7341 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz - BGStG) erlassen wird und das Behinderten­einstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden

Mit dem gegenständlichen Gesetzesbeschluss soll die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gefördert werden. Ausgelöst wurde dieses Gesetzesvorhaben einerseits durch eine erforderliche Anpassung der österreichischen Rechtslage an EU-Recht im Bereich der Arbeitswelt, ande­rerseits durch eine Entschließung aller im Parlament vertretenen Parteien, die Gleichstellung behinderter Menschen herbeiführen zu wollen.

Seit den neunziger Jahren ist ein allgemeines Umdenken hinsichtlich der Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen festzustellen. Die Menschenrechte und das Thema Gleichstellung haben in der Behin­dertenpolitik besondere Bedeutung erlangt und einen Paradigmenwechsel herbeigeführt.

Als Folge dieses Umdenkens beschloss der Nationalrat, an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 Abs. 1 B‑VG folgende Sätze anzufügen: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von be­hinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten“ (BGBl. I Nr. 87/1997). Laut Gesetzesmaterialien „werde dadurch ein verfassungsgesetzlich gewährleis­tetes Recht geschaffen, das vor dem Verfassungsgerichtshof durchsetzbar sei; anders als der allgemeine Gleichheitssatz, der nur für Staatsbürger gelte, solle dieses Diskriminierungsverbot aber für jeden Men­schen gelten. ... Die Bestimmung biete darüber hinaus einen Beurteilungsmaßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generellen Rechtsnormen, insbesondere auch dahin, dass Rechtsvorschriften, die die Benachteiligung durch Behinderungen ausgleichen sollen, zulässig und erforderlich seien.“

Als erste Auswirkung dieser neuen Verfassungsbestimmung hat eine Arbeitsgruppe im Jahr 1998 die gesamte Rechtsordnung des Bundes auf explizite und implizite Benachteiligungen behinderter Menschen durchforstet. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe sind in einem Bericht festgehalten und dann die Grundlage für ein im Sommer 1999 beschlossenes Bundesgesetz, das in insgesamt 9 Gesetzen Änderungen zur Beseitigung behinderte Menschen diskrimi­nierender Bestimmungen brachte.

Im aktuellen Regierungsprogramm 2003 werden im Kapitel Arbeit und Soziales dazu folgende Ziele festgehalten:

„-     Erarbeitung eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes unter Einbeziehung der Betroffenen, sowie Vorlage eines Bündelgesetzes auf Grundlage der Ergebnisse aus 1999 einer Arbeitsgruppe im Verfassungsdienst über die Diskriminierung behinderter Menschen in den verschiedensten Geset­zesmaterien;

-       Durchforstung der Berufsausbildungs- Ausübungs- und Zugangsgesetze auf Diskriminierung behinder­ter Menschen;

-       Sicherstellung einer barrierefreien Nutzung bei Um- und Neubauten im gesamten öffentlichen Be­reich inklusive des öffentlichen Verkehrs und der Verkehrsflächen;

-       Ermöglichung eines barrierefreien Zugangs zum E-Government und E-Learning;

-       Verbesserung der Voraussetzungen für Gebärden- und Lautsprache.“

Mit Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2003 wurde die Bundesregierung ersucht, dem National­rat möglichst bis Ende 2003 den Entwurf eines Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes zuzuleiten. Mit der Ausarbeitung dieses Entwurfes wurde eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung betraut, in der auch Vertreter der Behindertenorganisationen eingebunden waren. Als Diskussionsgrundlage für die Arbeit in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung diente in erster Linie ein Gesetzentwurf des „Forum Gleichstellung“, eines auf Initiative der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation zurück­gehenden Zusammenschlusses von Expertinnen und Experten in Sachen Behindertengleichstellung.

Die gesetzliche Umsetzung des beschriebenen Vorhabens wird nunmehr im Wesentlichen in zwei Bundes­gesetzen erfolgen:

-       dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (Artikel 1 des Entwurfes), das ein Diskriminierungs­verbot sowie das Schlichtungsverfahren regelt,

-       einer Novelle zum Behinderteneinstellungsgesetz (Artikel 2 des Entwurfes), in der das Diskriminie­rungsverbot für den Bereich der Arbeitswelt festgeschrieben wird. In dieser Novelle erfolgt die Um­setzung der Richtlinie 2000/78/EG, ABl. L 303/16 vom 2. Dezember 2000, für den Bereich Men­schen mit Behinderungen.

