7450 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006)

1. Ausgangslage und Zielsetzung

1.1    Mit dem am 30.4.2004 publizierten Legislativpaket der Europäischen Gemeinschaft wird das gemeinschaftliche Vergaberecht auf eine neue rechtliche Basis gestellt. Dieses Legislativpaket besteht aus zwei Richtlinien (Richtlinie 2004/17/EG und 2004/18/EG), die das bisherige Regelungswerk ablösen. Die Umsetzungsfrist für die genannten Richtlinien läuft am 31. Jänner 2006 ab. Inhaltliche Schwerpunkte des Legislativpaketes sind die Modernisierung und Adaptierung des rechtlichen Rahmens für die Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber. Dazu zählen unter anderem die Einführung neuer Vergabeverfahren und die Berücksichtigung neuer Formen der Beschaffung in den Mitgliedstaaten, insbesondere in Form der sog. zentralen Beschaffungsstellen.

1.2.   Im Rahmen des BVergG 2002 wurden bestimmte zukünftige Entwicklungen des Vergaberechts auf Gemeinschaftsebene bereits vorweggenommen. Dazu zählen etwa die Einführung von Bestimmungen über elektronische Vergabeverfahren, elektronische Auktionen und Rahmenvereinbarungen. Die zuletzt genannten Verfahren konnten im Rahmen des BVergG 2002 jedoch nur für den Unterschwellenbereich implementiert werden, da im Oberschwellenbereich die (damals noch geltenden) Richtlinien dies nicht zuließen. Mit In-Kraft-Treten des Legislativpaketes änderte sich diese Situation.

1.3.   In Österreich wurde mit der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) eine Organisation zur zentralen Beschaffung von vornehmlich für den Bund bestimmten Leistungen geschaffen. Durch die Bündelung der Nachfrage und durch die Konzentration des Beschaffungswesens sollen Einsparungspotentiale bei der Beschaffung aktiviert werden. Ein zentrales Instrument der BBG zur Verfolgung ihrer Ziele sind ressortübergreifende Rahmenverträge und Rahmenvereinbarungen. Bisher konnte die Rahmenvereinbarung nur im Unterschwellenbereich eingesetzt werden. Die Rahmenvereinbarung eignet sich jedoch ganz besonders für die BBG, da mit ihr ein Pool von qualifizierten Unternehmen gebildet werden kann, innerhalb dessen während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung ein intensiver Wettbewerb unter gleichzeitiger Anpassung des Leistungsgegenstandes an aktuelle Entwicklungen (Technologiesprünge) durchgeführt werden kann. Die Rahmenvereinbarung kann aber auch dazu eingesetzt werden, Aufträge örtlich und zeitlich gestaffelt in kleinen Volumina dergestalt abzurufen, dass etwa bei dezentral organisierten Dienststellen oder unterschiedlichen Leistungsorten kein Lagerbedarf an einer zentralen Stelle für Lieferleistungen besteht („Beschaffung nach Bedarf“). Diese Art der Einkaufsgestaltung ermöglicht insbesondere die Teilnahme von mehreren Klein- und Mittelbetrieben (KMU) an Beschaffungsverfahren.

1.4.   Aufgrund der reichhaltigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Bereich des Vergaberechts sind zahlreiche Adaptionen des BVergG 2002 erforderlich geworden. Beispielhaft können hier die Erkenntnisse in den Rs C-214/00, Kommission gegen Spanien, C-26/03, Stadt Halle, und Rs C-15/04, Koppensteiner, angeführt werden. Auch diverse innerstaatliche Erkenntnisse (z.B. VfGH 21.6.2004, B 531/02-8) erfordern Anpassungen des Gesetzes.

1.5.   Gemäß dem Regierungsprogramm für die XXII.GP (Pkt. 7) wurde im Jahr 2003 eine Evaluierung des BVergG 2002 durchgeführt. Als Hauptprobleme des BVergG 2002 wurden folgende Punkte identifiziert: keine geschlossene Systematik des Gesetzes, Regelungen aus unterschiedlichen Quellen (ÖNORM A 2050 bzw. Richtlinien) führen zu Widersprüchen und terminologischen Problemen, zum Teil sehr ausdifferenzierten Regelungsbereichen des Gesetzes stehen Regelungsbereiche gegenüber, die als zu rudimentär bewertet wurden (z.B. Regelungen über den Ablauf des Verhandlungsverfahrens) und damit Probleme in der Praxis bereiteten, Unklarheiten über den exakten Rechtsbestand insbesondere aufgrund einer ausgeprägten Verweistechnik (bis zur siebenten Ebene) betreffend den Sektorenbereich.

