6999 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Februar 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird (Strafprozessreformgesetz)

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates soll eine Neukodifikation des strafprozessualen Vorverfahrens, das ist der vom Beginn (den ersten Ermittlungen zur Klärung eines gegen eine bestimmte Person gerichteten Verdachts) bis zur Anklagerhebung reichende Abschnitt des Strafverfahrens, vorgenommen werden. Die auf das Jahr 1873 zurückgehende Struktur des Vorverfahrens der geltenden Strafprozessordnung soll heutigen Auffassungen und Anforderungen sowohl auf dem Gebiet kriminalpolizeilicher Effizienz als auch im Bereich des grundrechtlichen Schutzes angepasst werden. In diesem Sinne wird ein einheitliches Vorverfahren vorgeschlagen, das einerseits eigenständige Ermittlungskompetenz der Kriminalpolizei anerkennt, andererseits Koordinations- und Leitungsbefugnisse der Staatsanwaltschaft als Garantin der Justizförmigkeit des Verfahrens sowie verstärkte Kontrolle des Gerichts vorsieht. Aufgaben und Zuständigkeiten sollen klar verteilt werden, um der faktischen Ermittlungskompetenz der Kriminalpolizei und der rechtlichen Zuständigkeit der Justiz im Sinne eines Kooperationsmodells gerecht zu werden. Ermittlungen zur Aufklärung gerichtlich strafbarer Handlungen sollen somit nach mehr als 100 Jahren endlich einen zweckmäßigen und ausreichenden rechtlichen Rahmen erhalten. Das Ermittlungsverfahren soll von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in Zusammenarbeit geführt werden. Die zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehenden Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen werden in ihren inhaltlichen und rechtlichen Voraussetzungen exakt determiniert; auf kriminalistische Anweisungen wird verzichtet. Die bei der Beweisaufnahme einzuhaltenden Förmlichkeiten und die Voraussetzungen für die Verwertung ihrer Ergebnisse als Beweis in der Hauptverhandlung werden geregelt. Das Gericht soll im Ermittlungsverfahren die Berechtigung von Grundrechtseingriffen kontrollieren, Rechtsschutz gegen die Verweigerung von Verfahrensrechten bieten und bestimmte Beweise aufnehmen, insbesondere solche, die in der Hauptverhandlung voraussichtlich überhaupt nicht oder nicht in derselben Qualität zur Verfügung stehen werden. Als Rechtsmittelinstanz soll das Oberlandesgericht fungieren, dem auch die Entscheidung über Anträge auf Fortsetzung des Verfahrens zukommen soll; die Ratskammer ist nicht mehr vorgesehen. Die Beteiligten des Verfahrens, nämlich Beschuldigte und Geschädigte sollen als Subjekt des Verfahrens konkret formulierte Mitwirkungs- und Antragsrechte erhalten, gegen deren Verweigerung sie das Gericht anrufen können.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2004 03 09

Ing. Gerd Klamt Dr. Elisabeth Hlavac

       Berichterstatter             Vorsitzende