Darüber hinaus sind einzelne Bestimmungen im Bundesbehindertengesetz, im Bundessozialamtsgesetz, im Gleichbehandlungsgesetz, im Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleich­behandlungsanwaltschaft sowie im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zu ändern.

Im Hinblick auf die Umsetzung von EU-Recht ist jedenfalls eine gesetzliche Anpassung erforderlich. Die Europäische Union hat in den Jahren 2000 bis 2002 auf der Grundlage der Artikel 13 und 141 Abs. 3 EG-Vertrag drei Antidiskriminierungsrichtlinien beschlossen bzw. geändert. Neben der geänderten Richtlinie über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und der neuen sogenannten Antirassismus-Richt­linie ist das die ebenfalls neue Richtlinie 2000/78/EG des Rates (Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf). Letztere gilt sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Sektor.

Für alle anderen von Diskriminierung betroffenen Personenkreise außer Menschen mit Behinderungen wurde die Umsetzung für den privatwirtschaftlichen Bereich im Gleichbehandlungsgesetz, das bisher nur Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis verbot, vorgenommen. Die besonderen Regelungen für den öffentlichen Dienst des Bundes erfolgten im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz. Entsprechende Gesetze der Länder sind teilweise schon in Kraft bzw. befinden sich zumindest im Stadium der Begutachtung.

Der Diskriminierungstatbestand der Behinderung wurde, um den besonderen Bedürfnissen dieses Perso­nenkreises gerecht zu werden, im Bereich der Bundeskompetenz nicht in die beiden Gleichbehandlungs­gesetze aufgenommen. Die erforderliche Umsetzung der Richtlinie soll im Behinderteneinstellungsgesetz erfolgen. Dies soll der Übersichtlichkeit und Rechtsklarheit für die Betroffenen, insbesondere auch für die rechtsunterworfenen Dienstgeber dienen, da alle Bestimmungen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen dann in einem Gesetz geregelt wären.

Auf Grund des engen inhaltlichen Konnexes soll im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz in wesent­lichen Bereichen eine inhaltliche Angleichung an die nationale Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Be­schäftigung und Beruf erfolgen, die Diskriminierungen auf Grund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verbietet (Gleichbehandlungs-Rahmen­richtlinie). So wurden die Definitionen der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung sowie die Rechtsfolgen bei Verletzung des Diskriminierungsverbots weitgehend unter Berücksichtigung der Richt­linie formuliert.

Auf Grund der Komplexität der Materie wurde zusätzlich zur Begutachtung ein Vorbegutachtungs­verfahren durchgeführt. Auf der Grundlage der zahlreichen Stellungnahmen sowie von Gesprächen mit Vertretern der Behindertenorganisationen, der Länder, der Ressorts und der Sozialpartner wurde der ur­sprüngliche Entwurf maßgeblich abgeändert, und zwar insbesondere in folgenden Bereichen:

Kompetenzbestimmung:

Da auf der Grundlage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eine Regelung für alle Ge­sellschaftsbereiche nur durch die Schaffung eines neuen Kompetenztatbestands Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen erzielbar gewesen wäre, ein Konsens für die Schaffung einer solchen neuen Verfassungsbestimmung sich aber als nicht herstellbar erwies, soll nunmehr das Diskriminierungs­verbot nur für jene Bereiche geregelt werden, die sich in Bundeskompetenz befinden. Die Länder hätten also die Umsetzung der Rahmenrichtlinie in ihren Zuständigkeitsbereichen mittels Landesgesetzen vor­zunehmen. Die Länder haben vorgeschlagen, gemeinsame Standards zwischen Bund und Ländern in einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG festzulegen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Juli 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2005 07 19

Johann Höfinger     Herwig Hösele

       Berichterstatter           Vorsitzender