1.6.   Aufgrund der Vielzahl der erforderlichen Adaptionen wurde einer Totalrevision der Vorzug vor einer Einzelnovellierung gegeben. Ziel der Revision des Gesetzes ist die Anpassung an das neu gestaltetet Sekundärrecht auf Gemeinschaftsebene und die Modernisierung des Vergabewesens in Österreich, unter gleichzeitiger Ausnutzung des größtmöglichen Regelungsfreiraumes zur Reduktion der Transaktionskosten bei Wahrung des Niveaus an Rechtssicherheit.

2. Abstimmung mit den Ländern

2.1.   Im Hinblick darauf, dass aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage (vgl. Art. 14b B-VG und die Erläuterungen in AB 1118 BlgNR XXI.GP) eine verfassungsrechtliche Mitwirkung der Länder an der Erstellung von Entwürfen zum BVergG in Form der bereits im Jahre 2002 eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe festgeschrieben ist, fanden auch bei der Erstellung des vorliegenden Entwurfes über Einladung des Bundeskanzleramtes mehrfach Gespräche zwischen Vertretern des Bundes und der Länder statt.

2.2.   Das Ergebnis dieser Bemühungen stellt der vorliegende Entwurf dar.

3. Regelungstechnik und Inhalt

3.1.   Der vorliegende Entwurf setzt die Regelungen der EG-Vergaberichtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG unter Wahrung eigenständiger Wesenszüge des österreichischen Rechtssystems in das innerstaatliche Recht um. Entsprechend dem geltenden Bundesvergabegesetz 2002 ist weiterhin im Oberschwellenbereich eine grundsätzliche Beschränkung der bundesgesetzlichen Regelung auf die Umsetzung von EG-Recht vorgesehen (vgl. dazu auch das Rundschreiben des BKA-VD, GZ 600.824/011-V/2/01, in dem auf das Verbot des „Golden-Plating“ gemäß Abschnitt 6.2 des Regierungsprogrammes sowie auf den Beschluss der Landeshauptmännerkonferenz vom 14. April 1999 betreffend die Ablehnung sachlich nicht gerechtfertigter Umsetzungsmaßnahmen durch die Länder hingewiesen wird).

3.2.   Eine derartige Vorgangsweise bringt es mit sich, dass Begriffe, die aus dem EG-Recht übernommen wurden, nicht mehr nach dem österreichischen Rechtsverständnis, sondern vielmehr „autonom“, d.h. unter Berücksichtigung der Ziele des Gemeinsamen Marktes und unter Heranziehung der authentischen Sprachfassungen des jeweiligen Rechtsaktes, ausgelegt werden müssen (etwa EuGH Rs C-287/98, Linster, Slg 2000, I-6917, Rz 43).

         Obwohl dies zu Rechtsunsicherheiten führen kann, lehnte sich das BVergG (bereits seit dem Stammgesetz, BGBl Nr. 462/1993) stets eng an den Text der umzusetzenden EG-Richtlinien vor allem aus folgenden Gründen an: Österreich war schon aufgrund des Art. 6 EWRA verpflichtet, EG-Rechtsakte „im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen“ auszulegen, „die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat“. Seit dem Beitritt zur Europäischen Union ist für Österreich die gesamte einschlägige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) unmittelbar von Bedeutung. Die Verwendung einer vom Wortlaut der EG-Richtlinien abweichenden Terminologie würde jedoch gerade in wichtigen Abgrenzungsfragen dazu führen, dass Aussagen des EuGH zur Interpretation von Richtlinienbegriffen für Österreich entweder häufige Novellierungen des Umsetzungsaktes erforderlich machen würden oder den Gesetzeswortlaut europarechtlich problematisch erscheinen ließen (vgl. dazu § 6 Abs. 1 Z 6 BVergG 2002 und die Judikatur des EuGH zur sog. „in-house“ – Ausnahme, insbesondere Rs C-26/03, Stadt Halle, C-231/03, CONAME, und C-458/03, Parking Brixen). Eine abweichende Terminologie könnte sogar dazu führen, dass der Umsetzungsakt nachträglich als lückenhaft anzusehen wäre, mit der Konsequenz, dass die Richtlinienbestimmungen unmittelbar anzuwenden wären (vgl. dazu VfSlg 15.311/1998).

