entfallen.
In Hinkunft können Europawahlen ihrem Ablauf nach so stattfinden, wie dies die
Österreicherinnen und Österreicher seit jeher von anderen Wahlereignissen
gewohnt sind. Auch einer Veröffentlichung von Hochrechnungen in den Medien vor
Schließung des letzten Wahllokales in einem anderen Mitgliedstaat steht nichts
entgegen. Lediglich amtliche Veröffentlichungen werden bis zu diesem Zeitpunkt
zu unterbleiben haben.
Um die Anwendbarkeit der Änderung von § 66
Abs. 2 EuWO bei der Europawahl 2004 zu gewährleisten, soll diese Bestimmung
bereits frühzeitig beschlossen werden, jedoch erst gemeinsam mit dem
In-Kraft-Treten des Ratsbeschlusses innerstaatlich wirksam werden. Es wird daher
- nach dem Muster der Art. 151 Abs. 11 Z 2 (Beitrittsvertrag), Abs. 19 (Vertrag
von Amsterdam) und Abs. 26 Z 5 B-VG (Vertrag von Nizza) - das In-Kraft-Treten
der innerstaatlichen Regelung vom In-Kraft-Treten des Ratsbeschlusses abhängig
gemacht.
Gemäß Art. 23a
B-VG können nicht-österreichische Unionsbürgerinnen und –bürger mit
Hauptwohnsitz in Österreich nur dann die von Österreich zu entsendenden
Abgeordneten zum Europäischen Parlament wählen, wenn diese Voraussetzung am
Stichtag - dieser liegt gut zwei Monate vor dem Wahltag - auf sie zutrifft. Da
die zehn Beitrittswerberstaaten erst am 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen
Union sein werden, wären in Österreich lebende Staatsangehörige dieser Nationen
durch das B-VG von der Möglichkeit, die österreichischen Abgeordneten zum
Europäischen Parlament zu wählen,
ausgeschlossen.
Der Beitrittstermin 1. Mai 2004 wurde nicht
zuletzt deshalb so festgesetzt, weil den hinzukommenden EU-Bürgerinnen und
Bürgern die Möglichkeit gegeben werden sollte, bei der im Juni 2004
stattfindenden Europawahl teilzunehmen. Es erschiene daher unbillig, bei der
Europawahl in Österreich zwei Klassen von Staatsangehörigen der Europäischen
Union in Kauf zu nehmen. Eine Beseitigung dieser Unbilligkeit durch ein
spezielles Bundesgesetz scheint daher geboten. Der gegenständliche
Gesetzentwurf trägt im Fall seiner Umsetzung auch dem von der Kommission in dem
als „COMMUNICATION FROM THE COMMISSION
TO THE EUROPEAN PARLIA- MENT AND THE
COUNCIL on measures to be taken by Member States to ensure participation of all citizens of the Union to the
2004 elections to the European Parliament in an enlarged Union" betitelten
Papier [KOM/2003/0174] artikulierten Wunsch Rechnung, dass die in anderen
Mitgliedstaaten lebenden Staatsangehörigen der zehn Beitrittswerberstaaten
bereits bei der Europawahl im Juni 2004 die Wahlmöglichkeit haben sollen, die
Kandidatinnen und Kandidaten des Wohnsitzmitgliedstaates oder jene ihres Herkunftsmitgliedstaates zu wählen.
Rechtstechnisch wird das angeführte Ziel
umgesetzt, indem der betroffene Personenkreis beginnend mit 1. Jänner 2004
den in Österreich wohnenden Staatsangehörigen der bisherigen Mitgliedstaaten in
Belangen der Europa-Wählerevidenz und der Europawahl mit der Maßgabe
gleichgestellt wird, dass zum 1. Mai 2004 tatsächlich ein Beitritt der in Rede
stehenden Staaten zur Europäischen Union tatsächlich stattfindet.
Die Vorlaufzeit zwischen In-Kraft-Treten
dieses Bundesgesetzes und dem Stichtag zur Europawahl 2004 (dieser wird für den
6. April 2004 erwartet) ist notwendig, weil durch die Richtlinie 93/109/EG des
Rates vom 6. Dezember 1993 (in dieser Richtlinie sind die Einzelheiten der
Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei Wahlen zum Europäischen
Parlament für Unionsbürgerinnen und -bürger mit Wohnsitz in einem Mitglied
Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, geregelt) de facto das
Erfordernis einer Antragstellung (mit der Abgabe einer förmlichen Erklärung,
die österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament wählen zu wollen)
verankert ist. Eine amtswegige Aufnahme der Betroffenen in die
Europa-Wählerevidenz wäre nicht richtlinienkonform und würde überdies eine
Bevorzugung der Betroffenen gegenüber in Österreich wohnenden Staatsangehörigen
bisheriger Mitgliedstaaten darstellen.
Die in der oben angeführten Richtlinie
enthaltene Verpflichtung zur Information der nicht-österreichischen
EU-Bürgerinnen und -bürger mit Hauptwohnsitz in Österreich soll - wie bisher
aber ergänzt um die Bürgerinnen und Bürger der Beitrittsländer – im Erlassweg
umgesetzt werden. Der Modus für eine Verständigung von nichtösterreichischen
EU-Bürgerinnen und -bürgern mit Hauptwohnsitz in Österreich könnte zu einem
späteren Zeitpunkt generell präzisiert wie auch das für Laien etwas
missverständliche Europa-Wähleranlagenblatt überarbeitet werden
Der Ausschuss für Verfassung und
Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit
Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des
Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2003 12 16
Johann
Höfinger Herwig
Hösele
Berichterstatter Vorsitzender