         Darüber hinaus belegt die bisherige Erfahrung, dass die EG-Kommission bei der Konformitätsprüfung aus nahe liegenden Gründen am Wortlaut des Umsetzungsaktes anknüpft. Für eine an der EG-Terminologie orientierte Umsetzung sprachen und sprechen daher auch Praktikabilitätserwägungen.

3.3.   Der Verfassungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung (vgl. bereits VfSlg 16.027/2000) fest, dass es dem Gleichheitssatz widerspricht, das bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhaltende Verfahren nur im Oberschwellenbereich in umfassender Weise zu regeln. Das Fehlen von außenwirksamen gesetzlichen Regelungen, durch die unmittelbare subjektive Rechtspositionen auf Einhaltung vergabegesetzlicher Vorschriften eingeräumt würden, könne nicht dadurch substituiert werden, dass die zivilgerichtliche Judikatur ohnehin auch bei Fehlen gesetzlicher Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche von Bewerbern und Bietern anerkannt habe. Es liegt daher nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, festzusetzen, in welchen Bereichen er die Garantien eines durchnormierten Vergabeverfahrens gewähren möchte. Das schließt jedoch nach Auffassung des VfGH nicht aus, dass der Gesetzgeber im Unterschwellenbereich vereinfachte Vorschriften vorsehen und so auf ein aufwendiges Vergabeverfahren verzichten kann. Bietern im Unterschwellenbereich aber nicht einmal ein Minimum an gesetzlichen Verfahrensgarantien zu gewährleisten, ist nach Ansicht des VfGH sachlich nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus ist aber auch verfassungswidrig, einen vergabespezifischen Rechtsschutz nur oberhalb gewisser Schwellenwerte zur Verfügung zu stellen und sich bei wertmäßig kleineren Vergaben mit einem gerichtsförmigen, jedoch vergaberechtlich nicht so effektiven Rechtsschutz zu begnügen.

         Aus dieser Judikatur des VfGH folgt, dass – falls der Gesetzgeber spezifische vergaberechtliche Regelungen sowohl im materiellrechtlichen Bereich wie auch beim Rechtsschutz einführt (im Oberschwellenbereich ist dies gemeinschaftsrechtlich geboten) – es verfassungsrechtlich geboten ist, ein, wenn auch zulässiger Weise vereinfachtes, vergabespezifisches Regime für den Unterschwellenbereich zur Verfügung zu stellen.

         Im Unterschwellenbereich gelten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (vgl. dazu Rs C-59/00, Bent Mousten Vestergaard, Rz 19 und 21; Rs C-324/98, Telaustria, Slg 2000, I-10745, Rz 57 und 60 bis 62 mit Hinweis auf die Rs C-275/98, Rs C-92/00, HI Hospital, Slg 2002, I-5533, Rz 45 bis 47) die gemeinschaftlichen Grundsätze des EGV. Der EuGH hält dazu fest, dass die Grundsätze des EG-Vertrages und insbesondere das Diskriminierungsverbot eine Verpflichtung zur Transparenz einschließen. Kraft dieser Verpflichtung zur Transparenz muss der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den betreffenden Markt (Lieferungen, Bau- oder Dienstleistungen) dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. Aus diesen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen resultiert daher bereits ein gewisser Mindeststandard für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich in Bezug auf Veröffentlichungen, Wahl von transparenten Vergabeverfahren, Setzen angemessener Fristen u.a.m. Darüber hinaus sind aber auch grundsätzliche Transparenzregelungen für Leistungsvergaben iwS erforderlich, um den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen Genüge zu tun.

3.4.   Im Sinne der Transparenz und Übersichtlichkeit der Vorschriften, die für die Vergabe öffentlicher Aufträge einschlägig sind und aufgrund der unter Punkt 3.3. erwähnten Rechtsprechung des VfGH und des EuGH, beinhaltet das BVergG selbst nunmehr sämtliche in diesem Zusammenhang relevanten Regelungen sowohl für den Oberschwellen- wie auch für den Unterschwellenbereich.

3.5.   In Vorbereitung der Umsetzung der Richtlinien wurde vom Bundeskanzleramt im Herbst 2004 zu einer Besprechung hinsichtlich der Schlussfolgerung der im Jahre 2003 erfolgten Evaluierung (vgl. dazu die Aussendung des Bundeskanzleramtes vom 25.4.2003, GZ 600.883/029-V/A/8/2003) eingeladen. Die Ergebnisse der Evaluierung lassen sich in zwei Thesen zusammenfassen: Wunsch nach einer besseren Lesbarkeit des Gesetzes und Wunsch nach einer besseren Strukturierung des Gesetzes (insbesondere im Hinblick auf den Sektorenbereich, der durch die im BVergG 2002 verfolgte Verweistechnik nur schwer verständlich ist). Seitens der WKÖ und des BMWA wurde eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse (Vorschlag für eine Neustrukturierung des BVergG) allgemeine Zustimmung fanden.

3.6.   Die Überlegungen für die Neustrukturierung des Bundesvergabegesetzes „neu“ sind von der Annahme ausgegangen, dass eine systematische Neuregelung jedenfalls zwei Ziele verfolgen sollte: Das Vergabeverfahren für den klassischen Bereich soll – ebenso wie für den Sektorenbereich ‑ „geschlossen“ in jeweils eigenen Teilen des BVergG geregelt werden, sodass klar abgegrenzt ist, welche Vorschriften bei Auftragsvergaben im klassischen bzw. im Sektorenbereich zur Anwendung gelangen. Damit im Zusammenhang sollen im Sektorenbereich die „Verweisketten“, die derzeit die Regelungen im Sektorenbereich maßgeblich kennzeichnen, vermieden werden.

3.7.   Folgende „Regelungszugänge“ wurden geprüft und aus den unten dargestellten Gründen wieder verworfen: Hinsichtlich der materiellen Regelungen des so genannten „klassischen Bereichs“ geht der Entwurf – wie bereits das BVergG 2002 – davon aus, die Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich (OSW) wie im Unterschwellenbereich (USW) grundsätzlich gleich zu behandeln. Das bedeutet, dass grundsätzlich die Regelungen für den OSW auch im USW gelten und nur einzelne Abweichungen (insbesondere bei der Wahl des Vergabeverfahrens, bei den statistischen Verpflichtungen, bei den Bekanntmachungen und bei den Fristen) als Sonderregelungen für den USW zu normieren sind.

Dieser Regelungsstruktur stehen zwei anderen Regelungsvarianten gegenüber:

Variante 1: Die materiellen Regelungen für den „klassischen Bereich“ werden überhaupt in zwei Teile getrennt, in denen jeweils für sich die materiellen Regelungen für den OSW und für den USW enthalten sind. Dieser Regelungszugang bedeutet, dass eine ganze Reihe von Bestimmungen entweder „doppelt geregelt“ oder über umfangreiche Verweisungen vom einen in den anderen Regelungsbereich integriert werden müssen. Die Konsequenzen wären entweder ein äußerst umfangreiches Gesetz (mit dem Problem der Wahrung der Kohärenz insbesondere bei künftigen Änderungen einzelner Bestimmungen in den jeweiligen Regelungsblöcken; dies wäre nur schwierig zu bewältigen und äußerst „fehleranfällig“) oder ein Gesetz, das auf Grund der Vielzahl von Verweisungen dem Vorwurf der schweren Lesbarkeit ausgesetzt wäre (vgl. dazu die zum BVergG 2002 vorgebrachte Kritik betreffend den Sektorenbereich).

Variante 2: Der Unterschwellenbereich wird – in Anlehnung an die derzeit geltende Rechtslage für Dienstleistungskonzessionen – überhaupt nur sehr rudimentär geregelt, indem die Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Leistungsvergabe (§ 21 BVergG 2002) sowie die Pflicht zur Bekanntmachung in einem angemessenen Publikationsmedium vorgesehen wird. Damit würde sich die gesetzliche Regelung des Unterschwellenbereiches auf die Anordnung grundlegender Gleichheitsgebote und des Transparenzgebots beschränken. Dies würde jedoch zu großer Rechtsunsicherheit bei Auftraggebern hinsichtlich der konkreten Anforderungen an die Vergabeverfahren führen (zB bei der Wahl des Vergabeverfahrens, Länge der Fristen, Mindestinhalt von Ausschreibungsunterlagen). Da insbesondere die primärrechtlichen Rahmenbedingungen (insbesondere Verpflichtung zur Transparenz) derzeit nicht genau festzumachen sind, wäre eine Vielzahl an Vergabekontrollverfahren sehr wahrscheinlich. Eine weitere Konsequenz wäre voraussichtlich, dass als Kontrollmaßstab der Vergabekontrollbehörden die Regelungen für Vergaben im Oberschwellenbereich herangezogen werden würden; dies könnte zum nicht erwünschten Effekt führen, dass letztendlich das Regime des Oberschwellenbereiches de facto auch im Unterschwellenbereich angewendet werden würde.

Hinsichtlich der Regelungen des „Sektorenbereiches“ verfolgt der Entwurf den Ansatz, in einem eigenen „Sektorenteil“ des BVergG das Vergabeverfahren für Sektorenauftraggeber (mit Ausnahme des Rechtsschutzes) eigenständig zu regeln.

Der Ansatz, die Regelungen des Sektorenbereiches in ein eigenes Gesetz zu gießen, wurde nicht weiter verfolgt, da aus legistischer Sicht eine solche „Doppelregelung“ des Vergaberechts (klassischer Bereich/Sektorenbereich) insbesondere bei künftigen Änderungen einzelner Bestimmungen schwierig zu bewältigen und äußerst „fehleranfällig“ wäre. Dazu kommt, dass eine derartige Regelungstechnik einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad für in einzelnen Details leicht abweichende Regelungen im Sektorenbereich aufweist, was wiederum schwierige Interpretationsfragen und letztlich Rechtsunsicherheit im Hinblick auf das Gesamtrechtssystem im Bereich des Auftragswesens mit sich bringen würde. Schließlich wäre bei einem eigenen „Sektorenvergabegesetz“ die notwendige Verzahnung mit dem Rechtsschutzteil erheblich schwieriger, als dies bei einer bloßen Untergliederung in eigene Teile der Fall ist.

Es wäre auch möglich, die Regelungen des Sektorenbereiches umfassend und abschließend im BVergG zu gestalten. Dieser Ansatz nimmt jedoch in Kauf, dass Regelungen, die auch schon im klassischen Bereich existieren, im Sektorenbereich „doppelt“ und unter Umständen völlig inhaltsgleich geregelt werden. Der Vorteil dieses Ansatzes läge darin, völlig ohne Verweise auf andere Teile des BVergG auszukommen. Der Nachteil wäre ein rein textmäßig durchaus umfangreicher Regelungsteil für den Sektorenbereich und ein gegenüber dem bisherigen Zustand umfangmäßig sehr erweitertes Gesetz.

Ein weiterer möglicher Ansatz, der die oben beschriebenen Nachteile weitgehender „Doppelregelungen“ zu vermeiden sucht, wäre, alle Bestimmungen, die für den „klassischen“ wie den „Sektorenbereich“ gleichermaßen gelten sollen, in einem zu regeln und gleichsam „vor die Klammer“ zu ziehen. Erst im Anschluss sollten dann die Spezialregelungen für den „klassischen Bereich“ und den „Sektorenbereich“ angeschlossen werden.

 

 

Der Nachteil dieses Ansatzes liegt darin, dass der „Überschneidungsbereich“ zwischen „klassischem“ Bereich und „Sektorenbereich“ Regelungen an unterschiedlicher systematischer Stelle umfasst. Ein „vor die Klammer ziehen“ dieser Regelungen hätte damit die Konsequenz, dass eine geschlossene Systematik sowohl im „klassischen Bereich“ als auch im „Sektorenbereich“ nicht mehr verwirklicht werden könnte.

 

Die Arbeitsgruppe entschloss sich daher einen Ansatz zu verfolgen, der versucht, möglichst viele Vorteile zu kombinieren und möglichst wenig Nachteile in Kauf zu nehmen. Der im Folgenden vorgeschlagene Ansatz für eine Systematisierung der Regelungen für den „Sektorenbereich“ basiert auf folgenden Grundgedanken:

- Der „Sektorenteil“ soll in sich geschlossen lesbar und verständlich sein. Verweise erfolgen daher immer nur vom Sektorenteil in den klassischen Teil (und nicht, wie bisher, auch umgekehrt) und enthalten immer nur Verweise „erster Ordnung“, also insbesondere keine Weiterverweise in den verwiesenen Bestimmungen.

- Auf Regelungen des „klassischen Teils“ wird nur dort verwiesen, wo ein gesamter „Regelungsblock“ des klassischen Teils gleichsam in den Sektorenteil „inkorporiert“ werden soll. Dies erscheint sinnvoller, als diesen „Regelungsblock“ im Sektorenteil inhaltlich unverändert „abzuschreiben“.

- Wo nur einzelne Regelungen oder überhaupt nur Teilregelungen sowohl im klassischen wie im Sektorenteil gelten sollen, werden zur besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit diese Regelungen bzw. Regelungsteile im Sektorenteil nochmals ausdrücklich wiedergegeben.

- Der systematische Aufbau des klassischen Teils und des Sektorenteils ist gleich. Daraus folgt, dass die grundsätzlichen Prämissen, von denen das System im klassischen Teil ausgeht, auch für den Sektorenteil gelten: Das bedeutet zum einen, dass grundsätzlich die Regelungen für den Oberschwellenbereich auch im Unterschwellenbereich gelten und für den Unterschwellenbereich nur Abweichungen/Vereinfachungen im Einzelfall normiert sind.

 

3.8.   Die Anhänge wurden den Richtlinien entsprechend gestaltet und zT sprachlich neu gefasst. Darüber hinaus wurde in Anhang V die Liste der zentralen öffentlichen Auftraggeber (nicht mehr: zentrale Beschaffungsstellen um eine Verwechslung mit den neu definierten zentralen Beschaffungsstellen im Sinne der Richtlinien zu vermeiden) in ihrer derzeit aktuellen Version in das BVergG aufgenommen.

 

3.9.   Auf Grund der Vielzahl der neu zu fassenden Bestimmungen, der neuen Strukturierung und zur Wahrung der Übersichtlichkeit sieht der vorliegende Entwurf eine Neuerlassung des BVergG anstatt einer Einzelnovellierung vor.

 

Dieser Gesetzesbeschluss des Nationalrates enthält folgende Verfassungsbestimmungen: § 291 Abs. 3 (sinngemäße Geltung des Art. 89 B-VG auch für das Bundesvergabeamt), § 294 Abs. 2 Z 3 (Amtsenthebung des Vorsitzenden, des stellvertretenden Vorsitzenden und eines Senatsvorsitzenden durch Beschluss der Bedienstetenversammlung), § 295 (Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Mitglieder des Bundesvergabeamtes), § 309 Abs. 2 (Bindung der im gemeinsamen Geschäftsapparat der Bundes-Vergabekontrollkommission und des Bundesvergabeamtes tätigen Bediensteten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an die fachlichen Weisungen des jeweiligen Vorsitzenden), § 345 Abs. 1 Z 2 (In-Kraft-Treten der Verfassungsbestimmungen des BVergG) und § 345 Abs. 1 Z 4 (Außer-Kraft-Treten der Verfassungsbestimmungen des BVergG 2002).

 

Da durch den Gesetzesbeschluss die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung eingeschränkt werden soll, bedarf er gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates. Gemäß Art. 14b Abs. 4 B‑VG bedarf die Kundmachung des Gesetzes der Zustimmung der Länder.

 

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Gesetzesbeschluss in seiner Sitzung am 19. Dezember 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Bundesräte Roswitha Bachner und Jürgen Weiss.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1.      gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2.      dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B‑VG die verfassungs-mäßige Zustimmung zu erteilen.

Wien, 2005 12 19

Mag. Bernhard Baier        Jürgen Weiss

       Berichterstatter           Vorsitzender